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Eine ordentliche Fassade: Kriminalroman
Eine ordentliche Fassade: Kriminalroman
Eine ordentliche Fassade: Kriminalroman
eBook415 Seiten5 Stunden

Eine ordentliche Fassade: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Arianes BüroNotDienst wird angefordert, um ausgerechnet den Sanitärgroßhandel ihres extrem spießigen Onkels ablage- und organisationstechnisch auf Vordermann zu bringen. Unordnung, wirre Strukturen, Verlogenheit und Selbsttäuschung dort spotten jeder Beschreibung, und Ariane wundert sich schon gar nicht mehr, als Onkel Albert tot aufgefunden wird. Aber natürlich kann sie als Ordnungsfanatikerin einen Mord nicht dulden, also hilft sie fleißig bei den Ermittlungen, was dem eleganten, aber zickigen Staatsanwalt Dr. Schade das eine oder andere Grinsen entlockt. Und dabei bleibt es nicht...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum26. Dez. 2015
ISBN9783737562829
Eine ordentliche Fassade: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Eine ordentliche Fassade - Elisa Scheer

    Alles frei erfunden!

    Sämtliche Namensgleichheiten und sonstige Übereinstimmungen mit real existierenden Personen, Firmen u. ä. sind purer Zufall.

    Imprint

    Eine ordentliche Fassade. Kriminalroman

    Elisa Scheer

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2015 Elisa Scheer

    ISBN 978-3-7375-6282-9

    1

    „Es sind noch zwei Anfragen reingekommen, meldete Holger, der mit Blättern wedelnd eintrat, „gerade eben. Ich weiß, ihr wollt nach Hause, aber...

    „Schon okay, gib her. Und dann kannst du für heute Schluss machen", gab sich Lilli großzügig.

    „Oh, herzlichen Dank. Ist ja auch erst – was, erst halb sieben?"

    „Raus, sonst finde ich dir noch was zu tun", drohte Lilli, und Holger floh kichernd.

    „Was Gescheites?", fragte Ariane, die gerade ihre Dateien Stück für Stück schloss; man sollte den Bildschirm eben nicht so voll packen, dass man den Überblick völlig verlor.

    „Na, geht so. Einmal brauchen die bei Gärtner & Kögelsteiner eine Überarbeitung der Buchhaltung..."

    „Andreas, schlug Ariane sofort vor. „Als Buchhaltungsnachhilfelehrer ist er einfach unschlagbar. Wie lange?

    „Steht nicht da. Muss er nach dem ersten Tag eben schätzen. Ja, Andreas ist okay, mit dem Kram bei Frickel ist er doch durch?"

    „Hat sich noch nicht gemeldet, müsste er aber sein. Der Auftrag ist nur bis heute gelaufen."

    „Und das zweite ist eine Reorganisation der Ablage bei – ich fass es nicht! Bei einem Sanitätswarengroßhandel."

    Ariane beschlich eine dumpfe Vorahnung, aber sie beherrschte sich noch und fragte nur: „Name? Sanitätswaren sind Stützstrümpfe und Angorawäsche und Gehhilfen und so. Lilli linste sie über ihre bescheuerte Halbbrille überheblich an. „Stell dir vor, das wusste ich auch schon. Ich fand´s nur lustig, dass es so was überhaupt noch gibt. Der Name – Moment... dieser Holger, was für eine Sauklaue! ach, ja – Kornreuther heißt das, glaube ich.

    „Na toll, sagte Ariane und lehnte sich geschlagen zurück. „Hab ich´s doch gewusst. Das ist bloß mein mieser, geiziger, frömmlerischer Onkel mit seinen blöden Angoraknieschonern. Bei dem müssen wir aufpassen, der will nachher garantiert nicht zahlen.

    „Dein Onkel, ja? Lilli grinste fies. „Und Ablage und Reorganisation... das ist doch quasi dein Hobby, nicht?

    „So arg auch wieder nicht", grummelte Ariane.

    „Trotzdem, du bist gerade prädestiniert für diesen Job. Hier steht... ab Montag. Du kannst deinen Onkel ja am Wochenende schonend vorbereiten."

    „Um Gottes Willen, bloß nicht! Dann fällt ihm bloß ein, wie er uns austricksen kann. Nein, den muss man überraschen. Sag mal, wer hat denn überhaupt angerufen, war das wirklich der grässliche Onkel Albert? Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen."

    „Hier steht schon A. Kornreuther, aber da ist noch was dahinter gekritzelt... nein, dieser Holger! Er ist ja süß als Telefonfräulein, aber seine Schrift... wie ein kleines g schaut das aus."

    „Ach so, wahrscheinlich junior, dann ist das Albert, der Sohn. Dann ist es einfach. Ich nehme am Montag einen Vertrag mit, wasserdicht natürlich, und lasse ihn das Albertle unterschreiben. Der will uns ja offensichtlich haben. Und dann ist Onkel Albert ausgeschaltet."

    Lilli nickte zufrieden, dann setzte sie sich kerzengerade hin und schob ihre Brille tiefer. „Der heißt genau wie sein Vater?" Ariane nickte ernst.

    „Gott, wie blöde! Ist denen sonst nichts eingefallen?"

    „Familientradition. Die anderen heißen Karlheinz, Sabine und Petra."

    „Vier Kinder? Warum denn das?"

    Ariane zuckte die Schultern. „Um seine staatsbürgerliche Pflicht zu erfüllen? Vier Kinder sind wahrscheinlich die volkswirtschaftliche Idealzahl, und außerdem ist die Frau so beschäftigt und macht keine Dummheiten. Dazu neigen Frauen nämlich, weißt du?"

    „Ach herrje – so einer? Na, gut, dass du hingehst, eine andere müsste ihn dann wegen Diskriminierung verklagen, wenn er so einen Müll verzapft."

    „Herzlichen Dank. Stockkatholisch ist er übrigens auch noch und Sex ist absolut pfui, wenn er nicht der Kinderzeugung innerhalb einer christlichen Ehe gilt. Was glaubst du denn, warum wir jahrelang vor jedem Besuch dieser Mischpoke überlegt haben, wo wir die dezenten Schockeffekte einbauen? Christina hat sich mit siebzehn mal in eine total durchsichtige Bluse ohne was drunter geworfen. Klein-Albert hatte die totalen Stielaugen, aber der Alte... Kinn hoch und Christina behandelt, als ginge sie draußen an der Neuen Landstraße ihrem Gewerbe nach. Bis Mama sauer wurde und gesagt hat, wenn er nicht höflich zu ihrer Tochter ist, schmeißt sie ihn raus."

    Lilli kicherte fasziniert. „Und, war er dann höflich?"

    „Naja, notdürftig. Er findet uns sowieso alle furchtbar. Und Mama ist an allem schuld."

    „Kunststück, wenn er so fromm ist. Für solche Scheißfundis sind Frauen doch die Wurzel allen Übels, schließlich hat Eva die Erbsünde in die Welt gebracht."

    „Manchmal kommt die Klosterschülerin bei dir noch durch. Ich versteh das sowieso nicht, sonst machen die Männer doch auch nie, was man ihnen sagt, und da hält sie ihm irgendein Obst hin und sagt Beiß mal rein, und er tut´s sofort? Nicht Ich hätte aber lieber ein Bier, nicht Ist der überhaupt gewaschen, nicht Ich mag jetzt nichts Süßes oder Mach deine blöden Diäten alleine, nein, lammfromm Mund auf, Augen zu. Und dann ist´s er mal wieder nicht gewesen."

    „Aber das ist doch typisch – das Es-nicht-gewesen-sein."

    „Ja, das schon..." Ariane versank in Brüten. Michael war ja auch nicht viel anders...

    „Los jetzt, mir reicht´s. Wochenende! Am Montag um acht bist du in dieser Bettschüsselklitsche – die haben doch auch Bettschüsseln, oder?"

    „Bestimmt. Soll ich dir eine mitbringen?"

    * * *

    Es war fast acht, bis Ariane, mit den nötigen Einkäufen für das Wochenende beladen, die knarzenden Holztreppen zu der großen unordentlichen Wohnung in der Katharinenstraße hinaufstieg.

    Endlich Feierabend, endlich Freitag, endlich Wochenende, nötig war´s. Bis Donnerstag hatte sie versucht, drei mittelalterlichen und begriffsstutzigen Damen klar zu machen, wie man einen virtuellen Aktenplan einhält und wie man Dateien so benennt, dass man sie auch wieder findet. Ein ganzer Tag ging alleine schon dafür drauf, ihnen beizubringen, wie man im Windows-Explorer Ordner einrichtete und befüllte.

    Sie stellte die Tüten ab und schloss auf. „Michael? Ich bin da-a!"

    Keine Reaktion. Na, vielleicht hatte er die Lust aufs Warten verloren und war auf ein Bier in den Wilden Kaiser gegangen.

    Sie verräumte die Einkäufe und sah sich um, müde und hungrig, und versuchte sich an das Glücksgefühl zu erinnern, das sie empfunden hatte, als sie diese Wohnung 1998 ergattert hatte: Fünf Zimmer Altbau in Uninähe, toll! Die würde sie nie wieder hergeben, vor allem bei den recht bescheidenen tausend Mark Miete damals. Mittlerweile kostete sie 700 € kalt, was immer noch günstig wirkte.

    Wenn man natürlich die Wahrheit kannte – dass die Ölöfen ziemlich stanken und dafür recht wenig heizten, wenn man nicht direkt daneben stand, dass das heiße Wasser immer knapp war, dass man keine Spülmaschine anschließen durfte, weil sonst der Kollaps der Leitungen drohte, und dass die alten und verkratzten Parkettböden bei jedem Schritt quietschten und knarrten... damals hatte es geheißen, die Bude würde bald saniert werden, aber der Besitzer wollte das Haus wohl noch aufbrauchen, jedenfalls war bis jetzt nichts geschehen außer der Montage einer Briefkastenanlage in der Hofeinfahrt. Wohl auf Betreiben der Post, deren Briefträger keine Lust hatten, so viele Treppen zu steigen.

    Hatte sie eigentlich auch nicht, aber immerhin hielt es fit.

    Superlage, wirklich. Direkt hinter der Uni. Sie sah aus dem Fenster auf die Katharinenstraße: Unrettbar zugeparkt, zwischen den Autos schmutzige Schneereste, auf dem Bürgersteig Massen von Erstsemestern, die das Semesterende feiern wollten und lautstark überlegten, wo sie jetzt erstmal einen draufmachen wollten. Jedenfalls sahen die Milchgesichter alle nach Erstsemestern aus. War sie damals auch so jung gewesen? Und so unbedarft?

    In der Katharinenstraße gab es nur Copyshops, Schreibwarenläden, die sich am Geschmack von Zwanzigjährigen orientierten, Jeansläden voller schundiger Sonderangebote und alternative Lebensmittelklitschen, aus denen es immer ein bisschen streng roch. Ja, und dann den Naturschuster, dessen Schuhe Riesenfüße machten, den Laden, wo man sein Briefpapier selber schöpfen konnte (Ariane zog E-Mails vor, die gingen schneller), einen immer von der Pleite bedrohten Naturkosmetikladen und die Mitfahrzentrale. Eigentlich reizte das Angebot sie gar nicht mehr. Komisch, wie man sich veränderte...

    Sie seufzte und ging sich ein Brot gegen den ärgsten Hunger machen. Kauend sah sie sich dann weiter um. Man müsste mal wieder gründlich putzen. Und ungefähr neunzig Prozent des ganzen Schamotts in den Ecken wegschmeißen, vor allem Michaels alte Zeitungen...

    Nein, die wollte er ja immer noch, wenn ich mal Zeit habe, durchsehen, ob etwas Wichtiges drinstand. Als ob nicht auch das Wichtige längst überholt wäre – das meiste stammte ja noch aus dem letzten Jahr!

    Keine Lust. Nicht am Freitagabend. Gott, und in den Waschsalon musste sie auch noch: Sie hatte nur noch zwei vorzeigbare Blusen im Schrank, und gerade in Onkelchens Saftladen musste sie kompetent und korrekt auftreten, sonst nahm sie da gar keiner ernst. Es ging schließlich nicht nur darum, die herumliegenden Zettel abzulegen, sondern den Leuten ein individuell auf sie zugeschnittenes Ablagesystem zu basteln, mit Aktenplan, Entsprechungen im Firmennetz und gegebenenfalls Schulung der Mitarbeiter.

    Also graues Kostüm und blassgelbe Bluse, korrekt, aber staubresistent. Die blassgelbe Bluse war nicht im Schrank, ergo in der Wäsche. Aber am Freitagabend im Waschsalon sitzen? Diese Scheißwohnung, dachte sie nicht zum ersten Mal – das 98er Glücksgefühl war ganz weit weg: Keine Waschmaschine in der Wohnung erlaubt und auch keine im Keller.

    Wenigstens konnte sie die Wäsche sortieren. Verflixt, Michael hatte schon wieder seine T-Shirts und Shorts dazu geworfen. Konnte der sich nicht mal selbst um seine Klamotten kümmern?

    Sie sortierte drei Reisetaschen voller Blusen, Strümpfe, T-Shirts und Wäsche nach Farben und stopfte dann seufzend Michaels Kram dazu, damit die Taschen wenigstens voll wurden; dann stellte sie sie in den Flur.

    Himmel, bald neun, wo steckte der Kerl eigentlich? Wenn sie jetzt in den Waschsalon ging, hieß es nachher bloß wieder Jetzt hab ich mir extra den Abend freigehalten, wo ich doch einen Superauftrag hätte haben können, und du? Kommst total spät aus der Arbeit und gehst dann waschen – am Wochenende!

    Blieb sie aber hier, kam er nicht heim. Oder total spät. Ich hab gedacht, du bist eh nicht da... Wo war denn sein Terminplaner? Auf dem Esstisch. Es stand nichts drin, aber das musste gar nichts heißen, er war in dieser Hinsicht (wie in anderer auch) nicht der Konsequenteste.

    Ein schönes heißes Bad?

    Nein, danach hatte sie bloß keine Lust mehr, sich wieder anzuziehen und die Wäsche doch noch...

    Unsinn, die Wäsche würde sie morgen ganz früh machen. Um sieben war keine Sau im Waschsalon, aber er war ja rund um die Uhr geöffnet.

    Schließgeräusche und heftiges Rütteln an der Tür zeigten ihr, dass Michael nach den fünf Jahren, die er jetzt bei ihr wohnte, immer noch nicht mit dem maroden Schloss zurechtkam. Sie öffnete die Tür.

    „Oh, du bist schon da? Meinte er das jetzt ironisch? Lieber nicht nachfragen, das führte nur zu end- und sinnlosen Debatten darüber, wer hier wen verarschte. „Ja, bin ich. Und du? Heute keine Veranstaltung?

    „Doch, ich muss auch gleich wieder weg. Ich wollte bloß das schwarze Sakko holen, du weißt doch, das coole mit der Glitzerkante am Revers. Das heute ist so eine Art Discoparty. Geht um zehn los, in der alten Maschinenhalle. Komm halt mit! Du musst auch mal wieder unter die Leute."

    Sollte sie wohl wirklich. Alleine schon, um an der Beziehung zu arbeiten. Aber wenn sie auf etwas absolut keine Lust hatte...

    „Schon gut, sagte Michael etwas verkniffen, „ich sehe schon, Madame ist von der Arbeit gestresst und mag außerdem keine Discomusik. Hoffentlich ändert sich das, wenn du die Kohle kriegst.

    „Welche Kohle?", fragte Ariane verblüfft.

    „Mensch, Jani! Morgen ist doch dieser Event beim Notar, oder? Dann erfährst du, wie viel Kohle du von dieser Tante Dingsda kriegst."

    „Tante Hilde, korrigierte Ariane automatisch und starrte Michael an. „Mensch! Danke, Michael, das hätte ich echt total vergessen. Um halb neun, oder? ich schau gleich nach. Sorry, du, aber dann muss ich jetzt doch noch waschen gehen, morgen früh schaff ich´s nicht vorher, und danach geht es im Waschsalon zu wie im Ausverkauf.

    „Dann nimm meine Wollpullis mit, die haben es nötig."

    Ariane seufzte. „Meinetwegen. Sei nicht sauer wegen der Discoparty, ja? Wenn ich mal mehr Zeit habe, gehe ich mit. Viel Spaß wünsche ich dir."

    „Schon gut. Er verschwand in „seinem Zimmer, wo er Kabel, Musik, Abendoutfits und einen großen Teil seiner Sammlung alter Radios aufbewahrte.

    Ariane ging ins Schlafzimmer, stopfte die vier Wollpullover, die noch in der Wäschetonne steckten, in eine große Plastiktüte, packte die Flasche Superwollfeinpflege dazu (viel war nicht mehr drin) und schleifte auch diese Tüte zur Tür. Jetzt musste sie wirklich zum Waschsalon fahren, schleppen konnte sie vier Taschen keinesfalls, vor allem nicht, weil die Pullis ja nass zurückgeschafft werden mussten. Okay, noch den Korb.

    Michael schoss aus seinem Zimmer, fein angetan mit dem straßbesetzten Blazer. Stand ihm gut, stellte sie anerkennend fest, er passte zu den engen grauen Samthosen, dem weißen Hemd, den nachtschwarzen Haaren, die ihm künstlerisch in die Stirn zu fallen pflegten, und dem sorgfältig gezüchteten Dreitagebart. Und natürlich zu seinen babyblauen Augen, die so engelhaft dreinblicken konnten, dass man ihm sofort glaubte, die Cornflakes-Schachtel sei schon leer gewesen.

    Er küsste sie flüchtig und kratzte dabei ganz schön. „Ciao, Süße. Viel Spaß!"

    Weg war er. Viel Spaß – beim Waschen seiner blöden Wollpullis? Er machte so was nie, er hoffte wohl, dass die Heinzelmännchen alles, was er in die Trommel stopfte, irgendwie sauber und gegebenenfalls gebügelt in seinen Schrank zurückzauberten. Ariane schulterte alle vier Taschen, ergriff mit der anderen Hand Wäschekorb, Schlüssel und die Kleingeldbox und machte sich auf den Weg nach unten.

    * * *

    Langeweile pur. Die Wollpullis turnten langsam auf einem Bett von feinporigem Schaum (welchen Wortschatz man durch die Werbung gewinnen konnte!) in der Maschine herum, und der Rest steckte zum größten Teil im Trockner. Sie hatte die herumliegenden – zum großen Teil unvollständigen -  Zeitschriften studiert und wusste jetzt alles über das Brutverhalten diverser Thronfolger und Abartige Sexspiele in der Garage, die Zeckengefahr im nächsten Sommer und das Schicksal diverser gestörter Weiber, die mit dem Nachbarn, Schwager, verheirateten Kollegen oder Nachhilfelehrer der Kinder geschlafen hatten und es nun bitter bereuen mussten. Und mit ihrem Gejammer ein ganzes Magazin füllten.

    Sie sah auf die Uhr. Halb elf... eine halbe Stunde etwa noch, dann musste der Krempel fertig sein. Schnell heim und dann vielleicht doch noch rasch auf einen Sprung in die Maschinenhalle? Wenn sie das paillettenbesetzte T-Shirt anzog, ging sie bestimmt als Discoqueen durch. Und die Haare offen.

    Außerdem kannte sie die Türsteher sowieso, alles Kollegen von Michael. Die ließen sie so durch. Sie wollte ja auch nicht lange bleiben, nur ein bisschen good will zeigen.

    Nächste Woche hätte sie den blödesten Job seit langem. Onkel Albert nahm sie eh nicht ernst, und von neuzeitlichem Büromanagement hielt er auch nichts, wie er an Mamas Geburtstag bei diesem missglückten Essen voller unterschwelliger Feindseligkeiten deutlich gemacht hatte. Er hielt auch nichts von Lehrern, wie er Daniel wortreich klar gemacht hatte: eine faule, unfähige Bande, nur auf dreizehn Wochen Ferien und einen Halbtagsjob aus, während er selbst, zum Beispiel...

    Daniel hatte schläfrig gegrinst. „Geschenkt, Onkelchen. Nur kein Neid!"

    Ariane, die wusste, wie viel Daniel schuftete, war entrüstet gewesen, aber Daniel hatte ihr zugeflüstert: „Glaubst du, ich will mich mit dem alten Sack streiten? Mir doch egal, was er denkt, der ist sowieso informationsresistent."

    Auch wieder wahr. Jedenfalls hielt er nichts von Büroorganisation, denn wenn alle richtig Ordnung hielten, wie er zum Beispiel es seinerzeit noch gelernt hatte, beim Bund, der den verweichlichten jungen Kerlen von heute auch nichts schaden würde, dann wäre alles in schönster Ordnung. Quatsch du nur, hatte Ariane gedacht und ihre Aggressionen an ihrer Rindsroulade bürgerlich ausgelassen.

    Und jetzt zwang sie das Schicksal, für den alten Sack zu arbeiten. Na, ein wasserdichter Auftrag und er konnte da nicht mehr raus. Mit Geld konnte man ihn immer unter Druck setzen.

    Und morgen... die Testamentseröffnung. Die Beerdigung war am Dienstag gewesen, naturgemäß eine trübselige Angelegenheit, schwarz gekleidete Gestalten in heftigem Schneeregen auf dem Parkfriedhof.

    Ach, Tante Hilde, dachte Ariane. Danke für die Gummibärchen früher und den Blödsinn, den wir bei dir und Onkel Werner machen durften, draußen in Unterthanning, als Onkel Werner noch lebte und ihr diesen verwunschenen Garten hattet, mit Froschteich und Rosenkugeln, mit dem uralten Bocciaspiel und diesem komischen Gerät, mit dem man klebrige Luftballons selbst machen konnte, die dann selbstständig davon schwebten. Herrliche Nachmittage fielen ihr ein.

    Dann war Onkel Werner gestorben, viel zu jung noch, an einem Herzinfarkt, und Tante Hilde hatte sich prompt auch ein Herzleiden zugelegt. Damals war sie fünfzehn gewesen, überlegte Ariane, also war das... 1989 gewesen. Knapp vor der Maueröffnung. Genau, und dann hatte Hilde gefunden, das Haus sei ihr zu mühsam zu pflegen, mit ihrem Herzen. Sie hatte es verkauft und war mit den Lieblingsmöbeln und allem alten Spielzeug in die Stadt gezogen: „Wisst ihr, Kinder, da hab ich doch kurze Wege und nah zum Arzt..."

    Mönchberg – nicht gerade Innenstadt, aber ganz nett. Und dort hatte sie ihren Sammeltrieb dann exzessiv ausgelebt. Bücher, Moccatassen, Pappschachteln (die musste sie aber geschenkt kriegen, selbst kaufen galt für sie sie nicht), Schmuck, Silberbestecke (die sie zum Teil von anderer Verwandtschaft wieder erbte), Bilder von diversen Prominenten wie Königin Silvia, Blumenvasen und aus unerfindlichen Gründen alle Ausgaben ihrer Fernsehzeitung. Wollte sie kontrollieren, wie oft mancher Kram wiederholt wurde?

    Außerdem hatte sie nie ein Kleidungsstück weggeworfen, wenn man von Strümpfen voller Laufmaschen absah: „Kindchen, das kommt doch alles wieder in Mode, wart´s nur ab!"

    Am Ende hatte sie etwas desorganisiert, aber vergnügt in dieser vollgepropften Wohnung gesessen und sich gefreut, wenn jemand zu Besuch kam, vorzugsweise Daniel oder Ariane selbst, denn Christina arbeitete ja in Köln und schaffte es nur selten nach Bayern.

    Tante Hilde und ihr trockener Humor... Daniel hatte sie immer als Zeitzeugin für die Wiederaufbaujahre nutzen wollen, aber aus den frühen Fünfzigern konnte sie sich nur noch an Hüpfkästchen und ihren ersten Petticoat erinnern.

    Und dann war sie tatsächlich an dem Herzleiden, über das alle immer nur faule Witze gerissen hatten, gestorben, vor zehn Tagen. Der feuchtkalte Winter war wohl zu viel für sie gewesen. Fünfundsechzig, das war doch kein Alter! Noch gut zu Fuß, energisch (wenn sie nicht gerade die Hand aufs Herz gepresst hielt) und fleißig am Sammeln: „Kann man alles mal brauchen, mein Kind!"

    Ariane seufzte und merkte, dass die Maschine mit Michaels Pullovern mit einem Ächzen zum Stillstand gekommen war. Sie schaltete auf Schonschleudern, bevor ihr die Dinger nachher den Kofferraum voll tropften, und machte sich daran, ihre eigenen Klamotten stückweise aus dem Trockner zu holen und noch warm zu falten. Manchmal konnte man sich dann ja das Bügeln schenken...

    Bis sie damit durch war, hatte die Maschine auch die Pullover geschleudert. Sie packte sie in den Korb, schulterte vorsichtig die Taschen (immerhin war der Inhalt jetzt gefaltet und sollte es auch bleiben) und schleppte alles zum Auto.

    Als sie zu Hause die Pullover sorgfältig in Handtücher rollte und auslegte und alles andere verräumte, bis auf die Blusen, die sie morgen früh noch bügeln musste, ärgerte sie sich wieder über Michael, der ihr diese Klumpen, die durchdringend nach nassem Hund rochen, aufs Auge gedrückt hatte, während er durch die Discoparty in der Maschinenhalle tobte.

    Das war ungerecht, tadelte sie sich selbst, während sie Manschetten zurechtzupfte und Stapel verräumte, schließlich war das sein Job. Er tobte im Auftrag von EventMachine da herum und hatte ein Auge darauf, dass alles klappte. Das konnte sie ihm nicht vorwerfen.

    Oder war sie neidisch, weil er sein Hobby, nämlich das Partymachen, zum Beruf gemacht hatte?

    Nein, sie würde das hassen, überlegte sie. Immer die Angst, etwas könnte schief gehen, immer das Rumärgern mit Lieferanten, DJs, Hallenvermietern, dem Ordnungsamt und den abstrusen Wünschen der Kunden, immer die Suche nach neuen, noch nie da gewesenen Eventideen, weil die Leute so süchtig nach Abwechslung waren.

    Unterhalte mich, Baby!

    Hauptsache fun. Eigentlich saublöd.

    Nein, er arbeitete hart in dieser durchgeknallten Branche, und deshalb würde sie sich jetzt auch in den bescheuerten Glitzerfummel werfen und ihn auf ein Stündchen besuchen. Bis zum Notar morgen würde sie schon wieder fit und gebügelt dastehen.

    Gesagt, getan. Sie streifte sich das knallrote Paillettenteil über, löste ihre Haare, bürstete sie und drehte sie um den Finger, bis sie wie eine schwarze Wolke um ihr Gesicht standen, machte sich das Gesicht neu (sogar mit Glitzerpuder) und packte Handy, etwas Geld und einen Ausweis in ein rotes Minitäschchen. Die schwarze Hose ging ja wohl noch, und die Stiefel? Da hatte sie sowieso keine Auswahl, und es war eindeutig Stiefelwetter.

    * * *

    Vor der Maschinenhalle gab es ungefähr tausend Parkplätze, und Ariane ergatterte den letzten freien, jedenfalls kam es ihr so vor. Super, die Sache schien ein Erfolg zu sein!

    Die Türsteher nickten ihr freundlich zu, einer sagte sogar Hi, Jani, als sie ihren Stempel umsonst bekam und in die dunkle, nur von zuckenden Stroboskop-Blitzen erhellte Halle eintauchte. Lärm, das war die vorherrschende Empfindung. Ohrenbetäubender Lärm – und nicht die Musik, die ihr gefiel. Zu Michaels Ekel hörte sie am liebsten Bach und Latino-Pop.

    Wo konnte Michael sein? Wenn sie sich schon als versöhnliche Geste herquälte, obwohl sie wirklich müde war, dann sollte er es wenigstens sehen und dankbar würdigen! An der Bar, vielleicht.

    An der Bar ging es zu, als sei noch Happy Hour; Ariane verspürte plötzlich Durst, schlängelte sich durch das Gewühl der trinkenden und baggernden Massen, nickte dem nächsten Barkeeper zu, den sie ebenfalls flüchtig kannte, und orderte einen Fruit´s Dream – Alkohol hätte ihr jetzt den Rest gegeben. Sie nahm einen großen Schluck (lecker!) und wedelte geistesabwesend den Rauch ihres Nachbarn beiseite.

    „Na, so alleine hier?, schloss sie aus seinen Mundbewegungen. Sie schüttelte energisch den Kopf und nahm den nächsten Schluck. Er legte ihr eine Hand aufs Knie und drückte sanft. Resigniert stellte sie ihr Glas ab und winkte seinen Kopf näher zu sich heran. „Ich würd´s lassen, raunte sie ihm dann ins Ohr, „mein Freund ist hier irgendwo, und der tickt leider verflixt leicht aus. Beim nächsten Mal kommt er sicher nicht mehr mit Bewährung davon, und das möchte ich natürlich nicht."

    Die Hand wurde ruckartig zurückgezogen, der Kopf wandte sich zur anderen Seite. Ariane kehrte zu ihrem Glas zurück und versuchte, nicht zu grinsen. Der alte Spruch funktionierte doch immer wieder!

    Aber hier war Michael (der kein bisschen zum Austicken neigte, allerdings hatte sie ihm auch noch nie Anlass dazu gegeben) nicht zu finden. Also trank sie aus, schob das Glas über die Theke und rutschte vom Barhocker. Hm – beim DJ vielleicht? Sie kämpfte sich durch das Gewühl am Rande der Tanzfläche. Kurz bevor sie vorne ankam, erstarb die Musik.

    „Kurze Pause, Freunde! Trinkt was, damit ihr für die nächsten Runden fit seid!, kam es aus den Lautsprechern, und DJ TecBoy, bürgerlich Stefan Deixlbrunner, machte Anstalten, vom Podest der Anlage herabzuklettern. Ariane kam gerade noch rechtzeitig an. „Hi, Stefan, hast du Michael gesehen?

    Er grinste. „Musst wohl Interesse heucheln, was? Vorhin war er dahinten irgendwo." Er wies in Richtung der Toiletten.

    „Danke. Hier kann man sich ja tot suchen." Ariane wandte sich ab.

    „He, wart mal, rief Stefan hinter ihr her. Sie drehte sich um. „Ja?

    „Äh – ach nichts." Leise fügte er noch hinzu: „O shit."

    Ariane schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich wollte er fragen, ob sie ihm was zu trinken holen konnte, und dann war ihm doch eingefallen, dass sie ein volles Glas niemals unversehrt hierher brächte. Ja, shit, musste er schon selber gehen! Sie wühlte sich in Richtung Toiletten durch. Was Michael da wohl trieb? Gucken, ob auch nichts verstopft war? Das konnte er zu Hause doch auch nicht?

    Naja, ein Eventmanager musste auch Mädchen für alles sein und notfalls auch mal ein Klo putzen. Oder für den Barkeeper einspringen, für den DJ oder eine Schlägerei am Eingang beenden. Das Schlimmste war wohl, wenn man den Notarzt rufen musste, weil sich jemand auf dem Klo den Goldenen Schuss – o Gott, deshalb würde er sich dort doch wohl nicht herumdrücken?

    Sie eilte an der Mädelsschlange vorbei, was ihr ein paar Anrauzer eintrug. „Ich will nicht da rein, ich suche bloß jemanden", beschwichtigte sie die Empörung notdürftig und drückte sich zwischen Zigaretten- und Kondomautomaten vorbei, bis sie in den Vorraum schauen konnte. Keine Aufregung, kein Drogenopfer, kein Michael. Bei den Jungs? Da konnte sie nicht mal reinschauen, aber man sah den Kerlen, die da herauskamen an, dass sie nur friedlich gepinkelt (und sich hinterher garantiert nicht die Hände gewaschen) hatten. Blanke Erleichterung auf den Gesichtern, keinerlei Aufgeregtheit. Nein, hier war er nicht. Putzkammerl? Bei den Klos gab es doch immer ein Putzkammerl, und es war auch offen.

    Verdächtige Geräusche... Ariane grinste und wollte sich schon unauffällig zurückziehen: Wer war sie, andere Leute beim Poppen zu stören? Sie konnte sich zwar ein erotischeres Ambiente vorstellen, aber bitte! Als sie den ersten Schritt rückwärts machte, sagte der Mann drinnen mit erstickter Stimme: „Oh ja, Süße. Mach das nochmal – ohh!"

    Ariane erstarrte. Die Stimme kannte sie. Und diese spezielle Ersticktheit in der Stimme, kurz bevor er kam, die kannte sie auch. Nur zu gut sogar!

    Theoretisch konnte es natürlich noch jemanden geben, der genauso sprach. Sie beugte sich vor und stieß die Tür mit einem Finger lautlos etwas weiter auf:

    Michael, die elegante graue Hose samt Shorts um die Waden baumelnd, über eine rothaarige Frau gebeugt, der er es gerade von hinten besorgte. Sie bewunderte einen Moment lang unwillkürlich seinen süßen weißen Hintern, bis ihr bewusst wurde, was sie da sah. Sie stieß die Tür noch etwas weiter auf – sollten andere das ruhig auch sehen! – und verzog sich dann eilig.

    Als sie schon fast wieder an der Bar war, hörte sie lautes Kichern aus dem Klobereich. Guckten die Mädels aus der Schlange jetzt alle den beiden beim Vögeln zu? Geschah ihm recht, diesem Schwein. Er hatte doch geschworen, das damals mit dieser Susi sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen (Es hatte gar nichts zu bedeuten, ich liebe doch nur dich! Blabla...) – und jetzt schon wieder? Wer weiß, wie oft er hier herumvögelte, während sie zu Hause seine Wäsche wusch!

    Unverschämtheit.

    Am liebsten hätte sie zu Hause seine Pullover genommen und sie wieder in den Waschsalon getragen. Und dann den extragründlichen Kochwaschgang! Nein, sollte doch diese rothaarige Schlampe seine Klamotten waschen. Überhaupt, wozu brauchte sie denn so einen Idioten?

    „Schon genug?", fragte der Türsteher, als sie nach draußen rannte.

    „Mehr als genug!" schnappte sie.

    „Hast du Michael gesehen?"

    „Und wie. Er mich aber wohl nicht, blaffte sie ihn an. „Sorry, du kannst ja nichts dafür.

    „Oops, machte der Türsteher und grinste auf eine Art, die er wohl für tröstend hielt. „Denk dir nichts, so was hat -

    „- nichts zu bedeuten, ich weiß. Ihr seid doch alle gleich, ihr blöden Kerle. Ciao!"

    Wutentbrannt marschierte sie zu ihrem Auto, warf sich hinein, knallte die Tür und schoss mit aufheulendem Motor vom Parkplatz. Auf der Straße beruhigte sie sich wieder etwas – dass sie jetzt noch einen Unfall baute, wo doch Michael alleine an allem schuld war, kam gar nicht in Frage!

    Warum machte er so was? War sie ihm etwa nicht genug? Sicher, sie war manchmal müde, sie hatte auch manchmal abends Termine – aber er doch auch! Es war ja weiß Gott nicht so, dass er der totale Sexmaniac war und sie die Ehefrau mit Dauermigräne.

    Brauchte er bloß mal die Abwechslung? Aber mit so einer? Einer, die sich im Putzkammerl, so richtig zwischen Tür und Angel, ficken ließ? Und – Ariane schloss eine Sekunde die Augen, weil sie sowieso an einer roten Ampel stand – das Bild hatte sich ihr regelrecht in die Netzhaut gebrannt: mit einem gewaltigen, schwabbeligen weißen Arsch. Fand er so was denn schön? Schöner als sie, die schlank, gepflegt und straff war? Und vor dieser Position nun auch noch nie zurückgeschreckt war, obwohl sie Michael beim Sex eigentlich lieber ansah...

    Stattdessen dieses hässliche, fette Weibsbild. Und er mit heruntergelassenen Hosen...

    Konnte die was, was sie nicht konnte? Ja, verdammt, warum sagte er denn nichts? Baby, wie wär´s, wenn wir mal... was wusste sie denn, worauf er im Geheimen abfuhr! Vielleicht ja auf die Gefahr, erwischt zu werden – da hätte sie wohl nicht mitgemacht, das wäre ihr im Zweifelsfall zu peinlich.

    Hinter ihr hupte es ungeduldig; sie schreckte hoch und fuhr hastig über die Kreuzung.

    Dieser Arsch! Dem würde sie was erzählen! Es war ja nicht das erste Mal, also musste er wirklich nicht um eine zweite Chance betteln. Eher um die dritte, vierte... wer wusste denn, wie oft sie ihn bloß nicht erwischt hatte!

    Und vorgestern hatten sie sich so böse gestritten – ob das ein Grund war? Nur weil sie angedeutet hatte, dass ihr das studentenmäßige Leben langsam auf die Nerven ging, dass sie diese Bohème-Wohnung satt hatte und außerdem langsam an die Familiengründung denken wollte. Dieses Entsetzen in seinem Blick!

    „D-du willst – was?"

    „Langsam mal an Kinder denken", hatte sie wiederholt, verblüfft über die Reaktion. Hatte sie beim ersten Mal gesagt, sie wollte einen Weltraumspaziergang machen, veganisch leben oder es mal mit dem Lesbentum probieren? Warum guckte er so panisch?

    „K-kinder? Jetzt schon? Jani, du spinnst!"

    „Wieso? Ich werde zweiunddreißig, ich bin im besten Alter dafür. Und so ein Küken bist du auch nicht mehr, beim nächsten Geburtstag gehst du schon stramm auf die Vierzig zu."

    Er hatte verletzt dreingesehen. „So fühle ich mich aber nicht! Und so sehe ich auch nicht aus. Kinder... wie so ein braver Papi... nein, danke. In zehn Jahren vielleicht."

    „Dann aber nicht mehr mit mir", hatte sie

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