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Jeder Mann liebt Ursula
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eBook238 Seiten3 Stunden

Jeder Mann liebt Ursula

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Über dieses E-Book

Ursula, genannt Ussi, ist "ein Mädchen wie tausend andere aus der Armee der Arbeit, und doch wieder war sie anders." Sonntags geht sie am liebsten ins Kino und weint über Liebesfilme mit Greta Garbo. Dabei schwört sie sich: "Zum Kuckuck, ich werde mich niemals verlieben! Mir kann die Liebe gestohlen bleiben. Das bißchen Liebe – und so viel Jammer und Geschrei!" Doch natürlich fällt es ihr schwer, sich an diesen Vorsatz auch zu halten, denn: "Jeder Mann liebt Ursula". Da ist Heini, da ist Karl, da ist Fritz ... Die meisten dieser Männer lieben daneben aber auch andere Frauen. Nicht jedoch Peter: "weil er nämlich Ussi liebt und n u r Ussi liebt." Ussi dagegen liebt vor allem auch den Film und will Schauspielerin werden, wie die Garbo, was die Sache für die Männer (und Peter) nur weiter kompliziert ...-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum7. Apr. 2016
ISBN9788711503805
Jeder Mann liebt Ursula

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    Buchvorschau

    Jeder Mann liebt Ursula - Robert Heymann

    www.egmont.com

    1.

    Heute, an einem Herbstabend, der Wind sauste durch die Straßen, die Bäume standen schon beinahe kahl, saß Ursula im Theater. Ihr Atem setzte manchmal aus, ihre Augen füllten sich mit Tränen, ihre Finger zerknüllten erregt das Taschentuch. Sie war krampfhaft bemüht, in den Pausen ein gleichgültiges Gesicht zu zeigen. Was ging sie das schon an, was sich da oben abspielte! Schieber und Schleicher gingen über die Bühne, einsame Herzen wurden zertreten ... ja, nun, wo werden keine Herzen zertreten? Ist es nicht lächerlich, darüber zu vergessen, daß Tränen die Tusche von den Wimpern wuschen! Aber das Stück war doch sonderbar: Ein Mensch, der das Gute will, der allen Menschen das Glück bringen will, solch ein Mensch stieß sich den Schädel an den steinharten Kanten der lieben Seelen ein ...

    Na schön! Wenn schon!

    Ursula betrachtete kritisch ihr Gesicht in dem kleinen Spiegel auf der Innenseite der kunstledernen Handtasche. Sie tupfte rosafarbenen Puder auf die Nase, die immer ein wenig glänzte, und zog den runden Mund mit dem Lippenstift herzförmig nach. Dabei schielte sie mit einem halb zugekniffenen Auge auf den Herrn in der nächsten Reihe. Was der Fatzke mich immer anzustarren hat? Wenn ich dem bloß mal die Zunge zeigen dürfte ...

    Ussi war ein Mädel wie tausend andere aus der Armee der Arbeit, und doch wieder war sie anders. Freilich, sie trug die Uniform der Fräulein ihrer Zeit, äußerlich und innerlich. Das billige seidene Fähnchen spannte sich fest um nur angedeutete Hüften, das blonde Haar war sorgsam onduliert, ihre Gedanken waren auf das Leben, auf Reichtum und Liebe mit den gleichen Schlagworten eingestellt wie das Leben ungezählter anderer kesser kleiner Angestellten, mit den gleichen Sorgen und den gleichen Träumen. Dabei schaute Ussi aus wie eine junge Dame von Welt. Nur wer ihr einen zweiten Blick zuwarf, der sah wohl die vielen kleinen Unterschiede zwischen ihr und jenen Damen, die keine oder nur sehr geringe Sorgen hatten, hinter deren glatten und weißen Stirnen sehr klare Vorstellungen von der Welt und dem Leben wohnten. Wenn man aber bedachte, daß Ussi im Berliner Norden geboren war und in der Gegend rund um die Fruchtstraße aufgewachsen ist — wenn man sich überlegte, daß Ussi aus einem dieser in ewigem Schatten versunkenen Hinterhöfe hervorgegangen war, dann mochte man über das Wunder staunen, das Ussi an sich selbst vollzogen hatte.

    Für ihre Bildung hatte sie alles getan, was in dieser Zeit für ein Mädel ihrer Art nötig war. Sie hatte die Augen und Ohren offen gehalten, sie hatte für jedes Problem, das die Welt bewegte, eine schnoddrige Groschen-Weisheit bereit.

    Sonntags ging sie entweder ins Kino oder in die Volksbühne. Der Eintritt kostete sie nichts, sie bekam Freikarten, denn Rolf Sonntag, ein kleiner Schauspieler, ist der Freund ihrer Schwester Martha. Martha ist Näherin, sie zog das Kino vor, im Sommer aber paddelte sie lieber mit Rolf oder machte Touren mit Erwin vom Jugendbund. Martha hatte ein Dutzend Flirts, aber keine große Liebe, die Jungens sagten, sie wäre ein „Vamp".

    Ussis Gedanken kehrten wieder zu dem Stück zurück. Es regte auf. Aber das war eine ganz andere Erregung, die ihr Blut peitschte, als wenn sie im Kino über Greta Garbo weinte.

    Die könnten doch auch mal was anderes spielen, wo keine Liebe vorkam? Aber vielleicht wäre es dann nicht so interessant. Die Liebe ist schon eine merkwürdige Angelegenheit. Mal geht es schief — (sehr oft geht es schief!) — mal wird die Liebe belohnt — (um welchen Preis!) — Das ist eine Frage des Charakters und einer robusten Gesundheit, dachte Ursula.

    Ich könnte nicht so viel leiden, um glücklich zu sein! Was ist das denn schon? Man hat einen Mann, vielleicht Kinder ... ich mag die Göhren gar nicht! Paula, die jüngste Schwester, ärgerte mich mehr, als man Freude an ihr hatte! — Aber ich würde vielleicht einen so armen Kerl wie den da oben in dem Theaterstück von der Bühne weg heiraten. —

    Nein, würde ich doch nicht! Aber einen Kuß könnte ich ihm geben, mitten auf seinen verkümmerten Mund, und dann liefe ich davon, er könnte sich ja den Kopf zerbrechen, wer ihm diesen einzigen Kuß versetzt hatte!

    Unter solchen Gedanken ließ Ussi die Szenen auf der Bühne bald entsetzt, bald innerlich protestierend, an sich vorbeigehen. Das alles hatte immer irgendwie etwas mit dem Elend ihrer Klasse zu tun. Das waren vertraute Bilder, und doch ist das Leben da oben im Licht der Rampen verzerrt, übermalt. Das ist so im Theater wie im Kino. Ussi fühlte plötzlich körperlich die Schminke auf ihrem blassen Gesicht. Wir wollen eben immer etwas anderes gelten als wir sind. Ich auch, natürlich!

    Es war wieder Pause. Sie ließ hochmütig eine Braue hochsteigen. Die Menschen um sie her sollten nicht denken, daß sie gerührt war ... und der Affe dort vorne starrte sie noch immer an!

    Dann wurde es wieder dunkel, und Ussi war wieder mitten drin in dem Elend der Menschen, die so verschieden waren und, statt sich gegenseitig zu helfen, einander mit den tollsten Mätzchen betrogen.

    Sie kam nicht los, wenn auch das Hirn rebellierte. die Tragödie marterte ihr Herz. Es ist schon so! Immer war es so! Das bißchen Liebe — und so viel Jammer und Geschrei! Zum Kuckuck, ich werde mich niemals verlieben! Mir kann die Liebe gestohlen bleiben. Wie käme ich dazu, das Elend meiner Mutter zu wiederholen? Sie hatte elf Kinder geboren! Aber was hatte das schon mit Liebe zu tun? Nun, vielleicht hatte es schon allerhand damit zu tun!

    Aber nun war das Spiel aus, die Lichter erloschen, die Stimmung zerrann. Ursula ging befreit zum Ausgang. Draußen auf dem großen Bülowplatz blieb sie verblüfft stehen.

    Eine Kette Autos rollte zur Anfahrt wie am laufenden Band. Knallend flogen die Türen zu, schillernde Frauen, gleichgültige Männer verschwanden. Da sprang ein junger Mensch zu dem und jenem Auto hin, kaum daß es hielt, öffnete den Schlag vor den Einsteigenden, schloß ihn wieder, streckte die Hand aus ... und wenn er nichts bekommen hatte, wenn die Hand leer blieb, stand er noch sekundenlang da wie eine Statue, umkreist von Lampenlicht, das zittrig den Dunst der Stadt durchdrang. Aber es waren mehrere junge Menschen, nicht nur einer! Freilich sah einer wie der andere aus, Marionetten, alle aus derselben Fabrik, mit den eingekrusteten Schlacken der Arbeit auf den abgetragenen Röcken. Die Hosen schlenkerten ihnen um die Beine, als ob sie Stelzen hätten. Aber dieser eine Mensch da ... dieser eine Mensch, der sich jetzt vor dem anfahrenden Wagen aus der gebeugten Stellung zurückschnellte ... das ist doch Peter, Peter — der Bankbeamte Peter Lange — dachte Ursula. Dieses Zurückspringen des geduckten Körpers ... und der Kopf mit dem langen strähnigen Jungenshaar (das trug er noch immer. Aber er war ja sicher noch immer so ein Junge.) Nur: Wie kam Peter hierher? Arbeitslos? Ja, aber — Trinkgelder — ein ehemaliger Bankbeamter — und wie elegant war er immer gewesen!

    „Peter!"

    Ehe Ursula wußte, daß sie gerufen hatte, drehte der junge Mensch sich um und schaute sie an. Da erkannte er sie. Die Hand, die eben noch das Trinkgeld in die Tasche gleiten lassen wollte, stand in der Luft.

    „Ursula", sagte Peter mit schief gestelltem Kopf. Ein Passant riß ihn vor einem anfahrenden Auto weg. Der Schupo griff sich den nächststehenden Kollegen Peters heraus, — sofort verschwanden die elenden Gestalten aus dem Lichtkegel. Auch zu Peter sagte der Schupo:

    „Machen Sie, daß Sie fortkommen."

    Ussi dachte: warum soll Peter nicht hier stehen und Autotüren öffnen? Aber da wandte er sich schnell ihr zu.

    „Wenn ich dich jetzt nicht leibhaftig sehen würde, sagte Ussi, „nein, dann würde ich es einfach nicht glauben!

    Ihre Augen musterten ihn unruhig. Er wurde rot, Ursula sah es nicht, denn sie gingen die Straße entlang, die in einem schmutzigen Halbdunkel lag.

    „Ja, Ussi, es war ein weiter Weg von der Deutschen Bank bis — bis hierher. Aber wenn man erst ohne Stellung ist ... und keine mehr bekommt ... Plötzlich redete er hastig und atemlos ... „Du mußt nicht denken, daß ich hier die Hände aufhalten und betteln würde, wenn es sich nur um mich handelte. Nein, ich tu’s wegen Mutter ... Herrgott, Ussi, du kannst es dir ja nicht vorstellen ... Ihre Hand fuhr wie liebkosend über seinen abgetragenen Rock.

    „Ich kann, Peter ... aber du gehst nicht unter! Du nicht! Nur Kopf hoch, weißt du?"

    Er nickte und lächelte verloren.

    „Ich weiß, Ussi."

    Schön war sie geworden! Unter dem halboffenen pelzbesetzten Mantel das grüne Seidenkleid! „Paßt wundervoll zu deinem hellen Teint mit dem zarten Aprikosenton!"

    „Den hab’ ich mir doch angeschminkt!" Ihr kleiner, koketter Hut saß schief auf dem hellen Haar, eine rote Feder knallte darüber.

    „Du hast auch immer noch deine süße Stupsnase", fuhr Peter fort und ging neben Ursula her.

    „Findest du?" Ussi wurde rot. Eigentlich — frech war das! Ich muß mir noch heute meine Nase im Spiegel besehen. Jetzt sind lange Nasen modern. Man kann dem Fehler ja abhelfen. Für einige hundert Mark kauft man sich beim Schönheitsdoktor eine andere Nase. Nur das Geld muß man erst mal haben!

    Sie lachte über ihre eigenen Gedanken, und die Stupsnase lachte mit, dieses Periskop der Sehnsucht, das die Dinge schon hundert Meter voraus spiegelt, ehe die Augen recht bei der Sache sind.

    „So ein Zufall!" sagte Ussi. Peter schwieg ...

    „Nun, Peter?"

    „Ja, ein großer Zufall! Ich hatte dich gesucht, Ussi, aber leider — nicht mehr gefunden."

    „Ich wohne nicht mehr bei Mutter."

    „Das hat sie mir erzählt. Warum nicht mehr?"

    „Ich arbeite in einem Laden in Charlottenburg ... Die Entfernung bis zum Zoo ... ich habe da immer so viel Zeit verloren. Trotz der guten Verbindung mit der U-Bahn."

    „Jawohl, sagte Peter und schaute sie von der Seite an. Nach einer kleinen Pause: „Aber deine Schwestern wohnen noch bei der Mutter!

    „Martha, Frieda und Paula ... ja! Die wohnen noch da. Die arbeiten aber auch in der Gegend! Martha bei Tietz, Frieda in einer Wäscherei, und Paula ist ja noch zu klein zum Arbeiten."

    Albern und uninteressant sind die Mädels, dachte Peter, die können sich mit Ursula nicht messen! Eine richtige Dame ist sie geworden. Nicht wegzukennen von den Kurfürstendamm-Frauen! Talentiertes Mädl!

    „In welchem Geschäft arbeitest du denn jetzt, Ussi?"

    Sie sagte: „Mein letzter Chef arbeitete in Importartikeln, aber in der Krise ist er pleite gegangen. Da bin ich als Verkäuferin bei Dietrich Jonas eingetreten."

    „Wer ist Dietrich Jonas?" fragte Peter.

    „Ein Juweliergeschäft dicht bei der Tauentzienstraße."

    „Da bist du jetzt Verkäuferin?"

    „Wieso fragst du? Staunst du?"

    „Nun, ich denke, man muß da allerhand verstehen von Brillanten und Schmuck und den Fassungen. — Ich könnte jedenfalls so einen Posten nicht ausfüllen."

    „Das ist doch nicht schwer, Peter! erwiderte Ursula in mütterlichem Tone. „Die Preise sind alle aufgeschrieben, und zum Verkauf ist ’ne alte Schraube da, das heißt, sie sieht sehr vornehm aus, hochgeschlossener Kragen, wie ’ne Stiftsdame oder so. Na, und der Chef, Junge, über den kannst du dir totlachen ...

    „Du dich ..."

    Ursula schwieg einige Sekunden beleidigt und beschämt, dann lachte sie.

    „Ein alter Fehler, Peter. Ich dachte, ich hätte ihn mir schon abgewöhnt. Also der Chef ist dick und rund, stammt irgendwoher aus dem Balkan, — oder noch weiter ... von so ’ner Insel, wo die Samosweine herkommen. Ich bin eigentlich fürs Geschäft die Anreißerin."

    „Was bist du?" fragte Peter und blieb stehen. Es war sehr spät geworden, der Platz hinter ihnen lag einsam, das breite Theater war hingewuchtet wie ein riesiges schlafendes Tier. Nur am Schönhauser Tor war noch geheimnisvolles Leben.

    „Wo willst du denn eigentlich hin?" fragte Ursula unvermittelt.

    „Ich bringe dich nach Hause. Nach dem Westen, nicht wahr? Oder — Peter schaute betreten an seinem grünschimmernden Rock herunter — „oder wenigstens bis an die Treppe zur Untergrundbahn.

    „Noch nicht, sagte Ussi. „Wir wollen uns noch ein bißchen ausquatschen. Wo wohnst du denn?

    „Ich?" Er zauderte. Sie beugte sich neugierig vor und schaute ihm im Schein der elektrischen Lampe erst mal richtig ins Gesicht. Gelbe Furchen zogen sich von der langen schmalen Nase zum Mund herab. Dieser Mund sah aus wie gespalten. Der Mantel schlotterte an seinem Körper.

    „Wann hast du deine Stellung verloren, Peter?"

    „Vor achtzehn Monaten."

    „Du hast wohl jetzt gar keine Bleibe?"

    „Doch, mach dir keine Sorgen! Ich wohne in einem Männerheim — gar nicht weit! Gormannstraße. Gegenüber der Stempelstelle."

    „Da kann ich wohl nicht mitkommen? Ist da nicht so etwas wie ein Restaurant?"

    „Nein, Ussi, da sind nur Männer, eine Frau würde sich da fühlen wie — wie im Urwald. Aber wenn wir noch ’n paar Minuten gehen, da in der Nähe ist ein Café, da habe ich Kredit!" —

    „Gut", sagte Ursula gedrückt. Sie schlenderten die schlecht beleuchtete Straße entlang. Ussi beschmutzte sich die neuen Schuhe ... es rieselte schon eine Weile von dem schwarzen Himmel nieder ... aber sie ging doch neben Peter, und so viele Erinnerungen knüpften sich an ihn! Als man noch so jung war und von einem eigenen kleinen Heim träumte, von Kindern und so ...

    „Du hast inzwischen kein Glück gehabt, Peter?"

    Er machte eine fahrige Handbewegung. „Nein. Viel Glück habe ich ja bisher im Leben überhaupt nicht genossen. Nur damals — was Ussi?"

    Ussi zog den Pelz ihres Mäntelchens fester um den Hals. Sie hatte plötzlich Angst vor dem, was er sagen würde. Und doch reizte es sie, ihn anzuhören. Warum bloß, dachte sie. Ich gehe jetzt einfach mit Peter, als ob es noch so wäre wie damals! Aber inzwischen ist die Zeit vergangen, alles ist anders geworden. — Wie sehr ist alles anders geworden!

    Sie traten in das Café. Nachdem sie bestellt hatten, sagte Peter:

    „Denkst du noch daran, wie du und ich ... ja, Ussi? Wie waren wir glücklich!"

    Ursula lachte ein wenig zu laut und verstummte. Sie bereute plötzlich mitgegangen zu sein. Was hatte sie hier zu suchen in diesem merkwürdigen Café, so spät, in einem Viertel, das ihr längst nichts heimatliches mehr bot? Während der Kellner ihr die Melange und Peter einen Korn servierte, schaute sie sich um. Sie saßen nahe der Tür, ein langer schmaler Gang führte nach rückwärts. Da saßen fremdartige Gestalten, manche stierten lautlos vor sich hin, andere würfelten, drei fragwürdige junge Leute spielten auf dem Damebrett ein Glücksspiel, nicht ohne Streit und Zwischenrufe. Am Tisch neben Ussi hatten einige Männer Platz genommen. Sie waren sehr gut angezogen, aber Ussi verzog den Mund. Der Stiernacken des einen war ihr widerwärtig. Der andere mit den stechenden Augen hatte das Gesicht voller Narben, der Kopf des dritten lief spitz zu wie bei dem letzten Aztekenkönig, den Ussi mal auf dem Rummel für zwei Groschen bestaunt hatte. Unwillkürlich dachte Ussi an das Plakat vor einer anderen Schaubude: eine tote Frau auf der Erde, ein Verbrecher neben dem Opfer an der Tür, die soeben von außen gesprengt wurde: Sherlock Holmes und Polizei mit Revolvern, der Mörder an der Tür, gleichfalls mit vorgehaltenem Revolver lauernd, der Zimmerboden überschwemmt mit Blut. Das ganze hieß: „Raubmord im Karolinental: „Hier sehen Sie in Wachs die größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts! Haarmann und Denke und Kürten, den Massenmörder von Düsseldorf.

    Ussi wandte den Blick von den Rücken der Männer ab. Die Wirtin stand mit dicken nackten Armen hinter der Theke und beobachtete Peter. Ussi schaute zu Boden. Der schmalbrüstige Kellner wischte in der Ecke den Tisch ab und unterhielt sich mit einem Mädchen. Er schmunzelte herüber, während das Weib eine Bemerkung machte, irgendeine gemeine Zote, Ussi fühlte es.

    Peter kam zu Bewußtsein, daß er Ussi nicht hätte hierher führen dürfen. Er ist für die Umgebung schon abgestumpft. Aber Ursula ...

    „Freilich, sagte Ussi leise. „Das war damals eine ganz andere Zeit!

    Ein Lächeln ringelte sich lockend und licht um ihren Mund. Peter wurde es ganz warm ums Herz. „Du denkst auch noch oft daran? Du hast es nicht vergessen?"

    Plötzlich redete er sich in Erinnerungen an die Vergangenheit hinein.

    „Weißt du noch? Unsere Fahrten zum Werbellinsee — Lagern im Freien — Zeltstimmung — Waldschweigen — Seestille — du und ich —"

    Ussi hatte den Kopf gesenkt, Peter schaute eine Weile mit einem wesenlosen Blick in die Zigarettenwolken, die vom Nebentisch aufstiegen. „Dann bist du weggekommen, damals im Herbst, weißt du, Ussi? Wegen deiner Lunge. Na, und als du wiederkamst, da war ich im Rheinland. Wir haben uns ja geschrieben! Erst oft, später dann und wann mal — dann hörte das auch auf. Aber als ich zurückkam, war mein erster Gang zu dir ..."

    Er legte seine Hand auf die ihre. Was dachte er eigentlich? ging es Ussi durch den Kopf. Noch einmal anfangen? Die Liebelei von damals? Mit ihm? Jetzt? Welche Aussichten hat er? — Sie betrachtete ihn von unten her unter halbgeschlossenen Wimpern:

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