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Sie dachte an das andere Kind: Mami 1992 – Familienroman
Sie dachte an das andere Kind: Mami 1992 – Familienroman
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eBook96 Seiten1 Stunde

Sie dachte an das andere Kind: Mami 1992 – Familienroman

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Über dieses E-Book

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami.

Die Feierlichkeiten zum fünfzigsten Geburtstag des deutschen Unternehmers Gerhard Klarenbach in der mexikanischen Provinzhauptstadt Esperanza begannen mit einem Platzkonzert am frühen Freitagnachmittag und endeten mit einem funkensprühenden Feuerwerk am späten Sonntagabend. Die gesamte Organisation lag in den Händen seiner Frau Christiane, und das war gut so. Denn außer ihr hätte niemand die verschiedenen Gratulantengruppen zu lenken gewußt, ohne kleine Reibereien oder gar größere Zusammenstöße zu riskieren. »Können wir helfen?« fragte Neffe Thomas, der mit seiner Frau Sybille aus Deutschland angereist war und sich gern nützlich machen wollte. Christiane überließ es den beiden, sich um die Gäste mit kleinen Kindern zu kümmern, eine besonders undankbare Aufgabe, da man im Hause Klarenbach nicht auf Kinder eingestellt war. Im Gegenteil. Insgeheim empfand Christiane die hemmungslos herumschwirrenden Kleinen wie auch ihre hilflos hinterher hetzenden Kindermädchen als eine Plage, die nur noch übertroffen wurde von der Unfähigkeit und der Überheblichkeit der dazu gehörigen Mütter, egal welchen Alters. Indessen: Gerhard Klarenbach war in allen Kreisen der Gesellschaft gleichermaßen beliebt, und er legte Wert darauf, daß zur Feier seines fünfzigsten Geburtstags nicht nur seine Geschäftsfreunde kamen, sondern auch deren Familien, die einheimischen Arbeiter ebenso wie die Vertreter der Provinzregierung, die Indios in ihren farbenprächtigen Trachten ebenso wie die kirchlichen Würdenträger in ihren schwarzen Soutanen. Sie alle waren willkommen in den weitläufigen Räumlichkeiten des gediegenen, sorgsam restaurierten Stadthauses aus alter Kolonialzeit. Sein Wahrzeichen, ein steinerner Erzengel über dem Portal, hatte dereinst der Straße ihren Namen gegeben: Avenida St. Gabriel. Als am späten Sonntagabend die letzten Feuerwerksgarben am Himmel verglüht und die letzten Gäste gegangen waren, versammelten sich die Klarenbachs auf der Küchenterrasse, die in ein lauschiges, ummauertes Gärtchen überging. »Von diesem Fest wird man in Esperanza noch lange sprechen«, sagte Gerhard und entkorkte eine Flasche Moselwein, »darauf möchte ich wetten.« Er wirkte zufrieden, entspannt und keineswegs erschöpft: ein breitschultriger Mann mit mächtigem Brustkasten und rostbraunem Löwenhaupt, das keinen einzigen grauen Faden aufwies. Es war verblüffend, fand Christiane, und irgendwie auch ungerecht, wenn man bedachte, daß sie, obwohl vier Jahre jünger, ihr Haar schon seit einiger Zeit künstlich aufhellen mußte. »Dein Fünfzigster wird allerdings so leicht nicht zu übertreffen sein«, meinte sie trocken und stellte vier Gläser auf den runden Tisch, »ich darf noch gar nicht dran denken, was wir uns einfallen lassen müssen, wenn du sechzig wirst.« Gerhard lächelte breit.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum8. Sept. 2020
ISBN9783740970994
Sie dachte an das andere Kind: Mami 1992 – Familienroman

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    Buchvorschau

    Sie dachte an das andere Kind - Myra Myrenburg

    Mami

    – 1992 –

    Sie dachte an das andere Kind

    Sybille wäre so gern Julios Mutter geworden

    Myra Myrenburg

    Die Feierlichkeiten zum fünfzigsten Geburtstag des deutschen Unternehmers Gerhard Klarenbach in der mexikanischen Provinzhauptstadt Esperanza begannen mit einem Platzkonzert am frühen Freitagnachmittag und endeten mit einem funkensprühenden Feuerwerk am späten Sonntagabend. Die gesamte Organisation lag in den Händen seiner Frau Christiane, und das war gut so. Denn außer ihr hätte niemand die verschiedenen Gratulantengruppen zu lenken gewußt, ohne kleine Reibereien oder gar größere Zusammenstöße zu riskieren.

    »Können wir helfen?« fragte Neffe Thomas, der mit seiner Frau Sybille aus Deutschland angereist war und sich gern nützlich machen wollte.

    Christiane überließ es den beiden, sich um die Gäste mit kleinen Kindern zu kümmern, eine besonders undankbare Aufgabe, da man im Hause Klarenbach nicht auf Kinder eingestellt war.

    Im Gegenteil. Insgeheim empfand Christiane die hemmungslos herumschwirrenden Kleinen wie auch ihre hilflos hinterher hetzenden Kindermädchen als eine Plage, die nur noch übertroffen wurde von der Unfähigkeit und der Überheblichkeit der dazu gehörigen Mütter, egal welchen Alters.

    Indessen: Gerhard Klarenbach war in allen Kreisen der Gesellschaft gleichermaßen beliebt, und er legte Wert darauf, daß zur Feier seines fünfzigsten Geburtstags nicht nur seine Geschäftsfreunde kamen, sondern auch deren Familien, die einheimischen Arbeiter ebenso wie die Vertreter der Provinzregierung, die Indios in ihren farbenprächtigen Trachten ebenso wie die kirchlichen Würdenträger in ihren schwarzen Soutanen.

    Sie alle waren willkommen in den weitläufigen Räumlichkeiten des gediegenen, sorgsam restaurierten Stadthauses aus alter Kolonialzeit. Sein Wahrzeichen, ein steinerner Erzengel über dem Portal, hatte dereinst der Straße ihren Namen gegeben: Avenida St. Gabriel.

    Als am späten Sonntagabend die letzten Feuerwerksgarben am Himmel verglüht und die letzten Gäste gegangen waren, versammelten sich die Klarenbachs auf der Küchenterrasse, die in ein lauschiges, ummauertes Gärtchen überging.

    »Von diesem Fest wird man in Esperanza noch lange sprechen«, sagte Gerhard und entkorkte eine Flasche Moselwein, »darauf möchte ich wetten.«

    Er wirkte zufrieden, entspannt und keineswegs erschöpft: ein breitschultriger Mann mit mächtigem Brustkasten und rostbraunem Löwenhaupt, das keinen einzigen grauen Faden aufwies. Es war verblüffend, fand Christiane, und irgendwie auch ungerecht, wenn man bedachte, daß sie, obwohl vier Jahre jünger, ihr Haar schon seit einiger Zeit künstlich aufhellen mußte.

    »Dein Fünfzigster wird allerdings so leicht nicht zu übertreffen sein«, meinte sie trocken und stellte vier Gläser auf den runden Tisch, »ich darf noch gar nicht dran denken, was wir uns einfallen lassen müssen, wenn du sechzig wirst.«

    Gerhard lächelte breit.

    »Keine Sorge, Christel. Wir haben zehn Jahre Zeit, uns darüber den Kopf zu zerbrechen.«

    Er drehte die Flasche in den Händen, studierte das Etikett mit bloßem Auge und wandte sich an seinen Neffen Thomas und die junge Frau Sybille.

    »Na ihr beiden, dann wollen wir mal sehen, was ihr mir von der Obermosel mitgebracht habt. Aah, etwas ganz Spezielles! Loosheimer Sonnenberg! Spätlese! Köstlich!«

    Er goß sich einen Probierschluck ein und schlürfte ihn mit Kennermiene.

    »Wenn es etwas gibt, das ich vermisse und immer vermissen werde«, begann er feierlich, und dreistimmig erklang die wohlbekannte Ergänzung: »Dann ist es der deutsche Wein!«

    Alle lachten, und Gerhard füllte die Gläser.

    »Trinken wir auf die alte Heimat!«

    »Auf die Mosel!«

    »Auf den Sonnenberg!«

    »Wenn wir nicht ausgewandert wären, hätten wir uns ein Weingut gekauft, nicht wahr, Christel?«

    »Ja, aber in der Pfalz!«

    »Wirklich? Habt ihr jemals an so was gedacht?« fragte Thomas verwundert.

    »Nicht ernsthaft«, murmelte Christiane, »dein Onkel war ein unruhiger Geist. Stimmt doch, Gerhard, oder?«

    »Hundertprozentig. Mir war es überall zu eng, an der Mosel, an der Nahe, sogar am Rhein. Alle diese Täler hatten für mich etwas Beklemmendes. Heute kommt mir das nicht mehr so vor, aber ich habe es trotzdem nie bereut, damals fortgegangen zu sein. Ich war gelernter Goldschmied, und ich verstand etwas von Edelsteinschleiferei. Christiane hatte eine kaufmännische Ausbildung und konnte Fremdsprachen. Wir waren jung verheiratet, wir waren uns einig, wir hatten sehr viel Mut –«

    »Und sehr wenig Kapital, Gerhard!«

    »Allerdings.«

    Er lehnte sich in seinem Korbstuhl zurück und ließ den Wein im Glas kreisen.

    »Was du dann noch brauchst«, sagte er versonnen, »ist eine glückliche Fügung, die dich genau zur rechten Zeit an den richtigen Ort bringt. So jedenfalls war das bei uns.«

    Er nahm einen Schluck und ließ ihn genießerisch auf der Zunge zergehen.

    Christiane steckte sich mechanisch eine Haarsträhne fest, die sich aus ihrer kunstvollen Frisur gelöst hatte.

    Ach ja. So war das.

    Aber so war es nicht von Anfang an gewesen. Beim ersten Anlauf hatten sie den falschen Ort gewählt, ein trostloses Nest mitten in Honduras, heiß wie die Hölle, und keine medizinische Versorgung weit und breit. Dort war ihre einzige Schwangerschaft zunichte geworden, abrupt und schmerzhaft, durch Krankheit, Mangel und ein mörderisches Klima. Danach hatten sie ihr Glück in Belize versucht, wo Gerhard an die falschen Leute geriet und fast alles verlor, was sie besaßen. Mit dem letzten Rest ihres kleinen Vermögens waren sie nach Esperanza gelangt, vor nunmehr zwanzig Jahren, und hier endlich ging es aufwärts mit ihnen. Das lag unter anderem daran, daß Christiane nunmehr gesund genug war, um alle geschäftlichen Verhandlungen zu führen. Denn Gerhards Spanischkenntnisse waren nach wie vor so miserabel, daß es immer wieder zu fatalen Mißverständnissen kam. Auch gehörte er zu denen, die schlechte Erfahrungen schnell vergaßen und sich nur an das Positive erinnerten. Er war von Natur aus großzügig, man mußte aufpassen, daß er des Guten nicht zuviel tat. Daß er sich nicht ausnützen, um den Finger wickeln und allzu willig anhimmeln ließ.

    Mit Gerhard und dem Wachstum der Firma Klarenbach, so dachte Christiane oft, war sie über die Jahre hinweg so beschäftigt gewesen, daß sie gar keine Zeit für die Aufzucht von Kindern gehabt hätte.

    Ein Thema übrigens, das sie nicht mehr interessierte. Dem sie beim besten Willen nichts mehr abgewinnen konnte. Es hatte sich vor langer Zeit erledigt, und wenn sie früher Bedauern darüber empfunden hatte, so war sie jetzt oft der Ansicht, daß ihnen dadurch zwar manches entgangen, aber auch vieles erspart worden war. Alle einheimischen Kinder wurden maßlos verwöhnt, das schien in diesen Ländern Tradition zu sein, und die Sprößlinge der europäischen Bekannten waren auch nicht so umwerfend, daß man ihre Eltern um sie beneidet hätte.

    Nein, Christiane war über all dies hinweg, und Gerhard

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