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Klappe zu - Balg tot: Bitterböse Kurzgeschichten
Klappe zu - Balg tot: Bitterböse Kurzgeschichten
Klappe zu - Balg tot: Bitterböse Kurzgeschichten
eBook130 Seiten1 Stunde

Klappe zu - Balg tot: Bitterböse Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

"Wenn der Bösewicht gerade durch den Keller schleicht, dann fällt der Nachbar eben im Keller über die Nachbarin her."

Egal ob Erich oder Jutta, Ordensmann oder Geschäftsfrau - sie alle haben eine dunkle Seite, die hier und da das Licht der Welt erblickt. Dann kommt es sie zu Gemeinheiten, Intrigen, Schurkereien und nehmen auch gern mal Rache, die ja bekanntlich süß ist, aber manchmal eben auch bitter.
Die Geschichten, die sie zu erzählen haben, sind dabei mal mehr, mal weniger derb, aber immer mit einer ordentlichen Prise Witz und Augenzwinkern gewürzt. Und könnten - rein hypothetisch versteht sich - auch dem netten Nachbarn von nebenan widerfahren!

Bittere Pointen und beißender Humor in stilistisch brillant verdichteter Menschenkenntnis!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Okt. 2015
ISBN9783765021312
Klappe zu - Balg tot: Bitterböse Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    Klappe zu - Balg tot - Regina Schleheck

    Stündlein

    Klappe zu – Balg tot

    Ich sollte zum Kuckuck gehen, von dem ich’s doch hätte. Das Balg wegmachen, hat er gesagt.

    Das Wort hat sich in meinem Kopf festgesetzt wie ein kleiner Knubbel, über den meine Gedanken ins Stolpern kamen, wenn ich nicht darauf achtete, ihm aus dem Weg zu gehen.

    Immer wieder geriet es mir ins Getriebe, wenn ich mich auf etwas zu konzentrieren versuchte. Dann ließ ich Aufträge Aufträge sein, und die Bestellannahmen tanzten mit den Reklamationen einen munteren Reigen auf dem Monitor, ich starrte aus tränenlosen, nächtens leer geweinten Augen auf die Tastatur, bis es meinem Chef zu bunt wurde und er mich mit Wirkung zum nächsten Ersten rausschmiss.

    Am anderen Morgen blieb ich gleich im Bett liegen. Das machte es nicht besser, denn jetzt blähte sich das Balg in meinem Kopf auf und schlug alles tot, was da jemals gewesen war. Mein Bauch blähte sich auch auf. Von Woche zu Woche wurde er dicker, obwohl ich nicht mehr viel aß. Ab und an zwang ich mich aufzustehen und zum Einkaufen oder zum Arbeitsamt zu gehen. Es gab sowieso keinen Job für mich, auch ohne dass ich meinen Zustand verriet.

    Es wurde Herbst und ich wickelte mich in immer dickere Schichten, die das Balg vor neugierigen Blicken schützten. Ans Telefon ging ich nur noch, wenn ich die Nummer kannte.

    Ja, Mama, es geht mir gut. Nein, Mama, wir haben nur ziemlich viel zu tun. Ich werde es dieses Jahr nicht mehr schaffen, dich und Papa zu besuchen, Mama, ich kriege keinen Urlaub mehr. Meistens ließ ich es einfach nur klingeln.

    Die Anrufe wurden seltener.

    Er ließ sich nicht mehr blicken und rief auch nicht an. Besser so. Das Balg begann zu strampeln. Erst dachte ich, ich hätte Blähungen. Aber irgendwann war klar, was es war. Ich stellte mir vor, wie es sich da fühlen musste, und irgendwie konnte ich gar keinen Unterschied erkennen – ich hatte genau so ein Gefühl des Eingeschlossen-Seins, als wenn da eine dicke Mauer um mich wär, die mir Luft und Licht nahm und es mir unmöglich machte, noch irgendwas zu sehen.

    Im Fernsehen hab ich mir eine Sendung angeguckt. Da waren Bilder von solchen Würmern, die im Fruchtwasser schwammen. Hätten auch eingelegte Krabben sein können, sie zuckten halt nur manchmal. Wie ich selbst: untergetaucht, nur schummriges Wasser um mich rum, in dem ich bewegungsunfähig rumdümpelte. Okay, ich hab wohl ein bisschen viel getrunken in der Zeit. Alles ging irgendwie völlig an mir vorbei. Ich hasste das Balg dafür.

    Dann klingelte irgendwann abends das Telefon und es war seine Nummer auf dem Display. Ich hab es angestarrt wie ein Alien. Es hat einfach nicht mehr aufgehört. Ich hab die ganze Zeit gedacht, gleich kommt er aus dem Apparat und wo ich mich verstecken könnte. Was wollte er von mir? Ich hatte mich jetzt ein halbes Jahr verkrochen, ging nur noch vor die Tür, wenn ich’s vor Hunger und Durst nicht mehr aushielt. Die meiste Zeit hab ich an der Heizung gekauert, weil’s mittlerweile saukalt war. Als das Gerät endlich aufhörte zu klingeln, hab ich es genommen und mit aller Kraft gegen die Wand geschmissen. Es ist auseinandergebrochen und ich hab es liegen gelassen, froh, dass keiner mehr anrufen konnte. Am nächsten Mittag hab ich mir eine Flasche Wodka besorgt, die hab ich mit O-Saft gestreckt und mir reingezogen.

    In der Nacht ist es dann passiert. Ich weiß so gut wie nichts mehr davon, außer dass ich hundekaputt war und wegtauchen wollte, aber da kam dieser Schmerz, und der wurde immer schlimmer, bis ich dachte, ich sterbe, mir zerreißt es den Leib. Ich glaub, ich war die meiste Zeit ohnmächtig. Außer wenn es wieder losging. Das war, wie wenn mich jemand aus dem Tiefschlaf gerissen hätte und an mir zerrte, irgendein großes Raubtier, das mir Zähne und Klauen in den Bauch hieb, sodass ich vor lauter Schmerzen keine Luft mehr zum Schreien kriegte. Ich bin schließlich auf allen Vieren ins Bad gekrabbelt, hab sämtliche Handtücher rausgerissen, sie mir zwischen die Beine gestopft, mich gewälzt, aber es hat nichts geholfen.

    Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Ich muss völlig weggetreten sein. Als ich wieder zu mir kam, war mir kalt, und da war dieses Bündel. Ein besudeltes Würmchen, wie ausgekotzt, mit der Nabelschnur, als wenn ihm der Darm aus dem Bauch getreten wär. Ich hab das Ding vorsichtig angefasst und gesehen, dass es einen kleinen Pimmel hatte. Und dann hat es das Gesicht verzogen und die Ärmchen bewegt. Es lebte also. Ich hab es in eins der Handtücher gewickelt und mich erst mal an der Badewanne hochzuziehen versucht. Dann hab ich mich vorsichtig mit warmem Wasser abgeduscht. Ich war ja selbst völlig ausgekotzt.

    Das Ding winselte. Ich hab Garn und ein großes Küchenmesser geholt, die Schnur abgebunden und durchgeschnitten. Von dem Geräusch, wie das Messer durch das Gewebe schnitt, wurde mir übel. Die Nachgeburt hab ich in ein Handtuch gewickelt und in eine Plastiktüte gepackt. Dann hab ich mich erbrochen. Aber danach ging’s mir besser. Ich hab das Würmchen gewaschen. Im Waschbecken. Ich hab’s mit warmem Wasser vollaufen lassen und dann hab ich’s reingehalten. Es war so winzig, dass ich es ganz untertauchen konnte. Es hat sich so gestreckt dabei und sah aus, als wenn es lächelte. Da konnte ich es nicht machen.

    Ich hab’s wieder rausgeholt und vorsichtig abgetrocknet. Und in ein Handtuch gewickelt. Und noch eins drüber. So dass es ganz bedeckt war. Dann hab ich’s zum Bett getragen und aufs Kissen gelegt und die Decke drübergezogen. Ich hab mich danebengelegt und gewartet. Nach einer Weile hab ich etwas gehört, und da hab ich die Decke wieder weggerissen. Ich hab sein Gesichtchen rausgucken sehen, ganz friedlich. Es schlief. Da hab ich auch die Augen zugemacht.

    Als ich wieder wach wurde, war es stockdunkel. Da wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich hab mich warm angezogen, das Ding dick eingemummelt und mir unter die Jacke gesteckt, so dass es noch Luft kriegen musste. Das Laufen fiel mir schwer. Aber ich bin zur nächsten Bushaltestelle gegangen, in die U-Bahn umgestiegen, und dann waren es nur noch ein paar Minuten zu Fuß.

    Die Hinweisschilder waren nicht leicht zu finden. Erst bin ich in die falsche Richtung um das Gebäude gelaufen. Aber dann hab ich die Stelle gefunden. Sie war hinter einer hohen Hecke. Ein bisschen sah es aus wie ein Gepäckschließfach. Aber hinter der Scheibe konnte man ein kleines Bettchen sehen. »Babyklappe« stand dick drauf. Ich versuchte sie zu öffnen, aber die Klappe hakte. Ich hab gezerrt und gedrückt. Keine Chance. Hätte ich einen Stein suchen sollen und die Scheibe einschlagen? Dann wär die Hölle los gewesen. Auf dem Weg hab ich Schritte gehört. Da hab ich das Bündel einfach vor der Klappe abgelegt. Meine Jacke hab ich ausgezogen und noch drum gewickelt. Und dann bin ich ganz schnell weggegangen. Ich hab gefroren wie ein Hund, und jeder Schritt tat mir weh.

    Zum Glück war die Bahn fast leer und der Bus auch. Als ich ausstieg, fing es gerade an zu schneien. Lauter flauschige Flöckchen, die sich auf die Erde legten wie eine warme Decke. Ich bin nach Hause gelaufen, hab mich mit dem Bettzeug vor die Heizung gekuschelt und bin gleich eingeschlafen.

    Mein knurrender Magen weckte mich und ich hab was zu essen gesucht. Im Schrank waren noch eine Dose Tomatenmark und ein Glas Oliven. Die hab ich mir reingehauen, vor dem Fernseher. Die Nachrichten kamen, und da war dieser Mann, der sagte, man habe ein totes Kind gefunden. Vor der Babyklappe. In der Nacht von gestern auf heute. Es habe Frost gegeben. Das Datum war rechts oben neben ihm eingeblendet: 25. Dezember.

    Es klingelte. Ich hab gedacht, da sind die Bullen, die holen mich jetzt. Ich wusste nicht, wohin. Da bin ich ins Bad und hab mich eingeschlossen. Nach einer Weile hörte das Klingeln auf. Stattdessen hat jemand die Tür geöffnet und ich hab Schritte im Flur gehört. Ich hab mich umgeguckt und das Messer da liegen sehen. Ich dachte, ich schneide mir jetzt die Pulsadern auf.

    Aber ich konnte das nicht.

    Jemand rief meinen Namen.

    Er war es! Er hatte immer noch den Schlüssel!

    Er hat die Klinke von der Badezimmertür runtergedrückt und daran gerüttelt. »Mia!«, hat er gerufen, »ich muss dich sprechen!« Ich hab nicht geantwortet. Was denn auch?

    »Bitte mach auf, Mia«, hat er gesagt, und seine Stimme klang auf einmal flehentlich. »Ich hab drüber nachgedacht. Es ist mir egal, von wem das Kind ist. Ich möchte, dass du zu mir zurückkommst!«

    Da konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich hab angefangen laut zu lachen. Vielleicht hab ich auch geschrien, keine Ahnung, es ist so aus mir rausgebrochen. Alles ist auf einmal von mir abgefallen. Ich hab mich eiskalt gefühlt und so stark, so stahlhart, dass ich wie ein Messer durch die ganze Welt hätte hindurchfahren können.

    Ich hab ganz ruhig den Schlüssel rumgedreht und die Tür geöffnet. Da stand er. Als er meinen Gesichtsausdruck

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