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Gute Vorsätze – böse Streiche
Gute Vorsätze – böse Streiche
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eBook476 Seiten6 Stunden

Gute Vorsätze – böse Streiche

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Über dieses E-Book

Als ihr Freund sich nach Neuseeland abseilt, beschließt Marianne, ihr Leben zu ändern. Sie räumt auf, mistet aus (auch etwas Hüftspeck) und beginnt neben dem Studium als Aushilfe in einer etwas chaotischen Werbeagentur zu arbeiten. Es scheint so richtig aufwärts zu gehen, aber die Männer in der Agentur sind zumindest merkwürdig – und dann finden dort alberne Streiche statt, die sich in ihrer Gefährlichkeit immer weiter steigern. Wer könnte etwas gegen die Agentur haben? Marianne zerbricht sich den Kopf, darüber und über einen zunehmend sympathischeren, aber rätselhaften Kollegen. Er kommt ihr zunächst nicht so recht näher - ein anderer, sehr viel unsympathischerer aber schon, und die Gefahr wächst...
Schließlich knallt es gewaltig, die Kripo findet die Wahrheit heraus und Marianne bekommt doch noch ihre große Liebe.
*** Insgesamt: Freundschaft, Liebe und ein bisschen Krimi…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum5. Juni 2015
ISBN9783737547475
Gute Vorsätze – böse Streiche

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    Buchvorschau

    Gute Vorsätze – böse Streiche - Elisa Scheer

    I

    Als ich die Augen zu öffnen versuchte, spürte ich schon die Kopfschmerzen. Mühsam verschaffte ich mir klare Sicht und setzte mich im Bett auf, obwohl mir ein heftiger Stich durch den Kopf fuhr. Großer Gott, wie sah es denn hier aus? Schöner Palmsonntag...

    Neben mir schnarchte Tom, was meinem Schädel auch nicht gerade gut tat. Wie spät war es eigentlich? Viertel nach sieben? Wieso war ich dann schon wach – wir hatten doch erst um eins diesen teuflischen Rotwein aufgemacht, den Tom von irgendjemandem geschenkt bekommen hatte? Ich erinnerte mich dunkel, dass wir über irgendetwas gestritten hatten und der Rotwein die Argumentationstechnik nicht unbedingt verbessert hatte. Worum es gegangen war, fiel mir allerdings nicht mehr ein.

    Sollte ich weiterschlafen? Nein, mittlerweile war ich hellwach, schlafen konnte ich nicht mehr – und außerdem hatte ich Durst, also kroch ich aus dem Bett und schleppte mich in meine winzige Küche. Herrlich, im Kühlschrank waren noch ein Cola light und ein ganzer Liter Orangensaft. Das Cola zwinkerte mir einladend zu, und ich folgte der Einladung gierig. Nach der halben Flasche ging es mir etwas besser, sicherheitshalber schluckte ich aber noch zwei Aspirin. Damit war die Flasche fast leer; ich ließ sie stehen und schlich ins Bad.

    Warum schlich ich eigentlich? Tom würde nicht aufwachen, der hörte kaum meinen Luftschutzsirenen-Wecker. Erstmal duschen, so heiß wie möglich; ich wusch mir auch gleich die Haare. Danach fühlte ich mich eindeutig besser. Im Morgenmantel, ein Handtuch um die nassen Haare gewickelt, tappte ich ins Zimmer zurück. Es sah wirklich schauerlich aus – hatten wir das alles gestern gemacht? Überall halbleere und leere Gläser, volle Aschenbecher, abgegessene Teller, zwei Pizzakartons, alle CDs verstreut, dazwischen unsere Klamotten, die eine Spur vom Esstisch zum Bett zogen, Uni-Unterlagen in wilden Haufen auf dem kleinen Schreibtisch, Zeitschriften, die Fernbedienung, mein verstrubbeltes Strickzeug, einige Bücher und jede Menge Staub. Wie lange hatte ich hier eigentlich nicht mehr sauber gemacht? Seit Semesterende nicht mehr, so schien es mir – und heute war der 28. März. Pfui! Ich war doch sonst nicht so verschlampt?

    Langsam und unlustig begann ich damit, die Gläser wenigstens in die Küche zu tragen und die Pizzakartons in den Müll zu stopfen. Gehörte fettige Pappe ins Altpapier? Keine Ahnung... Es war mir im Moment auch egal.

    Ab und zu warf ich einen Blick zum Bett, obwohl das gar nicht nötig war – das leise, regelmäßige Schnarchen zeigte ja deutlich genug an, dass der hohe Herr in aller Ruhe seinen Kater ausschlief. Wenn´s ihm Spaß machte...

    Ich ließ Wasser ins Spülbecken laufen, dazu eine Menge Spülmittel, und weichte alles schmutzige Geschirr samt den Gläsern erst einmal unter einem Berg von Schaum ein. Dann leerte ich die Aschenbecher in den Müll, wischte sie aus und räumte die CDs wieder in das seltsame kuhförmige Gestell, das Tom mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Eigentlich gefiel es mir nicht besonders, aber ich hatte den armen Kerl nicht kränken wollen und deshalb Freude geheuchelt.

    Armer Kerl - wieso eigentlich arm? Er lag gemütlich im Bett, und ich durfte den Saustall mal wieder ganz alleine aufräumen. Immer das Gleiche! Ich warf einen giftigen Blick zum Bett, wo er sich gerade umdrehte. Ein Fuß hing unter der Bettdecke hervor. Wecken war zwecklos, dann war er nur mürrisch.

    Also machte ich erst einmal weiter, stapelte die Bücher für die Uni ins Regal, räumte die Zeitschriften weg, wischte den Tisch ab, trank das Cola ganz aus und rauchte auf dem winzigen Balkon eine Zigarette. Kalt war´s, kaum zu glauben, dass bald Ostern war! Das große Gartencenter nebenan war mit neonfarbenen Plakaten bepflastert, die den Räumungsverkauf ankündigten – in so riesiger Schrift, dass ich sie sogar vom dritten Stock aus lesen konnte. Ob da wohl etwas Interessanteres hingebaut würde?

    Ich fröstelte und kehrte in mein zwergenhaftes Einzimmerappartement zurück. Eigentlich wohnte ich ganz gerne hier, die Wohnung war nicht übel geschnitten, Küche und Bad genügten meinen Ansprüchen – und die Miete betrug nur 600 Mark warm. Außerdem waren eine U-Bahnstation und eine Bushaltestelle gleich um die Ecke, und einen großen Billigmarkt gab´s auch. Alles andere konnte man im Univiertel erledigen... Wenn meine 35 Quadratmeter nur nicht so oft knietief mit Gerümpel bedeckt wären! War das ich oder Tom, der eine derartige Unordnung verursachte? Warum waren wir immer bei mir und nie bei ihm? Er hatte doch eine eindeutig größere Wohnung? Ich warf ihm erneut einen giftigen Blick zu und beschloss, mich anzuziehen.

    Die alten Jeans – heute war schließlich bloß Sonntag – und das Sweatshirt vom Ärzte-Konzert. Mir war so nach der Aufschrift „Männer sind Schweine"! Dazu irgendwelche Socken und Turnschuhe, das reichte ja wohl. Und einen schlampigen Pferdeschwanz.

    Tom schlief immer noch. Gut, es war mittlerweile auch erst kurz vor acht und immerhin hatte sich mein Kopfweh gelegt. Ich taute mir zwei Semmeln im Ofen auf und legte mir die Unterlagen für das Referat zurecht, das ich Mitte Mai über die unterschiedlichen Gralskonzeptionen halten sollte. Im Moment gab es kaum etwas, was mich weniger interessierte. Ich liebte meine Studienfächer, aber vor jedem Referat, vor jeder Seminararbeit packte mich tiefe Unlust. Am liebsten hätte ich nur Vorlesungen gehört.

    Die Semmeln waren fertig; ich strich Leberwurst darauf und frühstückte; dabei wurde leider auch der Orangensaft ziemlich dezimiert. Nun wieder eine Zigarette... Ach, ich hatte wirklich keine Lust auf das Referat!

    Tom schlief immer noch und grunzte im Schlaf vor sich hin. Was fand ich eigentlich an ihm? Naja, man durfte nicht ungerecht sein – wach hatte er durchaus einen gewissen Charme, aber ich war heute Morgen eben leicht gereizt. Statt mich der Wissenschaft zu widmen, stellte ich mich zur Bestandsaufnahme im Bad vor den Spiegel. Ich sah normal aus, die gestrige Nacht hatte keine Spuren hinterlassen. Am Mittwoch wurde ich fünfundzwanzig, da musste man schon allmählich aufpassen.

    Der vorherrschende Eindruck war braun – braune Haare, zu lang und zu ausgefranst, braune Augen – im Sommer auch braune Haut, aber jetzt? Fahl und käsig! Ich streckte mir die Zunge heraus und putzte das Waschbecken. Typische aufschiebende Tätigkeit.

    Wirklich, ich musste mich zusammenreißen. Wenn ich eine Seite Hausarbeit aufgesetzt hätte, versprach ich mir selbst, dürfte ich abspülen. Ein blöder Handel, aber manchmal war ich anders nicht an meine Bücher zu kriegen. Nach der nächsten Seite könnte ich mir mal die Haare ein Stück abschneiden... Tom würde jaulen, aber das war mir heute so richtig egal.

    Ich setzte mich lustlos an den Schreibtisch, schlug einen Band mit Aufsätzen zu Wolfram von Eschenbachs „Parzival" auf und begann den Beitrag zum Wesen des Grals zu lesen. Dabei machte ich mir Notizen, erst langsam und dann immer schneller: In dem Artikel war ja wirklich etwas zu holen! Die Sache begann mich allmählich zu fesseln, und ich arbeitete fast eine Stunde, von Tom ungestört, der weiter schlief. Dann spülte ich ab und wischte die kleine Arbeitsfläche in der Küche blank. Jetzt weiter Gral? Erst Haare schneiden, bevor Tom es mir wieder ausredete. Er stand auf lange Haare, aber er musste ja auch nicht dauernd mit Shampoo, Spülung und Fön hantieren. Außerdem hatte ich schon fast drei Seiten geschafft, argumentierte ich mit mir selbst. Im Bad griff ich beherzt zur Schere und schnitt fast zwanzig Zentimeter ab, rundherum, allerdings nicht ganz gleichmäßig. Ich musste kichern, als ich mich im Spiegel sah: Hieß es nicht, wenn eine Frau ihr Leben ändern wollte, änderte sie als erstes ihre Frisur?

    Wollte ich mein Leben ändern? Ich war mir nicht sicher, aber irgendetwas passte mir heute nicht, das wusste ich genau. Nur was? Die Tatsache, dass Tom immer noch schnarchte? Dass wir uns immer bei mir trafen und folglich immer ich alles bezahlen und danach die Unordnung beseitigen durfte? Egal, es würde mir schon noch klarer werden.

    Um elf hatte ich den Aufsatz und einen weiteren schon durchgearbeitet und ein Konzept entwickelt, das mir durchaus tragfähig erschien. Die Küche war aufgeräumt, und Toms Kram hatte ich auf einen Haufen vor dem Bad geworfen, damit das Zimmer nicht so unordentlich aussah. Allmählich ging es mir ernsthaft auf die Nerven, dass er stundenlang hier herumschnarchte, während ich so fleißig war – eigentlich ungewöhnlich fleißig...

    Ich riss also Fenster und Balkontür weit auf und zerrte Tom dann die Bettdecke weg. Es dauerte aber immerhin noch zehn Minuten, bis die Eiseskälte in sein schlafumnebeltes Gehirn gekrochen war und er protestierend aufwachte.

    „Äh, was soll denn das?, nuschelte er und rieb sich die Augen. „Los, komm wieder ins Bett...

    Ich sah mir den verschlafenen und verschwitzten Tom desinteressiert an und schloss dann die Fenster wieder. „Keine Lust. Schau du lieber mal, dass du in die Gänge kommst, es ist fast Mittag!"

    „Na und? Ist doch Sonntag..." Er ließ sich faul in die Kissen zurückfallen, sobald er sich die Decke wieder geschnappt hatte.

    „Ich hab Durst.... Gibt´s keinen Orangensaft?"

    „Doch, im Kühlschrank ist noch ein Rest", erklärte ich mäßig freundlich und blätterte weiter in der Aufsatzsammlung. Am liebsten wäre es mir gewesen, er hätte seinen ganzen Kram genommen und wäre nach Hause gegangen. Hatte ich ihn nach fast zwei Jahren satt? Ach, ich wusste gar nicht, was ich heute eigentlich wollte.

    „Holst du mir den nicht?"

    „Nein, du siehst doch, ich arbeite."

    Er lachte verächtlich. „Wieder mal ein Meisterwerk ohne praktischen Nutzen?"

    Ich überlegte kurz, ob ich ihm mit diesem Sammelband – er wog mindestens zwei Kilo – eins überbraten sollte, nahm mich dann aber zusammen. Mein Germanistikstudium war immer schon Gegenstand seines Amüsements gewesen. Arroganter BWLer! Statt dessen grunzte ich nur betont geistesabwesend.

    „Und das muss heute sein?"

    Ich sah auf. „Hast du einen besseren Vorschlag?"

    „Sicher... Komm wieder ins Bett!" Er lächelte verheißungsvoll. Aha, Einsatz der Grübchen! Heute klappt das nicht, mein Süßer, dachte ich mir.

    „Keine weiteren Vorschläge?"

    „Wieso – reicht dir das nicht?"

    „Nein. Warum sind wir eigentlich immer bei mir? Immer hab ich den Saustall am Hals, und immer muss ich alles zahlen!"

    Schlecht, schlecht – man sollte doch nicht „immer oder „nie sagen, hatte ich mal in einem dieser dämlichen Beziehungsratgeber gelesen. Seine hübschen Züge verfinsterten sich auch prompt. Weibergenörgel, dachte er jetzt sicher. Dann lächelte er wieder. „Ach, bei dir ist es einfach gemütlicher..."

    „Du meinst, hier ist der Zimmerservice inbegriffen?"

    Jetzt hatte ich ihm sein gewinnendes Lächeln aber vom Gesicht gewischt!

    „Hast du wieder mit Susanne gesprochen? Diese blöde Emanze..."

    „Was hat denn das damit zu tun, dass wir auch mal bei dir zusammen sein könnten? Das wäre doch nur gerecht."

    Er lenkte ab. „Wie war ich heute Nacht?" So ein eingebildeter Affe!

    Ich sah ihn voll blankem Erstaunen an – hoffte ich wenigstens. „Wie war was?"

    „Na, heute Nacht im Bett?"

    „Ach, das... du bist mittendrin eingeschlafen." Das stimmte gar nicht, aber jetzt hatte ich ihm die Stimmung endgültig versaut.

    „Du bist heute so zickig – kriegst du deine Tage?"

    Meine Kastrationsgelüste steigerten sich exponential. Das war ja wohl das Allerblödeste! „Nein, du nervst mich nur!"

    „Ich mach doch gar nichts..."

    „Eben, du liegst nur faul hier herum und hältst mich von der Arbeit ab. Ich finde das ungerecht. Du hast viel mehr von dieser Beziehung als ich, ich hab nur die Stress und die Kosten."

    „Was soll das alles denn plötzlich, wir haben es doch schön miteinander..." Er gähnte ausgiebig.

    „Gähn gefälligst nicht, wenn wir über unsere Beziehung sprechen!", fauchte ich ihn an.

    Du redest darüber, ich bin nicht scharf drauf", schnappte er zurück und trottete ins Bad, wo er garantiert wieder eine Überschwemmung verursachen würde, ohne nachher aufzuwischen. Ich arbeitete unkonzentriert noch ein bisschen weiter, dachte aber nebenbei weiter darüber nach, wie ich mir meine Beziehung zu Tom vorstellte. Mehr auf gleichberechtigter Basis, vielleicht eine gemeinsame Wohnung – um Gottes Willen, nein, dann hatte ich nur mehr Zimmer sauber zu halten! Aber mal sehen, wie er auf diesen Vorschlag reagierte! Was wollte er eigentlich von mir?

    Im Bad rauschte es heftig, er duschte also. Wenigstens etwas!

    Ich schrieb die interessanten Aspekte aus dem nächsten Aufsatz heraus, während es weiter munter plätscherte; zwischendurch machte ich das Bett und holte den Staubsauger aus dem Flur.

    Tom blieb verblüfft stehen, als er aus dem Bad getreten war, hinter sich eine große Pfütze.

    „Warum bist du heute so ein Putzteufel?"

    „Wisch bitte die Pfütze auf, du weißt doch, dass das Bad kein Fenster hat", antwortete ich über das Staubsaugerjaulen hinweg. Knurrend warf er ein Wischtuch in die Pfütze und schob es mit dem nackten Fuß ein paar Mal hin und her.

    Ich schaltete den Staubsauger aus und räumte meine Unterlagen etwas beiseite. Dann setzte ich mich an den Esstisch, stützte das Kinn auf die Hand und sah ihm zu, während er sich anzog.

    „Was versprichst du dir von unserer Beziehung?"

    Immerhin tat er so, als würde er überlegen.

    „Spaß... guten Sex, gemütliche Abende – du kochst gut... man kann mit dir gut reden..., sein Gesicht verfinsterte sich wieder, „...wenn du nicht gerade auf dem Emanzentrip bist. Du hast ja schon wieder dieses blöde Sweatshirt an!

    Das überhörte ich erst einmal. „Mehr nicht?"

    „Was soll da noch sein?"

    „Naja, ich dachte – längerfristig?"

    „Großer Gott, sag bloß, du willst heiraten!" Nackte Panik in seinem Gesicht!

    „Quatsch, wozu denn! Aber vielleicht zusammenziehen?"

    „Fände ich übertrieben. Ist doch alles gut so, wie es ist!"

    „Für dich vielleicht", murmelte ich. Sex und Essen – hatte er keine anderen Interessen? Außerdem kochte ich nicht gut. Verwöhnt war Tom nicht, das musste man ihm lassen. „Wir wohnen doch ohnehin praktisch zusammen, aber nur zu meinen Lasten – und die Wohnung ist für die Unordnung von zwei Leuten einfach zu klein."

    „Deshalb räumst du heute so manisch auf?"

    „Wie wär´s mit einer größeren Wohnung?"

    „Wenn du meinst, lenkte er friedlich ein. „Dann such dir halt eine größere Wohnung!

    Er verstand wirklich gar nichts. „Doch nicht für mich alleine! Ich kann was Größeres doch gar nicht bezahlen. Ich dachte, wir beide zusammen!"

    „Mir genügt meine Wohnung", wehrte Tom ab und sah sich vergeblich nach Frühstück um.

    „Ja toll, du bist ja auch immer hier!"

    „Soll ich gehen? Gibt´s hier eigentlich nichts zu essen?"

    „Du sollst über das Problem nachdenken! Nein, ich habe vor Stunden gefrühstückt. Und für Mittag ist nichts da, ich hab vergessen, gestern einzukaufen."

    „Schön blöd. Was essen wir dann? Welches Problem? Ich sehe gar keins!" Er ging in die Küche und schaute in den deprimierend leeren Kühlschrank.

    „Verstehst du eigentlich gar nicht? Ich habe dir die ganze Zeit erklärt, dass wir so nicht weitermachen können, das ist mir zu einseitig – und zu teuer! Was suchst du da?"

    „Was Essbares. Echt nichts da.... Du willst also, dass wir zusammenziehen, ja?"

    „Zum Beispiel – oder eine andere faire Lösung." Um Gottes Willen, wollte ich denn wirklich mit ihm zusammenwohnen? Ich war mir da gar nicht mehr so sicher. Worauf ließ ich mich da ein? Wollte ich ihn nur testen?

    Er schaute nachdenklich drein und dann nervös auf seine Uhr. „Oh, ich muss gehen, ich hab noch einen Termin!"

    „Am Sonntag?" Ich sah ihn spöttisch an. Kneifen wollte er, sonst nichts!

    „Ja, wegen der Lerngruppe..., erklärte er vage. Wetten, dass er diese Lerngruppe gerade eben erfunden hatte? Er küsste mich flüchtig. „Krieg dich wieder ein, mein Schatz, ja? Bis heute Abend!

    „Nein, ich hab das ernst gemeint. Wenn du einen vernünftigen Vorschlag hast, kannst du mich anrufen, in Ordnung?"

    „Marianne, du nervst mich! Warum klammerst du so?"

    „Wieso klammere ich, wenn ich sage, dass du ohne einen brauchbaren Vorschlag hier nicht aufzutauchen brauchst? So kann es nicht weitergehen!"

    Er zuckte die Schultern. „Schade... na, dann ciao!" Noch ein flüchtiger Kuss und weg war er.

    Ich trat auf den Balkon, rauchte und sah ihm nach, wie er zu seinem Auto eilte, ohne sich noch einmal umzusehen. Was würde heute Abend sein? Ich war ja mal gespannt, ob er anrufen oder vorbeikommen würde – oder im Schmollwinkel saß.

    Ärgerlich auf Tom kehrte ich an meinen Tisch zurück, aber nicht, um zu arbeiten. Für heute reichte es mir – in jeder Hinsicht. Irgendwie war ich mit meinem Leben nicht zufrieden. Zeit, Bilanz zu ziehen! Ich kramte meinen Terminplaner aus der Unitasche und dazu einen Stoß alter Kopien und einen Kugelschreiber. Dann schaute ich erst einmal ratlos vor mich hin und lutschte am Kugelschreiber – leider am falschen Ende. Wütend sprang ich auf und eilte ins Bad. Mist, blaue Lippen!

    Ich schrubbte ein bisschen an mir herum, ohne großen Erfolg. Heute konnte ich so nicht mehr vors Haus... Ohne viel Hoffnung trug ich dick Lipgloss auf. Bisschen pummelig war ich geworden, oder? Ich drehte mich vor dem Spiegel hin und her. Eindeutig leichter Schwabbel!

    Die Waage zeigte 71 kg an. Was, so viel? Für 1.75 zweifellos etwas zu viel! Gut, die Klamotten wogen sicher auch etwas, also vielleicht 70 kg ohne alles – und ohne Frühstück. Immer noch zu viel....

    Ich kehrte zu meinem Schmierpapier zurück.

    1.) Zehn Kilo abnehmen!

    2.) Scheine machen und Magisterarbeit schreiben!

    Das Thema hatte ich letzte Woche erhalten, aber noch gar nichts dazu unternommen, nicht einmal Quellen oder Literatur gesucht. Bis zum ersten Oktober hatte ich Zeit, das war noch lange hin. Wie sahen meine Finanzen eigentlich aus, wo mir Tom doch die Haare vom Kopf fraß?

    Ich suchte etwas in dem kleinen Schubladencontainer, dann fand ich mein Sparbuch. Hm, noch knapp zweihundertzwanzigtausend Mark. Eigentlich ein zauberhafter Anblick – wenn man nicht bedachte, dass ich vor einem Jahr netto fast zweihundertfünfzigtausend Mark von Tante Agatha geerbt hatte, meiner Patin. Sie hatte in grauer Vorzeit, in den frühen fünfziger Jahren, ein Studium absolviert und war stolz, dass ich in ihre Fußstapfen trat. Also erbte ich alles Geld und den Schmuck und meine Eltern „nur" das Haus samt Hausrat. Das hatte meine Eltern schwer verstimmt, und sie fanden, nun müssten sie ja wohl mein Studium nicht mehr finanzieren, wenn ich doch so wohlhabend geworden sei...

    Dagegen ließ sich schlecht etwas einwenden, aber wenn ich mit dem Geld weiter so herumwarf, wäre es bei Studienende verbraucht. So hatte ich mir das nicht vorgestellt: dreißigtausend Mark in einem Jahr! Obwohl ich doch auch verdiente! Wo war das Geld geblieben? Ich nahm mir einen neuen Zettel und schrieb in fetten Blockbuchstaben darüber Budget.

    Einnahmen: aus dreimal in der Woche Arbeit im Backshop vom Supermarkt: 720.- brutto im Monat, aus Ferienjobs etwa 3000 brutto im Jahr; netto etwa das Gleiche, wenn ich mal an den Lohnsteuerjahresausgleich dachte. Also hätte ich fix im Monat – wo war der Taschenrechner schon wieder hin? - etwas über 900 Mark. Wenig berauschend! Womit könnte ich noch Geld verdienen? Manche gaben ja Nachhilfe und verdienten sich eine goldene Nase damit, wie diese Andrea, die sich mit ihrem Verdienst irgendwie ein Vermögen erspekuliert und dann noch den schönsten Mann an der Uni geheiratet hatte – aber die Gute war wohl eindeutig von einem anderem Stern. Carola erzählte dauernd Wundergeschichten über sie, persönlich kannte ich dieses Genie gar nicht. Nachhilfestunden machten mir keinen Spaß, und in der Schule war ich nicht wirklich überragend gewesen. Wer brauchte außerdem schon Nachhilfe in Deutsch und Geschichte?

    Wieviele Zinsen brachten mir meine Kröten eigentlich ein? Ich kannte ja nicht einmal den Zinssatz! Etwa 2 %, schätzte ich mal so. Dann wären das im Jahr 4400 Mark, im Monat um die 350 – immer noch nicht mal 1300 Mark im Monat. Sechshundert kostete ja schon die Wohnung, und die war wirklich nicht teuer. Ach, das war alles frustrierend!

    Ich sprang auf, schnappte mir Daunenjacke, Geld und Schlüssel und verließ das Haus. Erst einmal ordentlich auslüften, vielleicht stand der Zinssatz ja auch höher? Außerdem wollte ich wissen, was nebenan gebaut werden sollte. Es konnte der etwas schäbigen Gegend nur aufhelfen.

    Der erste grinsende Passant erinnerte mich wieder an meine Kugelschreiberlippen. Egal, hier kannte ich kaum jemanden. Ich zündete mir eine Zigarette an und spazierte einmal um das Gartencenter herum. Tatsächlich, da stand ja die Bautafel! Ein Bürogebäude mit gläsernem Eckturm, wie es in diesem Jahr anscheinend Pflicht war. Nicht schlecht, ziemlich spacig, fand ich.

    Auf zur Bank, die hatten doch immer ihre Geschäftsbedingungen im Fenster hängen? Ich holte mir auch gleich einen Kontoauszug. Schon wieder im Minus, wenn auch nicht sehr arg. Na, mit dem nächsten Gehalt vom Backshop würde sich das wieder geben. Aber für Tom gab ich kein Geld mehr aus, jetzt war er dran! Da stand ja der Zinssatz – eineinhalb Prozent?? Dann hatte ich ja noch weniger Geld, als ich dachte! Vielleicht war das Sparbuch auch nicht die schlaueste aller Geldanlagen, aber ich wollte mich nicht jahrelang festlegen, solange ich nicht wusste, was ich einmal machen wollte. Germanisten mit durchschnittlichem Magister gab es wie Sand am Meer.

    Ich trabte erbost weiter. Fast fünfundzwanzig und keinen Plan, das durfte ja nicht wahr sein! Und Tom hatte ich auch nicht im Griff. Was wollte ich eigentlich – Karriere oder Familie – oder beides? Eher Karriere, überlegte ich, aber da hatte ich ja gerade das richtige Fach! Familie… vielleicht später mal... mit Tom? Nett war er schon, aber ein Faulpelz. Wir hatten so ein richtiges Bratkartoffelverhältnis, ich kochte, ging mit ihm ins Bett und nähte ihm ab und zu mal einen Knopf an. Mein Geld wurde verfuttert, seins wahrscheinlich gut angelegt. Ich war so dämlich!

    Wutentbrannt stürmte ich durch den einsetzenden Nieselregen und merkte erst, als ich mich schon ziemlich der Innenstadt genähert hatte, dass meine Turmschuhe nicht mehr ganz wasserdicht waren. Mist, das auch noch! Um mich in ein Café zu flüchten, war ich in meiner momentanen Stimmung zu geizig. Ich war über eine Stunde gelaufen, wie ich feststellte, sehr sportlich für meine Verhältnisse. An der nächsten Ecke leistete ich mir einen Fischburger als spätes Mittagessen und studierte die Auslagen des Kiosks. Da, ein Heft „Finanzen für Einsteiger"! Das kaufte ich mir sofort, vielleicht konnte ich was lernen! Ich stopfte es zusammengerollt unter meine Daunenjacke und verzog mich in die U-Bahn, die mich drei Stationen später wieder an meiner Ecke ausspuckte.

    Zu Hause packte ich das kostbare Heft – es hatte immerhin sieben Mark gekostet – auf den Tisch neben meine unvollendeten Lebenspläne und schrubbte dann noch einmal an meinen bläulichen Lippen herum. Und was jetzt zuerst?

    Erst das Heft lesen, beschloss ich. Es dämmerte schon wieder, als ich alles konzentriert durchhatte, und der Aschenbecher draußen quoll fast über von zu vielen Denkpausen.

    Aktienfonds, die schienen das Richtige zu sein. Freundlicherweise war eine Liste der besten Fonds hinten beigeheftet. Ich begann sie erneut zu studieren und schrieb mir die Spitzenreiter schon einmal heraus. Es sollte ja Leute geben, die an der Börse ein Vermögen machten – und die Wirtschaftslage war doch gerade gut, mit all diesen neuen Firmen und dem Internet... Etwas überfordert war ich damit aber doch.

    Ich rief Susanne an, die wusste über so etwas besser Bescheid. Außerdem musste ich ihr über Tom vorjammern. Wir verabredeten uns gleich für heute Abend, denn an diesem Wochenende war das San Carlo, unser Lieblingseiscafé, wieder eröffnet worden, endlich war der Lebkuchenfritze weg! Das war immer das erste Frühlingszeichen, wenn auch das Wetter eher nach November aussah... Ich freute mich kurz an dem Gedanken, wie Tom hier vergeblich klingeln würde – gut, dass er keinen Schlüssel hatte!

    Dann konnte ich ja noch ein bisschen an den Gralskonzeptionen weiterarbeiten? Ich hatte immer noch keine rechte Lust und ermahnte mich streng, aber es half nichts. Okay, es war Sonntag, später Nachmittag, ich konnte am Montag mit ernsthafter Arbeit beginnen. Vielleicht sollte ich mir alle meine Aufgaben in meinen Terminplaner schreiben? Gute Idee!

    Montag, 29.03.99

    Bäcker (vier Stunden = 60 Mark)

    Bank wg. Geldanlage                                   BUDGETPLAN richtig!!

    bestellen in der Bibliothek (online)

    Gralsreferat weiter aufsetzen

    Wäsche waschen, ausmisten, Haare richtig schneiden.... Einkaufen!!

    War´s das? Mir schien es genug – obwohl, an den Haaren konnte ich gleich noch etwas machen. Überhaupt hatte Tom die neue Frisur gar nicht bemerkt - wieder ein Punkt mehr auf seinem Sündenkonto. Egal, ich gefiel mir so ganz gut. Die Haare reichten noch bis auf die Schulter und drehten sich, als ich mit der Bürste etwas nachhalf, brav nach innen. Noch ein bisschen Make-up, und ich sah gar nicht so schlecht aus. Nur der Speck um die Taille... Wassereis, mehr war heute nicht erlaubt!

    Als ich im San Carlo ankam, sah ich zwar eine Menge flüchtiger Bekannter von der Uni – die war schließlich nur zwei Ecken entfernt -, aber noch keine Susanne. Ich schnappte mir schnell einen der letzten freien Tische und studierte schon einmal die Eiskarte, als ich ihre Stimme hörte:

    „Hallo! Na, was liegt so an?"

    Sie setzte sich und verstaute ihre Tasche.

    „Allgemeiner Frust", murrte ich und entschied mich für den Früchtebecher.

    „Uni? Geld? Aussehen? Tom, der Schmarotzer?" Wie schnell sie meine wunden Punkte erkannt hatte!

    Sie bestellte sich einen Coup Danmark – Kunststück, mit der Figur! – und befestigte die Spange in ihrem krausen blonden Pferdeschwanz wieder richtig.

    „Alles, seufzte ich, „heute bin ich irgendwie unzufrieden mit meinem Leben, ich weiß auch nicht, warum.

    „Dann solltest du was ändern - schmeiß Tom raus und miste auch sonst aus."

    „Woher weißt du, wie es bei mir aussieht?", witzelte ich.

    „Männer! Sie winkte ab. „Ich bin ja schon froh, dass mein Rico so selten da ist. Täglich würde ich ihn nicht aushalten, glaube ich.

    „Wo steckt er denn gerade?" Rico, eigentlich Richard, war Bauingenieur und immer in der großen weiten Welt unterwegs.

    „Saudiarabien, bis Ende Juni. Dann fahren wir in Urlaub..." Sie lächelte.

    „Aber zurück zu dir. Dein Tom nutzt dich aus, ist dir das klar?"

    „Irgendwie schon. Ich wollte ihn heute auch festnageln, vielleicht auf eine gemeinsame Wohnung – obwohl das eigentlich gar nicht mein Ziel ist, glaube ich, aber um ihn zu testen."

    Sie nickte. „Hat er den Test bestanden?"

    „Nicht wirklich, er fand an unserer Beziehung nichts auszusetzen und dann musste er plötzlich zu einem Termin – am Sonntag, stell dir vor!"

    „Sehr glaubhaft. Flucht vor dem Beziehungsgespräch?"

    „Das denke ich auch. Heute hat er mich jedenfalls furchtbar genervt. Aber ich wollte dich eigentlich wegen Geld was fragen. Schau mal!"

    Ich zog meine Notizen und das Finanzheft heraus.

    „Glaubst du, ich sollte einen Teil meines Geldes in Fonds anlegen?"

    „Unbedingt! Die beste Geldanlage, die es gibt... Wo hast du dein Geld jetzt?"

    „Sparbuch", nuschelte ich beschämt.

    „Marianne, du bist ein Dummchen! Dann kannst du es doch gleich unter der Matratze bunkern... Komm, wir stellen dir ein richtig gutes Depot zusammen, ja? Hast du ein Online-Konto?"

    „Natürlich!" Alle neuen Technologien faszinierten mich, Computer, Internet, Handy...

    „Gut, damit kannst du ein Depot prima verwalten. Wie viel willst du anlegen?"

    Ich zögerte etwas. „Hunderttausend, denke ich..."

    „Vernünftig, dann bleiben dir auch noch ordentlich Reserven. Lass mal sehen..."

    Sie blätterte in dem Heft, dachte nach, schrieb etwas auf, strich es wieder durch, blätterte noch ein bisschen, schrieb wieder etwas auf. Schließlich schob sie mir den Zettel zu.

    „Hier - das erscheint mir ausgewogen. Da kannst du im Schnitt gut zehn Prozent pro Jahr netto herausholen."

    „Super, das wären ja… naja, richtig Mäuse! Dann kann ich vielleicht endlich im Backshop aufhören...!"

    „Nicht so hastig, ein bisschen Zeit musst du den Werten schon lassen. Im Schnitt zehn Prozent, hab ich gesagt! Wieso schuftest du überhaupt immer noch im Backshop? Kannst du nichts Besseres finden?"

    Susanne hatte vor einem halben Jahr ihren Magister gemacht und arbeitete nun bei Winkler&Partner, einer Werbeagentur in Uninähe. „Sag mal, du kannst doch gut mit dem Computer umgehen?"

    Ich nickte, den Mund voller Eis.

    „Ich könnte mal fragen, ob wir dich nicht brauchen könnten, so für zwei Nachmittage in der Woche, Schreibarbeiten, Ablage und allgemeine Hilfsdienste. Besser als der Bäcker zahlen wir auf jeden Fall – und die Füße täten dir auch nicht mehr so weh. Interessiert?"

    „Natürlich! Mensch, Susanne, das wäre ja toll – das Semmelnverkaufen ist schon der höhere Stumpfsinn, obwohl da alle sehr nett sind und sie mir immerhin 15 Mark brutto zahlen..."

    Susanne lachte. „Ich glaube, da können wir dir etwas mehr bieten. Aber, wie gesagt, ich muss erst mal fragen!"

    „Da wäre ich dir sehr dankbar... Sag mal, was machst du am Mittwoch?"

    „Da hast du Geburtstag, nicht? Bis jetzt noch nichts."

    „Dann hast du jetzt was vor. Um sieben bei mir, auf ein Gläschen und ein kleines Buffet? Carola kommt auch – und Tom, wenn er dran denkt.... Da bin ich mir ja nicht so sicher..." Ich ärgerte mich schon wieder über ihn. Nie hätte ich seinen Geburtstag – den 13. September – vergessen!

    Als ich nach Hause kam – Susanne musste ja morgens früh raus -, war ich durch meinen Zorn auf Tom noch so aufgekratzt, dass ich eifrig weiter herumwerkelte und aufräumte. Erst alles blitzblank war und mein Schreibtisch perfekt gestylt dastand – ohne alte Schmierzettel darauf, außer dem Terminplaner – war ich zufrieden und ging ins Bett, sogar abgeschminkt, was sonst nicht immer der Fall war. Ab jetzt wird alles anders, wenn Tom nicht spurt, dachte ich mir, dann schlief ich ein.

    Am Montag hatte ich glücklicherweise im Backshop erst die Schicht von zwei bis sechs, also konnte ich vorher auf die Bank gehen und mir ein Depot einrichten, genau in der Zusammensetzung, die Susanne mir ausgesucht hatte, allerdings legte ich fast doppelt so viel Geld an wie angekündigt. Dabei glich ich auch gleich das Girokonto ein bisschen aus. Nun hatte ich nicht mehr besonders viel auf dem Sparbuch, aber das war mir egal – im Lauf der Zeit würde ich für den Rest sicher auch noch eine bessere Anlage finden!

    Von Tom war weder auf dem Anrufbeantworter noch auf dem Handy noch in der Mailbox eine Nachricht zu finden, er schmollte also noch. Von mir aus! Ich kaufte mal wieder richtig ein und füllte den Kühlschrank, dann bestellte ich mir Literatur für meine Magisterarbeit in der Unibibliothek – gut, dass das mittlerweile auch online funktionierte. Am Freitag läge alles bereit, verkündete das Programm. Die Wohnung könnte ich mal umräumen, überlegte ich mir - aber zuerst musste ich zur Arbeit.

    Im Backshop war heute relativ wenig los; der größte Stress war immer am Samstag, wenn alle Welt einkaufte, als gelte es eine mehrwöchige Belagerung zu überstehen. Ich unterhielt mich mit Jana und Pauline, die mit mir Schicht hatten, flachste ein bisschen mit den Kunden, ignorierte meine wehen Füße, dachte intensiv an meinen Gehaltsscheck und beschickte bei Gelegenheit den Ofen neu mit Brezen und Mohnsemmeln. Kurz nach sechs war ich wieder zu Hause.

    Von Tom immer noch nichts. Na gut, ich gab nach und rief ihn an.

    „Hi Tom, was machst du am Mittwoch?"

    „Weiß noch nicht." Er klang leicht beleidigt. Fürchtete er, ich würde in seiner Wohnung feiern wollen?

    „Magst du am Mittwoch um sieben zu mir kommen? Susanne und Carola sind auch da."

    „Och, die blöde Emanze. Aber Carola ist ganz okay. Na gut – aber warum so förmlich, mit fester Uhrzeit und so?"

    Die Wahrheit würde ich ihm nicht sagen – wenn er es vergessen hatte, sollte er ruhig ins Messer laufen! „Vorher hab ich einen Termin. Hast du es gestern noch geschafft?"

    „Wieso, was denn- oh, ach ja... danke..."

    Das war also tatsächlich eine Lüge gewesen – und er hatte sie sich nicht einmal gemerkt! Bürschlein, du stehst am Abgrund, dachte ich mir und wollte mich schon verabschieden.

    „Halt, Marianne, was ist denn mit heute? Kann ich nicht schnell vorbeikommen?"

    „Nein, ich räume gerade um. Aber ich kann gerne zu dir...", schlug ich hinterlistig vor.

    „Hm, nein, ich glaube, ich hab doch keine Zeit, heute..."

    „Na, dann bis Mittwoch!" Jetzt legte ich endgültig auf. Was war mit seiner Wohnung?

    Er konnte sie nicht aufgegeben haben, der Festnetzanschluss war noch der gleiche. Hatte er Angst, ich würde das Parkett zerkratzen? Mit 1.75 trägt man keine Stilettos, weil dann alle Männer plötzlich so klein wirken. Hatte er dort noch eine andere sitzen? Ach nein, wahrscheinlich wollte er mich einfach nicht in sein Leben lassen. Ich könnte mich ja bei ihm einnisten - aber er machte sich in meinem Leben ungeniert breit!

    Gut, dann räumte ich eben wirklich um – ich hatte riesige Lust auf eine ganz andere Wohnung. Nachdem ich alles eine halbe Stunde lang nachdenklich betrachtet und einiges sicherheitshalber ausgemessen hatte, begann ich ächzend und schnaufend, aber gegen zehn sah die Wohnung plötzlich viel besser und vor allem größer aus. Sofa und Schreibtisch klemmten jetzt in den Nischen, die der Balkon bildete, und außer dem kleinen Esstisch stand nichts mehr mitten im Raum, so wirkte er doch gleich viel weitläufiger, fand ich. Zur Belohnung ließ ich mir ein Schaumbad ein und bezog das Bett frisch.

    Im Bad musterte ich mich wieder einmal kritisch. Im Prinzip war die Figur in Ordnung, ja, aber Taille und Hüften sahen doch etwas speckig aus – ein kleines Bäuchlein hatte ich mir auch angefressen! Etwas mehr Sport war angesagt – Spazierengehen, Tanzen, Wohnung umräumen. Mehr wäre übertrieben! Und heute hatte ich abends auch nur eine Vollkornsemmel gegessen... Was sagte denn die Waage, so ohne Kleider?

    Die Waage sagte 69 Kilo – doch gar nicht so schlecht! 60 wären in Ordnung, überlegte ich mir und streckte mich genüsslich im Schaumbad aus. Morgen würde ich an meiner Planung weiterarbeiten, so kurz vor dem Geburtstag war doch ein sehr passender Termin.

    Ich müsste den Job in der Agentur bekommen und mich dort so unentbehrlich machen, dass sie mich nach dem – natürlich glänzenden – Magister mit Kusshand fest übernehmen würden. Also musste ich eine hinreißende Magisterarbeit schreiben. Vorher aber noch die beiden letzten Scheine! Tom würde schauen, wenn ich plötzlich so zielstrebig war! Voller neuem Respekt – er war schließlich auch noch nicht fertig – würde er mich bitten, mit ihm zusammenzuziehen und dann würde er auch seinen Teil zu unserer Beziehung beitragen…

    Also, das glaubte ich ja wohl nicht wirklich!

    Tom wollte ein Bett und warme Mahlzeiten, und er bot dafür seine Anwesenheit und dumme Sprüche. Hatte Susanne Recht? Sollte ich ihn aussortieren? So wie ich bei Gelegenheit einmal meinen Kleiderschrank durchforsten sollte – und mich auf die Flohmarktsaison vorbereiten... Früher hatte ich Flohmärkte geliebt, da wurde man seinen ganzen Schrott los, andere freuten sich noch darüber und zahlten sogar - was würde Tom auf dem Flohmarkt bringen? Gut erhaltener Student, 26, pflegeleicht, aber nicht billig im Unterhalt und emotional etwas verkümmert...

    Ich kicherte bei dem Gedanken an einen hübschen kleinen Sklavenmarkt, auf dem ich Tom meistbietend losschlagen könnte. Na, am Mittwoch hatte er noch eine Chance!

    Am Mittwochabend blitzte die Wohnung nur so, Musik und Spiele waren vorbereitet, Kerzen warteten auf die Flamme. Zufrieden sah ich mich um und dann an mir herunter. Auch ganz gut, in den schwarzen Jeans und dem längsgestreiften schwarz-weißen Hemd sah ich nahezu schmal aus. Meine Haare waren mittlerweile gerade und drehten sich gehorsam nach innen, das Make-up war dezent, aber wirkungsvoll. Ich gefiel mir recht gut. Das bestätigte auch ein

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