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Lücken im Regal: Kriminalroman
Lücken im Regal: Kriminalroman
Lücken im Regal: Kriminalroman
eBook422 Seiten5 Stunden

Lücken im Regal: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

In der Bibliothek des Instituts für Mittelalterliche Geschichte verschwinden seit Monaten einigermaßen wertvolle Bücher und Handschriftenfragmente aus einem allerdings schlecht gesicherten Glasschrank, wie die Mitarbeiterin Elli Eversbach feststellt. Als eine besonders nette und begabte Studentin tot zwischen den Regalen aufgefunden wird, versucht die Kripo , einen Zusammenhang herzustellen - und dann gibt es eine zweite Leiche und schließlich noch einen Anschlag auf eine dritte Person.
Gehört das alles wirklich zum selben Fall? Das Team um Joe Schönberger rätselt zusammen mit den Kunstermittlern um Flo Daxenberger, tatkräftig von Elli unterstützt.
Diese ärgert sich zeitgleich mit ihren Geschwistern herum, die kein anderes Thema zu kennen scheinen als Ellis verfehltes Leben (keine Kinder, keine schicken Autos, nicht mal ein Pferd!). Kann es auch zwischen diesem Genörgel und dem Fall einen Zusammenhang geben?
Als Täter und Verlauf feststehen, werden schließlich alle Zusammenhänge klar und Elli hat eine neue, interessante Perspektive - privat wie beruflich.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum6. Aug. 2018
ISBN9783746748634
Lücken im Regal: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Lücken im Regal - Elisa Scheer

    cover.jpg

    Imprint

    Lücken im Regal. Kriminalroman

    Elisa Scheer

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2018 Elisa Scheer/R. John (85540 Haar)

    www.elisa-scheer.de

    ISBN 978-3-746748-63-4

    I

    Es war weg. Eindeutig. Nicht verstellt, nicht versteckt, nicht nach hinten gerutscht - weg. Aus dem Glasschrank geklaut: Sybels Geschichte des Ersten Kreuzzugs von 1841 mit den wunderbar kitschigen Illustrationen im Stil des Historismus. Natürlich war es für Forschungszwecke mittlerweile unbrauchbar, weil der nationalstolze Ton einem furchtbar auf die Nerven gehen konnte und weil die Interpretation der Quellen heutigen Forschern die Haare zu Berge stehen ließ, aber es war ein wertvolles Stück und selbst Primärliteratur zum Thema Rezeption des Mittelalters im 19. Jahrhundert. Genau deshalb hatte sie es ja aus dem Schrank nehmen wollen!

    Und um sich noch einmal das Gemälde des drittklassigen Historienmalers anzusehen, das Gottfried von Bouillon bei der Krönung zum König von Jerusalem zeigte. Schön wie ein Popstar – da konnte man stramm auf die Vierzig zugehen und immer noch schmachten! Leider sah der Gute auf zeitgenössischen Abbildungen nicht halb so attraktiv aus…

    Verdammt, hier gab es doch keine schwarzen Löcher! Sicher, das Historische Seminar war in einem schäbigen Altbau untergebracht, aber die Bibliothek des Mittelalterlichen Seminars war tadellos in Schuss, mit einem perfekten Online-Katalog und übersichtlichen Regalen. Und außer den wissenschaftlichen Mitarbeitern und den „Knechten, wie man die Hilfskräfte üblicherweise nannte, hatte auch keiner einen Schlüssel zu dem Glasschrank, in dem die „Prunkstücke des Instituts verwahrt wurden.

    Sie linste um das Regal neben dem Schrank. An den paar Arbeitsplätzen vor dem – leider mittlerweile einteiligen – Bogenfenster saßen die üblichen Leute: Teubner, der Streber, der wahrscheinlich abends eine Isomatte zwischen den Regalen ausrollte, und das putzige Pärchen Anja und Olli, zwei Knechte – oder besser Knecht und Magd. Sabine Jehlen, die für ein Fünftsemester schon richtig staubig wirkte, und zwei ratlose Anfänger, die sie nur flüchtig kannte und die verschiedene Bände der Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe um sich aufgestapelt hatten, in denen sie aber nichts zu finden schienen. Alle ganz unbescholten – und keiner hatte den dicken braunen Lederband vor sich liegen. Taschen hatte ja niemand mit hereingebracht, das war schließlich strengstens verboten.

    Wer, zum Teufel?

    Wenn es das erste Mal gewesen wäre, gut... Nein, nicht gut, um den Band war es wirklich schade. Aber seit etlichen Monaten verschwanden hier Bücher. Nicht die, die man für eine normale Seminararbeit brauchen konnte, sondern die Prachtbände, die historischen Erstausgaben, sogar schon zwei Handschriften – keine wirklichen Glanzstücke, eher Fragmente, aber für ein so kleines Seminar doch beträchtliche Werte.

    Dass Mahlmann auch nicht bereit gewesen war, die wertvollsten Stücke als Dauerleihgabe an die Unibibliothek zu geben! Die hatten richtig abschließbare Vitrinen und Schränke und sogar einen - wenn auch dürftigen - Wachdienst. Nein, der alte Sturkopf hatte nur gesagt: „Die gehören uns und bleiben hier, basta. Da passiert schon nichts, Frau Eversbach."

    Das hatte er jetzt davon, jetzt war wieder etwas weg.

    Sie müsste es Mahlmann sofort melden, aber der war natürlich schon ins Wochenende verschwunden, obwohl es erst Donnerstagmittag war. Kunststück, wenn man in Garmisch wohnte!

    Mahlmann war überhaupt ein alter Faulpelz, ärgerte sie sich. Eine Vorlesung am Dienstagnachmittag, eine am Mittwochmorgen, zwei Seminare, eins am Mittwochnachmittag und eins am Donnerstagmorgen, dazwischen eine einzige Sprechstunde – und dann Wochenende von Donnerstagmittag bis Dienstagmittag. Nicht übel, und das für ein C 4-Gehalt! Man könnte die Kapazitäten der Unis leicht vergrößern, dachte sie sich wieder einmal, wenn man das Deputat der Professoren um zwei bis vier Stunden heraufsetzte und Veranstaltungen am Samstag zuließ. Ohne Extrakosten, aber davon wollten die alten Besitzstandswahrer natürlich nichts wissen.

    Von Effizienz hatten die sicher noch nie was gehört!

    Sie beschränkte sich darauf, Mahlmann den Verlust per Mail mitzuteilen, um ihm wenigstens das Wochenende zu verderben, und steckte ihr Smartphone danach notdürftig befriedigt wieder ein.

    Teubner sah von der Aufsatzsammlung auf, aus der er gerade exzerpierte, und lächelte sie abwesend an. Ganz netter Kerl, dieser Assistent. Schrieb an seiner Habilitation – was war es gleich wieder? Irgendetwas mit den Ottonen… Sie dachte noch darüber nach, als die Bibliothekstür aufflog.

    Gereizt drehte sie sich um – der schon wieder! Rücksichtsloser Hund, dieser blöde Kerl von den Germanisten. Fächerübergreifende Forschung hatte eindeutig ihre Nachteile, wenn der jetzt das Chaos aus dem Germanistischen Seminar hier auch einführen wollte. Gut, er hatte keine Hand frei, mit dem Stapel aus Büchern, Mappen und einem Laptop, den er mühsam balancierte, den Kugelschreiber zwischen den Zähnen – aber trotzdem.

    Sie nahm ihm den Laptop ab, bevor er noch auf dem Linoleum zerschellte. „Es gibt da so Läden, da geben Sie dem Verkäufer etwas Geld und dafür gibt er Ihnen eine Tasche", schlug sie leise vor und erntete einen missmutigen Blick, als er den Kugelschreiber auf den Tisch spuckte.

    „Ja, und dann heißt es wieder, keine Taschen in der Bibliothek. Das kenne ich noch von meinem eigenen Studium. Danke, dass Sie das Notebook gerettet haben, aber gute Ratschläge brauche ich nicht."

    Blöder Stoffel. Und außerdem hatte er so laut gesprochen, dass alle mit offenem Mund gelauscht hatten – außer Teubner und der Jehlen, die sich nie ablenken ließ. Hatten die Germanisten eigentlich alle so schlechte Manieren? Sie versuchte, sich an ihre eigene Studienzeit zu erinnern, aber außer einem enervierenden Massenbetrieb war ihr nicht viel im Gedächtnis geblieben.

    „Könnten Sie etwas leiser sprechen? Das ist hier immerhin eine Bibliothek!"

    Er sah sich aufreizend gründlich um. „Stimmt!, flüsterte er dann theatralisch, „Danke, dass Sie mich darauf hingewiesen haben!

    Es juckte sie im Handgelenk, aber sie bezähmte sich, holte sich einige Aufsatzsammlungen aus dem Regal und setzte sich – glücklicherweise schön weit von diesem unsäglichen Wülfert entfernt – wieder an den Tisch der Aufsicht.

    Leider war die Frage, wer hier die Kostbarkeiten des Instituts klaute – und was um Himmels Willen er damit machte, die Dinger waren doch gestempelt! – viel interessanter als die Frage, auf welchen Quellen die eigenartige Mittelalterauffassung der Romantik beruhte. Genau genommen war auch das ein fächerübergreifendes Thema, aber sie würde den Teufel tun und das dieser Nervensäge Wülfert vorschlagen – schlimm genug, dass er sich hier mit seiner Germanistikgeschichte breit machte!

    Das tat er allerdings aus gutem Grund, denn bei den Germanisten redete keiner mit ihm. Wer sich habilitierte, indem er die Verstrickungen der Leisenberger Germanisten in die NS-„Kultur"politik darlegte und entschlüsselte, wurde schnell als Nestbeschmutzer abgetan, was sie nun auch wieder nicht verstehen konnte – nach siebzig Jahren sollte man doch allmählich Distanz gewonnen haben? Außerdem war das Buch glänzend geschrieben, man sollte nicht glauben, dass der Verfasser ein derart zerzauster und unmanierlicher Kerl war.

    Sie arbeitete weiter, nicht ohne immer wieder misstrauische Blicke in alle Richtungen zu werfen. Leider konnte sie sich auf die Vorstellungen der Romantiker nur sehr unzureichend konzentrieren, weil ihr dauernd anderes durch den Kopf ging: Konnte man den Glasschrank nicht doch mit einem soliden Vorhängeschloss sichern? Aber wer sollte den Schlüssel bekommen?

    Warum wechselte die Jehlen jetzt plötzlich den Platz? Fühlte sie sich von Wülfert oder Teubner womöglich gestört? Nein, sie packte ein Netzteil aus – aha, der Laptop-Akku gab den Geist auf und dort drüben befand sich eine Steckdose. Kein Grund zur Panik.

    Teubner las aufmerksam einen Aufsatz, Wülfert hämmerte auf seinen Laptop mit einer Wut ein, die dem Gerät auf die Dauer nicht gut tun konnte. Ob er wieder irgendwelche Peinlichkeiten bei den Germanisten – oder dieses Mal bei den Historikern – aufdeckte?

    Sie verstand wirklich nicht, warum man sich über so etwas aufregen konnte: Die Zeiten, als die Wissenschaftler den Nazis in den Arsch gekrochen waren – zumeist wohl ohne selbst den Stuss zu glauben, den sie zeitgemäß verzapften – waren nun ein gutes Menschenleben lang vorbei. Es konnte sich also nicht mehr um die gleichen Persönlichkeiten handeln und andere Bevölkerungsgruppen und Institutionen hatten doch auch keine Schwierigkeiten damit, sich von vergangenen Sünden zu distanzieren? Warum dann die Germanisten nicht, bei denen es wirklich peinliche Entgleisungen gegeben hatte? So etwas konnte man doch nicht unter den Teppich kehren, schließlich konnte es ja lehrreich für die Zukunft sein? Es sah immerhin zurzeit nicht so aus, als sei das Zeitalter der Diktaturen endgültig vorbei!

    Wollte sie nicht eigentlich an ihrem eigenen Artikel für diese dämliche Festschrift arbeiten? Apropos – sie zog ihr Smartphone heraus und rief die Instituts-Whatsapp-Gruppe auf, um die übrigen Schnarchnasen zum gefühlt hundertsten Mal an den Abgabetermin zu erinnern. Außer Josie Collnhausen hatte nämlich bis jetzt niemand geliefert.

    Gegenüber brummte prompt ein Handy und Elli duckte sich – jetzt hatte sie Teubner aufgescheucht!

    Ach, warum auch nicht? Der kleine Streber konnte sich ja nun nicht nur auf seine Habilschrift konzentrieren, wenn der gute alte Kehlheimer fünfundsiebzig wurde.

    Und ziemlich gaga war, wenn man den Gerüchten glauben durfte.

    Aber er musste die Festschrift ja nicht mehr lesen, wenn er nicht mehr konnte. Oder nicht mehr wollte. Die Uni feierte sein Angedenken und hatte etwas – mäßig Aufsehenerregendes – publiziert, basta.

    Wülfert wurde etwas Geniales und Unverschämtes beitragen, wenn man ihn fragen würde, aber er gehörte nun einmal nicht zur historischen Fakultät. Und konnte er bitte dieses Gebrumme bleiben lassen?

    Die Aufsichten waren gehalten, für Ruhe zu sorgen, aber die meisten taten natürlich nichts dergleichen, bestenfalls starrten sie Ruhestörer stumm an. Feiglinge.

    War sie hier denn die einzige, die die Leute ansprach, wenn sie sich nicht benehmen konnten? Eigentlich unmöglich…

    Sie zwang sich, nicht weiter über Ungerechtigkeit im Allgemeinen und im Besonderen nachzudenken, denn das brachte sie hier überhaupt nicht weiter.

    Etwa eine halbe Stunde lang schaffte sie es, die Rolle Bayerns auf dem Reichstag von Besançon im Lichte bisher unbekannter oder doch wenigstens unausgewerteter Quellen zu beleuchten – über die Raufbold-Pose Ottos von Wittelsbach hinaus. Diese Geschichte kannte ja nun jeder, und echte Bayern grinsten dabei zufrieden: A gscheiter Baier hot si damois scho nix gfoin lassn!

    Nicht allzu leises Gekicher schreckte sie aus ihrer Quelle auf. Die Jehlen würde doch nicht -? Nein, die lachte nie.

    Ach so, Anja und Oliver amüsierten sich, hinter ihren Laptops nur unzureichend getarnt. Die beiden waren wirklich nett, aber konnten sie nicht anderswo turteln? Elli zischelte warnend, aber das dämpfte das Gekicher nur unwesentlich. Sie warf den beiden gereizte Blicke zu, die wenigstens etwas dämpfend wirkten. Die beiden waren manchmal noch sehr jung und rücksichtslos. Und offenbar ziemliche Konsumjunkies: die neuesten Tablets, nur Markenklamotten, perfekte Haarschnitte… sie selbst hatte während des Studiums nicht so ausgesehen!

    Bevor sie in Erinnerungen an die glorreichen Neunziger versinken konnte, richtete sie sich energisch auf und arbeitete weiter. Schließlich waren jetzt alle da, die man in der Ferienzeit erwarten durfte, solange nicht noch jemand plötzlich von Arbeitswut befallen wurde.

    Aber wer von dieser überschaubaren Truppe konnte denn den kostbaren Sybel geklaut haben? Und by the way auch die beiden Handschriften im letzten Monat und im Juli die beiden Giesebrecht-Erstausgaben? Nicht zu vergessen im Mai das Bruchstück eines Manesse-Faksimiles (nur zwei Abbildungen, aber immerhin!). Das hätte ohnehin eher zu den Germanisten gehört, fand sie.

    Was alle diese Werke wert waren, wusste sie nicht, tippte aber auf einen Wert im gut fünfstelligen Eurobereich. Und der Glasschrank sah mittlerweile schon ziemlich kläglich aus!

    II

    In den Ferien schloss die Bibliothek um sechzehn Uhr und Elli war froh, nach Hause gehen zu können, sie war müde und hungrig und hatte sich die letzte Stunde nur noch gelangweilt, auch weil außer ihr niemand mehr dort gewesen war. Die beiden Hiwis und die Anfänger waren schon nach der Mittagspause nicht wiedergekommen (Kunststück, bei dem Wetter wäre sie auch lieber an den Mönchensee gefahren!), Wülfert hatte sich nach halb zwei ziemlich lautstark davongemacht, so dass sie sich fast gewünscht hatte, sein Laptop fiele herunter und ginge kaputt. Recht geschehen wäre ihm!

    Die Jehlen sah kurz vor zwei auf die Uhr, quiekte auf und eilte davon, gerade, dass sie ihre Bücher noch zurückstellte. Und Teubner hatte sich gegen drei mit verlegenem Lächeln verabschiedet.

    Ihre Wohnung empfing sie heiß und stickig, eher Hochsommer als Spätsommer.

    Sie riss alle Fenster auf, um Durchzug zu machen, schleuderte die Schuhe von sich und zog sich auf dem Weg ins Bad erst einmal aus: Jetzt eine schöne lauwarme Dusche!

    Zehn Minuten später, in einen dünnen Rock und eine verkrumpelte Leinenbluse gekleidet, fühlte sie sich schon besser und machte sich eine Kleinigkeit zu essen, hauptsächlich Tomaten, Gurken und hartes Ei. Bei dieser Hitze etwas Warmes? Schrecklicher Gedanke!

    Sie aß und sah sich dabei zerstreut eine alte Folge einer SOKO-Serie an, zappte zwischendurch zum Dokukanal und schnell wieder weg, weil es um Kristallschädel ging – den Quatsch kannte sie schon – und guckte sich schließlich in einem Schwarzweißschinken aus schätzungsweise den Vierzigern fest. Schließlich beschloss sie, an einem so schönen – wenn auch verdammt schwülwarmen – Abend lieber nach draußen zu gehen und vielleicht ein Eis zu essen. Wozu wohnte sie schließlich im Univiertel? Eisdielen an jeder Straßenecke!

    Beim Herumschlendern dachte sie wieder über die dahinschwindenden Kostbarkeiten in der Mittelalterbibliothek nach, nur kurz unterbrochen, als sie sich Schokolade, Pistazie und Birne in eine extra große Waffel mit Krokantrand füllen ließ. Kaum war sie einige Schritte gegangen, eifrig lutschend (Birne war ja gesundes Obst, nicht?), waren die verschwundenen Prachtstücke wieder in ihren Gedanken. Nun gab es nur noch ein weiteres Handschriftenfragment (14. Jahrhundert) und die Erstausgabe einer sozialistischen Kampfschrift aus dem Jahre 1869. Was tat diese Kampfschrift überhaupt beim Mittelalter?

    Wenn Mahlmann weiterhin tatenlos zusah, wie die auch noch verschwanden, würde sie einen Hausmeister beauftragen, den überflüssigen Glasschrank in sein Büro zu schaffen. Als Mahnmal.

    Ja, und am besten schon mal Bewerbungen für andere Unis schreiben. Doof, denn eigentlich gefiel es ihr hier doch! Zwei Jahre in München, zwei Jahre in Tübingen – auch nett, aber Tübingen war ihr zu versponnen und München zu überlaufen. Außerdem hatte sie in München für ein echtes Loch eine horrende Miete gezahlt, während ihre eigene Wohnung hier (gut, auch nicht wirklich günstig) viel schöner war – es lebe die Provinz!

    Vielleicht sollte sie morgen Mittag als erstes die beiden Kostbarkeiten irgendwo verstecken… aber wo? Morgen hatte jemand anderes sich für die Aufsicht eingetragen, aber sie wusste nicht auswendig, wer, sonst hätte sie ihn anmailen können.

    Sie aß ihr Eis auf und kehrte in einem weiten Bogen, die Schattenseiten der Straßen nutzend und gelegentlich gegen die tiefstehende Sonne anblinzelnd, nach Hause zurück. Dort scrollte sie noch kurz durch ihre Whatsapp-Gruppen, was sie sofort bereute: In der Mittelaltergruppe fanden sich haufenweise mehr oder weniger durchsichtige Ausreden, warum die Artikel für die Festschrift noch gar nicht fertig sein konnten. Am besten waren die beiden, die den Artikel angeblich längst geschickt hatten – vielleicht hatten sie sich bei der Adresse vertippt? Haha. Verlogene Bande.

    Die Familiengruppe war auch kaum besser: Berni schickte einen Link zu neuen Luxusautos, weil er ihren ältlichen Kleinwagen untragbar fand; Margret hatte einige Fotos gepostet, aber die darauf zu sehenden Pferde sahen eigentlich alle gleich aus, irgendwie rotbraun und beängstigend groß. Elli stand nicht auf Pferde und verstand nicht, warum Frauen, die sich rapide den mittleren Jahren näherten (Klein-Margret war immerhin auch schon zweiunddreißig), plötzlich wieder pferdeverrückt waren wie mit zwölf. Und vor allem verstand sie nicht, warum sie dann alle anderen damit elenden mussten. Da, schon wieder: Du solltest auch mal Reitstunden nehmen, das würde einen ganz neuen Menschen aus dir machen.

    Frechheit! Die alte Elli war wohl nicht gut genug?

    Und Reni war auch nicht besser: Ein Foto ihrer drei Süßen (Laura, Lorenz und Leonie) wurde begleitet von der Frage, wann Elli denn nun endlich? Sie werde doch auch nicht jünger… es sei allerhöchste Zeit.

    Verflixte Geschwister!

    Sie tippte eine grußlose Antwort:

    Danke für die Hinweise auf mein Versagen (kein anständiges Auto, kein Pferd, kein Nachwuchs), das hat mich richtig aufgemuntert. Aber mir taugt mein Leben genauso, wie es ist, und euch GEHT ES NICHTS AN!!

    Das sollte für mindestens eine Woche beleidigtes Schweigen sorgen. Sie schickte es befriedigt ab.

    Wenn sie ein Haustier brauchte, würde sie der Spinne oben in der Ecke über dem Fernseher einen Namen geben, die konnte sich wenigstens selbst ernähren!

    Und Leonie als Patenkind reichte ja wohl als Kindersatz!

    Sie legte ihr Handy beiseite und überlegte, was sie morgen alles zu tun hatte. Vormittags sollte sie einmal einkaufen, den Müll entsorgen und durch die Wohnung saugen. Ach, morgen war ja schon wieder Freitag! Auch gut, am Wochenende war die Bibliothek zu, da würde sie ihren Artikel fertig schreiben und markieren, wo sie noch Belege brauchte. Und dann konnte er raus! Schließlich sollte sie ja auch noch die letzten Arbeiten aus ihrem Seminar über Karl IV und Prag als Zentrum des Heiligen Römischen Reiches fertig korrigieren. Dreißig Arbeiten waren es insgesamt gewesen, vier lagen hier noch herum.

    Was machte Josie gleich wieder im kommenden Semester? Die durfte sogar eine Vorlesung halten, nachdem sie nun habilitiert war. Sie las über den Aufstieg der Habsburger, oder? Vom armen Rudolf bis zu Karl V, ganz schön ambitioniert.

    Merkwürdig, wie viele Leute zurzeit im Spätmittelalter – Habsburger gegen Luxemburger – unterwegs waren…

    Und Regionalgeschichte war zurzeit ohnehin das must have. So ähnlich wie Regionalkrimis, die sämtliche Sender und alle Bücherregale überschwemmten.

    Lasen sich aber recht nett. Und Elli musste zugeben, dass sie Serien der Marke SOKO Hintertupfingen ganz gerne anschaute. Leicht zu lösen, putziges Lokalkolorit und skurrile Gestalten. Am liebsten sah sie diese Eifelgeschichten…

    Aber Mittelalter und Fernsehen waren ja nun wohl nicht ihr ganzer Lebensinhalt, nicht? Was würde sie sagen, wenn jemand sie fragte: „Und was machst du so?"

    Sie legte sich wieder aufs Sofa und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

    Familie… naja, meistens gab es schnell Krach. Oder sie floh unter einem Vorwand, weil die Konversation – Gäule, Bälger, dicke Schlitten – so öde war. Aber Papa war eigentlich wirklich in Ordnung, er schaute sich sämtliche History-Folgen an und diskutierte dann mit ihr. Mama erwähnte immerhin nur manchmal die biologische Uhr – als seien Renis Kinder nicht genug. Aber das war auszuhalten…

    Nun, und außer der Familie? Freunde? Natürlich, aber so viele auch nicht, und da die meisten mittlerweile Familie hatten, gab es gewaltiges Abfeiern nur noch dann, wenn wirklich ausnahmslos alle einen Babysitter gefunden hatten. Und das kam so gut wie nie vor…

    Also traf sie sich mal mit der einen, mal mit der anderen Freundin in der Mittagspause auf einen raschen Teller Pasta oder einen noch rascheren Kaffee – und ansonsten tratschte man in der Whatsapp-Gruppe. Dem letzten gemeinsamen Treffen waren, wenn sie sich recht erinnerte, drei Wochen und gefühlt zweihundert Chatbeiträge Verhandlungen vorausgegangen – wo und vor allem wann man sich treffen konnte. Sie grinste bei der Erinnerung, wie dann fast alle pausenlos auf ihre Smartphones gestarrt hatten, um keine Nachricht des Babysitters zu verpassen.

    Sie selbst hatte mit Nina, der einzigen, die auch keine Kinder hatte, einen langen Blick gewechselt. „Ich glaube, das nächste Treffen machen wir, wenn das jüngste Kind Abitur hat", hatte Nina dann gemurmelt – aber die Muttertiere hörten ohnehin nicht zu, da hätte sie auch brüllen können.

    „Dann müssen sie wahrscheinlich Studienfach und Studienplatz auswählen, weil sie ihre Kinder derart zur Unselbständigkeit erzogen haben, dass die alleine gar nichts auf die Reihe kriegen", hatte sie selbst gemurrt. Und dann hatten sie sich über ihre Urlaubsziele unterhalten – ohne Spielplätze, ohne Mini-Disco, ohne Kinderbetreuung.

    Freunde also auch nicht so sehr, außer eben Nina. Und die war zurzeit in Südfrankreich im Urlaub.

    Hobbys? Lesen, Filme gucken, kurze Städtereisen, ab und zu joggen, Fahrradtouren (wenn das blöde Ding nicht gerade wieder einen Platten hatte), Aufsätze zu allen möglichen abseitigen Aspekten des späteren Mittelalter schreiben… nicht gerade glamourös!

    Damit war sie schon wieder beim Mittelalter angekommen, dem langweiligen alten Zeugs, wie Reni, das Muttertier, und Margret, die Stallmagd, es zu nennen pflegten.

    Na und? Sie fand dafür Kinder und Pferde nicht übermäßig spannend, und das stand ihr auch durchaus zu. Dann war sie eben langweilig, basta. War sie gerne.

    Und jetzt würde sie ein bisschen stöbern. Irgendetwas fand sich doch immer, das man wegwerfen, verkaufen oder verschenken konnte. Sie liebte Übersichtlichkeit, aber es sammelte sich immer Kram an…

    Mit dem Wertstoffhofkorb (dem mit dem schamhaften Deckel, wegen des manchmal peinlichen Inhalts) wanderte sie einmal durch die Wohnung und entdeckte zwei Krimis, bei denen sie mittendrin die Lust verloren hatte. Vielleicht hatten sie noch einen Versuch verdient? Ein kurzer Blick hinein: nein. Der eine hatte diese unglaublich nervtötende Heldin, der andere diesen machohaften Ermittler, der jede Frau anbaggerte. Noch nervtötender…

    Die beiden wanderten in den Korb, ein merkwürdiges kleines Tongefäß, dunkelrot glasiert, folgte ebenso wie zwei Fläschchen mit längst umgekipptem Duftöl. Duftnote: ranzig, eindeutig. Müll oder Giftmobil?

    Für heute war das schon ganz nett – aber summa summarum war ihr Leben eigentlich recht ereignislos…

    Gott bewahre mich vor einem interessanten Leben… wer hatte das gesagt?

    Sie hatte keine Ahnung, aber es klang nach Konfuzius.

    Egal.

    Andererseits war die Frage, wer die kostbaren Bücher und Handschriften (gut, Handschriftenfragmente) aus der Bibliothek des Instituts für mittelalterliche Geschichte klaute, doch wohl aufregend genug? Allerdings war diese Frage nicht zu beantworten, solange Mahlmann die Sache unter den Teppich kehrte und sich weigerte, die Polizei hinzuzuziehen…

    Warum war er eigentlich so zickig? Steckte er womöglich selbst hinter diesen Aktionen? Schlich sich nachts in die Bibliothek (den Generalschlüssel hatte er schließlich) und nahm sich Handschrift um Prachtband um Erstausgabe?

    Absurde Vorstellung, aber wer wusste das schon…

    Aber vielleicht wusste er nur, wer es war, hatte vielleicht auch nur einen Verdacht – ein Lieblingsstudent? Ein bettelarmer Assistent? Dann sollte die Uni eben die Leute besser bezahlen!

    Ein Freund oder Verwandter? Hatte Mahlmann Kinder? Einen drogensüchtigen Sohn vielleicht? Nein, das klang schon sehr nach Vorabendkrimi. Wie sehr diese Endlosserien das Denken der Zuschauer beeinflussten, wäre auch einmal ein Thema für eine wissenschaftliche Untersuchung.

    Aber nicht mehr heute! Ihr einladend aufgeschlagenes Bett lockte durch die offene Schlafzimmertür…

    III

    Gegen zwölf eilte sie am nächsten Tag zum Aufzug des Instituts, um in die Bibliothek zu fahren und ihren Vorgänger abzulösen. In einen interessanten Artikel über das Wesen der Städtebünde vertieft, betrat sie den Aufzug, drückte auf vier und gab, als jemand Guten Morgen wünschte, geistesabwesend Antwort, ohne sich die Mühe zu machen, aufzusehen.

    Es gab ja schließlich akustische Signale, nicht wahr?

    Der Aufzug plingte und Elli sah wenigstens so weit auf, dass sie die leuchtende Vier sah, dann trat sie lesend aus dem Aufzug und spürte sofort eine Hand an der Schulter.

    „Hier können Sie nicht durch."

    Irritiert ließ sie das Geheft sinken. „Warum? Ich arbeite hier! Ich sollte die Aufsicht ablösen, schließlich ist es fast zwölf."

    „Ihr Name, bitte?"

    Erst jetzt registrierte sie die Kleidung ihres Gegenübers – beige und grün: Polizei??

    „Dr. Eleonore Eversbach. Wissenschaftliche Mitarbeiterin. Was ist denn überhaupt passiert?"

    „Es gab einen – Vorfall in der Bibliothek."

    Die Pause vor dem nichtssagenden Wort war ihr nicht entgangen. „Was für einen Vorfall? Ist etwa wieder etwas gestohlen worden?"

    „Gestohlen?"

    „Okay, wohl nicht."

    „Könnten Sie das etwas näher erläutern? Das war ein gut aussehender Mann um die Vierzig, der Zivil trug und einen Kripoausweis vorzeigte. „Schönberger. Wie war das mit dem Diebstahl?

    Elli seufzte. „Seit einiger Zeit verschwinden bei uns wertvolle Bücher, Erstausgaben, historische Ausgaben, all sowas. Aber der Institutschef wollte die Polizei doch gar nicht einschalten?"

    „Ach – warum nicht?"

    „Weiß der Himmel. Ich hab mir schon einen Haufen bescheuerter Theorien überlegt, aber damit langweile ich Sie wohl besser nicht. Was ist denn nun wirklich passiert?"

    „Wir haben in der Bibliothek eine Leiche gefunden."

    „Großer Gott – wer ist es denn?"

    „Das können wir Ihnen noch nicht sagen."

    „Soll ich schauen, ob ich sie identifizieren kann? Ich kenne viele, die hier arbeiten, weil ich recht oft Aufsicht mache oder selbst hier recherchiere."

    „Danke, darauf kommen wir vielleicht zurück. Warum ist eine Aufsicht hier so notwendig?"

    Elli warf dem Kommissar – oder was er nun genau war – einen befremdeten Blick zu. „Damit es ruhig bleibt und die Leute sich nicht gegenseitig stören. Und damit nichts geklaut wird. Ja, gut – das scheint nicht ganz so funktionieren. Aber ich glaube, diese Diebstähle finden nicht während der Öffnungszeiten statt. Wenn jemand an den verschlossenen Glasschrank geht, merkt man das doch."

    Die Diebstähle interessierten den Kripomenschen offenbar nicht so besonders; er winkte einem Uniformierten, der die Absperrung hochhob und sowohl den Kommissar als auch Elli durchschlüpfen ließ.

    Sie folgte ihm zwischen den Regalreihen und den Arbeitsplätzen hindurch bis vor ein Fenster links hinten, wo eine zusammengekrümmte Gestalt lag, die gerade aus allerlei Blickwinkeln fotografiert wurde.

    Elli registrierte die abgewetzten Jeans und die uralte schwarze Samtjacke mit den aufgestickten Mohnblumen und den mit Goldfaden umstochenen Kanten. „Das Outfit passt zu Becky. Rebecca Rottenbucher. Achtes Semester. Kann ich das Gesicht sehen?"

    „Einem Moment noch, antwortete der Kommissar. Elli sah mit ihm zusammen zu, wie die Hände eingetütet wurden und eine kleine Handtasche ebenfalls in Verwahrung genommen wurde, dann drehte einer der Weißgekleideten die Tote auf den Rücken und Elli schlug die Hand vor den Mund. „Ja, stieß sie dann etwas erstickt hervor, „das ist Rebecca Rottenbucher. Die Arme… aber warum sollte jemand sie umbringen?"

    „Was wissen Sie denn über die junge Frau?"

    Elli zuckte die Achseln. „Viel nicht. Sie studiert – studierte – mittelalterliche Geschichte, wie eigentlich alle, die diese Bibliothek benutzen. Ihr Schwerpunkt war, wenn ich mich recht erinnere, Bildungsgeschichte. Ich müsste im Rechner nachsehen, was sie so ausgeliehen hat."

    „Hier kann man ausleihen?" Der Kommissar sah sich etwas erstaunt zwischen den Regalen um.

    „Ja, am Wochenende. Unter der Woche ist das hier natürlich eine Präsenzbibliothek. Was sich die Leute da aus dem Regal holen, können wir nicht dokumentieren. Aber mittelalterliche Bildungsgeschichte… dabei kann man doch nun wirklich nichts Aufregendes oder Gefährliches herausfinden? Politikwissenschaften meinetwegen oder Zeitgeschichte…"

    „Wissen Sie, ob sie Feinde hatte?"

    Elli schüttelte den Kopf. „Ich weiß nichts über das Privatleben der Studenten. Ich passe nur, wenn ich Dienst habe, auf, dass sie leise sind, nichts klauen, soweit möglich, ihre Handys auf Vibrationsalarm stellen und am Ende ihren Platz wieder aufräumen."

    „Wozu brauchen die denn hier ihre Handys?"

    „Zum Scannen oder Abfotografieren wichtiger Seiten. Als Sie studiert haben, gab es überall bloß Fotokopierer, nicht wahr?"

    Der Kommissar brummte, und Elli grinste kurz. „Keine Sorge, das war ja wohl auch meine Zeit. Heute geht nichts ohne Handy und ganz ehrlich, so viel anders sind wir ja wohl auch nicht."

    „Ja, das stimmt schon. Gibt es denn sonst noch irgendetwas, was uns weiterhelfen könnte?"

    Elli schüttelte den Kopf. „Sie war immer alleine hier, sie hat auch mit niemandem gesprochen, wenn ich die Aufsicht hatte. Aber ich mache das nur Montag und Freitag nachmittags und Donnerstag den ganzen Tag. Das ist ein kleines Zubrot zu einem doch eher bescheidenen akademischen Gehalt."

    Nicken. „Und wo waren Sie heute Vormittag?"

    „Zu Hause. Und Einkaufen. Was man halt so macht vor dem Wochenende. Aber Zeugen habe ich keine – das wollten Sie jetzt doch fragen, oder?"

    „Sie schauen sich zu viele Fernsehkrimis an", tadelte er und zwinkerte.

    „Ich weiß – aber tut das nicht jeder? Mit diesem profunden Viertelwissen der Leute haben Sie bestimmt viel Spaß. Sie lächelte, aber dann wurde sie wieder ernst. „Arme Becky… Sie war zweimal in einem meiner Kurse, also weiß ich so ungefähr, wie talentiert sie als Wissenschaftlerin war… und wenn ein so junges Leben so plötzlich und sinnlos – nun ja. Grausam. Und so, wie sie dort liegt, hatte sie auch keinen angenehmen Tod, vermute ich. Was ist denn mit Ferdi?

    „Sie meinen Herrn Hambacher? Der heute Morgen die Aufsicht geführt hat?"

    „Ja, genau. Er hat sie ja wohl gefunden, der Arme."

    „Ja, es hat ihn tatsächlich sehr mitgenommen – mehr als Sie, Frau Eversbach!"

    Ihre Kaltschnäuzigkeit schien ihn zu verdrießen und sie fühlte sich bemüßigt, sich ihm zu erklären: „Für mich war es wohl keine so große Überraschung, denn Sie haben mich ja schon am Lift aufgehalten. Den Hambacher hat es bestimmt kalt erwischt, oder? Und dann bin ich wirklich nicht so arg empfindsam, tut mir Leid. Ich denke aber auch nicht, dass Ohnmachtsanfälle oder Heulkrämpfe Ihnen sehr gelegen kämen. Es tut mir um die arme Becky Rottenbucher wirklich leid, aber ich kann so etwas nicht richtig pathetisch rüberbringen."

    „Schon in Ordnung, Frau Eversbach. Wir müssten die Bibliothek allerdings

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