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Seltsame Vorfälle: Kriminalroman
Seltsame Vorfälle: Kriminalroman
Seltsame Vorfälle: Kriminalroman
eBook301 Seiten3 Stunden

Seltsame Vorfälle: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Eigentlich führt Stella Mutén, Projektmanagerin im Städtischen Museum, ein friedliches Leben.
Dass etwas weiter oben in der gleichen Straße eine Galerie überfallen wird, bekommt sie zunächst überhaupt nicht mit – und dann lernt sie einen recht sympathischen jungen Mann kennen. Nicht gerade der Mann fürs Leben, denkt sie, aber man kann mit ihm nett essen gehen (vor allem in den Kaiserpalast) und sich auch einigermaßen gut mit ihm unterhalten.
Die anschließenden Spaziergänge in der nebligen Altstadt sind zunächst auch vergnüglich – aber warum beginnt dieser Schilling, ihr Wahrnehmungsstörungen einreden zu wollen? Stella fängt an sich zu ärgern, möchte aber herausbekommen, was der Kerl damit wohl bezweckt, also bricht sie den Kontakt vorerst nicht ab.
Währenddessen fragt sich die Kripo, was der Überfall bezweckte – die Bilder waren so unüberzeugend, dass sie bestimmt unverkäuflich sind, was im Übrigen auch die Umgebung des jungen Malers, mit Ausnahme seiner vernarrten Mutter, vergnügt bestätigt. Der Galerist liegt verletzt im Krankenhaus.
Und dann gibt es weitere Anschläge auf den Galeristen und ein junger Mann wird bei einem vorgetäuschten Unfall getötet. Hatte er Kontakt zu den Räubern? War er vielleicht einer von ihnen? Was war die eigentliche Absicht hinter dem rätselhaften Überfall?
Und was haben die albernen Streiche, die Stella Mutén gespielt werden, damit zu tun? Dieser Aspekt interessiert besonders Ben Hollerbach; er und das übrige Team um Max Korka und Katrin Kramer stehen also nicht nur vor einem Rätsel…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum22. Nov. 2021
ISBN9783754924525
Seltsame Vorfälle: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Seltsame Vorfälle - Elisa Scheer

    cover.jpg

    Imprint

    Seltsame Vorfälle. Kriminalroman

    Elisa Scheer

    Published by: epubli GmbH, Berlin.

    www.epubli.de

    Copyright: © 2021 R. John 85540 Haar

    Cover: privat

    ISBN 978-3-754924-52-5

    1

    Der Flyer für die Eröffnung der nächsten Ausstellung („Malerei plus" – Gemälde, die in Installationen integriert werden sollten) war fertig, sie hatte ihn fünfmal Korrektur gelesen, ihre Kollegin zweimal, es konnte absolut kein Fehler mehr drin sein!

    „Hunger!, seufzte sie, sobald das Ding an die Druckabteilung gemailt war, „Ich mach jetzt Mittag, okay, Biggi?

    „Klar doch. Hau schon ab, Stella, es ist eh schon fast zwei Uhr. Kein Mensch mehr auf der Straße – und die Mittagskarte gilt wahrscheinlich auch nicht mehr."

    „Ich geh ins Art Café, die sehen das nicht so eng. Da krieg ich schon noch was."

    Das tat Stella auch; sie schlenderte die Avenariusgasse entlang, die Galerien auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit flüchtigen Blicken streifend – später mal, vielleicht… Schräg vor einer der Galerien stand ein eher schmuddeliger Sprinter. Warum waren die eigentlich immer so hässlich und gar so ungewaschen? Gerade wenn einer Kunst anlieferte oder abholte, sollte er doch etwas angemessener daherkommen. Ein Maler – gut, der durfte schon zerzaust auftreten – aber die Lieferanten doch nicht?

    Ach, egal – ihr Magen knurrte!

    Das Art Café war wenigstens halb leer, soweit hatte Biggi – die wie immer um halb eins zu Tisch gegangen war – recht gehabt. So konnte Stella sich einen netten Fenstertisch sichern und sich grünen Tee und die Fischtasche bestellen, die der absolute Bestseller des Art Café war.

    Sie warf einen Blick nach draußen, wo, wie nicht anders zu erwarten, rein gar nichts los war. Offenbar war das hier das tote Ende der Avenariusgasse. Die spannenden Läden waren woanders – und die Leisenberger schienen sich auch nicht übermäßig für Kunst zu interessieren.

    Der Tee kam; sie tauchte den Teebeutel noch ein paarmal unter und fischte ihn dann aus dem Becher, bevor sie einen vorsichtigen Schluck nahm.

    Heiß.

    So eine Überraschung!

    Im Café sah sie niemanden, den sie kannte, draußen war nichts los – nur gut, dass sie das tun konnte, was fast alle hier beim Essen taten, nämlich durch ihr Handy scrollen – Whatsapp, Nachrichten, SMS, verpasste Anrufe? Sie fand nichts Interessantes und sah auf, als sich die Bedienung mit der Fischtasche näherte. Hmm! Knuspriger Blätterteig, darin Lachs und etwas Goldbarsch in kleinen Stückchen, umhüllt von einer Creme aus Kräuterfrischkäse und etwas anderem, das sie noch nie hatte identifizieren können.

    Sie schnitt sorgfältig ein Eckchen ab und genoss den wunderbaren Geschmack. Ja, und die Hitze. Schließlich hatte sie den ersten Bissen schluckfähig gemacht und ihn verspeist; sie seufzte glücklich auf, öffnete die Teighülle ganz und machte sich an das nächste Häppchen, dermaßen von Fischdampf umwabert, dass sogar die Fensterscheibe neben ihr beschlug.

    Sie liebte Fisch! Obendrein war er auch noch gesund… vielleicht war das ein Erbe ihres Vaters, die Liebe zur skandinavischen Kost?

    Nachher sollte sie endlich mal die ganzen erledigten Projekte richtig zusammenheften und in die entsprechenden Ordner packen, dann wäre der Schreibtisch auch wieder leer, schließlich hatte sie ja schon mindestens drei neue Veranstaltungen in der Pipeline…

    Die Hülle war wirklich herrlich knusprig und allmählich verzog sich der Dampf so weit, dass die Fensterscheibe einigermaßen klar war. Nur war leider draußen immer noch gar nichts zu sehen… der langweilige Abschnitt der Avenariusgasse eben, Richtung Schule und Markt, aber kam ja erst nach einer leichten Kurve.

    Und heute Abend würde sie mindestens eine Maschine voll waschen, endlich mal Sabine anrufen - ja, und Mama am besten auch! Und vielleicht diesen komischen Film um zehn…

    So etwas sollte sie sich eigentlich aufschreiben, dann vergaß sie es vielleicht weniger schnell. Aber ihren Kalender hatte sie gar nicht mitgenommen – egal, sie hatte doch ihr Handy, samt einer To do-App! Endlich mal ausprobieren…

    Faszinierend! Da gab es verschiedene Farben für Prioritäten A, B und C – und ein Feld für die Deadline! Sie trug alles ein, was ihr gerade so einfallen wollte, und betrachtete dann verzaubert ihre neue Taskliste.

    Draußen sprang ein Wagen an und röhrte dann davon. „Neuer Auspuff, empfahl Stella, ohne aufzusehen, und probierte aus, was geschah, wenn man das Häkchen für „erledigt setzte: Klasse, die Aufgabe wurde blassgrau, blieb aber sichtbar. Da konnte man sich daran aufgeilen, wieviel man geschafft hatte! Hastig aß sie die Fischtasche auf und winkte der Bedienung.

    Draußen war die Straße genauso leer wie zuvor; nur bei einer Galerie stand die Ladentür offen. Wohl stickig drinnen…

    Zurück ins Museum!

    Dort kam sie ganz gut voran und konnte tatsächlich zwei ihrer Teilprojekte ins Hellgraue drehen. Zwischendurch rannten mal wieder etliche Kolleg*innen durch die Gänge wie nicht gescheit. Entweder gab es irgendein tolles neues Gerücht oder jemand hatte Kuchen ausgepackt.

    Oder es war unten in den Ausstellungssälen etwas vorgefallen? Eher unwahrscheinlich.

    Sie arbeitete friedlich weiter, bis ihr doch mulmig wurde und sie auf die Suche nach den anderen ging. Sie fand alle vor den Fenstern, die nach Norden zeigten.

    „Gibt´s da was zu sehen?"

    Anja drehte sich um. „Hast du vorhin die Sirenen nicht gehört?"

    „Nö, Tür war zu. Und: Ist ein Krankenwagen vorbeigefahren?"

    „Du bist ja wieder voll cool unterwegs! Ne, Polizei, in Massen."

    „Aha. Und was war los? Kann man das von hier aus überhaupt sehen?"

    Stella fand diese Frage durchaus berechtigt, denn die Nordfenster ließen zwar den Blick auf die Avenariusgasse zu, aber nur bis zu der Stelle, wo ganz früher mal ein Tor gestanden hatte. Deshalb machte die Gasse da wieder einen Schlenker – und was dahinter lag, konnte man nicht mehr sehen. Das Art Café eben – und das langweilige Ende der Gasse, bevor sie zur Carolinenstraße wurde.

    „Was war denn nun los?", insistierte Stella nicht ganz ohne Gemeinheit.

    „Weiß ich nicht, grummelte Biggi. „Blöde Straße, kann die nicht geradeaus laufen?

    Anja und Nico hatten auch keine Ahnung, also kehrte Stella achselzuckend wieder in ihr Büro zurück, räumte ihre Unterlagen ordentlich auf und packte ein abgeschlossenes Projekt in den Schrank, wo sie diese verschnürten Mappen, sauber labelliert, aufzubewahren pflegte. Ein Blick auf die Uhr – zehn nach fünf. Um halb sechs schloss das Museum. Sie erledigte noch einigen Kleinkram, entwarf einen weiteren Flyer und surfte kurz durch die Seiten der Konkurrenz. Aha, Ludwigskron plante etwas zu Großstadtdarstellungen? Stella dachte sofort an Edward Hopper, Camille Pissarro und Maurice Utrillo. Da sollte sie hingehen, wenn es so weit war!

    Sie dachte an das Museum der Stadt Wien… sollte das Städtische Museum sich nicht auch einmal eine – kleine? – Ausstellung zur Stadtgeschichte leisten? Mit Herzog Roderich, Herzog Leopold, der Prinzessin Eleonore, dem Verlauf der Stadtmauer, Stadterweiterungen… bis hin zum Konzept von Birkenried?

    Sie machte sich einige flüchtige Notizen in ihr „Schatzbuch", notierte auch, dass sie sich die Stadt-Ausstellung in Ludwigskron ansehen wollte, wenn es so weit war (das war schließlich nahezu berufliche Pflicht, nicht wahr?) und sah wieder auf die Uhr: halb sechs, sie konnte gehen. Ab ins gemütliche Mönchberg, ab aufs Sofa. Oder doch ein bisschen laufen? Zum Drogeriemarkt musste sie auch noch: Fuggerplatz oder Assisiplatz? Der in der Altstadt war größer – aber nein, da war´s immer so voll – und der Bus nach Mönchberg hielt gleich hier vor dem Museum. Wahrscheinlich eher wegen des Marien-Gymnasiums gleich nebenan, aber das Museum profitierte eben auch davon.

    Sie verließ das Museum und trat durch den Torbogen nach draußen; der Wächter schloss das Gittertor hin ihr und sie stolperte fast gegen einen jungen Mann, der sie kurz festhielt und dann einen Schritt zurücktrat.

    „Alles in Ordnung?"

    „Ja, klar. Es war nur so plötzlich…"

    „Ich wollte ins Museum, aber…?"

    „Richtig. Sie deutete auf die Messingtafel. „Wir schließen um halb sechs. Sie sind leider zu spät dran. Versuchen Sie es doch morgen noch einmal! Schönen Abend noch!

    Sie eilte an ihm vorbei, denn da kam schon der Bus um die Ecke.

    2

    Im Bus spielte sie weiter mit ihrem Handy. Bisschen Nachrichten gucken. In Stockdorf – wo war das denn, hier in der Gegend doch wohl nicht? – hatte sich jemand an dieser komischen neuen chinesischen Krankheit angesteckt, bei wem, wusste man noch nicht. Total exotisch…

    Sie sah misstrauisch aus dem Fenster – nein, nur noch zwei Stationen, dann würde sie Stockdorf eben später googeln…

    Komische Krankheit – war das so etwas wie eine Grippe? Aber dass man da gleich ins Krankenhaus musste? Sollte sie sich vielleicht doch mal gegen Grippe impfen lassen? Bei Gelegenheit würde sie mal Dr. Höchle fragen, die konnte ihr da sicher einen guten Rat geben.

    Sie sauste einmal durch den Drogeriemarkt, schleifte ihre Beute nach Hause, schlüpfte in bequemere Hosen und ihre Laufschuhe und machte sich auf zum See, da waren die Wege wenigstens fein gekiest, das war besser für die Gelenke. Noch spürte sie die zwar nicht, aber mit bald fünfunddreißig sollte man das nahende Alter wohl doch langsam einkalkulieren…

    Das hatte sie Biggi mal erzählt und die hatte gestaunt: „Gehst du nächstes Jahr in Rente? Stella, du bist dreiunddreißig! Und ausschauen tust du wie Mitte zwanzig!"

    Das mochte ja stimmen, aber wenn sie noch einige Jahre wie Mitte zwanzig aussehen wollte, musste sie eben aufpassen! Auch wenn Biggi glaubte, sie habe sich von diesen Werbespots der Kosmetikindustrie einwickeln lassen, von wegen Ab fünfundzwanzig altert die Haut. Ja, vielleicht. Jetzt war es halt so.

    Jedenfalls machte es den Kopf wunderbar frei, wenn man so gemütlich am See entlang vor sich hin joggte. Und wenn man dabei ein paar Stunden jünger wurde – warum nicht?

    Schwimmen gehen sollte sie auch mal wieder… und wenn das Frühjahr kam, wieder Fahrradtouren unternehmen, durch die Dörfer außerhalb von Leisenberg, da gab es nämlich wirklich reizvolle Winkel.

    Ach, es gab so viel, was man unternehmen konnte! Im Juni vielleicht mal wieder nach Wien? Oder Berlin? Nein, Berlin mochte sie eigentlich nicht, obwohl es da auch interessante Ecken gab. Wien war einfach souveräner und selbstironischer.

    Arm, aber sexy fand sie blöd, denn Berlin mochte zwar arm sein, aber die allgemeine Unfähigkeit, die sie den Nachrichten entnehmen zu können glaubte, war doch nicht sexy? Peinlich traf es dann wohl eher. Berlin. Arm, aber peinlich. Nicht übel… Sie grinste vor sich hin und näherte sich wieder dem Benediktsweg.

    Wieso denn aber? Wo war da der Gegensatz? Berlin. Arm und peinlich – das war´s! Sollte sie denen mal schicken. Mit Hinweisen auf den BER, das LaGeSo und so weiter. Mehr fiel ihr gerade auch nicht ein. Aber arm war noch keine Sünde, peinlich vielleicht schon. Ach, egal.

    Leise vor sich hin glucksend trabte sie vor sich hin.

    „So gut gelaunt?"

    Ach, Wolfi. Der wohnte im Nachbarhaus und wollte sich offensichtlich auch gerade zum Laufen schleppen. Sah aber nicht so aus, als mache ihm das Spaß.

    „Klar. Arbeit geschafft, gelaufen, frische Luft getankt – Sonne nicht so direkt, sie blinzelte schräg nach oben. „Und mir ist ein neuer Slogan für Berlin eingefallen.

    „Machst du jetzt Werbung? Ich dachte, du bist in einem Museum?"

    „Bin ich auch. Und Werbung ist es auch nicht direkt. Wie findest du Berlin. Arm und peinlich?"

    Wolfi grinste. „Du denkst an diesen Endlosflughafen? Stimmt schon. Aber ich frage mich ja auch, ob da nicht ein gewisser Bundesminister schuld ist. Du weißt schon, der, der alles verbockt, was er anpackt."

    „Der mit der anderen Rechtsauffassung? Hübsche Idee. Dann lauf mal schön, ich werde jetzt meine Bude auf Hochglanz bringen."

    „Und danach?" Das klang regelrecht betrübt.

    „Ach, ich hab da noch einen ziemlich spannenden Krimi. Und zwei Freundinnen muss ich auch noch anrufen…" Sie winkte Abschied nehmend und trabte davon, immer langsamer werdend.

    Vor der Haustür dehnte sie sich noch ein wenig und trabte dann die Treppen hinauf. Kaum schnaufend schloss sie im zweiten Stock ihre Türe auf und verharrte einen Moment voller Selbstzufriedenheit: Fit war sie, ohne Zweifel.

    Fit und gesund und gescheit und gut in ihrem Job – was sollte sie sich mehr wünschen? Mama würde sicher sagen: Einen Mann!

    Aber wozu? Das bisschen Sex war es doch nicht wert, sich sein Leben durcheinanderbringen zu lassen – und Männer brachten einem das Leben durcheinander, das hatte sie bei allen ihren Freundinnen gesehen. Die hatten es auch alle zugegeben und verträumt gekichert: „Aber er ist so süß dabei! – „Aber mein Leben ist jetzt auch viel aufregender! – „Da merkt man erst, wie sehr man vorher in Routine erstarrt war!"

    Herzlichen Dank, sie mochte ihre Routine – und wenn das eines Tages nicht mehr so war, konnte sie sie ja wohl selbst ändern! Dann stimmte wenigstens die Richtung.

    Ihre Wohnung gefiel ihr immer wieder – und das nicht nur, weil sie schon abbezahlt war. Ein großes Zimmer, ein kleines Zimmer, ein Bad, ein Kämmerchen. Sechsundfünfzig perfekt genutzte Quadratmeter. Weiße Wände, weiß lasierter Holzboden, blassblaue Küchenzeile im großen Zimmer, dazu eine Chillout-Ecke und eine Arbeitsecke, die bei Besuch auch als Essplatz nutzbar war. Alles in Weiß, Gelb und Blau. Ihre Freundinnen fanden, es sehe aus wie im IKEA-Katalog, obwohl sie merkwürdigerweise gar nichts von IKEA hatte. Das Kämmerchen gefiel ihr fast am allerbesten, denn dort hatte sie einen ebenfalls blassbauen Schrank einbauen lassen (von der Küchenfirma), in dem neben all ihren Klamotten, die sie sorgfältig ausgewählt hatte, auch Putzmittel, Haushaltsvorräte und alles andere verräumt war, was Stella nicht offen herumstehen lassen wollte. Praktisch alles also.

    Klare Linien… schön!

    Und jetzt hatte sie Hunger und zwar nicht auf etwas Gesundes, Nachhaltiges und Korrektes! Sie würde sich etwas Fertiges machen – und bis das warm war, konnte sie Staub wischen und den Roboter einmal durchsaugen lassen.

    Andererseits hatte sie ja mittags schon die Fischtasche, aber Fisch und diese Sauce aus Kräuterkäse, das war doch auf jeden Fall proteinreich? Und wenn sie jetzt diese Gemüsemischung mit ein paar Nudeln in die Auflaufform… und etwas Käse darüber? Das war ja wieder Protein? Egal, sie hatte da jetzt Lust drauf. Und sie war ordentlich gelaufen! Ihr Tracker meldete vierzehntausend Schritte, da könnte sie sogar Buttercremetorte esse, wenn sie so etwas herunterbrächte. Igitt.

    Also kippte sie alles, was sie sich überlegt hatte, in die Auflaufform, streute geriebenen Gouda darüber und schaltete den Ofen ein. Staubwedel, Roboter, Geschirr verräumen, den Müll wegbringen (viel war´s nicht, darauf achtete sie schon), zwei Bücher zurück ins Regal, eine DVD zuklappen…

    Morgen konnte sie diese Ideen einmal ausarbeiten und wenigstens ein Projekt oben vorlegen…  Ach herrje, einkaufen sollte sie vielleicht auch noch. Nein, morgen genügte!

    Und wo war jetzt Stockdorf? Sie surfte und schnupperte ab und zu, ob der Auflauf schon zu duften begann. Ach, in der Nähe von München… nicht so arg in der Nähe.

    o

    Der nächste Vormittag verlief auch ganz nach Plan – und die Museumsschefin, Pia von Feldenhain, zeigte sich von der Idee, eine Abteilung zur Stadtgeschichte einzurichten, durchaus angetan.

    Also sammelte sie Ideen, angefangen von dem Raum, den man nutzen konnte, über mögliche Ereignisse, passende Gemälde, Pläne und Karten, mögliche Infotexte zu den Ereignissen. Ob man dafür jemanden von der Uni gewinnen konnte? Sie stöberte durch die Homepage der UL und stieß schließlich auf den Namen Josephine von Collnhausen, den sie auch sofort vermerkte. Für heute reichte das wohl… Sie gab das Exposé in Pias Vorzimmer ab und durchquerte auf dem Rückweg die Eingangshalle: wenig Betrieb, auch von dem enttäuschten Besucher von gestern war nichts zu sehen – na, vermutlich musste der um diese Zeit arbeiten. Oder er studierte noch und saß irgendwo auf dem verwinkelten Gelände der UL in einer Vorlesung oder einem Seminarraum… ach, das konnte ihr doch auch wirklich egal sein!

    Immerhin gab es auf dem Tischchen neben dem Tresen nicht nur Postkarten und Flyer für die Ausstellungen, sondern auch einen hübschen kleinen Stapel MorgenExpress und HOT!. Also, auf HOT! sollte man allmählich verzichten, das Käseblatt war so peinlich wie die BILD-Zeitung.

    Stella nahm sich einen MorgenExpress mit in ihr Büro; nachdem sie schon so fleißig gewesen war – es war kaum Viertel nach neun! – konnte sie jetzt ja wohl die erste Morgenbreze essen und dazu die Zeitung überfliegen, den Kulturteil auf jeden Fall. Na, Klatsch und Tratsch vielleicht auch noch.

    Es ging so, was das Interessante betraf. In diesem Stockdorf waren noch zwei Leute an der chinesischen Grippe erkrankt und ins Schwabinger Krankenhaus eingeliefert worden. Wuchs sich das zu einer Seuche aus? In der art&book - Buchhandlung hatte jemand mehrere teure Bildbände geklaut, in der Avenariusgasse war eine Galerie überfallen worden, drei Ladendiebe hatten sich im Kaufhaus Damberger am Markt umgetan, die Galerie der Moderne wollte eine Banksy-Ausstellung machen. Ui, kam der vorbei und malte ihnen seine Werke an die Wand? Sie sollte sich den Termin auf jeden Fall notieren!

    Die Breze war verspeist, sie legte die Tüte mit dem zweiten Exemplar in das Regal neben sich und überlegte. Irgendetwas hallte noch in ihr nach… Damberger? Quatsch, da war sie schon ewig nicht mehr gewesen. Avenariusgasse? Stimmt, da hatte sie ja gestern erst gegessen. Aber welche Galerie? Und wann? Stand mal wieder nicht da… bei HOT! stand es ganz bestimmt, aber für das dämliche reißerische Blatt gab sie doch keinen Cent aus. Und außerdem war ihr die Sache doch auch egal. Als sie ihre Fischtasche genossen hatte, war in der Avenariusgasse aber schon sowas von tote Hose gewesen…

    Sie legte die Zeitung beiseite und konzentrierte sich auf ihre Mails, auf die Briefpost und alle Memos mit dem Betreff Kannst du bitte mal…, die auf ihren Tisch geflattert waren. Bis das alles erledigt war, war es wieder einmal Mittag durch - ok, essen gehen? Ach, die zweite Breze genügte ja wohl!

    Sie blätterte ein wenig durch den Rest der Zeitung, bevor sie sie achselzuckend ins Altpapier warf und sich wieder einmal vornahm, Nachrichten lieber auf mex-online zu lesen, damit kein Baum für diesen Quatsch sterben musste.

    Dann eben auf zum Meeting!

    Dort ging es leider fast nur um Themen, die sie selbst gar nicht betrafen, was ihr Zeit ließ, über diesen so ungenau beschriebenen Überfall nachzudenken. Ja, und über die Frage, was sie nachher einkaufen musste und ob sie sich später mit Sabine und Paulie irgendwo treffen wollte. Als die Wogen wegen der neuen Klimaanlagen im großen Saal für die Wechselausstellungen besonders hoch gingen, schaffte sie es sogar, unbemerkt eine kurze Nachricht in der passenden Whatsapp-Gruppe unterzubringen.

    Nicht ganz unbemerkt; Anja sah zu ihr herüber und grinste wissend, bevor sie die Augen rollte.

    Schließlich sah Stella wieder fromm drein, ganz gespannte Aufmerksamkeit, fing dann aber doch Pias Blick ein und sah kurz auf die Uhr. Pia nickte leicht, räusperte sich und bat die drei Streiter*innen, doch bitte bis zum nächsten Mal alle Argumente für die eine und die andere Variante in einer Kosten-Nutzen-Rechnung zusammenzustellen, damit es eine Diskussionsgrundlage gebe. Biggi, die schon verzweifelt dreingesehen hatte, versprach, dies anstatt des recht giftigen Streits ins Protokoll aufzunehmen, und wirkte eindeutig erleichtert.

    Noch einige Kleinigkeiten unter „Sonstiges" und Gequengel von Anita und Roland, die sich – wie meistens – benachteiligt fühlten, dann war die Sitzung vorbei; Biggi tippte noch schnell die Uhrzeit, 17:14, und schickte ihr Protokoll an alle Teilnehmer*innen, dann erhoben sich alle erleichtert und verteilten sich auf ihre Büros, um noch so lange zusammenzupacken, bis die Ausstellungsräume geschlossen waren. Vorher zu gehen galt als unfein, es sei denn, man hatte Außentermine.

    Stella grinste vor sich hin, während sie ihren Schreibtisch aufräumte, noch kurz in ihr Postfach schaute – nichts Neues, dem Himmel sei Dank – und den Rechner herunterfuhr.

    An diesem Abend zumindest wollte niemand außerhalb der Öffnungszeiten ins Museum; sie besorgte alles, was sie sich während des langweiligen Meetings überlegt hatte (und noch einige weniger nötige Dinge, über die sie sich hinterher prompt ärgerte), und stellte fest, dass Paulie und Sabine ab sieben im Salads sitzen und ihr einen Platz freihalten würden. Perfekt!

    3

    Ben und Maggie hatten das Krankenzimmer zwar betreten dürfen, vorschriftsmäßig verhüllt, aber eigentlich hatte das nicht den geringsten Nutzen: Das Opfer lag still da, mit diversen Schläuchen und Zugängen versehen, die Augen geschlossen und lediglich die Geräusche erzeugend, die die Überwachungsapparate von sich gaben. Wenn sie das enervierende Piepen richtig deutete, dachte Maggie, war die Atmung gleichmäßig. Immerhin.

    „Das bringt nichts, meinte Ben schließlich, „versuchen wir es morgen nochmal, vielleicht ist er bis dahin wieder wach. Armer Kerl.

    Maggie gab ein zustimmendes Geräusch von sich und wandte sich zur Tür. Die Schwester auf dem Gang lächelte

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