Blutige Leoparden
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Über dieses E-Book
Martinas Chef beordert sie zu einer Konferenz nach Dar es Salaam. Spontan beantragt sie zwei Wochen Urlaub und begibt sich auf die Suche nach ihrem Erzeuger, nicht ahnend, dass sich dadurch ihr gesamtes Leben verändern wird.
Sonne, Palmen und Strand, so hatte Martina sich ihren Aufenthalt dort vorgestellt. Stattdessen landet sie mitten in der Wildnis von Tansania, wo ihr komplettes Weltbild auf den Kopf gestellt wird. Am liebsten würde sie sofort zurückfliegen. Doch dann trifft sie auf den Tierarzt Brian. Der unnahbare Mann kann mit Martina nichts anfangen, aber trotzdem er übt eine große Faszination auf sie aus. Um ihn eifersüchtig zu machen, lässt sie sich mit jedem Mann ein. Interessiert ihn nicht, was sie auf Rache sinnen läßt. Sie erzählt ihrem Stiefbruder und Schwager, wo sie Leoparden und Nashörner umsiedeln. Sie bekommt ihre Rache und dazu viel Geld. Bei der Aktion sterben viele Ranger und alle nimmt man schnell fest, steckt sie ins Gefängnis. Auch Martina. Erst ein Ranger einer Wildlife Division und kleine Leopardenkinder verursachen einen Wandel bei ihr.
Angelika Friedemann
Die Autorin: Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein. Albert Einstein Ich versuche, die Aufmerksamkeit der Leser zu fesseln, sie zu unterhalten und zu erfreuen, möglicherweise zu erregen oder tief zu bewegen.
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Buchvorschau
Blutige Leoparden - Angelika Friedemann
1
Martina Fischer stürmte in das Haus ihrer Eltern. „Mama, Papa, wo seid ihr?", rief sie laut, bevor sie die Haustür schloss.
„Was ist passiert?", kam ihre Mutter in den Flur gelaufen, während ihr Vater langsamer, noch kauend folgte.
„Ach, stellt euch vor, ich fliege nächste Woche nach Dar es Salaam zur Konferenz, jubelte sie, gab den Eltern einen Kuss auf die Wange. „Ich habe es heute erfahren, dass es am Montagmorgen losgeht. Ach, es ist toll. Die tansanische Hauptstadt soll ja sogar etwas westlich sein.
„Deswegen wird unser Essen kalt?, brummte ihr Vater, ging zurück in das Esszimmer. „Ich denke, du fliegst nach Dar es Salaam?
Sie blickte ihren Vater nicht verstehend an.
„Es heißt Republic of Tanzania und die Hauptstadt ist Dodoma, nicht Dar es Salaam. Was für eine Konferenz?"
„Brummbär, lachte Martina, folgte den Eltern. „Klimaschutzkonferenz.
„Möchtest du mitessen?", erkundigte sich Helene.
„Nein, ich fahre gleich wieder, da Ralf um acht Uhr kommt. Er hatte heute mal wieder länger Dienst", seufzte sie. Für sie ein ständiges Ärgernis, da er als Arzt permanent länger im Krankenhaus beschäftigt war. Von dem Streit, den sie am Wochenende hatten, sagte sie nichts. Sie würde ihn, so wie immer, schon wieder rum bekommen.
„Kochst du nicht?"
„Och Mama, er kann ja tagsüber dort etwas essen. Abends zu kochen, dazu habe ich nun wirklich keine Lust. Stellt euch vor, ich fliege auf Kosten der Redaktion nach Dar es Salaam", lenkte sie rasch ab. Kochen? Welche emanzipierte, berufstätige Frau kochte, erledigte all den anderen Kram? Ihre Eltern lebten in der Beziehung noch im Mittelalter und Diskussionen mit ihnen ging sie generell geschickt aus dem Weg.
„Was ist daran so Besonderes?"
„Papa, Tansania live und in Farbe zu sehen, die Serengeti, Maasai Mara, die Victoriafälle und all die Tiere, sprudelte sie euphorisch heraus. „Gigantisch!
„Kennst du von Südafrika. Elefanten sehen überall gleich aus. Er tupfte den Mund ab, bevor er zu dem Weinglas griff, trank. „Die Maasai Mara liegt übrigens in Kenia, nicht, dass du die dort suchst
, stellte er das Glas zurück. „Zu den Victoriafällen hingegen musst du nach Zimbabwe reisen. Ich denke, du wohnst einer Konferenz bei?"
Sie überhörte seine Nörgelei. „Es ist für mich ein Sprung nach vorn, da man mich auserwählt hat, über diese Konferenz zu berichten."
„Wie kann man so eine Berichterstattung jemanden übergeben, der keinerlei Interesse am Klima- oder Umweltschutz hat, der nicht einmal weiß, wie die Hauptstadt von Tansania heißt, wo die Victoriafälle oder die Maasai Mara liegen?", fragte Reinhard seine Tochter.
„Ich soll darüber berichten, nicht mich engagieren. Es zeigt, wie gut ich bin."
„Einbildung ist auch eine Bildung. Das niederschreiben, was andere Leute äußern, kann jedes 12-jährige Kind."
„Papa, du bist gemein", empörte sie sich, regte die Stupsnase ein wenig höher.
„Ich sage die Wahrheit, hole dich auf den Boden der Tatsachen zurück. Du träumst dir einmal mehr etwas zurecht. Bist du zurück, kommst du heulend angerannt, weil du noch die gleiche unbedeutende Journalistin wie vorher bist. Irgendwann müsstest selbst du einsehen, begreifen, dass du für die große Karriere ungeeignet bist."
Sie stand auf. „Du verdirbst mir heute nicht meine gute Laune."
„Möchte ich auch nicht, sondern nur, dass du nicht kontinuierlich in jeden Menschen, jede Situation, etwas hineininterpretierst, wie es dir in den Kram passt. Die Wahrheit verdrängst du ständig, magst sie nie hören. Trotzdem viel Spaß in Tansania."
„Ich komme am Wochenende kurz vorbei." Dass sie Geld benötigte, sagte sie heute besser nicht.
„Deine Mutter und ich fliegen am Freitagnachmittag für eine Woche zu deinem Bruder nach New York, bevor mein neues Projekt beginnt."
„Ihr habt es gut. Ich habe erst im Sommer wieder Urlaub."
„Deswegen ja Afrika. Soviel ich weiß, fand die Klimaschutzkonferenz im November in Warschau statt."
„Na ja, so etwas Ähnliches eben. Och Papa, du bist immer so penibel. Ich muss. Viel Spaß in New York und grüßt Lutz."
„Seine Frau nicht?"
„Meinetwegen", erwiderte sie mit herabgezogenen Mundwinkeln. Sie konnte diese blöde Kuh nicht leiden. Rasch gab sie ihnen ein Küsschen und fuhr nach Hause. Sie wollte sich für Ralf hübsch machen und ihren Aufstieg mit fiel Schampus und Sex feiern.
Sie fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben, sah, kaum dass sie diesen verlassen hatte, einen Karton, mehrere Plastiktüten, ihre zwei Reisetaschen vor der Tür stehen. „Verdammt, was soll das?", meckerte sie lautstark, steckte den Schlüssel ins Schloss, nur der passte nicht. Erst nach einigen Versuchen begriff sie, Ralf hatte das Schloss zu seiner Wohnung ausgetauscht. Das konnte der doch nicht machen?
Sie klingelte Sturm. In ihr wütete es.
Ralf öffnete. „Spinnst du, tobte sie sofort los, wollte ihn beiseite schubsen. „Was …
„Verschwinde und belästige mich nicht. Ich habe dir drei Wochen Zeit gegeben, deinen Mist zu packen, aber wie immer, warst du zu faul dazu. Habe ich bis Montag nicht mein Geld, zeige ich dich wegen Diebstahl und Datenmissbrauch an. Tschüss!", knallte er die Tür zu.
Sie klingelte, hämmerte gegen die Tür, wütete im Flur herum, bis eine Nachbarin die Tür öffnete. „Frau Fischer, geht es nicht etwas leiser? Wir haben Gäste und möchten uns in Ruhe unterhalten. Räumen Sie lieber Ihre Sachen aus dem Treppenhaus", schloss diese die Tür.
„Blöde Kuh!, tobte sie. „Ralf, mach auf und wir reden
, versuchte sie nochmals ihr Glück. Vergebens!
Und jetzt? Sie stellte die Kisten und Taschen in den Aufzug, danach schaffte sie alles zu ihrem Wagen, fluchte dabei. Wenigstens einladen hätte er ihr helfen können.
Sie fuhr zu ihrem Bruder. Der musste sie bis zum Wochenende aufnehmen.
Malte Fischer öffnete. „Was willst du? Ich habe kein Geld und keine Zeit", kanzelte er sie ab.
„Malte, ich muss für einige Tage bei dir wohnen. Ralf hat mich rausgeworfen, weil der spinnt."
„Fahr zu den Eltern oder sonst wo hin. Bei mir geht es nicht."
„Komm, stell dich nicht so an. Ich wohne bis zum Wochenende hier und basta, wollte sie sich an ihm vorbei drängeln. „Du kannst meine Sachen hochholen.
„Verschwinde, du eingebildete Kuh! Meine Freundin und ich wollen unsere Ruhe und nicht dein blödes Gelaber hören. Ich bekomme noch 2 000 Euro von dir. Hast du die dabei?"
„Mensch, du kriegst das Geld schon. Komm, lass mich rein. Bei dir riecht es gut."
„Karin ist auch nicht zu faul zum Kochen, so wie du. Tschüss!", flog auch hier die Tür zu.
„Mist! Mist! Mist!", stampfte sie mit dem Fuß auf. Nun kullerten die Tränen. Sie eilte die Treppe hinunter. Jetzt musste sie doch zu den Eltern. Das Gemecker hörte sie jetzt schon.
Sie irrte, da es nur wenige klare Ansagen von den Eltern gab, da sie einen ruhigen Abend genießen wollten. Als sie nach Essen fragte, äußerte ihre Mutter nur, darum müsse sie sich allein kümmern. Bei ihnen gebe es nichts. Nicht einmal Schampus bekam sie, zur Feier des Tages. Nichts und die Sachen musste sie auch allein nach oben, in ihr altes Jugendzimmer, schleppen.
2
Am Flughafen schimpfte sie vor sich hin, als sie die Rechnung für ihr Mehrgepäck vorgelegt bekam. Nur wegen einiger Klamotten forderte man gleich eine horrende Summe. Egal, was sie vortrug, die Frau blieb dabei: Entweder Geld oder zwei ihrer Koffer mussten hierbleiben. Dazu hatte sie noch 1.500 Euro dazu zahlen müssen, weil ihr Arbeitgeber nur einen Flug in der Economy Klasse bezahlte. Ihr Konto war wieder einmal bis zur Dispo-Grenze überzogen und vor ihr lagen zwei Wochen Urlaub, die sie kurzfristig beantragt hatte. Ihre Eltern mussten, sobald sie zurückkamen, sofort Geld darauf überweisen, sonst bekam sie unterwegs Ärger. Es wurde wirklich Zeit, dass man sie beförderte, damit sie mehr Geld verdiente. Sie durfte gar nicht daran denken, dass sie demnächst Miete für eine eigene Wohnung zahlen musste. Nur bei den Eltern auf Dauer wohnen, hatte ihr Vater gleich kategorisch abgelehnt. Maximal vier Wochen, danach sei Schluss. Sie seien kein Hotel Mama. Sie müsse endlich lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und nicht nur das Geld für Klamotten zum Fenster hinauszuwerfen. Wie immer die übliche Leier. Er begriff nicht, dass sie stets adrett, perfekt gestylt erscheinen musste. Ihre Mutter hatte ihr sogar gesagt, sie wasche nicht ihre Wäsche, da sie auch so genug Arbeit hätte. Dabei hatte ihre Praxis mittags geschlossen und nachmittags nur an drei Tagen in der Woche auf. Sie hingegen hatte einen 9-stündigen Arbeitstag, der mehr als stressig war.
Erst als sie in Amsterdam in dem Flieger nach Dar es Salaam saß, holte sie das Tagebuch ihrer Mutter hervor. Sie hoffte, ihre Mutter würde den Diebstahl nicht bemerkten, auch nicht, dass sie einige Schmuckstücke ausgeliehen hatte, neben dem Geld aus der Praxis, welches da immer für Notfälle lagerte.
Sie schnallte sich ab, bestellte ein Glas Sekt und begann zu lesen. Die ersten Seiten eher langweilig, da sie nur von der Uni und dem beginnenden Studium handelten.
Martina hasste alles, was mit Medizin zu tun hatte. Es stank, man hatte nur mit Kranken, Alten zu tun, die jammerten und wehklagten. Fürchterlich. Für sie unbegreiflich, wie jemand Arzt werden konnte. Selbst ihre beiden Brüder eiferten da der Mutter nach. Lutz war Chirurg, der wegen dieser Kuh in New York geblieben war. Malte studierte noch, wollte Hautarzt wie ihre Mutter werden, daneben die Doktorwürde, wie sie und der ältere Bruder erwerben. Das alles dauerte Jahre, in denen sie kaum Geld verdienten. Sie schüttelte unbewusst den Kopf. Unverständlich für sie. Wenigstens ihr jüngster Bruder, Philip entschied sich für Architektur. Er würde nächstes Jahr in das Büro ihres Vaters einsteigen, es später übernehmen.
Schließlich las sie das, was sie real interessierte: Ihr leiblicher Vater tauchte im Leben ihrer Mutter auf. Georg. Er war damals 29 Jahre alt, Student, Biologie. Sie rechnete - 62 heute. Nach Liebe auf den ersten Blick hörte sich das allerdings nicht an, stellte sie enttäuscht fest. In ihrer Vorstellung war es immer so passiert: Ihre Mutter hatte den Vater gesehen und der Blitz schlug bei beiden sofort ein. Aus dieser großen Liebe war sie entstanden.
Nun las sie, wie dusselig und dekadent ihre Mutter den Mann fand. Sie schrieb: Ich möchte mal wissen, auf was sich dieser eingebildete Döskopp etwas einbildet? Er sieht weder gut aus, noch hat er sonst etwas an sich, was irgendwie interessant wirkte. Selbst im Studium hängt er sechs Semester hinterher. Bräsiger Fischkopp!!!!!
Wirklich mit fünf Ausrufezeichen.
Sie blickte aus dem Fenster, sah ihren leiblichen Vater vor sich, so wie sie sich ihn immer vorgestellt hatte: Groß, sonnengebräunt, schlank, muskulös mit Waschbrettbauch. Er hatte ihre blauen Augen, ihre braunen Haare, ihr gutes Aussehen, dazu war er sehr intelligent, redegewandt, besaß Charme, natürlich Sex-Appeal. Eben ein weißer Afrikaner. Die waren alle stinkreich, oftmals stammten sie aus alten Adelsfamilien. Sie hatten Deutschland verlassen, um in Afrika den Menschen etwas beizubringen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Dort waren sie zu noch mehr Reichtum gekommen. Sie bestellte noch ein Glas Sekt.
Seitenlang erwähnte ihre Mutter ihn gar nicht, schrieb über das Studium, ihre zig Freundinnen, die Eltern, Großeltern. Langweilig! Alles nur Friede, Freude, Eierkuchen. Erst ein halbes Jahr danach erwähnte sie ihren Vater erneut. Sie hatte ihn auf einer Fete zufällig mit einer Freundin getroffen. Wie kann sich Vera mit so einem drögen, dumpen Dösbaddel einlassen? Mit diesem dusseligen Fischkopp habe ich kein Wort gewechselt
, dafür schilderte sie Reinhard, hob ihn förmlich in den Himmel. Ihr Vater war vorher mit Vera, ausgerechnet diesem Karriereweib, liiert gewesen?
Tage danach schrieb sie: Reinhard hat mich heute gefragt, ob wir nicht mal einen Kaffee zusammen trinken gehen. Er ist der tollste Mann, den ich jemals getroffen habe. Er ist ein Traummann. Charmant, intelligent, rücksichtsvoll, kein Aufschneider, sondern fällt durch seine ruhige Art auf. Er sieht dazu einfach süß aus, obwohl er ein bisschen zu groß für mich ist. Helene - du träumst!!!
Merkwürdig, wieso dann doch Georg? Die Antwort fand sie viele Seiten hinterher und sie war entsetzt. Nein, das konnte nicht sein, dachte sie dabei. Sie benötigte noch ein Glas Sekt.
Ich hätte nie zu dieser Geburtstagsfeier von Vera gehen sollen. Warum nur ließ ich mich von Erika dazu überreden? Hätte ich nicht solche Angst vor der Polizei und den Vernehmungen, würde ich diesen Mistkerl anzeigen. Er hat mir das genommen, was ich für meinen Mann aufheben wollte. Es war so grausam, brutal, ekelhaft, aber mein Flehen, meine Tränen interessierten diesen Perversen nicht. Der lachte nur darüber. Als ich schrie, hielt er mir den Mund zu.
Zwei Tage nachfolgend schrieb sie: Ich darf Reinhard nicht mehr sehen. Ich schäme mich so. Mein ganzes Leben ist verpfuscht, durch diesen Kerl. Ich hasse ihn!!!!!!
Wochen später. Heute erzählte ich alles Mama und Papa. Ich konnte nicht anders. Ihnen war aufgefallen, wie anders ich seit dieser Vergewaltigung bin. Papa nahm mich in den Arm, sagte nichts und das hat mir mehr geholfen, als alles andere. Kein Mitleid - keine Vorwürfe. Nur ihre Liebe war spürbar. Sie verstanden beide, warum ich nicht zur Polizei gegangen bin.
Abermals Wochen darauf: Ich bin schwanger. Nicht nur, dass ein Kerl mich vergewaltigte, nein, nun bekomme ich von dem auch noch ein Kind. Das Kind eines Vergewaltigers, eines widerlichen Verbrechers, der sich einbildet, er darf alles. Ich habe es ihm nachmittags gesagt, ihm zweimal ins Gesicht geschlagen und vor ihm ausgespuckt. Alle schauten mich perplex an. Dieser bornierte, hässliche Affe hat mich vergewaltigt, habe ich geschrien. Ein Kerl, der so beweisen musste, er ist ein Mann. Danach bin ich hinausgelaufen.
Eine Woche später: Ich ahnte nicht, dass Rainer an dem Tag in der Uni war und das hörte. Er und drei weitere Kommilitonen verpassten diesem Verbrecher eine richtige Abreibung, wie mir Vera heulend erzählte. Der Winter verschwand ganz fix nach Tansania, da sie ihn sonst eingesperrt hätten. Ich hoffe, ich sehe ihn niiiee wieder!!!!!!
Noch ein Glas Sekt.
Er ist weg, hat Vera sitzen gelassen. Sie ist ebenfalls von dem Kerl schwanger. Sie lässt jetzt das Studium sausen. Ich nicht!!! Mama versprach mir, sie wird sich um das Lütte kümmern. Es könnte ja nichts dafür. Ich kann mich kein bisschen mit dem Gedanken anfreunden, das Kind dieses Verbrechers ständig zu sehen. Vielleicht habe ich eine Fehlgeburt, hoffe ich permanent. Deswegen renne ich viel, springe über alles, was ich finde. Ich möchte Ärztin werden, einen Mann heiraten, den ich liebe und von ihm zwei Kinder bekommen. Allein der Gedanke, es ständig zu sehen, daran erinnert zu werden, und mir wird schlecht. Vielleicht hat es sogar die Gene seines Vaters: Arrogant, dekadent, ein Angeber, Lügner, ein hässlicher, dumper Vergewaltiger, der Geld benötigt, um wer zu sein. Ich will dieses Kind nicht!!!
Martina stiegen Tränen in die Augen. Sie war also nur das ungeliebte Kind. Sie klappte das Buch zu, legte es in die Handtasche zurück, schloss die Augen und dachte über das Gelesene nach.
Wollte sie diesen Mann wirklich kennenlernen? JA! Ihre Mutter hatte sich das alles nur eingeredet, weil sie so die Affäre vertuschen wollte. So war es, wusste sie plötzlich. Reinhard, spießig, wollte eine unberührte Frau, keine die durch alle Betten gehüpft war. Nur deswegen so ein Mist. Hatte sie vermutlich Angst, sie kriegte keinen Kerl mehr ab. Wer war mit 21 noch Jungfrau?
Sie dachte an ihre Eltern. Waren sie deswegen so streng, teilweise gemein zu ihr, weil sie nie jemand wollte? Kritisierte man deswegen alles an ihr? Wurden deswegen ihre Brüder, nein, sie waren nur ihre Halbbrüder so anders wie sie behandelt? Sie hatte man gewollt, geliebt. Das erklärte aber, warum Philip, Lutz und Malte so völlig anders als sie waren, und zwar in jeglicher Situation. Die Brüder hatten generell in allen Dingen mehr Glück als sie. Lutz war bereit ein angesehener Chirurg, hatte die reiche Kuh geheiratet, die ebenfalls Ärztin war. Sie besaßen eine Penthouse-Wohnung in New York, konnten sich vermutlich alles leisten, was sie sahen und wollten.
Malte war ebenfalls auf dem Weg, Arzt zu werden. Er würde in wenigen Jahren die Praxis ihrer Mutter übernehmen, bekam alles, auf dem Silbertablett serviert. Seine blöde Ziege, mit der er seit 2 Jahren zusammenwohnte, verdiente als Innenarchitektin gewiss reichlich Geld. Die fuhr sogar ein nagelneues Auto.
Philip, der Jüngste, würde bald in das Architektenbüro seines Vaters einsteigen. Auch er war bereits seit über einem Jahr fest liiert. Sie studierte ebenfalls Architektur. Eine dusselige Ziege, die sich einbildete, alles zu können. Wie sie immer angab, wenn sie nach Hamburg kamen.
Sie besaß dagegen nichts, nicht einmal eine eigene Wohnung. Sie musste jeden Cent dreimal umdrehen, damit sie einigermaßen über die Runde kam, fuhr nur eine alte Karre. Ralf, der gemeine Typ, besaß noch die Frechheit, sie kurzerhand aus der Wohnung zu werfen. Der blöde Kerl hatte eine Putze, eine Köchin gesucht, und als sie das nicht erledigte, machte der Trottel Schluss. Dass sie ebenfalls viel arbeitete, wollte der nie wahrhaben. Was war so schlimm, wenn er was in der Kantine aß? Warum also Geld für Kochen zum Fenster rauswerfen? Der meckerte sogar, nur weil sie sich zuweilen an seinem Geld bediente, weil sie pleite war. Der verdiente doch viel mehr als sie und in einer Partnerschaft half man eben dem Partner, teilte alles. Es war sooo ungerecht. Sie war stets die Benachteiligte, aber nun wusste sie, warum. Man wollte sie nie. Nun trank sie einen doppelten Cognac, empört, aber besonders - erschüttert. Nicht einmal der hohe Preis und der Hinweis, es gebe für sie keinen weiteren Alkohol, regte sie auf.
Der Airport von Dar es Salaam kam in Sicht. Sie schaute hinaus, sah die Metropole kurz unter sich. Das sah ja alles moderner aus, als sie es sich vorgestellt hatte. Hier gab es sogar Bäume, wunderte sie sich. Sie erkannte das Mafuta House, den Mkapa Pension Tower und wie sie alle hießen. Die meistens Namen hatte sie schon wieder vergessen. Die Skyline war toll. Na ja, jedenfalls für ein primitives Entwicklungsland.
Beim Verlassen des Flugzeuges empfing sie die warme und feuchte Luft der tansanischen Großstadt. Sie fühlte, wie sich ihre leicht schmerzenden Glieder entspannten. Sie dehnte sich etwas. Der lange Flug hatte doch seine Spuren bei ihr hinterlassen. Bei der ersten Passkontrolle stand sie wartend in einer langen Schlange. Nur ein einziger Beamter saß am Schalter und dieser sah nun wirklich nicht gestresst aus. Kein Wunder, so gemächlich, wie der arbeitete. Er studiert die Einreiseformulare, blätterte in den Reisepässen, als hätte er noch nie so schöne Exemplare gesehen. Dann drückt er sorgfältig einen Stempel hinein, schenkt jedem Touristen ein erstes afrikanisches Lächeln und rollt seine großen runden Augen. Verdammt, warum dauerte das so lange? Hatten die nicht mehr Leute? Ob der Schwarze überhaupt lesen konnte oder warum dauerte das ewig, wütete es in ihr. Die Füße in den hochhackigen neuen Pumps brannten. Der Rock des Kostümes kniff in der Taille und die Bluse unter der Jacke schien durchnässt zu sein. Das lag nur daran, dass sie keine Klimaanlagen wie in Hamburg kannten, wo es generell wesentlich kühler war. Während sie wartete, musterte sie die Menschen. Viele Schwarze: Wenige Männer im Anzug, die meisten mit kurzärmeligem Hemd aber Krawatte. Frauen in bunten Sommerkleidern. Einige Araber, dazu Touristen. Auch sie nur in sommerlicher, leichter Kleidung. Niemand trug einen Wintermantel über den Arm, so wie sie. Erst jetzt fiel ihr in der Halle das große Begrüßungsschild auf: Jambo Jamhuri ya Muungano wa Tanzania. Nicht mal Englisch konnten sie.
Endlich war sie an der Reihe. Der Mann lächelte breit, dass man seine weißen Zähne sah, begrüßte sie mit „Hallo! Martina reichte ihm das Gewünschte, schaute ihn dabei nur herablassend an. „Das dauerte ja hier Stunden
, murmelte sie auf Deutsch. Es dauerte nochmals stundenlang, wie sie sich mehrfach empörte, bis er ihren Pass, die Papiere studiert hatte und sie den Stempel in den Pass bekam, den sie ihm fast förmlich aus der Hand riss und nun nach Orientierung suchend, die Schilder