133 Das Lied der Nachtigall
Von Barbara Cartland
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Buchvorschau
133 Das Lied der Nachtigall - Barbara Cartland
I ~ 1919
In den hohen, hell erleuchteten Fenstern des großen Hauses auf dem Berkeley Square bewegten sich die tanzenden Paare wie auf goldenem Hintergrund. Das rhythmische Dröhnen der Trommeln und die beschwingten, einschmeichelnden Klänge der Saxophone drangen gedämpft auf den weiten Platz hinaus.
Der Mann, der langsam die breite Freitreppe hinunterstieg, schien nichts von all dem wahrzunehmen. Den Blick gesenkt, schlenderte er an den Dienern, Kutschern und Chauffeuren vorbei, die in kleinen Gruppen schwatzend und gestikulierend zusammenstanden, überquerte die Straße und betrat den Square Garden.
Normalerweise war das schmiedeeiserne Tor in dem hohen Gitterzaun zu dieser Tageszeit geschlossen, und nur die Anwohner besaßen dazu einen Schlüssel. Doch heute war es anders. Zahlreiche Paare ergingen sich zwischen den blühenden Fliederbüschen, während durch die Kronen der mächtigen Laubbäume mit ihrem ersten jungen Grün silbern das Mondlicht sickerte.
Ohne von seiner Umgebung Notiz zu nehmen und offensichtlich tief in Gedanken versunken, schritt der Mann einen schmalen Pfad entlang und gelangte schließlich zu einem kleinen Tempel in der Mitte des Parks. Das zierliche Gebäude wurde von einer weißen Kuppel überwölbt, und den Eingang flankierten schlanke griechische Säulen.
Im Inneren des Tempels herrschte Dunkelheit, und so blieb der Mann stehen, wandte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen eine der Säulen und schaute den Weg zurück, den er gekommen war. In einiger Entfernung über den Baumkronen hoben sich die Giebel der alten Häuser deutlich vor dem mondhellen Himmel ab.
Der Mann tastete in der Tasche seines Fracks nach dem Zigarettenetui, hielt aber mitten in der Bewegung inne, denn hinter sich vernahm er ein leises Geräusch.
Er drehte den Kopf und glaubte schon, einer Sinnestäuschung erlegen zu sein, als er sich plötzlich ganz deutlich der Nähe eines Menschen bewußt wurde.
Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen fragte er: »Störe ich? Wenn ja, werde ich wieder gehen.«
Eine kleine Pause entstand, ehe eine zögernde kleine Stimme erwiderte: »Nein, Sie stören nicht. Ich ... ich bin allein.«
Der Mann blickte über die Schulter in das Innere des Tempels. Schemenhaft erkannte er eine Steinbank, auf der eine zarte, in weiß gekleidete Gestalt saß.
Es war ihm nicht möglich, das Gesicht zu erkennen, doch dem Klang der Stimme nach handelte es sich um ein junges Mädchen.
»Allein?« fragte er. »Und wo befindet sich Ihr Partner?«
»Ich . . . ich habe keinen Partner. Das ist auch der Grund, weshalb ich hier bin.«
»Keinen Partner?« Die Frage verriet sein Erstaunen. »Das ist in der Tat deprimierend. Aber wenn Sie sich hier in der Dunkelheit verstecken, dürfte es unwahrscheinlich sein, an diesem Abend noch einen zu finden.«.
»Ich weiß — aber es war so entmutigend, am Rand der Tanzfläche zu stehen und auf einen Tänzer zu warten. Es schien niemanden zu geben, der allein hergekommen ist.«
Das, dachte der Mann, ist anzunehmen.
Jeder, der, so wie er selbst, ohne Begleitung zu dieser Party gekommen war, hielt sich nicht im Ballsaal auf. Er suchte die Bar auf oder hatte sich einen Platz an einem der Kartentische im Spielzimmer erobert.
Der Mann nickte verständnisvoll. Er kannte die Situation der Unbekannten, denn ihm erging es nicht viel anders.
Auch er hatte den Ball gelangweilt und enttäuscht verlassen. Er kannte zu wenige der geladenen Gäste, und ihre Zusammensetzung gefiel ihm ebenfalls nicht. Reiche, hochgestellte Damen und junge Männer zumeist — keine der beiden Kategorien waren nach seinem Geschmack.
»Ich nehme an«, sagte er laut, »da wir am Beginn der Saison stehen, ist dies Ihr erster Ball.«
»Ja, und — ich hatte mich so sehr darauf gefreut.«
»Und nun sind Sie enttäuscht. Aber das wird nicht die einzige Enttäuschung in Ihrem Leben bleiben, kleine Lady, denn das Leben erfüllt niemals wirklich die Erwartungen, die wir haben.«
»Niemals? Das . . . das wird doch wohl nicht stimmen, oder?«
»Jedenfalls sehr oft nicht, finde ich. Und das macht einen mit der Zeit zynisch und raubt einem jegliche Illusion.«
Er scherzte. Aber das Mädchen, das ihm zuhörte, nahm seine Worte ernst.
»So dürfen Sie nicht denken — jetzt, wo der Krieg zu Ende ist und wir wieder frei sind von Angst und Schrecken!«
»Hatten Sie Angst?«
»Ja.«
Er war froh, daß sie nicht in die Details ging und meinte: »Ein Krieg hat auch sein Gutes.«
»Wie können Sie so etwas sagen!«
»Ich denke, als Kriegsteilnehmer habe ich das Recht zu dieser Meinung.«
»Sie waren in Flandern?«
»Vier lange Jahre.«
»Oh . . .«
Ein langes Schweigen folgte, dann sagte sie: »Es muß schrecklich gewesen sein — entsetzlich. Schon allein die Vorstellung an das, was unsere Soldaten in den Schützengräben durchgemacht haben, ist unerträglich für mich.«
»Zugegeben, es war höchst unangenehm«, stimmte der Mann zu. »Aber wie gesagt: Gleichzeitig hatte es auch sein Gutes.«
»Und worin sollte das bestanden haben?«
»Ich denke zum Beispiel an die Kameradschaft, die unter den Soldaten herrschte, an das gemeinsame Ziel, das alle vereinte. Ich meine damit nicht nur das Ziel, die Deutschen zu vernichten und zu besiegen, sondern auch den Willen, zu überleben, durchzukommen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Oft hatte das Ganze sogar recht lustige Seiten.«
»Ich glaube, Sie müssen sehr tapfer und mutig gewesen sein.«
Der Mann lächelte.
»Ich würde Ihnen ja gerne zustimmen, aber Ihre Vermutung trifft nicht zu. Ich hatte oft genug Angst und war sehr unzufrieden mit meinem Schicksal.«
»Dann müssen Sie doch sicher froh . . . sehr froh sein, daß endlich alles vorüber ist.«
»Ja, natürlich. Ich bin dankbar, eine solche Erfahrung überlebt zu haben. Viele meiner Freunde sind gefallen. Die Heimkehr ist wie ein neuer Anfang — wie ein völlig neues Leben, das eben erst beginnt.«
»Das muß doch sehr aufregend sein.«
»Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch ziemlich enttäuschend — so ähnlich wie für Sie Ihr erster Ball.«
»Enttäuschend ist wohl nicht ganz zutreffend. Denn alles hat mich sehr beeindruckt. Ich habe zum Beispiel noch nie ein so wunderschönes Haus gesehen. Die Damen in ihrer eleganten Garderobe und dem kostbaren Schmuck erschienen mir einfach himmlisch, wenn sie über die Tanzfläche schwebten. Ich selbst kam mir nur ein wenig überflüssig vor, weil niemand daran dachte, mich zum Tanzen aufzufordern.«
»Aber Sie sind doch sicher nicht allein hier!«
»Nein, meine Patentante nahm mich mit. Ich wohne bei ihr in London. Da sie sehr attraktiv ist, wünschten alle Herren, die mit uns redeten, nur mit ihr zu tanzen.«
Wieder glitt ein leicht zynisches Lächeln über das Gesicht des Mannes.
Er konnte sich denken, was geschehen war. Man hatte ihm schon erzählt, daß die Zeiten der Anstandsdamen vorüber seien. Auch die Mütter, Tanten oder — wie in diesem Fall — die Patentante, die eine Debütantin zum Ball begleiteten, wurden neuerdings ebenfalls zum Tanz geholt.
Diese sogenannten Anstandsdamen waren reife, erfahrene Frauen, die man einem jungen Ding allemal vorzog. Kein Wunder, wenn ein unerfahrenes kleines Mädchen übersehen wurde und sich wie ein Mauerblümchen vorkommen mußte.
Er machte einige Schritte in das Innere dies Tempels und ließ sich neben der jungen Unbekannten auf der Steinbank nieder.
Er spürte, daß ein leichtes Zittern sie überlief, als er dabei ihr Kleid streifte, und er dachte, daß sie wirklich noch sehr kindlich sein mußte. Ein Gedanke, der zu seinem Erstaunen ein Gefühl des Mitleids in ihm weckte.
»Aber nun sind Sie ja nicht mehr allein«, sagte er. »Und da ich — wie Sie — nur wenige Leute hier kenne, könnten wir uns eigentlich ein wenig gegenseitig trösten.«
»Vielleicht wäre das nicht richtig!«
»Nicht richtig?«
»Wir wurden uns noch nicht — vorgestellt.«
Er lachte.
»Na, wenn es nur das ist, schlage ich vor, wir tun so, als seien Sie die Göttin dieses Tempels und ich ein Forschungsreisender, der ihr Heiligtum entdeckt hat.«
»Es klingt sehr aufregend, wie Sie das sagen.«
»Vielleicht ist es das auch. Sagen sie mir, wie Sie sich fühlen, nachdem Sie erwachsen geworden sind und die Schule abgeschlossen haben?«
»Ich besuchte keine Schule. Ich wurde von einer Gouvernante erzogen.«
»War sie tüchtig?«
»Nein, nicht besonders. Aber da ich gern lese, glaubte ich bisher, einiges von der Welt zu wissen. Doch heute mußte ich einsehen, wie unwissend ich in Wirklichkeit bin. Nicht einmal über Bälle weiß ich Bescheid — und auch nicht darüber, wie eine junge Dame sich dabei verhält.«
»Was Sie unbedingt brauchen, ist ein junger Mann, der sich um Sie kümmert. Wie mir scheint, hat der Krieg die alten Konventionen über den Haufen geworfen, und ein junges Mädchen braucht keine Anstandsdame mehr, wenn es zum Tanzen geht. Schaffen Sie sich also einen Verehrer an, und das Problem ist gelöst.«
»Nicht ganz. Denn so einfach ist das gar nicht. Ich bin sehr anspruchsvoll.«
Er lachte erneut.
»Ich gebe mich geschlagen. Das macht die Sache natürlich wesentlich komplizierter. Und da Sie gerade erst nach London gekommen sind und hier niemanden kennen, sind die Aussichten noch schlechter, nicht wahr?«
»Ganz richtig.«
»Ich kann Ihnen versprechen, daß sich die Dinge von Tag zu Tag und von Woche zu Woche bessern werden. Ich bin ganz sicher, Sie werden schon bald eine ganze Reihe von jungen Herren kennen, unter denen Sie auswählen können.«
»Wie können Sie das behaupten? Sie wissen doch gar nicht, wie ich aussehe.«
»Ich kenne mich mit Stimmen aus. Und da ich Ihre Stimme für sehr anziehend halte, bin ich überzeugt, daß Sie es auch sind.«
Es war ein ziemlich banales Kompliment, und der Mann war sich dessen bewußt, schon als er die Worte sprach. Er spürte, wie sich ihre Haltung neben ihm versteifte.
Sie reagiert wie ein Fohlen, dachte er, das nicht weiß, ob es der Hand trauen kann, die sich ihm entgegenstreckt, um es zu streicheln.
»Ich hoffe, Sie haben recht«, sagte sie nach einem Moment des Zögerns. »Aber London kommt mir so riesig und in gewisser Weise bedrohlich vor. Seitdem ich hier bin, fühle ich mich unsicher und gehemmt, und ich habe das Gefühl, fast alles falsch zu machen.«
»Wir machen vieles falsch, wenn die Dinge neu für uns sind«, sagte der Mann. »Ich erinnere mich, daß es mir so erging, als ich als junger Leutnant zu meinem Regiment versetzt wurde. Am Anfang wurde ich einfach die Angst nicht los, mich vor meinen Untergebenen lächerlich zu machen.«
»Und war es so?«
»Nein, eigentlich nicht. Aber ich kann Ihre Angst nachempfinden und Ihnen versichern, daß sie mit der Zeit vergehen wird. Glauben Sie mir!«
»Sie wollen mich trösten.«
»Ja, das möchte ich. Sehen Sie, Sie stehen am Beginn eines neuen Lebensabschnitts, und alles um Sie her ist neu für Sie. Ich dagegen habe mit alten Schwierigkeiten fertig zu werden, und oft ist das noch viel mühsamer.«
»Wieso?«
»Ich nehme an, daß dies so ist, weil es so viele Dinge gibt, auf die ich verzichten mußte, denen ich nachtrauere und die mich deshalb belasten.«
Das junge Mädchen ließ einen leisen Seufzer hören.
»In diesem Augenblick wünschte ich, fünf Jahre älter zu sein.«
Der Mann lachte. Es war ein heiteres Lachen, das irgendwie befreit klang:
»In fünf Jahren werden Sie so etwas nicht mehr sagen. Sie werden anfangen, unter dem Älterwerden zu leiden. Und in zehn Jahren werden Sie sogar hingehen und von Ihrem Alter fünf Jahre abziehen.«
»Machen das die Frauen so?« Sie stockte, dann fuhr sie eifrig fort: »Ja, ich glaube, Sie haben recht. Meine Patentante ist ganz bestimmt älter, als sie es stets von sich behauptet.«
»Nun, das ist ein Problem, über das Sie sich nicht den Kopf zerbrechen sollten — noch nicht jedenfalls.«
»Ich hoffe, ich beschäftige mich auch später nicht mit solch trivialen Problemen.«
»Frauen halten diese Dinge nicht für trivial. In ihren Augen sind sie bedeutsam und von größter Wichtigkeit.«
»Und wie ist es bei den Männern?«
»Männer haben ernstere Sorgen, besonders heutzutage.«
»Ich vermute, Sie sind auf der Suche nach einer Beschäftigung, wenn Sie so reden.«
»Sie sind sehr scharfsichtig. Wie kommen Sie darauf?«
»Alle Welt spricht darüber, wie schwierig es im Augenblick für unsere heimkehrenden Kriegshelden ist, eine Beschäftigung zu finden. Diejenigen, denen es gelungen ist, sich vor der Einberufung zu drücken und in der Heimat zu bleiben, haben die Gelegenheit genutzt, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Sie besetzten die besten Posten, und die Soldaten können sehen, wo sie bleiben. Mein Vater sagt immer, keiner hätte eine gute Anstellung eher verdient, als unsere Kriegsteilnehmer. Aber das Deprimierende sei, daß sie nach Stellungen suchen, die es gar nicht mehr gebe.«
»Ihr Vater hat recht. Diese Erfahrung habe ich auch machen müssen.«
»Es ... es tut mir sehr leid für Sie«, erwiderte eine mitleidsvolle Stimme. »Was würden Sie denn gerne machen?«
»Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht. Ich weiß im Grunde nur eins, daß ich möglichst bald etwas Geld verdienen muß.«
»Ich glaube, das dürfte schwierig sein.«
»Das habe ich auch schon festgestellt.« Eine Pause entstand. Dann sagte er: »Aber vergessen wir das Thema. Sprechen wir von Ihnen. Ich glaube, Ihre Zukunft läßt sich ein wenig leichter voraussagen.«
»Und wie?«
»Sie werden sehr bald einen netten, jungen Mann kennenlernen, der Sie heiraten wird.«
Sie seufzte.
»So denken alle von mir, aber ich weiß nicht. Ich habe Angst.«
»Angst?«
»Ich möchte nur heiraten, wenn ich einen Mann wirklich liebe.«
»Und woran, glauben Sie, werden Sie erkennen, daß Sie lieben?«
»Ich habe darüber nachgedacht, und ich bin davon überzeugt, daß Liebe etwas ist, das von allem verschieden ist, was ich je zuvor in meinem Leben gefühlt habe. Es wird nicht nur in dem Wunsch bestehen, mit jemandem zu tanzen oder bei ihm zu sein. Er wird viel mehr sein als das!«
»Und in welcher Weise mehr?«
»Ich kann es nicht erklären, aber ich glaube, es wird etwas Ungewöhnliches und Erhabenes sein — wie der Morgennebel über dem See oder der erste Stern am Himmel, der noch rot ist vom Glanz der untergehenden Sonne.«
Ein leichtes Zittern war in der Stimme des Mädchens, die zu einem Flüstern herabgesunken war.
Als der Mann keine Antwort gab, fuhr sie fort: »Als ich vorhin zu diesem Tempel ging, um mich darin zu verbergen, sah ich die Sterne über mir, und mir war, als schlage eine Nachtigall in den Zweigen.«
»Und Sie glauben, das gehöre zur Liebe dazu?«
»Ich glaube, wenn ich liebe, wird mir zumute sein wie vorhin, als ich dem Lied der Nachtigall lauschte. Allerdings noch vollkommener, noch wunderbarer — denn die wahre Liebe kommt von Gott!«
»Sie glauben an Gott?«
»Ja, natürlich. Sie etwa nicht?«
»Soll ich sagen, ich würde gern an ihn glauben? Soll ich sagen, daß es mir im Morast der Schützengräben und in den Stahlgewittern des feindlichen Artilleriefeuers schwer fiel, daran zu glauben, daß es ihn gibt? Zumindest konnte man sich manchmal des Gedankens nicht erwehren, es ginge ihn einen Dreck an, was mit uns geschah.«
»Aber es sah nur so aus. Ich bin sicher, daß er uns liebt. Schließlich haben wir den Krieg gewonnen.«
»Um einen fürchterlichen Preis.«
Er spürte, daß sie zusammenzuckte, und er wußte, daß sie ihre Hände ineinander verkrampft hatte.
Nach einem langen Schweigen sagte sie: »Aber Sie leben noch.«
»Ja, ich lebe noch.«
»Und irgendwie haben Sie und die anderen, die mit Ihnen zusammen überlebten, die Pflicht, etwas aus dem — Frieden zu machen.«
»Ich glaube, die Politiker haben das schon für uns besorgt — und das Ergebnis ist verheerend, würde ich sagen.«
»Das dürfen Sie nicht zulassen. Sie müssen diesen Leuten klarmachen, daß das nicht sein darf nach all der Qual und all den Leiden. Die vielen Gefangenen dürfen nicht umsonst gestorben sein.«
»Wer hat mit Ihnen über all diese Dinge gesprochen?«
»Niemand — aber ich lese täglich die Zeitung.«
»Das überrascht mich. Ich dachte, junge Frauen denken nur an ihre Garderobe — ja, und natürlich an die Liebe.«
»Meine Garderobe ist nicht sehr umfangreich, und die Liebe kenne ich nur aus Büchern.«
Sie schwieg, dann fragte sie zaghaft: »Jetzt lachen Sie mich sicher aus, nicht wahr?«
»Nein, nein, durchaus nicht. Sie haben völlig recht. Genau diese Liebe sollten Sie suchen, und ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie sie auch finden. Hoffentlich wird der Mann, den Sie einmal lieben werden, Sie nicht schmählich enttäuschen.«
»Vielleicht werde ich ihn — enttäuschen.«
»Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.«
»Warum?«
»Weil die meisten jungen Damen — wenigstens die, denen ich begegnet bin — nicht so idealistisch sind wie Sie.«
»Ich danke Ihnen, daß Sie nicht ‚romantisch‘ gesagt haben.«
»Wie meinen Sie das?«
»Romantisch ist ein gräßliches Wort, sentimental und rührselig. Und die Liebe, die ich suche, ist etwas ganz, ganz anderes.«
»Ja, davon bin ich überzeugt!«
»Wie können Sie das?«
»Es ist einfach mein Eindruck. Denken Sie an meine Worte: Sie werden einmal genau den Mann finden, den Sie sich wünschen, und sehr glücklich