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Mike und ich und Max Ernst: Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte
Mike und ich und Max Ernst: Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte
Mike und ich und Max Ernst: Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte
eBook223 Seiten3 Stunden

Mike und ich und Max Ernst: Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte

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Über dieses E-Book

In einer hellen Mondnacht steht in der kleinen Wohnung über dem Museum plötzlich die Schöne Gärtnerin vor Lucinda und erzählt ihr, dass sie aus ihrem Bild gestiegen sei, um ihre verschollene Schwester zu suchen. Lucinda glaubt, sie träumt. Doch sie träumt nicht: und so machen sich die beiden auf eine abenteuerliche Suche quer durch Europa. Schon bald gesellt sich ein merkwürdiger blinder Junge namens Mike zu ihnen. Und noch jemand hat sich an ihre Fersen geheftet: eine seltsame Frau, die vor nichts zurückzuschrecken scheint, um vor ihnen am Ziel zu sein. Literaturhaus Wien: Jury der Jungen Leser - Auswahlliste 2003
SpracheDeutsch
HerausgeberLoewe Verlag
Erscheinungsdatum24. Juli 2018
ISBN9783732010967
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    Buchvorschau

    Mike und ich und Max Ernst - Antonia Michaelis

    Inhalt

    Die Erschaffung der Eva

    Beim ersten klaren Wort

    Die ganze Stadt

    Ein bisschen Ruhe

    Die Hexe

    Gemälde für junge Leute

    Die Versuchung des heiligen Antonius

    Die Phasen der Nacht

    Das Farbenfloß der Medusa

    Ein sehr sanftes Erdbeben

    Die Rückkehr der Schönen Gärtnerin, 1967

    Die Erschaffung der Eva

    s war ja ganz leicht!

    Man brauchte bloß das eine Bein auszustrecken, dann das andere … Man hatte es vermutlich schon immer gekonnt. Man hatte nur noch nie zuvor daran gedacht.

    Zielstrebig züngelnd sah sie die Flammen auf sich zukommen gleich gierigen gelben Glutfingern mit rastlosen roten Rändern. Sie leckten bereits an ihrem Fuß.

    Mit einem Aufschrei zog sie ihn zurück. Sie musste schnell machen, schnell … Keine Zeit verlieren! Dem Feuer ausweichen, hierhin und dorthin schlüpfen, zwischen den Brettern und den Ballen alter Leinwand hindurch …

    Und endlich, endlich tat sie den letzten Sprung ins feuchte, dunkle Gras. Sie keuchte, und ihre Füße waren nass. Noch nie in ihrem Leben hatte sie gekeucht, und noch nie waren ihre Füße nass gewesen. Was für eine merkwürdige Erfahrung!

    Sie konnte auch fühlen, dass sie an manchen Stellen beschädigt war. Das Feuer hatte sie nicht ganz ungeschoren davonkommen lassen. Bei Tage würde sie es sich ansehen.

    Denn jetzt, jetzt war Nacht. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und sah empor in einen Himmel voller Sterne. Die Gluttropfen, die das Feuer spie, gesellten sich zu ihnen. Der Himmel war ein Himmel über Paris, und das Feuer brannte in einem Garten in Paris, und die Gestalt, die reglos dort stand, war ein Kind dieser Stadt.

    Tief atmete sie die Pariser Luft ein, eine Luft übervoll von Kunst und Licht und Leben wie die Luft anderer Orte mit den Sporen von Pilzen.

    Und sie spürte, wie die Wut in ihr aufstieg. Er hätte sie also verbrennen lassen! Er hätte zugesehen, wie die Flammen sie fraßen. Was für ein Künstler war er, dass er ihre Schönheit nicht erkannte? Sie einfach fortwarf? Womöglich stand er noch immer oben am Fenster, Max Ernst, mit ihr, mit der anderen. Eva.

    Sie erhob ihre kleine Faust gegen sie und sprach einen lautlosen Fluch.

    Noch war sie schwach und unerfahren, sie wusste kaum, wie man die Füße voreinander setzt, und gewiss nicht, wie man sich rächt. Aber die Zeit würde kommen. Sie würde lernen, böse zu sein.

    (1923)

    Zunächst schien alles ganz gewöhnlich.

    In der kleinen Wohnung über dem Museum wölbte sich blaues Licht auf den Teppichrändern. Auf Lucindas Schreibtisch lag eine Nachricht von Peter. Sie war bestimmt von Peter, denn er schrieb seine Nachrichten immer auf die Rückseiten von Kunstpostkarten. Wenn man Museumsdirektor ist, kann man seiner Tochter ruhig ab und zu Nachrichten auf Kunstpostkarten schreiben.

    Lucinda streifte die Sandalen ab und kletterte auf den Schreibtisch, um den blauen Vorhang zurückzuschieben und das Fenster zu öffnen. Eine Hitzewelle schlug ihr entgegen. Draußen atmete Berlin den Beginn der Sommerferien ein und aus.

    Die anderen saßen jetzt irgendwo in einem Eiscafé, und in den nächsten Tagen würden sie in kleinen Cliquen zusammen wegfahren. Ans Meer vielleicht. Abends würden sie in eine Menge Kneipen und Discos gehen und eine Menge Bier trinken …

    Lucinda würde mit niemandem wegfahren. Sie würde Peters Nachricht lesen, ihr unscheinbares mausbraunes Haar kämmen und anschließend hinunter ins Museum gehen und ein wenig mit den Bildern sprechen. Wenn die anderen wüssten, dass sie mit Bildern sprach, dachte sie, würden sie sie für noch bescheuerter halten, als sie es ohnehin schon taten.

    „Aber andererseits, flüsterte Lucinda dem blauen Vorhang zu, der sich im Windhauch bewegte, „andererseits spreche ich vielleicht nur mit den Bildern, weil die anderen mich für bescheuert halten.

    Unten, auf der kleinen Straße, in der das Museum lag, ging eine Frau in heller Wildlederjacke und -hose vorbei. Lucinda schüttelte den Kopf. Wie konnte jemand bei dieser Hitze in Leder herumlaufen? Das lange, schwarze Haar floss an der Gestalt hinunter wie ein Wasserfall, und sie war so zierlich und so perfekt, dass Lucinda ihr einen Moment lang nachstarrte. Die Frau verlangsamte ihre Schritte und sah sich um. Suchte sie den Eingang zum Museum? Sollte Lucinda rufen? Denn wozu sonst käme ein Mensch in diese schmale, unscheinbare Seitenstraße?

    „Unser Leben, wisperte Lucinda in die Vorhangfalten, „ist auch eine Seitenstraße. Meins und das von Peter …

    Der Vorhang schüttelte sich.

    „Du hast Recht: Wie pathetisch!, sagte Lucinda, „Ja, das finde ich auch.

    Als sie wieder hinunter auf die Straße sah, war die schöne Fremde verschwunden.

    Wie gesagt – bis dahin erschien alles ganz gewöhnlich. Aber dann drehte Lucinda die Karte um und las Peters Botschaft.

    Und da hörten die Dinge auf, gewöhnlich zu sein.

    Sie ist weg, stand auf der Rückseite der Karte.

    Bitte komm herunter, Lucy. Ich weiß nicht, was ich tun soll.

    Wer war weg?

    Neben der einen, einzelnen Karte lag ein ganzer Abreißblock anderer Postkarten. Peter hatte vergessen, ihn wieder mitzunehmen.

    Max Ernst, las Lucinda. Alle von Max Ernst. Sie drehte die Karte mit der Botschaft um und betrachtete das Bild darauf, während sie in ihre Sandalen schlüpfte.

    Sie kannte dieses Bild. Es hing unten im Museum, eine Leihgabe, und gestern noch hatte sie mit der Frau darauf gesprochen. Nicht, dass die Frau geantwortet hätte …

    Lucinda befand sich bereits auf der schmalen Treppe, die hinunter zum Museum führte, als sie merkte: Mit dem Bild auf der Karte stimmte etwas nicht. Nicht nur dass dieses hier schwarz-weiß war. Die Frauengestalt darauf sah auch ganz anders aus. Und es gab eine Landschaft im Hintergrund. Auf dem Bild im Museum gab es keine.

    Verwirrt steckte Lucinda die Postkarte in ihre Hemdtasche und öffnete vorsichtig die Tür, die die Wohnung mit dem Museum verband.

    „Eine Geheimtür, hatte Peter immer gesagt, als Lucinda noch klein gewesen war. „Verrate sie niemandem. Falls wir einmal vor einem Ungeheuer fliehen müssen. Sie lächelte – doch nur eine Sekunde lang. Dann gerann das Lächeln auf ihrem Gesicht.

    Normalerweise war das Museum an Wochentagen so gut wie leer. Aber jetzt war es mit einem Mal voll, voller Polizeibeamter in Uniformen. Sie schienen aus jeder Ritze zwischen den Bilderrahmen hervorzuquellen, sie krochen auf dem Boden herum und tasteten die Wände ab und klopften an den kleinen grauen Kästen der Alarmanlage herum. Lucinda machte auch zwei große Hunde aus und presste sich dicht an die Wand. Sie mochte keine Hunde. Sie mochte keine Hunde und keine großen Straßen und keine Polizisten und keine Lehrer. Und keine Bahnhöfe und keine hohen Häuser und …

    Bisher waren das Museum und die Wohnung die einzigen sicheren Orte gewesen. Offenbar hatte sich das schlagartig geändert.

    Sie musste herausfinden, was hier los war. Sie musste Peter finden.

    Möglichst lautlos stieß sie sich von der Wand ab und schlich zwischen den Polizisten hindurch. Wenn sie sich nur still genug verhielt, bemerkte vielleicht niemand sie. Vor allem hoffentlich kein Hund.

    „Aber hallo!, rief da jemand direkt neben ihr und packte sie am Arm. „Was tut denn das Mädchen hier?

    Lucinda machte sich klein vor der lauten Stimme.

    „Ich … ich …", stotterte sie und spürte, wie das Blut ihr ins Gesicht schoss, als er ihren Blick suchte. Jemand aus ihrer Klasse hatte einmal gesagt, das Grau von Lucindas Augen wäre so unauffällig, dass man Angst bekommen konnte, unsichtbar zu werden, wenn sie einen damit zu lange ansah. Sie blickte auf ihre Füße hinunter. Warum dachte sie jetzt über ihre Augen nach? Und warum konnte sie vernünftige Dinge nur zu den Bildern sagen?

    „Ich wollte nur –"

    „Hier ist jetzt geschlossen", dröhnte der Polizist unter einem Schnauzbart hervor. Lucinda fand, er sah auch ein bisschen aus wie ein Hund. Sie hätte ihn gerne gefragt, ob er keinen Maulkorb tragen müsste …

    „Es steht doch groß und deutlich draußen dran, dass das Museum geschlossen ist …, fuhr der Hunde-Beamte fort. „Kannst du nicht lesen, Mädchen?

    „Mein Vater …, flüsterte sie. „Ist ihm … ist ihm etwas zugestoßen? Wer … wer ist weg?

    Der Polizist schnaubte verwirrt. „Wie – wer ist weg? Willst du mich hochnehmen oder was?"

    Lucinda schüttelte den Kopf und sah auf ihre Füße, neben denen die Füße des Polizisten groß und feindselig in ihren Stiefeln standen. Ein anderes Paar Stiefel gesellte sich dazu.

    Jetzt verhaften sie mich, dachte Lucinda. Und gleichzeitig: Was für ein Unsinn! Warum sage ich nicht einfach, dass ich hier wohne? Nein, Peter musste es sagen. Peter musste kommen und ihnen alles erklären. Sie konnte es nicht. Sie hatte so was noch nie gekonnt. Aber – wenn Peter gar nicht mehr hier war? Wenn sie Peter mitgenommen hatten? Was konnte er getan haben, um all diese grünen Uniformen anzulocken?

    „Lucinda!, sagte jemand über ihr. „Da bist du ja! – Hören Sie, das ist meine Tochter. Ich hatte sie gebeten herzukom- men …

    Peter legte ihr eine Hand auf die Schulter, und da hob sie ihren Blick von den Stiefel-Füßen und sah in sein Gesicht.

    „Was ist passiert?", flüsterte sie.

    „Komm, sagte Peter. „Ich zeige es dir. Seine Brille war verrutscht, und sein lichtes Haar ragte in alle möglichen Richtungen. Der hellblaue Schlips unter seiner Weste hing auf halb acht.

    Lucinda ließ sich von seiner großen Hand führen und fühlte sich wieder klein. Als sie jetzt zurückblickte, sah sie, dass es nur drei waren. Drei Polizisten. Und der Hund war auch nur einer. Wie kam es nur, dass alles immer so viel größer und mehr und bedrohlicher wurde, sobald sie allein war?

    Vor einem großen Stück weißer Wand blieben sie stehen.

    „Hier, sagte Peter, „sieh dir das an!

    Zwei Fenster flankierten das Stück Wand rechts und links; von draußen fiel der grüne Sommerblätterschatten einer Eberesche herein und blieb unentschlossen auf dem Boden liegen. In der Mitte der weißen Wand aber hing ein Bild, ein einziges, großes Bild, wie ein drittes Fenster in eine merkwürdige, scheinbar schwerelose Welt.

    Peter rückte seine Brille zurecht, zupfte nervös an dem schiefen Schlips herum und machte alles nur noch schlimmer. Er schüttelte den Kopf und zeigte auf das Bild.

    „Das kann doch nicht sein, oder? Das … das ist doch nicht möglich! Wie …?"

    Lucinda brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, vor welchem Bild sie standen. Das Museum war der einzige Ort auf der Welt, an dem sie blind jeden Weg gefunden hätte.

    „Die Schöne Gärtnerin!, flüsterte sie. „Die Rückkehr der Schönen Gärtnerin von Max Ernst.

    Und dann sah sie es. Und verstand.

    Sie war fort.

    Das also hatte die Botschaft auf der Postkarte bedeutet. Lucinda wollte Peter fragen, warum das Bild auf der Karte so anders aussah …

    „Es muss heute Nacht geschehen sein, sagte Peter da. Seine Stimme war ganz platt und eindimensional. „Aber wie? Und was soll diese Fälschung? Ich meine … es ist nicht mal eine richtige Fälschung. Es ist … als würde sich jemand über uns lustig machen.

    Lucinda nickte langsam. Das Bild, das dort an der Wand hing, hatte das richtige Format für die Schöne Gärtnerin. Es hatte den richtigen Farbton, ein leises Grau, und die Männerfigur im Hintergrund war so durchscheinend wie immer.

    Er bestand nur aus Linien, der dort im Bild, wie ein Spinn-weben-Gebilde, wie ein Gedanke. Vielleicht ein Gedanke der Schönen Gärtnerin – ja, alles war genau wie immer.

    Bis auf eine einzige Sache.

    Die Gärtnerin fehlte.

    Lucinda spürte, wie es heiß und kalt durch sie hindurchlief, eine verrückte Wasserleitung in ihren Eingeweiden.

    „Bist du … bist du sicher, dass jemand das Original gestohlen hat?", fragte sie.

    Peter warf in verzweifelter Ratlosigkeit die Arme hoch. „Das ist es ja eben!", rief er. „Niemand kann es gestohlen haben! Die Tür war abgeschlossen wie immer …"

    Er ging zu der Reihe von Fenstern hinüber und stemmte beide Arme gegen eine der Scheiben, als wollte er sie in seiner Verzweiflung herausdrücken. Lucinda erschrak. Doch natürlich gab das dicke Glas nicht nach. Man konnte die Fenster nicht einmal öffnen, sie hatten keine Griffe.

    „Siehst du?, rief Peter. „Siehst du? Es ist unmöglich! Keine der Scheiben hat auch nur den kleinsten Kratzer.

    „Peter", sagte Lucinda leise und legte ihm die Hand auf den Arm.

    Hinter ihnen räusperte sich einer der Polizisten. „Entschuldigung, ich wollte nur sagen, unser Techniker hat das Alarmsystem überprüft. Scheint vollkommen intakt zu sein. Und der Hund findet auch nichts. Keine Spur, nichts."

    Sie waren alle drei herübergekommen. Lucinda trat noch einen Schritt näher an ihren Vater heran. Die Grünuniformierten standen ihnen jetzt gegenüber wie eine einheitliche Masse. Höflich, aber misstrauisch.

    „Gibt es noch einen anderen Zugang zum Museum?", fragte einer von ihnen.

    Peter schüttelte den Kopf. Dann nickte er. „Einen, ja. Die Treppe zu unserer Wohnung."

    „Ist dir klar, was du damit gesagt hast?", fragte Lucinda wenig später. Die Uniformen waren gegangen; der Hund auch.

    Lucinda und ihr Vater saßen inmitten von Postkartenständern und bunten Kunstbänden im Museumsshop am Kassiertisch und tranken starken schwarzen Kaffee. „Wie – gesagt?", wollte Peter wissen.

    „Na, damit, dass es noch diesen anderen Ausgang gibt. Über unsere Wohnung. Sie sah in ihren Kaffee, wo ihr Spiegelbild blass auf den schwarzen Wellen schwamm. „Es bedeutet, dass es nur einer gewesen sein kann – du.

    Sie trank einen Schluck. „Oder ich."

    „So ein Unsinn, brummte Peter. „Wieso? Er schüttelte den Kopf. Seit sie ins Museum hinuntergekommen war, hatte er ungefähr hundertmal den Kopf geschüttelt.

    „Du meinst … Du meinst, das denken sie?"

    „Halten Sie sich zur Verfügung, murmelte sie. „Hat der eine nicht genau das gesagt?

    Sie sah die steilen Falten auf Peters Stirn, sah, wie er mit seinen hageren Händen die Kaffeetasse umklammerte, bis die Knöchel weiß hervortraten. Und plötzlich tat er ihr unendlich Leid. Peter war immer groß und stark gewesen für sie, und nun sah er mit einem Mal nur noch müde aus.

    „Das Verrückte ist, sagte er leise, „sie ist schon einmal verschwunden.

    Lucinda starrte ihn an. „Was?"

    „Die Gärtnerin. Dies hier ist das zweite Bild. Max Ernst hat vorher schon eines gemalt."

    „Wurde das erste … auch … gestohlen?" Das auch kam ihr verkehrt vor, als sie es sagte.

    Peter schüttelte den Kopf. „Nein. Ich glaube, die Nazis haben es zerstört." Er rührte eine Weile schweigend in seinem Kaffee, und Lucinda dachte an Max Ernst, der ein zweites Bild gemalt hatte, nachdem ihm das erste weggenommen worden war.

    „Die Versicherung …, flüsterte Peter in seine Kaffeetasse. „Es liegt verdammt nahe, auf die Idee zu kommen, dass ich … Oh verflixt. Aber ich war es nicht! Du weißt das, Lucy, nicht wahr?

    Sie stand auf und ging zu ihm, um die Arme um seinen Hals zu legen. „Natürlich. Natürlich weiß ich das."

    Sie hätte es ihm sagen können. Aber er hätte es ja doch nicht geglaubt.

    Später stand sie alleine vor dem seltsam leeren Bild und betrachtete es lange.

    Nein, Peter hatte es nicht ausgetauscht, und auch niemand sonst. Denn es gab noch eine andere Möglichkeit. Eine Möglichkeit, an die noch keiner gedacht hatte – außer ihr. Lucinda streckte ihre Hand nach dem Rahmen aus und zog sie im letzten Moment zurück. Die Alarmanlage hätte sofort losgezetert – genauso, wie sie losgezetert hätte, wenn jemand das Bild in der Nacht gestohlen hätte. Aber sie brauchte es nicht zu berühren, um sich sicher zu sein: Dies war dasselbe Bild, das seit Anfang der Ausstellung im Museum hing. Die Rückkehr der Schönen Gärtnerin.

    Nur die Schöne Gärtnerin, die war nicht mehr darauf.

    Sie

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