Es geschah aus Nächstenliebe: Sophienlust Bestseller 16 – Familienroman
Von Anne Alexander
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Über dieses E-Book
Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
Martina Reichel war in der Küche mit der Zubereitung des Mittagessens beschäftigt. Gerade als sie die letzte Kartoffel geschält hatte, sah sie durch das Fenster den Postboten mit seinem beladenen Fahrrad die Straße entlangkommen. Sie nahm die Kartoffeln, wusch sie, tat sie in den Kochtopf und gab Wasser hinzu. Dann stellte sie den Topf auf den Elektroherd und schaltete die entsprechende Platte ein. Schnell trocknete sie noch ihre Hände ab und eilte nach draußen. Als sie den breiten Weg zu dem an dem Gartentor befestigten Briefkasten entlanglief, war der Briefträger schon beim nächsten Haus angelangt. Die heutige Post bestand aus einigen Werbesendungen und ein paar Briefen. Noch unterwegs zur Haustür sah sie die Absender durch. Sie waren durchwegs von Freunden, nur bei einem einzigen war ihr die Absenderin unbekannt. In der Küche angelangt, hörte sie ein leises Zischen, die Kartoffeln kochten über. Sie warf die Post auf den Tisch, eilte zum Herd und stellte den Regler auf eine niedrigere Stufe. Dabei fiel ihr ein, daß sie beim Aufsetzen vergessen hatte, Salz in den Topf zu tun. Eilig holte sie das nach, dann lief sie zum Tisch zurück. Stirnrunzelnd betrachtete sie den Brief. Annegret Markus, Heilbronn. Nein, sie kannte keine Frau dieses Namens. Doch plötzlich zuckte sie zusammen. Wohnte nicht in Heilbronn ihre Schwester? Eine Tante hatte ihr einmal geschrieben, daß Ingrid geheiratet hätte und zu ihrem Mann nach Heilbronn gezogen wäre. Martina lachte bitter auf.
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Es geschah aus Nächstenliebe - Anne Alexander
Sophienlust Bestseller
– 16 –
Es geschah aus Nächstenliebe
Kersten will aber keine Geschwister …
Anne Alexander
Martina Reichel war in der Küche mit der Zubereitung des Mittagessens beschäftigt. Gerade als sie die letzte Kartoffel geschält hatte, sah sie durch das Fenster den Postboten mit seinem beladenen Fahrrad die Straße entlangkommen. Sie nahm die Kartoffeln, wusch sie, tat sie in den Kochtopf und gab Wasser hinzu. Dann stellte sie den Topf auf den Elektroherd und schaltete die entsprechende Platte ein. Schnell trocknete sie noch ihre Hände ab und eilte nach draußen.
Als sie den breiten Weg zu dem an dem Gartentor befestigten Briefkasten entlanglief, war der Briefträger schon beim nächsten Haus angelangt.
Die heutige Post bestand aus einigen Werbesendungen und ein paar Briefen. Noch unterwegs zur Haustür sah sie die Absender durch. Sie waren durchwegs von Freunden, nur bei einem einzigen war ihr die Absenderin unbekannt.
In der Küche angelangt, hörte sie ein leises Zischen, die Kartoffeln kochten über. Sie warf die Post auf den Tisch, eilte zum Herd und stellte den Regler auf eine niedrigere Stufe. Dabei fiel ihr ein, daß sie beim Aufsetzen vergessen hatte, Salz in den Topf zu tun. Eilig holte sie das nach, dann lief sie zum Tisch zurück.
Stirnrunzelnd betrachtete sie den Brief. Annegret Markus, Heilbronn. Nein, sie kannte keine Frau dieses Namens. Doch plötzlich zuckte sie zusammen. Wohnte nicht in Heilbronn ihre Schwester? Eine Tante hatte ihr einmal geschrieben, daß Ingrid geheiratet hätte und zu ihrem Mann nach Heilbronn gezogen wäre.
Martina lachte bitter auf. Vielleicht war Ingrid wieder einmal durch ihren Leichtsinn in Not geraten, und diese Annegret Markus sollte die Vermittlerin spielen. Wütend riß sie den Umschlag auf. Doch schon beim Lesen der ersten Zeilen weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen. Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich. Nachdem sie sich etwas gefaßt hatte, las sie das Schreiben noch einmal leise durch.
Sehr geehrte Frau Reichel! Sie werden erstaunt sein, den Brief einer Ihnen Unbekannten zu erhalten, aber ich halte es für meine Pflicht, Ihnen den Tod Ihrer Schwester mitzuteilen, auch wenn Sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr hatten, wie mir Frau Sannwald einmal sagte, als ich sie nach Verwandten fragte.
Ich lernte Ingrid kennen, als sie vor vier Jahren mit ihrem Mann in die Nachbarwohnung einzog. Bald darauf bekam sie ihre Zwillinge. Ich weiß nicht, ob Sie darüber informiert sind, aber um die Kinder geht es mir. Ich kenne die Zwillinge sehr gut, da die Eltern, die sehr lebenslustig und mehr außer Haus, als im Haus waren, mich oft gebeten hatten, bei ihrer Abwesenheit den Babysitter zu spielen.
Diesmal wollten sie für längere Zeit nach England, aber die Reise konnte ich nicht machen, denn schließlich bin ich schon vierundsechzig und die Zwillinge sind sehr lebhafte Kinder. Ich gab den Eltern den Rat, die Kinder in das Kinderheim Sophienlust, das liegt bei Wildmoos/Württemberg, zu bringen, was sie auch taten. Dort befinden sich die Kinder noch immer.
Um es kurz zu machen. Die Eltern sind aus England nicht mehr zurückgekehrt. Sie sollen dort irgendwo – ich kann mir nun einmal keine ausländischen Namen merken – vom Weg abgekommen und eine Steilküste hinunter ins Meer gestürzt sein. Als die Todesnachricht hier eintraf, fielen alle aus den Wolken, zumal sich bald darauf herausstellte, daß die auf so großem Fuß lebenden Sannwalds verschuldet waren. Alles kam unter den Hammer, für die Kinder blieb nichts.
Die Verwalterin des Kinderheims Sophienlust kam auch, um die persönlichen Sachen der Kinder abzuholen, und ihr erzählte ich von Ihnen und sagte, daß ich Ihnen schreiben würde. Über das Augsburger Einwohnermeldeamt erhielt ich Ihre Anschrift. Ich bitte Sie nun, mir mitzuteilen, was aus den Kindern werden soll. Es sind so allerliebste Kinder. Wenn auch das Sophienluster Heim überall als vorbildlich bekannt ist, so brauchen Kinder doch eine Familie. Wenn Sie auch mit Ihrer Schwester verfeindet waren – nachdem ich sozusagen Seite an Seite mit ihr wohnte, vermute ich, daß sie die Hauptschuld daran trug –, so frage ich Sie, was können die armen Kinder dafür?
Ich bitte um baldmöglichste Antwort. Mit den besten Grüßen
Annegret Markus.
Martina merkte nicht, wie ihr der Brief aus den Händen fiel. Nachdenklich schaute sie zum Fenster hinaus. Sie hatte von der Existenz der Kinder nichts gewußt. Seit dem Tod ihres Vaters war ihre Schwester für sie nicht mehr vorhanden gewesen.
Sie sah Ingrid vor sich, wie sie damals zur Beerdigung des Vaters erschien, in Schwarz von oben bis unten, tränenüberströmt.
Doch schon am nächsten Tag hatte sie auf ihn geschimpft und ihn geizig genannt, weil er sich zuletzt geweigert hatte, ihre Geldforderungen zu erfüllen.
Nach der Bestattung des Vaters, der Bezahlung der Kosten und der Begleichung verschiedener Verbindlichkeiten aus den letzten Monaten des schwerkranken Mannes wurde den beiden Töchtern vom Notar der Rest der Erbschaft ausgezahlt. Es waren für jede zirka zehntausend Mark.
Martina hatte ihren Anteil in ihre Kommode eingeschlossen, weil sie ihn auf das mit ihrem Mann gemeinsame Konto einzahlen wollte. Doch am nächsten Tag, als sie von Bekannten zurückkehrte, war die Kommode aufgebrochen und das Geld zusammen mit der Schwester verschwunden gewesen, genauso wie damals beim Tode der Mutter deren gesamter Schmuck.
Ihr Mann hatte gemeint, sie solle Ingrid anzeigen, aber das widerstrebte ihr, denn schließlich war sie ihre Schwester und selbst auf das Geld nicht angewiesen. Aber sie hatte alle Brücken zu ihr abgebrochen.
Als wenn Ingrid darauf angewiesen gewesen wäre, zu stehlen, dachte Martina Reichel bitter. Die um zwei Jahre jüngere Schwester war viel hübscher als sie und hatte eine aufreizende Figur. Sie hatte als gefragtes Mannequin sehr viel verdient. Aber das Geld war ihr immer wie Wasser durch die Hände geronnen.
Die Küchentür wurde aufgerissen. Schnelle Kinderschritte näherten sich der Frau am Küchentisch, die nichts zu sehen und zu hören schien. Erst die helle Kinderstimme schreckte sie aus ihren Gedanken auf: »Mutti, was ist, du weinst ja?«
Durch die Worte ihres Sohnes merkte Martina, daß ihr tatsächlich Tränen über die Wangen liefen. Hastig wischte sie sie mit ihrem Handrücken ab, dann nahm sie noch ihr Taschentuch zu Hilfe.
Erst jetzt bemerkte sie, daß die blauen Augen ihres blondhaarigen Sohnes sie maßlos erstaunt anblickten. Er hatte seine Mutter bisher noch nie weinen sehen.
Martina atmete tief durch, dann sagte sie: »Ich habe eben eine traurige Nachricht erhalten. Meine Schwester ist mit ihrem Mann tödlich verunglückt.«
»Ist es dieser Brief?« fragte der elfjährige Kersten und hob das Schreiben vom Boden auf. »Darf ich ihn lesen?«
Die Mutter nickte und beobachtete Kersten, der sich an den Tisch gesetzt hatte und den Brief las. Doch kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, es zeigte keine Anteilnahme.
»Was sagst du dazu?« fragte sie. Vom Herd kam ein brandiger Geruch. »Die Kartoffeln!« schrie die Frau, sprang auf und eilte zur Kochstelle.
»Was soll ich sagen?« fragte Kersten mürrisch. »Ich kenne sie doch eigentlich gar nicht.«
»Die Kartoffeln sind angebrannt«, jammerte Martina und hantierte mit den Töpfen herum.
»Macht nichts«, erwiderte der Junge, »dann essen wir sie eben als Bratkartoffeln.«
Martina mußte lachen. »Die obere Lage ist noch brauchbar«, meinte sie. Sie schlug noch schnell ein paar Spiegeleier in die Pfanne, dann trug sie die gefüllten Teller zum Tisch. Mittags, wenn ihr Sohn aus der Schule kam, gab es immer nur ein Schnellgericht, da erst abends richtig gekocht wurde, weil ihr Mann erst dann aus seiner Spielzeugfabrik kam. »Wir essen gleich in der Küche«, schlug sie vor.
»Ist auch viel gemütlicher«, meinte Kersten.
»Vater ist da anderer Meinung.«
»Vati ist gegen manches«, sagte der Junge grinsend. »Er wollte auch nicht, daß ich Fahrrad fahre.«
»Weil er Angst um dich hat«, sagte die Mutter in strengem Ton.
»Och, andere sind viel jünger und durften schon früher als ich fahren. Ich kann prima mit dem Rad umgehen, mir kann nichts passieren.«
»Das haben deine Tante Ingrid und ihr Mann wahrscheinlich auch geglaubt, und jetzt?«
»Ich fahr’ doch schließlich nicht Auto«, meinte Kersten mit vollem Munde. Er schluckte den Bissen herunter, dann fuhr er fort: »Aber ’ne tolle Kiste möchte ich gern mal fahren.«
»Eine Kiste?« fragte Martina verständnislos.
»Na ’n Motorrad«, erwiderte ihr Sprößling. »Axel fährt ein ganz tolles Ding.«
»Der ist ja auch schon achtzehn und so wie er fährt, bricht er sich eines Tages das Genick«, meinte die Mutter.
»Tante Ingrid ist mit dem Auto gefahren und hat sich auch das Genick gebrochen«, erwiderte Kersten ungerührt.
»Das kann ein unglücklicher Zufall gewesen sein«, erwiderte Martina.
»Eben. Bei Axel doch dann auch oder?«
Gegen soviel Logik kam Martina nicht an. Um abzulenken, fragte sie: »Tut dir denn deine Tante nicht leid?«
Kersten schob den leergegessenen Teller beiseite und erwiderte protestierend: »Warum? Sie war nur einmal hier, da war ich noch klein. Ich erinnere mich nur, daß ich ihr überall im Wege war. Ich konnte sie deshalb nicht leiden.«
Martina Reichel mußte unwillkürlich lächeln. »Du hast ein gutes Gedächtnis«, lobte sie. »Du