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Nachbarschaft mit kleinen Fehlern: Kriminalroman
Nachbarschaft mit kleinen Fehlern: Kriminalroman
Nachbarschaft mit kleinen Fehlern: Kriminalroman
eBook290 Seiten3 Stunden

Nachbarschaft mit kleinen Fehlern: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Amelie zieht in ihre schöne (und günstige) neue Wohnung. Alles wäre so schön, wenn nicht diese selbtsamen Leute in dem Laden im Erdgeschoss wären, die ihr unterstellen, sie sei unentspannt, ihre Seele (wahlweise: ihre Mitte) leide und sie brauche dringend ein entsprechende Therapie. Sie reagiert darauf zunehmend aggressiv und dann fällt eine der "Dienerinnen" in dieser Sekte aus einem Flurfenster im dritten Stock - Selbstmord? Oder etwas anderes?
Die Kripo, ohnehin schon mit einem anderen Fall von (vorgetäuschtem) Selbstmord befasst, schaltet sich ein; Anne Malzahn, Katrin Kramer und Ben Hollerbach vermuten, dass beide Taten zusammenhängen - und andere rätselhafte Vorfälle möglicherweise auch.
Amelie und ihr alter Schulfreund Fritz unterstützen die Polizei nach Kräften und staunen am Ende wie alle anderen über die überraschende Auflösung...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum16. Dez. 2020
ISBN9783753134857
Nachbarschaft mit kleinen Fehlern: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Nachbarschaft mit kleinen Fehlern - Elisa Scheer

    cover.jpg

    Alles frei erfunden!

    Imprint

    Nachbarschaft mit kleinen Fehlern. Kriminalroman

    Elisa Scheer

    Published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2020 R. John 85540 Haar

    Cover: privat

    ISBN 978-3-753134-85-7

    1 Mittwoch

    Das Haus war wirklich schön, stellte Amelie fest, als sie mit zwei Schlüsseln und dem Mietvertrag auf die Straße trat – diese satte Farbe der Fassade! Kaisergelb nannte man das, hatte der Vermieter erklärt. Auch der etwas behäbige Baustil gefiel ihr – das Haus wirkte solide und gemütlich zugleich mit den dicken Mauern, den Loggien, den gemauerten Müllhäuschen und dem wilden Wein an der Seite.

    Kurz vor dem Ersten Weltkrieg, hatte der Vermieter gesagt, als sie nach dem Baujahr gefragt hatte. Sie wusste nicht recht, ob man das gut finden durfte – als studierte Germanistin hatte man sofort Bilder von unterdrückter Arbeiterklasse und konservativ-erstarrtem Bürgertum im Kopf, von expressionistischen jungen Dichtern, die sich von einem Krieg endlich ein Sprengen der Fesseln und Konventionen erhofft hatten. Sie seufzte kurz – wer von ihnen hatte auch nur das erste Kriegsjahr überlebt?

    Das spielte aber jetzt keine Rolle! Das Haus war schön, die Wohnung hatte genau die richtige Größe, die Miete war bezahlbar und obendrein konnte man in diesen Zeiten ohnehin froh sein, eine Wohnung zu finden. Sie hätte schon als Schülerin die Hundertmark- und später Fünfzigeuroscheine von Weihnachten gut anlegen sollen, dann hätte sie jetzt vielleicht ein kleines Vermögen und könnte sich etwas kaufen… aber wollte sie das überhaupt? Sie wusste doch noch gar nicht, was sie langfristig einmal machen wollte! Eigentlich armselig für dreißig Jahre…

    Vielleicht aber hatte man das mittlerweile so? Das sollte sie nachher einmal durchdenken…

    Sie durchquerte die Hofeinfahrt und betrachtete sich die Hinterfassade: genauso gelb, genauso solide – und hier gab es Balkone, die wahrscheinlich viel ruhiger waren, aber der Blick auf Garagen und einen Haufen Fahrräder war eher uninteressant. Sie hatte einen Balkon zur Straße hin und konnte den Drogeriemarkt, den Bäcker, den Schreibwarenladen (oh, mit einem Paketsymbol! Sehr praktisch!) und die Ecke zum Wupperweg überblicken. Naja, da gab es ein, zwei Läden (unter anderem einen SB-Waschsalon) und dann lange Häuserreihen im Stil der frühen Fünfziger. Was hatte es wohl vor dem Krieg dort gegeben? Wiesen oder ältere Häuser, die im Krieg zerstört worden waren?

    Okay, Hinterhof in Ordnung. Und wer wohnte hier sonst noch? In jedem Stockwerk gab es eine kleine Zweizimmerwohnung wie ihre im zweiten Stock und daneben eine Wohnung mit drei Zimmern. Fast schon großbürgerlich… aber vielleicht gab es hier ja auch Kinder?

    Sie studierte die Klingelschilder, aber natürlich sagten ihr die Namen noch nichts. Im Erdgeschoss gab es links eine Reinigung mit dem schönen Namen „Wäschebutler, rechts etwas, das „Silver Centre hieß. Worum es sich da handelte, war nicht ersichtlich, denn hinter den beiden Fenstern gab es diesen hässlichen Sichtschutz aus senkrechten Textilstreifen. Und hinter der Tür sah man eine Art hellgrauen Stoff. Passend zu „Silver"?

    Wahrscheinlich eine Vermögensverwaltung oder sowas, „Silver" klang doch wertvoll?

    „Was machen Sie denn da?"

    Amelie drehte sich um und stand vor einem alten Herrn, sogar mit Hut.

    „Ich schaue mir nur an, wer hier wohnt, warum?"

    „Vulgäre Neugierde!", schnaubte der Alte.

    „Ich wohne hier, also darf ich doch mal schauen, wer meine neuen Nachbarn sind?"

    „Sie wohnen nicht hier, das wüsste ich! Lügen Sie nicht so unverschämt!"

    „Doch, das tue ich, aber zugegebenermaßen erst seit heute. Ich habe die Wohnung gerade gemietet."

    „Unmöglich, es ist doch gar niemand ausgezogen?"

    „Offenbar doch, zweiter Stock links?"

    „Da wohnt Fräulein von Holnbeck!"

    Amelie kicherte unwillkürlich. „Fräulein?"

    „Wie nennen Sie denn eine unverheiratete Dame?"

    „Frau! Es macht eine Frau doch nicht kleiner, wenn sie keinen Mann hat! Fräulein ist ein sehr veralteter Begriff. Seit praktisch fünfzig Jahren veraltet, übrigens."

    „Ach, woher wollen Sie das denn wissen?"

    Das Gespräch erschien ihr allmählich etwas surreal.

    „Ich bin Germanistin."

    „Eine Studentin!", stöhnte der Alte auf. „Dann haben wir jetzt täglich solche Demos? Und das Haus riecht nach Hasch?"

    Amelie seufzte. „Mir scheint, Herr - ?, Sie haben seit den Siebzigern keine Studenten mehr gesehen?"

    „Greifenklau. Johann Greif von Greifenklau."

    „Toller Name, fand Amelie. „Ist der echt?

    „Unverschämtheit!" Der Alte schloss die Haustür auf und stapfte die Treppe hinauf. Amelie studierte weiter die Namensschilder: tatsächlich, Greifenklau! Wie aus einem alten Trivialroman… Immerhin war er nicht ihr direkter Nachbar, das war ein Paar, wenigstens standen da zwei Namen, Benisch und Mitterlehner. Okay, es konnte auch eine kleine Wohngemeinschaft sein. Darüber musste der alte Greifenklau sich nicht aufregen? Eine Kommune?

    Der Vermieter hatte doch gesagt, er werde sich um ein neues Klingelschild kümmern, oder?

    Wieso wohnte der alte Zausel denn nicht auf der Burg Greifenklau? Gab´s die überhaupt?

    Ach, egal. Sie würde jetzt nach Hause fahren, in ihr altes Zuhause, und ihren Krempel einsammeln und ihn hierherschleppen. Morgen wollten Benni und Rieke ihr ja mit den großen Teilen helfen, Rieke hatte schließlich einen Transporter, da passten die paar Sachen schon hinein.

    2 Mittwoch

    Anja Benisch teilte ihre Aufmerksamkeit zwischen dem Topf, in dem sie Karottenbrei erwärmte, und dem Laufställchen im Wohnzimmer, in dem Luca rhythmisch zwei Kunststoff-Bauklötze gegeneinanderschlug.

    Luca war ein Schatz; sie eilte hinüber und beugte sich über das Laufstallgitter. „Na, mein Süßer? Baust du schön?"

    Er strahlte sie an. „Mama…!"

    Sie strich ihm über die Wange, was er tatsächlich mit „Ei, ei" kommentierte, und kehrte zum Karottenbrei zurück. Die Temperatur passte, wie sie rasch überprüfte; sie rührte noch einen kleinen Klecks Sahne für den Geschmack ein und füllte den Brei in einen vorgewärmten Napf.

    Als sie Luca auf dem Schoß hatte, überkam sie wieder dieses Glücksgefühl, das sie jedesmal empfand, wenn sie seinen warmen kleinen Körper im Arm hatte.

    Ein Kind zu haben… ein eigenes Kind: Was konnte es Schöneres geben? Luca drehte sich um und schaute zu ihr auf: „Mama…?"

    „Ja, mein Liebling. Jetzt gibt es einen leckeren Brei!"

    Er sperrte sofort sein Mäulchen auf, offenbar verstand er schon das Wort „Brei", auch wenn er noch nicht allzu viel sprechen konnte; außer Mama, Papa, will! und Arm! hatte er noch nichts zu bieten, aber er war doch erst gerade einmal neun Monate alt. Immerhin stand er manchmal schon im Laufställchen, wenn er nicht gerade mit seinem Spielzeug beschäftigt war. War er nicht ein kluger kleiner Kerl?

    Er verputzte auch den ganzen Brei, ohne ungebührlich viel in die Gegend zu prusten, ließ sich ohne Protest das Gesicht abwischen, freute sich über eine frische Windel und ließ sich dann zum Mittagsschlaf ins Bett legen.

    Mutter sein war herrlich, fand Anja. Und Bastian dachte das gleiche, ein leidenschaftlicher Vater! Glücklicher konnte man nicht sein…

    o

    Roswitha eilte an ihren Spion: Wer lief denn um diese Zeit im Treppenhaus herum? Der Greif war in seiner Wohnung und kam erfahrungsgemäß so bald nicht mehr heraus, die Benisch spielte mit ihrem kleinen Schreihals, die Schmalzl war in der Arbeit – sie hatte sie heute Morgen im Vorbeigehen an der Kasse im Drogeriemarkt gesehen.

    Die alte Holnbeck war ins Betreute Wohnen umgezogen – Zeit war´s gewesen, man musste ja schon fürchten, dass sie irgendwas auf dem Herd vergaß und das ganze Haus in Brand steckte!

    Ziemlich jung, die Neue. Mit mehreren Reisetaschen beladen. Hatte wohl kein Geld für ein Umzugsunternehmen. Ob die wohl laute Musik spielte? Das war hier ein ruhiges Haus!

    Na, abwarten, der Greif würde sich schon rechtzeitig aufmandeln, da musste sie selbst sich gar nicht sofort einmischen! Der mandelte sich schließlich wegen jedem Schmarrn auf, der alte – naja.

    Außerdem waren alle im Haus harmlos, wenn man sie mit den Spinnern drunten im Erdgeschoss verglich, in ihren trübseligen, farblosen Kutten und mit ihrer komischen fernöstlichen Musik. Ob die schwarze Messen feierten? Zu blöd, dass die immer diesen Sichtschutz am Fenster hatten…

    o

    Amelie hatte sämtliche Bücher und Ordner in der Wohnung ausgepackt, ihren Putzkram in der Küche aufgestapelt und dann ihre Taschen wieder eingesammelt, um die nächste Ladung zu holen.

    Viel war es eigentlich gar nicht mehr, in einem WG-Zimmer sammelte man nicht gar so viel Wohlstandsmüll an. Etwas Geschirr, in Frotteetücher gewickelt, ein Wäschegestell, ihren Kosmetikkram, zwei Töpfe, zwei Reisetaschen mit all ihren Klamotten und ihrem Bettzeug und als letztes ihren grauen Klappsessel, den man zu einem verdammt schmalen Bett ausklappen konnte.

    Sie schnaufte ordentlich, als sie alles nach oben geschleift hatte, und sah sich dann etwas unentschlossen um.

    Erst mal was essen, beschloss sie in einem Anfall von Unlust. Der Bäcker war ja gleich gegenüber!

    Mit einer Leberkässemmel, einer winzigen (und umso teureren) Flasche Diet Coke und zwei Brezen kam sie zurück, zog einen Teller aus den Frotteetüchern und aß erst einmal, während sie sich umsah. Der Vermieter hatte offensichtlich weißeln lassen, der Mosaikparkettboden war alt, aber gut gepflegt und an der Decke im Wohnzimmer hing noch eine Lampe – nicht ganz ihr Geschmack, aber erträglich. Unauffällig.

    Trotzdem – sobald sie fertig gegessen hatte, sollte sie etwas Putzzeug besorgen, denn in der WG hatten sie das Allernötigste gemeinsam benutzt und ab und zu einen Euro ins Putzschwein geworfen.

    Was machten die wohl in diesem Silver Centre? Sie warf, während sie darauf wartete, die Straße in Richtung Drogeriemarkt überqueren zu können, einen Blick auf die abweisende Fensterfront. Vielleicht krumme Geldgeschäfte? So sah es jedenfalls aus…

    Im Drogeriemarkt suchte sie länger, bis sie ein ökologisches Universalputzmittel gefunden hatte, dazu einige Microfaserlappen und einen Bodenwischer. Ob sie Parkettpolitur brauchte, musste sie ja jetzt noch nicht entscheiden! Sie stand schon an der Kasse an, als eine junge Frau in wallendem Schwarz in den Laden kam und sich etwas ratlos umsah. War das eine Nonne? Sie schaute noch, als die Kassiererin sie auffordernd ansah, sich dann drehte und „So eine schon wieder", murmelte.

    „Ist das eine Nonne?", fragte Amelie also, während sie ihre Einkäufe aufs Band legte.

    „Nonne? Ach wo! Das sind bloß so g´spinnerte Leut´ von da drüben." Sie wies auf Amelies Haus.

    „Spinner? Dieses komische Silver Centre? Ich dachte, das wäre so was wie eine Bank? Die haben doch die Fenster abgedeckt, das sieht irgendwie geheimnistuerisch aus", antwortete Amelie, während sie ihre Beute einpackte und der Kassiererin einen Zwanziger reichte.

    „Denk ich mir auch immer. Wer weiß, was die da drin treiben… Schwarze Messen vielleicht?"

    „Huch!, machte Amelie. „Glauben Sie echt?

    „Weiß man´s? Sieben dreiunddreißig zurück, danke schön…"

    Amelie stand schon in der Tür, als die Frau in der schwarzen, bodenlangen Kutte an die Kasse kam und eine Seife der Hausmarke aufs Kassenband legte.

    Ganz schön asketisch, fand sie und kehrte in ihre Wohnung zurück, wo sie erst einmal alle Fächer der Küchenschränke auswischte – nicht allzu gründlich, denn sie hatten ohnehin recht sauber gewirkt. Den neuen Bodenwischer weihte sie im Bad und in der Küche ein und fuhr, als der Microfaserbezug bereits etwas trockener war, auch über das Parkett in Schlafzimmer und Wohnzimmer.

    Wirklich eine nette Wohnung – klein, aber hübsch. Die Küche ohne Waschmaschine, aber entweder gab es eine Waschküche im Keller oder sie würde den SB-Waschsalon frequentieren. Das Bad hatte nur eine Duschkabine, aber Baden hielt Amelie ohnehin für unökologisch. Diese Wohnung würde es ihr ermöglichen, besser auf Nachhaltigkeit zu achten, als es in der WG möglich war, wo man sich dann bloß in endlose Streitereien verstrickte – Wer hatte den Müll nicht richtig getrennt? Wer hatte diese Plastiktüte eingeschleppt? Waren Kaffeekapseln einen ökologische Sauerei?

    Jetzt hatte sie endlich Ruhe und Frieden!

    Die Küchenschränke waren trocken und der Boden glänzte auch nicht mehr nass, also konnte sie das Geschirr einräumen und ihr Besteck der obersten Schublade anvertrauen. Der Putzkram kam unter die Spüle, der Aufnehmer des Schrubbers wurde sorgfältig ausgespült und zum Trocknen über den Wasserhahn gehängt. Wie ordentlich sie heute war! Ob das in der neuen Wohnung etwas länger anhielt als in der WG und diesem Winzappartement an der Kirchfeldener Landstraße? Sie kicherte in sich hinein, als sie sich erinnerte, wie grandios sie dort im Chaos versunken war. Nein, hier würde es anders werden – schon deshalb, weil sie ihren ganzen Plunder vor dem Umzug bestimmt halbiert hatte.

    Naja, immer noch genug Schotter… bis jetzt hatte sie nach einem Umzug immer noch eine Menge wegwerfen können.

    Aber jetzt machte sie das Ganze doch mit System, mit dem Entrümpelbuch von Lea Sarow. Minimalismus war schließlich der Trend der Zeit!

    Die Küche wies auch einen Hochschrank auf, der innen blitzblank war und sieben völlig leere Fächer aufwies. Bis sie morgen ihren Kleiderschrank aufbauen konnte, würde sie hier ihre Klamotten schön sortiert aufbewahren, dann verknitterten sie nicht. Übermorgen musste sie schließlich wieder arbeiten und in der Literaturagentur konnte sie nicht wie eine Pennerin aufschlagen.

    Also schleifte sie die beiden Reisetaschen in die Küche und ging an die Arbeit. Zwei schwarze Hosen, eine aus Samt, zwei graue Hosen, eine aus Cord, eine in Pink. Das gab ein ordentliches Häufchen. Daneben drei Strickjacken (schwarz, grau, rosa), darüber zehn dazu passende T-Shirts und eine Kiste mit Unterwäsche und Strümpfen, die kaum in das Fach passen wollte. Die vier Blazer (pink, schwarz, dunkelgrau, hellgrau) hängte sie an die Küchentür, die Blusen an die Schlafzimmer- und an die Badezimmertür.

    Das Bettzeug warf sie auf den Klappsessel, die Kosmetika kamen ins Bad. Nicht schlecht für die erste Runde, fand sie.

    Oh, Handtücher und die anderen beiden Bettbezüge und die Laken dazu! Im Küchenschrank war noch viel Platz…

    Schließlich war mit Ausnahme der Bücher, der Ordner aus dem Studium und dem Kram für den Ess-/Schreibtisch alles aus dem Weg geräumt und Amelie sah sich zufrieden um. Schrank, Regale, Tisch und Bett konnten morgen kommen!

    Sollte sie sich bei allen Nachbarn vorstellen? Oder warten, bis sie sie zufällig im Treppenhaus traf? Auf diese komischen Leute aus dem Silver Centre war sie sowieso nicht scharf… sie würde warten, ob sie sie im Treppenhaus traf! Bei diesem Greifenklau hatte sie ja wohl eh schon verschissen…

    Na, morgen!

    3 Donnerstag

    Um acht stand sie wieder in ihrem alten WG-Zimmer, nahm die Bretter aus den Regalen, steckte die Haltestifte ein, zerlegte den Schrank, soweit sie das alleine fertigbrachte, und stopfte die letzten herumliegenden Kleinigkeiten in eine Tragetasche. Auf dem Gang wurde es lauter, dann läutete es. Basti und Rieke? Nein, eine fremde Stimme – oh, das musste diese Neue sein, ihre Nachmieterin, Inge? Inga?

    Sie schaute in den Flur – tatsächlich; Inga und ein recht gutaussehender Mann trugen richtige Umzugskisten herein und stapelten sie im Flur auf. Inga sah auf: „Du bist noch gar nicht weg?"

    „Meine Freunde kommen um neun und helfen mir mit den großen Stücken, der Rest ist schon drüben, antwortete Amelie unwirsch. „Ich dachte, wir hätten neun ausgemacht?

    „Ich dachte, wir könnten schon früher kommen. Das Zimmer ist aber schon geputzt?"

    „Durchsaugen kann ich erst, wenn Bett und Schrank draußen sind, ansonsten ist geputzt. Ich kann die beiden Regale nach draußen tun, aber dann kommt niemand mehr durch den Flur."

    Glücklicherweise kam Beate aus dem Bad und bat Inga und ihren Macker, doch bitte den Rest im Treppenhaus eng an die Wand zu stellen. „Ihr steigt doch auch nicht in den Bus, bevor die anderen Leute ausgestiegen sind?"

    „Ich muss zur Arbeit, grummelte der Mann, der sich nicht mal vorgestellt oder wenigstens die anderen begrüßt hatte. „Wie lange dauert das denn noch?

    „Hab ich doch gerade gesagt, meine Freunde kommen um neun. Jetzt ist es zwanzig nach acht. Taschenrechner ist leider schon drüben."

    „Ganz schön pampig."

    „Wie man in den Wald hineinruft… ich kann nichts dafür, dass ihr zu früh dran seid. Hättet ihr vorher gefragt, hätte ich vielleicht Basti und Rieke auch vorverlegen können." Amelie zerrte das erste Regal in den Flur und alles andere, soweit sie konnte, zur Tür, so dass sie den Bereich am Fenster schon einmal absaugen konnte.

    „So, Sie könnten die Kisten schon mal vors Fenster stellen."

    „Wozu? Dann ist es drinnen doch dunkel?"

    Sie rollte deutlich mit den Augen. „Da hängt doch eine Lampe! Und wenn Sie die Kisten reintragen, ist hier draußen wieder mehr Platz, also könnte ich noch mehr von meinem Kram in den Flur stellen und wieder ein Stück saugen. Sie haben es doch so eilig!"

    Der Typ murmelte etwas von Studenten und eh nichts zu tun und keine Struktur.

    „Was heißt hier keine Struktur? Wir hatten neun Uhr vereinbart, was kann denn ich dafür, wenn Sie zu früh auftauchen!"

    Diese Inga wirkte etwas peinlich berührt, aber Amelie hatte jetzt keine Lust, zu überlegen, was genau ihr peinlich war, das WG-Zimmer oder ihr Macker. Sie wenigstens machte sich daran, Kiste für Kiste ins Zimmer zu tragen; im Gegenzug zog Amelie das zweite Regal nach draußen und wuchtete das Bett schon mal auf die Seite. Zu zweit mit Inga schaffte sie auch das Bett nach draußen – und da tauchten auch schon Bastian und Rieke auf und übernahmen das Bett. Inga blöder Begleiter murmelte nach einem Blick auf Rieke etwas von Mannweib und Amelie verkniff es sich mit Mühe, Inga zu fragen, woher sie diesen Deppen bloß hatte.

    Im Handumdrehen waren sie zurück und zerlegten den Schrank zu zweit in seine Einzelteile. Amelie saugte den Rest. „Also bitte schön! Das Fenster ist geputzt, der Boden ist gesaugt, und die Wände hab ich erst letztes Jahr gestrichen."

    „Das sollte man eigentlich beim Mieterwechsel machen", moserte Ingas komischer Freund.

    „Nein, muss man nicht, fand Rieke, einen Stapel Schrankbretter lässig unter dem Arm, „Amelie hat beim Einzug gestrichen und letztes Jahr nochmal, das reicht ja wohl. Sie musterte die zierliche, blonde Inga etwas abschätzig und fuhr fort: „Wenn du rosa Wände und Einhörner willst, musst du selbst zur Rolle greifen."

    Inga kicherte. „Also, zehn bin ich nun schon länger nicht mehr. Das Zimmer ist völlig okay." Sie stellte weitere Kisten vor das Fenster und sah ihren Begleiter auffordernd an.

    „Was ist?", fragte er.

    „Die Möbel müssen noch rauf", erinnerte sie ihn.

    In Anwesenheit von Beate übergab Amelie die Schlüssel und wünschte ihrer Nachmieterin dann viel Glück im neuen Heim.

    Im Dortmunder Weg mussten sie halb auf dem Bürgersteig parken, was natürlich den Greifenklau, der überwachend aus dem Fenster hing, schon wieder aufregte.

    „Noch will ja hier keiner vorbei!, rief Amelie unwirsch nach oben. „Und wenn wir jetzt keine Zeit verplempern müssen, sind wir auch gleich wieder fertig!

    Sie schnappte sich einige Regalbretter und eilte nach oben, um die Tür aufzusperren. Einige Momente später schwankten ihre Freunde mit dem Bett herein und stellten es weisungsgemäß ins Schlafzimmer; Amelie hatte, um das Parkett zu schonen, kaum Filzgleiter unter die Beine geklebt, als auch schon die ersten Schrankteile und ein Stuhl auftauchten.

    Sie arbeiteten etwa eine halbe Stunde lang, dann stand alles oben, sogar so etwa an der richtigen Stelle, und der Schrankkorpus war perfekt zusammengesetzt, besser als zuvor, als Amelie den alten Schrank alleine hatte aufbauen müssen.

    Amelie umarmte beide und lud sie zum Essen ein; Rieke wünschte sich den Kaiserpalast, aber lieber erst abends. Bastian grinste. „Ich glaube auch nicht, dass die Frühstück anbieten. Es ist gerade mal zwanzig vor zehn! Komm, wir bringen den Transporter weg, ich muss noch ein Referat machen."

    Rieke musste auch zur Arbeit, also winkte Amelie ihnen dankbar nach und wandte sich zurück zur Haustür. Greifenklau hing immer noch - oder schon wieder - aus dem Fenster und sie gestikulierte mit weit ausgebreiteten Armen, um zu zeigen, dass doch wohl alles fristgerecht verräumt worden war.

    Greifenklau knallte entrüstet sein Fenster zu; Amelie grinste und eilte nach oben, wo sie sich erst einmal ratlos umsah: Wo sollte sie denn da anfangen?

    Außerdem brauchte sie jetzt wohl ein Sofa, wo doch das Bett im anderen Zimmer stand… nicht so eilig, zunächst konnte sie ja den Klappsessel verwenden!

    Wo kamen die Regale hin?

    Also platzierte sie erst einmal den Klappsessel und überlegte.

    Hm… das Sofa dann etwa hierhin, die Regale an die nächste Wand, für eventuelles Binge Watching? Es gab ja wirklich

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