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Scarlett Taylor: Prophezeiung
Scarlett Taylor: Prophezeiung
Scarlett Taylor: Prophezeiung
eBook390 Seiten5 Stunden

Scarlett Taylor: Prophezeiung

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Über dieses E-Book

Teil 3 der "Scarlett Taylor"-Reihe

Obwohl Scarlett ihr primäres Ziel vorerst erreicht hat, kann sie sich noch nicht entspannt zurücklehnen. Sie will den Sklaven des schwarzen Königs und die Geistwesen aus dem Kerker des dunklen Schlosses befreien, und gleichzeitig die Beziehung zwischen ihrem Gefährten und dessen Schwester retten, die ihretwegen in die Brüche ging. Und dann wäre da noch ihre Mutter, die noch immer unter dem Fluch ihres Vaters leidet.
Nur eine kann helfen: Ihre Tante Roberta! Doch kaum einer glaubt ihr, dass diese noch unter den Lebenden weilt. Trotzdem ist Scarlett wild entschlossen zu handeln.
Allerdings kann auch der kleinste Fehltritt in der magischen Welt gravierende Folgen nach sich ziehen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Sept. 2017
ISBN9783742774101
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    Buchvorschau

    Scarlett Taylor - Stefanie Purle

    Kapitel 1

    „Ich weiß es nicht, Scarlett!, herrscht meine Tante Elvira mich an. „Das geht nun schon seit Wochen so! Verstehe es doch endlich, du kannst nicht jeden retten!

    Ich schüttle aufgebracht mit dem Kopf. „Aber ich habe es Mario versprochen!"

    Elvira seufzt. „Hör zu, Scarlett, ich erkläre es dir noch einmal: Niemand weiß, wo das Schloss des schwarzen Königs ist. Und selbst wenn wir es finden könnten, würdest du nicht hineinkommen, da du keinen Schlüssel hast! Wenn dieser Mario also noch immer in dem Schloss ist, kannst du nicht zu ihm!"

    „Das sagtest du schon! Trotzdem muss es doch einen Weg geben, ihn aufzuspüren! Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn da raushole, Elvira!"

    Elvira lehnt sich im ledernen Sessel zurück und starrt an die Decke ihres geheimen Parapsychologen-Büros. „Wie schon gesagt, niemand kennt diesen Mario, es wird keine weiße Hexe namens Mario vermisst. Womöglich war er auch nur eine Illusion, genau wie dein Vater selbst."

    Ich kann es nicht mehr hören. Seit Wochen versuche ich, sie von der Dringlichkeit der Sache zu überzeugen, doch sie schickt mich lieber in Häuser mit Poltergeistaktivitäten, als eine entführte und versklavte Hexe zu suchen! Und nun versucht sie mir auch noch weiszumachen, dass es Mario nie gegeben hat!

    „Und was ist mit Roberta?", frage ich nun, woraufhin ich ein Augenrollen seitens Elvira ernte.

    Sie lehnt sich wieder vor, legt die Unterarme auf den Schreibtisch und sieht mich ernst an, als wäre sie Psychologin und ich eine gestörte Patientin. „Auch wenn dein Ich aus der Zukunft es dir geschrieben hat, Roberta kann nicht am Leben sein! Wir haben alle gesehen, wie der schwarze König sie, und damit auch sich selbst, getötet hat. Wir haben Robertas Leiche verbrannt, du warst selbst dabei, als ihre Asche verstreut wurde!"

    „Wenn du mir nicht helfen willst, dann mache ich es eben alleine. Irgendwie finde ich dafür auch noch Zeit, nachdem ich deine Fälle abgearbeitet habe und mich um die Sorgen und Nöte des magischen Volkes gekümmert habe!", sage ich wütend und verlasse ihr Büro.

    Sie ruft mir noch hinterher, ich solle nichts überstürzen, doch ich reagiere nicht. Ich werfe die Tür des Pseudo-Reisebüros hinter mir zu und stapfe zum Parkplatz.

    Nicht nur, dass ich Chris´ und Biancas Bruder Arturo nicht aus der Wildnis befreien kann, weil ich als weiße Hexe keine Zeitreisezauber unternehmen kann, ich kann auch nicht beweisen, dass Roberta noch am Leben ist und dass es eine weiße Hexe namens Mario im Schloss meines Vaters gab, der ich Rettung versprochen habe. Doch am Allerschlimmsten ist die Tatsache, dass ich meine Mutter nicht aus dem Wachkoma befreien kann. Wäre mein Vater nicht schon längst tot, würde ich ihn dafür umbringen!

    Ich steige in meinen schwarzen Panther, drehe den Zündschlüssel im Schloss und das Baby beginnt zu schnurren. Mit fauchendem Motor fahre ich vom Platz, drehe die Stereoanlage lauter und brause davon. So gerne ich auch in der Natur bin, mit meinen nackten Füßen auf der Erde stehe und den Wind einatme, aber diesen Wagen zu fahren, bereitet mir noch immer Freude, selbst als weiße Königin!

    Knirschend komme ich auf der Kieseinfahrt vor Chris´ Haus zum Stehen und parke neben seinem Transporter. Als ich aussteige, fällt mein Blick auf einen der Baumwipfel neben dem Haus. Mein Schutztier Queenie, das schneeweiße Albino-Eichhörnchen, sitzt auf einem der obersten Äste und blickt zu mir herunter. Ich lächle ihr entgegen. Schon so oft habe ich sie gedanklich gefragt, ob die Schutztiere untereinander in Kontakt stehen und ob sie weiß, wo die Fledermaus meiner Tante Roberta ist. Aber Queenie antwortet mir nicht. Sie sendet mir auch keine Visionen oder Stimmen, so wie sie es getan hat, als sie mir ihren Namen verriet. Meistens blickt sie mich nur mit schiefem Kopf an, lugt in meine Hände, ob ich eine Nuss für sie dabeihabe, und flitzt dann wieder am Baumstamm empor.

    Seufzend gehe ich ins Haus. Als ich die Tür hinter mir schließe, höre ich bereits die Stimme von Fletcher und das Lachen von Chris aus der Küche.

    „Ich bin wieder da!", rufe ich und hänge meinen Mantel auf.

    Chris kommt herbei und küsst mich flüchtig. „Schön, dass du wieder Zuhause bist, sagt er und lächelt. „Fletcher ist gerade auf einen Kaffee vorbeigekommen. Zuhause. Kaffee... Zwei Worte, die aus Chris´ Mund wie Balsam in meinen Ohren klingen. „Soll ich dir einen Vanilla Latte machen?"

    Wieder seufze ich, aber diesmal, weil ich von seiner Fürsorge und Aufmerksamkeit einfach überwältigt bin. „Ja, gerne."

    „Hey Fletcher", begrüße ich meinen ehemaligen Mentor, als ich um den Kamin herum in die Wohnküche trete.

    „Eure Hoheit", sagt Fletcher mit einem Grinsen und verbeugt sich.

    Ich lache. „Du sollst mich doch nicht so nennen!"

    Er kommt mit verschmitztem Lächeln wieder hoch und streicht sein blondes Haar aus dem Gesicht. „Ihr seid aber nun mal die königliche Hoheit, Eure Majestät!"

    „Ach, Quatsch, hör auf", sage ich etwas beschämt und mache eine abwegige Handbewegung. Es ist mir immer noch unangenehm, wenn sich jemand vor mir verbeugt, oder mir gratuliert, denn eigentlich habe ich nichts Großartiges geleistet, außer geboren zu werden. Naja, und ein paar Urdämonen getötet, aber selbst das war keine große Anstrengung.

    „Fletcher, hast du dich umgehört?", lenke ich ab und setze mich zu ihm an die Kücheninsel. Er weiß sofort, wovon ich spreche, da ich ihm seit Wochen damit auf die Nerven gehe.

    „Ja, natürlich, antwortet er, doch sein Gesichtsausdrück lässt bereits erahnen, dass er keinen Erfolg hatte. „Aber niemand kennt eine Hexe namens Mario, die vermisst wird. Es gibt natürlich männliche Hexen mit dem Namen Mario, aber keine davon gilt als vermisst.

    Ich schüttle mit dem Kopf und blicke hoffnungslos zu Chris. Normalerweise würde er mir jetzt Mut zusprechen, etwas sagen wie „Wir finden ihn schon", aber auch er hat bald keine Hoffnung mehr.

    Chris stellt mir einen wunderbar heißen Becher Vanilla Latte vor die Nase. „Und was, wenn Mario nicht sein echter Name war?", fragt er und sieht von mir zu Fletcher.

    „Dann wüsste ich erst recht nicht, wie wir seinen vollen Namen herausfinden sollten", entgegnet Fletcher.

    „Vielleicht hat der schwarze König ihn bloß einfach Mario genannt, und sein wahrer Name ist ganz anders", grübelt Chris weiter.

    Ich nicke. „Das könnte sein, stimme ich ihm zu und wende mich an Fletcher. „Es gibt nicht zufällig eine Liste mit allen vermissten weißen Hexen, oder?

    Fletcher lehnt sich zurück und blickt uns aus großen Augen an. „Doch, es gibt so etwas in der Art. Elvira müsste eine Kopie der Vermisstenliste haben."

    Verärgert presse ich die Lippen zusammen. „Ich war gerade bei ihr! Warum ist sie nicht selbst auf diese Idee gekommen!"

    „Die Liste ist beinahe endlos, Scarlett. Parapsychologen und Hexen auf der ganzen Welt führen und ergänzen sie. Als dein Vater noch an der Macht war, verschwanden immer wieder weiße Hexen. Manche wurden später tot aufgefunden, von anderen fehlt bis heute jede Spur."

    Chris stellt sich an meine Seite und legt eine Hand auf meine Schulter. „Theoretisch müssten wir doch bloß die vermissten Hexen aus der Gegend mit Marios Beschreibung vergleichen, oder? Du hast sein wahres Aussehen doch in der Vision gesehen, die er dir übermittelt hat. Somit könnten wir die Liste schon mal erheblich verkürzen."

    Ich nicke aufgeregt, doch Fletcher schüttelt mit dem Kopf.

    „Wer sagt dir, dass er nicht vielleicht aus Spanien, Griechenland oder Mexiko kam? Schließlich hat er nie mit dir gesprochen!"

    Entmutigt lasse ich für einen Moment die Schultern sacken. „Stimmt. Mein Vater hatte ihm die Zunge herausgeschnitten, ich habe nie ein Wort aus seinem Mund gehört, stimme ich ihm zu, doch dann kommt mir ein anderer Gedanke. „Aber er hat Deutsch geschrieben! Also war er vielleicht doch eine deutsche Hexe!

    Fletcher zuckt die Achseln. Auch in seinen Augen sind meine Mühen von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Er sagte mir schon vor ein paar Wochen, dass es unmöglich sei, herauszufinden, wer Mario ist oder war, geschweige denn ihn zu finden, da der wahre Standort des Schlosses meines Vaters überall sein kann. Und für das Portal, durch das ich das letzte Mal zu seinem Schloss teleportiert wurde, funktioniert ohne Schlüssel ich. Ich habe es bereits versucht, sogar mehrmals, aber es war erfolglos.

    „Ich muss aber herausfinden, wer Mario war, ich brauche seinen ganzen Namen, seinen Hintergrund. Erst dann kann ich einen Ortungszauber aussprechen", sage ich, hauptsächlich zu mir selbst.

    Die letzten Ortungszauber waren allesamt wirkungslos und Fletcher erklärte mir auch warum: Um solch einen Zauber auszuführen braucht man entweder etwas vom Körper des Verschwunden, wie zum Beispiel ein Haar, oder man muss die Person kennen. Da ich aber nur die Version von Mario kenne, die im Schloss meines Vaters lebte und unter einem Imagezauber stand, waren all meine Bemühungen bislang für Umsonst. Das kurze Bild seines wahren Ichs aus der Vision reicht leider nicht aus. Also muss ich mehr über Mario herausfinden, ich muss wissen wo er wohnte, wie sein Leben vor der Entführung war, ob er Kinder oder eine Freundin hatte. Solche Dinge muss ich in Erfahrung bringen, bevor ich auch nur die kleinste Chance habe, ihn aufzuspüren. Aber das bin ich ihm schuldig...

    Kapitel 2

    „Hat Bianca sich mittlerweile gemeldet?", frage ich Chris, nachdem Fletcher wieder fort ist.

    Chris seufzt traurig. „Nein", antwortet er knapp, und ich mag nicht weiter nachfragen.

    Ich bin schuld daran, dass seine Schwester den Kontakt zu ihm abgebrochen hat. Seit meiner Vollmondzeremonie meldet sie sich nicht mehr und reagiert auch nicht auf unsere Anrufe. Es bricht Chris das Herz, seine einzige Schwester und seine Nichte Riva nicht mehr zu sehen. Ich habe ihnen allen nicht nur den Bruder genommen, indem ich ihn in einer anderen Zeit in der Wildnis zurückgelassen habe, sondern habe auch noch meinen Gefährten seiner Schwester beraubt, da sie ihm nicht verzeihen kann, dass er trotzdem noch zu mir steht.

    Chris hingegen versteht, dass ich Arturo nicht mitbringen konnte. Er weiß, wie schwierig sein Bruder ist und kann sich gut vorstellen, dass er sich einem anderen Rudel von Werwölfen angeschlossen hat, ohne mich zu informieren. Genauso hat er es bereits gemacht, als er sich gegen das Mannwolf-Dasein entschied und stattdessen zum schwarzen König überlief: Eines Tages war er einfach weg, ohne eine Notiz zu hinterlassen. Erst Jahre später fanden Chris und Bianca heraus, wo Arturo sich aufhielt und dass er kein Mannwolf mehr war, sondern zur dunklen Seite gewechselt hatte.

    Zwar ist Chris traurig, dass er Arturo nie wiedersehen wird, aber er macht mir daraus keinen Vorwurf. Vor ein paar Wochen sagte er zu mir, dass er froh sei, dass ich auch ohne Arturo zurückgekehrt sei, denn wenn ich versucht hätte ihn zu finden, hätte ich womöglich den Zeitpunkt verpasst, indem mein Ich aus der anderen Zukunft mich in die Gegenwart zurückholte. Und dann hätte Chris nicht nur seinen Bruder, sondern auch seine Gefährtin verloren, und der schwarze König wäre noch immer an der Macht.

    Ich glaube ihm und seitdem sprechen wir kaum noch über das Thema. Bloß alle paar Tage frage ich, ob er etwas von Bianca gehört hat, doch immer ist die Antwort „Nein."

    Seit ein paar Wochen formt sich in meinen Gedanken eine Idee. Allerdings ist sie so abstrus und wirr, dass ich noch nicht mit Chris oder sonst irgendjemandem darüber gesprochen habe. Ich möchte die Scherben, die das Leben und Ableben meines Vaters hinterlassen haben, aufkehren. Aber dazu muss ich in sein Schloss, wo auch immer es sein mag. Mir ist bewusst, dass jeder, inklusive meiner Tante Elvira, Chris und Fletcher, mich für verrückt erklären würden, wenn sie von meiner Idee wüssten. Allerdings scheint es mir fast so, als wäre ein Besuch im verlassenen Schloss meines Vaters, die einzige Möglichkeit, alles wieder gutzumachen. Vielleicht finde ich dort Mario und kann ihn befreien. Aber nicht nur ihn, sondern auch die weißen Vampire, die sich im Keller des Schlosses in Käfigen befinden, könnte ich freilassen. Es ist sogar meine Pflicht als weiße Königin, meine Untertanen zu retten, und in den Büchern, die mein Ich aus der anderen Zukunft mir hinterlassen hat, habe ich wahrscheinlich auch einen Zauber gefunden, mit dem ich das Schloss aufspüren kann. Und auch wenn Zeitreisen nur für schwarze königliche Hexenblütler funktionieren, kann es nicht schaden, mein Glück an der Zeitreisetür im Schloss zu probieren. Vielleicht habe ich Glück und gelange so zu Arturo und kann Bianca beweisen, dass es ihm gut geht. Allerdings ist es noch nicht an der Zeit, meinen Plan den anderen mitzuteilen. Dafür muss er ausgefeilter und ich mir meiner Sache noch sicherer sein. Vorher würde Chris dem Ganzen gar nicht zustimmen.

    „Worüber grübelst du?", fragt Chris und sieht über den Rand seines Laptops zu mir herüber.

    Ich schüttle mit dem Kopf und lächle. „Über nichts Bestimmtes, lüge ich. „Was machst du da?

    „Ich schreibe Rechnungen. Seitdem ein gewisser Jemand die Dämonen mit der Tötung dutzender Urdämonen eingeschüchtert hat, ist es ziemlich ruhig geworden und ich bin auf jede Zahlung meiner Kunden angewiesen."

    „Wer macht denn so etwas?", frage ich gespielt schockiert.

    „Ich weiß auch nicht, grinst er und reibt sich das Kinn. „Aber wenn die dunklen Wesen nicht bald wieder aus ihren Löchern kriechen, dann ist mein Geschäft ruiniert.

    „Ach was, so schlimm kann es doch nicht sein", sage ich, stehe auf und laufe zu ihm.

    Mit ernsterer Miene spricht er weiter. „Doch, leider schon. Früher hatte ich drei bis vier Aufträge pro Woche. Momentan kann ich froh sein, wenn ich so viele im Monat habe."

    Ich lehne mein Kinn auf seine Schulter und blicke auf den Bildschirm, während ich die Arme vor seiner Brust verschränke. „Früher hast du nie Rechnungen geschrieben, sondern es den Kunden überlassen, dich ausreichend zu bezahlen, oder?"

    Er nickt. „Ja, vor ein paar Monaten konnte ich von dem, was die Klienten mir freiwillig gaben, gut leben. Und wenn mal einer nichts bezahlen konnte, war das auch nicht weiter schlimm. Nun muss ich allerdings Rechnungen und Mahnungen verteilen."

    „Das tut mir leid", entschuldige ich mich und lege meine Lippen an seine Wange.

    Er dreht sich zu mir um und zieht mich auf seinen Schoß. „Nein, das ist Unsinn. Du brauchst dich nicht entschuldigen, weil du das Böse eine Zeitlang vertrieben hast! Ich denke nur, dass ich vielleicht wieder einen normalen Job annehmen sollte."

    Perplex sehe ich ihn an. „Ein Mannwolf an der Supermarktkasse? Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen!"

    Chris lacht und drückt mich dichter an sich. „Nein, das kann ich mir auch nicht vorstellen. Aber ich habe früher schon mal als Tischler gearbeitet."

    Ich nehme Chris Hand in meine Hände. Ein paar Farbkleckser zieren seinen Zeige- und Mittelfinger, da er gestern Abend noch an einem Ölgemälde gearbeitet hat. Ansonsten sind seine Hände makellos. Ohne Schlieren und Schwielen, die zarten Hände eines Künstlers. Nur hier und da sind ein paar helle Narben, die von den Kämpfen mit Dämonen zeugen.

    „Warte doch noch ein wenig, bevor du dir einen Job suchst. Und so lange beteilige ich mich an den Kosten. Immerhin bin ich hier quasi eingezogen!"

    Natürlich schüttelt Chris mit dem Kopf und lehnt mein Angebot erstmal ab. Dafür ist er viel zu stolz. „Nein, du brauchst nichts zu bezahlen, um hier zu wohnen, Scarlett. Und so schlimm sieht es finanziell auch noch nicht aus. Ich muss es nur im Auge behalten."

    „Chris, ich zahle seit Monaten Miete für eine Wohnung, die ich so gut wie nie betrete. Und alles was ich esse oder trinke, hast du bezahlt. Es ist wirklich an der Zeit, dass ich dir nicht mehr auf der Tasche liege", beschließe ich und lasse ihn mit einem strengen Blick wissen, dass ich keinen Widerspruch dulde.

    Trotzdem spricht er weiter. „Also erstens, du liegst mir nicht auf der Tasche. Und zweitens, habe ich auch schon darüber nachgedacht, warum du deine alte Wohnung noch behältst. Eigentlich brauchst du sie doch gar nicht mehr."

    „Aber meine Post wird dahin geliefert", sage ich und blicke in Chris lächelndes Gesicht.

    „Du könntest den Mietvertrag kündigen und ganz bei mir einziehen. Wir melden dich um, machen es ganz offiziell, auch für die Behörden. Und dann wird deine Post an diese Adresse geliefert."

    Ich schlucke und mein Herz beginnt aufgeregt schneller zu pochen. „Denkst du nicht, das wäre etwas verfrüht? Wir kennen uns erst ein paar Monate!", spricht die Vernunft aus mir, obwohl mein Herz bereits Purzelbäume vor Freude schlägt.

    „Scarlett, wir sind Gefährten, und du weißt mittlerweile, was das bedeutet, sagt er und drückt seine Lippen gegen meinen Hals. „Ich werde nie wieder ohne dich sein können, und du wirst nie wieder ohne mich sein können, spricht er warm in meine Halsbeuge.

    „Aber was sollen die Leute denken?, entgegne ich scherzhaft. „Dann leben wir in wilder Ehe miteinander, und das nach wenigen Monaten Beziehung!

    Chris zieht seinen Kopf zurück und blickt mich an. „Seit wann schert es dich, was die Leute denken?", lacht er und steht mit mir im Arm auf. Ich schlinge die Beine um seine Hüfte, während er mich leichthändig trägt. „Und wilde Ehe klingt irgendwie richtig gut." Er beginnt mich zu küssen und läuft dabei mit mir in Richtung der Treppen.

    „Wo bringst du mich hin?", frage ich zwischen vereinzelten Küssen.

    „Nach oben", antwortet er und nimmt die ersten Stufen.

    „Und was wollen wir da?", frage ich grinsend, obwohl ich die Antwort bereits kenne.

    Er grinst schief und presst meinen Körper dicht an seinen. „Ich will mit dir die wilde Ehe vollziehen", raunt er verführerisch, als wir in seinem Schlafzimmer verschwinden.

    Kapitel 3

    „Was würde Bianca wohl davon halten, wenn ich wirklich meine Wohnung kündige und hier einziehe?", frage ich am nächsten Morgen.

    Chris zieht die Augenbrauen hoch, während er die Pfanne mit seinem Spiegelei schwenkt. „Sie würde sich wundern, warum wir so lange gewartet haben."

    „Lange gewartet?, wiederhole ich verdutzt. „Ein knappes halbes Jahr ist doch nicht lange!

    „Für Normalsterbliche vielleicht nicht. Aber für Gefährten schon.", sagt er und lässt seine Eier auf einen Teller gleiten.

    Da ich keine anderen Gefährten kenne, weiß ich nicht, wie sie es normalerweise handhaben. Ich kenne mittlerweile zwar ein paar Mannwölfe, aber niemand davon hat vor Kurzem seine Gefährtin gefunden. „Wie läuft es denn normalerweise bei Gefährten?", frage ich Chris deshalb.

    Er trägt seinen Teller zur Kücheninsel und setzt sich mir gegenüber. „Theoretisch könnten Gefährten, wenn sie sich erstmal gefunden haben, gleich heiraten und zusammenziehen. Es gibt ja keine Zweifel mehr. Die Gefährtenverbindung ist die sicherste Verbindung überhaupt."

    „Aber man hat doch trotzdem noch einen freien Willen, entgegne ich. „Wenn jetzt zum Beispiel ein Mannwolf sich nicht fest binden will, dann hat er doch die Wahl, oder nicht?

    Chris lächelt. „In der Theorie schon. Aber warum sollte er das wollen? Warum sollte er seine Gefährtin verlassen?"

    „Ich weiß nicht, vielleicht weil er lieber Single bleiben möchte, oder sich noch austoben will?"

    Er schüttelt mit dem Kopf. „Nein, Scarlett. Der Mannwolf, und auch der Werwolf ist ab einem gewissen Alter auf der Suche nach seiner Gefährtin. Es ist sein Instinkt, wenn du so willst. Er sucht nach ihr, und wenn er sie gefunden hat, dann lässt er sie nie wieder gehen."

    „Und was ist, wenn sie aber nicht will?"

    Jetzt sieht er mich verdutzt an. „Für sie gilt dasselbe. Sie hat ihr Leben lang nach ihm gesucht, erklärt er und denkt kurz nach, während er weiterkaut. „Vielleicht hast du noch deine Probleme es zu verstehen, weil du eben kein Mannwolf bist und nicht dein Leben lang auf der Suche nach einem Gefährten warst.

    Ich lehne mich zurück und halte meinen Kaffeebecher in beiden Händen. „Ich habe schon nach jemandem gesucht, ich nannte es nur nicht Gefährten", erwidere ich.

    „Nein, das ist etwas anderes, entgegnet er. „Nach seiner Gefährtin zu suchen, ist wie nach seiner anderen Hälfte zu suchen. Ohne sie fühlt sich der Mannwolf bloß wie ein halbes Wesen. Sie ist der Sinn seines Lebens, ohne sie macht das Leben keinen Sinn.

    Verträumt blicke ich ihn an und schmelze innerlich bei dem Gedanken dahin, dass dieser wunderschöne Mann offenbar wirklich so für mich empfindet.

    „Ja, Scarlett, das bist du für mich: Der Sinn meines Lebens, wiederholt er lächelnd. „Und deswegen gibt es auch keinen Grund, warum du nicht hier einziehen solltest.

    „Du gehst also davon aus, dass ich für dich genauso empfinde, auch wenn ich kein Mannwolf bin?", necke ich ihn.

    Selbstbewusst nickt er. „Ich gehe nicht nur davon aus, ich weiß es sogar sicher."

    Und auch ich weiß, dass es stimmt. Mit Chris ist es ganz anders, als in all meinen früheren Beziehungen. Ich liebte ihn vom ersten Moment an, und das magisch warme Kribbeln auf meinem Brustbein, zeigt mir immer wieder, dass er wirklich mein Gefährte ist. Ich zweifle auch nicht an ihm, oder daran, dass wir zusammengehören. Nur manchmal frage ich mich, warum ich, als weiße Hexe, die Gefährtin eines Mannwolfs sein kann. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich manchmal Angst, dass irgendwann ein weiblicher Mannwolf auftaucht, der auch die Gefährtin von Chris ist und dass sich unsere Gefährtensache als Fehler der magischen Natur herausstellt.

    „Es geht wieder darum, dass du kein Mannwolf bist, richtig?", unterbricht Chris meine Gedanken.

    „Nein... Oder vielleicht doch..., stammle ich und seufze. „Ich habe bloß Angst, dich irgendwann zu verlieren, gebe ich zu und lasse alte Ängste und Unsicherheiten der Vergangenheit aus mir sprechen.

    Chris steht auf, geht um die Kücheninsel herum und stellt sich vor mich. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und sieht mich ernst an. „Scarlett... Seit Generationen arbeitet meine Familie daran, den Vertrag des Vatikans zu erfüllen, damit die Folgegeneration weniger Werwolf ist, als die vorherige. Und offenbar kann meine Generation nun Gefährten haben, die nicht Mannwölfe oder Werwölfe sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir deswegen weniger Gefährten sind, in Ordnung?"

    Ich nicke und er beugt sich herab um mich zu küssen. „Entschuldige, dass ich immer wieder damit anfange, sage ich. „Es ist nur so neu für mich, dass mich jemand genauso sehr liebt, wie ich ihn.

    Chris Lächeln zeigt einen Hauch von Mitleid, als er sanft mit seinen Fingern über meine Wange fährt. „Ich liebe dich, Scarlett. Und ich werde dich immer lieben. Ich wusste es, als ich dich auf dem Parkplatz hinter Elviras Büro gesehen habe. Schon als du aus deinem Auto ausgestiegen bist und ich dich sah, wusste ich, dass du meine Gefährtin bist."

    Ich denke zurück an die Zeit, als ich noch keine Ahnung hatte, wer mein Vater ist oder das Elvira in Wirklichkeit als Parapsychologin arbeitet. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen. Jedoch hat sich mein Leben seitdem komplett verändert. Ich bin nicht mehr die dicke arbeitslose Scarlett, die keinen Freund länger als zwei Monate halten kann! Heute bin ich die zwar immer noch die dicke Scarlett, die aber jetzt als Parapsychologin arbeitet, nebenberuflich die weiße Hexenkönigin ist und wahrscheinlich bald bei ihrem Gefährten einzieht!

    Lächelnd sehe ich in Chris´ moosgrüne Augen und nicke. „Okay, dann mach mal ein bisschen Platz für meine Sachen", sage ich und sein Lächeln wird breiter.

    „Also ziehst du zu mir und kündigst deine Wohnung?"

    Wieder nicke ich. „Ja!"

    Mit einem Kuss besiegeln wir die Entscheidung.

    Am Nachmittag fahre ich mit dem Kündigungsschreiben in der Hand zu meiner Wohnung und stecke sie dem Vermieter in den Briefkasten. Nun bleiben mir noch drei Monate, meinen Kram zu verkaufen, oder in Kisten zu packen und rüber zu Chris zu schleppen.

    Als ich die Treppen meines früheren Zuhauses emporsteige, fällt mir schon auf, dass es hier nichts gibt, was ich vermissen werde. Auch wenn ich auf einem ländlichen Dorf gelebt habe, so ist mir dieser Apartmentkomplex schon zu weit von der Natur entfernt. Seitdem ich die weiße Königin geworden bin, ist der Drang, immer wieder in die Natur zu gehen, immens. Jeden Morgen muss ich barfuß auf dem Gras vor Chris´ Haus laufen, ansonsten treibt mich die innerliche Unruhe in den Wahnsinn. Ich wünschte, ich könnte mit jemandem darüber reden, der es versteht. Fletcher kann meine Gefühle zwar nachempfinden, aber er ist keine königliche Hexe, und deswegen ist sein Drang der Natur zu begegnen nicht ganz so stark, wie meiner.

    Als Roberta noch hier war, sagte sie mir, dass ich den morgendlichen Gang in den Wald bald begrüßen würde, wie ein Alkoholiker das erstes Bier des Tages. Sie hatte recht, ich genieße es wirklich, aber dennoch komme ich mir albern dabei vor.

    Auch wenn ich meine Tante Roberta nur ein paar Tage kannte, bevor mein Vater sie tötete, so fehlt sie mir doch sehr. Sie ist, neben mir, das einzige weiße königliche Hexenblut, das existiert. Und wenn mein zukünftiges Ich recht hat, und sie noch lebt, muss ich sie finden!

    Doch bislang gab es keine Spur von ihr, kein einziges Lebenszeichen, weswegen ich mich so langsam selbst frage, ob sie wirklich noch lebt. Vielleicht hat Elvira recht, und Roberta lebte zwar noch in der Wirklichkeit meines Ichs aus der Zukunft, jedoch nicht in unserer Wirklichkeit.

    Ich sammle die Post ein, stecke sie in meine Handtasche und öffne die Fenster meiner Wohnung. Die Bücher, die die Scarlett aus der Zukunft mir hinterlassen hat, sind schon längst in Chris´ Haus. Auch alles, was Elvira mir zum Zaubern gegeben hat, habe ich bereits zu Chris gebracht, genau wie die meisten meiner Klamotten und Kosmetika. Das Einzige in der Wohnung, woran mein Herz noch hängt, sind die Fotoalben aus meiner Kindheit und die gerahmten Bilder von mir und meiner Mutter, bevor sie durch den Fluch meines Vaters ins Wachkoma fiel.

    Also schnappe ich mir einen Karton und lade die Bilder und Alben hinein. Aus dem Schlafzimmer hole ich einen Teddy, den mir meine Mutter einstmals zum Geburtstag geschenkt hat, und eine alte, gehäkelte Decke. Eine Porzellanfigur, die meiner Oma gehörte, die ich aber nie kennengelernt habe, wickle ich in Zeitung und lege sie auch in den Karton. Den Ordner mit meinen wichtigen Unterlagen lege ich obenauf, genau wie ein paar Bücher aus meinem Bücherregal.

    Dann blicke ich mich um, gehe von Raum zu Raum, auf der Suche nach Dingen, die ich in mein neues Zuhause mitnehmen möchte. Aber ich finde nichts. An den meisten Sachen hängen Erinnerungen, die ich lieber vergessen möchte. Wie zum Beispiel das Sparschwein von meinem Ex, welches er für die Ersparnisse unseres ersten gemeinsamen Urlaubs angeschafft hatte. Der Urlaub hat nie stattgefunden und auch an den Ex erinnere ich mich nicht gern. Dann der Schreibtisch, den ein anderer Verflossener besorgt hatte. Er war ein Workaholic, der auch nach Feierabend noch am Computer saß um Emails zu beantworten oder Termine für seinen Chef zu planen. Oder das Bild an der Wand mit den springenden Delfinen. Ich hatte es in Griechenland gekauft, als ich mit einem anderen Ex dort war. Er war ein paar Wochen später weg, aber das Bild blieb. Wenn ich es nun betrachte, kann ich nicht verstehen, warum ich es jemals schön fand. Das Motiv ist kitschig und auch die Malweise ist sehr amateurhaft. Kein Vergleich zu den Gemälden, die Chris kreiert.

    Meine geliebte Kaffeemaschine in der Küche brauche ich auch nicht mitzunehmen, da die von Chris tausendmal besser ist. Sie war gut, als ich mir nichts anderes leisten konnte.

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