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Die Magie des Silbermondes
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eBook288 Seiten3 Stunden

Die Magie des Silbermondes

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Über dieses E-Book

Ehrlichkeit und Treue sind der Schlüssel. Wenn zwei Menschen ehrlich über alles reden können, ist das der größte Schlüssel zum Erfolg. Taylor Lautner
Die Ärztin Britta Hansen will nach vielen Rückschlägen auf der Nordsee-Insel Amrum völlig neu anfangen. Sie hat sich das jedoch alles einfacher vorgestellt, auch damit gerechnet, dass mehr Patientinnen kommen. Schnell stellt sie fest, dass der spärliche Verdienst aus ihrer eigenen Praxis weder vorn noch hinten reicht.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. März 2022
ISBN9781005381011
Die Magie des Silbermondes
Autor

Angelika Friedemann

Die Autorin: Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein. Albert Einstein Ich versuche, die Aufmerksamkeit der Leser zu fesseln, sie zu unterhalten und zu erfreuen, möglicherweise zu erregen oder tief zu bewegen.

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    Buchvorschau

    Die Magie des Silbermondes - Angelika Friedemann

    ◦Chapter Wäärnsdai

    Britta Hansen knallte die Haustür mit dem Fuß zu. „Schiet Wetter!", fluchte sie, schlüpfte irgendwie aus den Schuhen und brachte die Einkäufe in die Küche. Nun zurück, Schuhe reinschlüpfen, Tür auf, in den Regen rennen, die restlichen Dinge reinholen. Schuhe aus, alles in die Küche stellen, in den Flur zurück, Auto verschließen, Tür zu, abschließen und durchatmen. Rasch zog sie die nasse völlig durchnässte Jacke aus, ging ins Bad und ließ Badewasser ein. Sie schlang ein Handtuch um die nassen Haare. Es goss wie aus Kübeln. Bei einem Blick in den Spiegel bemerkte sie, dass sogar ihr Shirt feucht war. Zurück in der Küche räumte sie die Lebensmittel und die anderen Kleinigkeiten weg, brühte Kaffee.

    Der Mittwoch war zuweilen stressig, da sie an dem Nachmittag oftmals aufs Festland fuhr, um Einkäufe zu tätigen. Ihre Praxis als Gynäkologin war dann geschlossen, genauso wie am Freitagnachmittag. Sie hatte festgestellt, am Freitag kamen generell nur sehr wenige Patientinnen. Das Telefon störte. An der Nummer erkannte sie Jörgen. Ein Lächeln überzog ihr Gesicht, während sie fragte „wie es ihm geht?" Fragte sie immer zuerst. Die grünen Augen strahlten förmlich. Er antwortete gar nicht auf die Frage, sondern plapperte munter drauflos. Es gab so viel zu erzählen. Wie immer! Sie nahm das Handtuch ab, schüttelte kurz ihre lange Mähne.

    Jörgen hatte zum ersten Juni ihre Wohnung in Hamburg übernommen und wohnte dort inzwischen mit drei weiteren Studenten. Mit dem Telefon eilte sie ins Badezimmer, drehte das Wasser ab. Nun zurück in die Küche, den Kaffee holen. Während der ganzen Zeit hörte sie ihrem Sohn zu, der ihr alles erzählen musste. Wiederholt musste sie schallend lachen. Nach einer halben Stunde legte sie auf, schüttelte den Arm.

    In dem Wasser liegend, an dem dritten heißen Kaffee nippend, dachte sie an ihren 19-jährigen Sohn. Bei ihm schien wirklich alles bestens zu laufen. Ihre Sorgen waren also unbegründet. Und bei ihr? Ja, sie war mehr als zufrieden. Die drei Monate hier, waren mehr als zufriedenstellend verlaufen. Die Praxis war vom ersten Tag an gut frequentiert worden. Selbst Urlauberinnen zählten zu ihren Patientinnen. Für einige Damen war sie so etwas wie eine Zuhörerin, eine Beichtmutter geworden. Sie schütteten ihr ihr Herz aus, da sie endlich eine sehr kompetente Frauenärztin konsultierten. Mit den Männern konnte man doch nicht so gut über gewisse Themen snàken, da die auch zu wenig Ahnung besaßen, ihnen teilweise das Fachwissen fehlte. Einige erzählten ihr, sie seien seit vielen Jahren nicht mehr beim Frauenarzt gewesen, weil man dazu aufs Festland fahren musste und es dort immer Männer waren, mit denen man nicht über Intimes sprechen wollte. Gerade Frauen ab Mitte 40 sparten sich deswegen im Allgemeinen einen Besuch beim Frauenarzt, da sie dazu immer aufs Festland fahren mussten. So hatten viele Damen noch nie eine Krebsvorsorge-Untersuchung machen lassen. Einige Frauen wollten nun ihre Kinder zu Hause bekommen und nicht mehr aufs Festland in eine Klinik fahren. Sie hatte nette Nachbarn, die sie so behandelten, als würde sie ewig hier wohnen. Nur bei einem Thema gab es Diskrepanzen. Alle waren der Meinung, sie brauchte einen Mann. Mit 44 Jahren gehörte sich das einfach so. Dabei war sie glücklich, endlich allein wohnen zu können. Sie musste nicht mehr kochen, nicht mehr jemanden die Sachen nachräumen, zuhören, wenn sie eigentlich arbeiten wollte. Sie konnte sich so einrichten, wie es ihr gefiel. Sie war das erste Mal in ihrem Leben frei – wirklich und wahrhaftig völlig frei. Sie schmunzelte, trank.

    Nur in Nachthemd und Morgenmantel brutzelte sie ihr Fleisch, schnitt eine Tomate klein, legte ein Stückchen Käse dazu und ein Brötchen. Erst jetzt bemerkte sie, welch großen Hunger sie hatte. Danach aß sie noch ein Stück Torte, welche sie aus Niebüll mitgebracht hatte. Sie war ein absoluter Kuchenfan. Während des Essens schaute sie Nachrichten und das Norddeutsche Magazin. Danach räumte sie auf, ging in ihr Schlafzimmer. Es goss immer noch in Strömen, wie sie sah, als sie die Jalousie schloss. Sie zog die lindgrünen Vorhänge vor, da es hübscher aussah. Volants aus lindgrünem Tüll zierten auch ihr Bett, was Jörgen zum herzhaften Lachen veranlasst hatte. Wie früher die Burgfräulein nannte er es. Ihr gefiel es, da es feminin, kuschelig wirkte. Das kühle Bettlaken und die Bettdecke ließen sie kurz frösteln, bevor sich rasch eine wohlige Wärme ausbreitete. Sie griff nach dem Buch „Die Ahnen von Avalon" und war Sekunden später völlig davon gefangen.

    Das Telefon störte knapp zwei Stunden später. Sie meldete sich, versuchte, den aufgeregten Vater zu beruhigen. Dreimal musste sie nach dem Namen fragen und wo sie wohnten, eher er antwortete. Es belustigte sie jedes Mal, da das bei dem größten Teil der werdenden Väter immer gleich war. Selbst die größten Machos waren dann nervös. Peter sagte nach Jörgens Geburt: Ich bin noch nie so viele Kilometer gelaufen, wie in den Stunden, bis mein Lütter kam.

    Sie zog sich belustigt an, verließ das Haus. Sie stellte fest, dass es wenigstens nicht mehr regnete. Sie kontrollierte, ob alles im Auto lag und fuhr los. Es war nicht weit bis zu dem Bauernhof, wo heute ein neuer Stammhalter von Bauer Nesshold das Licht der Welt erblicken sollte. Wohl eher morgen, dachte sie bei einem Blick auf die Uhr. Es war bereits 22.35 Uhr und so fix kam kein Baby. Warum wurden Babys eigentlich so häufig nachts geboren? Weil die Frauen abends zur Ruhe kamen? Am Tag mussten die werdenden Mütter alles Mögliche erledigen und deswegen setzen die Wehen nicht ein. Erst wenn sie zur Ruhe kamen, ging es los. Ist deine Theorie, sagte sie sich selbst. Ihr hatte mal eine werdende Mutter gesagt, das würde alles der Mond bestimmen. Deswegen lebte sie auch nach dem Mondkalender. Sie hatte das mal probiert und festgestellt, dass das nicht nur stressig war, sondern sie hatte weder an sich, an ihrem Körper oder den Pflanzen Veränderungen bemerkt. Nach einigen Monaten war Schluss.

    Erst kurz nach 3.00 Uhr fuhr sie zurück. Mutter und Kind wohlauf, schliefen. Der Vater war vermutlich mit dem Opa schon beschwipst. Sie bekam so auch noch drei Stunden Schlaf, aber für einen neuen Erdenbürger verzichtete sie gern darauf. Heute Mittag würde sie Mutter und Kind besuchen, untersuchen. Nachher musste sie Doktor Wernicke, den Kinderarzt, informieren. Er würde den Säugling genauer untersuchen, alles eintragen. Die Hebamme, Gudrun Schneider, hatte sich gefreut, dass Babys auf Amrum geboren wurden, und war deswegen aus ihrem frühzeitigen Ruhestand, mit 55 Jahren, wieder aktiv geworden. Für sie eine große Hilfe, aber besonders für die Gebärenden und deren ersten Tage danach., zuweilen half sie auch zuvor. Alle drei waren inzwischen ein gut eingespieltes Team geworden, obwohl sie erst zwei Babys zuvor auf die Welt geholt hatte. Beide waren sogar froh, dass sie hier eine Praxis eröffnet hatte, da sie damit auch ihnen ein wenig Arbeit, trotz eines fortgeschrittenen Alters bescherte.

    ◦Chapter Saninj

    Vom Wittdüner Hafen erreichte man das Festland, die Inseln und Halligen. Fähren und Ausflugsschiffe legten an, genauso wie Fischkutter und Sportboote. Nur um diese Uhrzeit war von dem allgemeinen Trubel nichts zu hören oder zu sehen. Jetzt, im August, herrschten hier in drei – vier Stunden reger Betrieb. Sie schreckte dieses Gewühl ab, aber das gehörte nun mal zur Insel und war die Kehrseite des Tourismus.

    Wie jeden Samstag radelte sie morgens sehr früh zu einem der Kutter, wo sie stets frischen Fask, wie er ihn nannte, bekam. So auch heute, dazu hatten sie sogar Sandgarnelen an Bord. Sie liebte Krabben, wie sie die Tiere fälschlich nannte, wie es Knuts Sohn Arne nannte. Machten allerdings viele Menschen so, wie ihr Knut Knudsen sagte. Sie fragte, während er ihr das ein wenig verpackte, nach seiner Familie. Gleich erzählte Knut von den Enkelkindern, die sein ganzer Stolz waren. Sie zahlte, bedankte sich.

    „Nu beginnen ja die Amrumer Muscheltage, min Deern. Da darfst du aber nich fehlen, nöch", erinnerte sie der Fischer daran. Sie versprach es belustigt und verabschiedete sich. Sie mochte den älteren Herrn. Im Juni durfte sie einmal mitten in der Nacht mit ihm und zwei seiner Söhne hinausfahren. Es war wunderschön gewesen. Morgens um sechs waren sie mit Fisch beladen zurück in den Hafen gekommen, sie dabei leicht beschwipst. Ihr hatte es aber Spaß gemacht, auch dass sie mit anpacken durfte, hatte ihr gefallen, auch wenn sie wie ein Fisch stank. Ein tolles Erlebnis. Die Männer hatten ihr von den rückläufigen Fängen, der Natur auf der Insel und der großen Familie erzählt. Sie kannte inzwischen die vier Schwiegertöchter, zwei Töchter und seine Frau, da sie alle ihre Patienten waren. Die ganze Familie schien wirklich nett zu sein. Was ihr besonders gefiel, sie waren seit 42 Jahren verheiratet und immer noch hörte man die Zuneigung auch für den Partner heraus.

    Nun radelte sie zum Bäcker, wo sie Brötchen, Brot und zwei Stückchen Kuchen kaufte. Fix zurück und ausgiebig frühstücken. Im Anschluss war ein Besuch bei Bauer Nesshold angesagt, da sie noch einmal nach der jungen Mutter sehen wollte. Danach war der intensive Großputz der Praxis an der Reihe.

    Da am vergangenen Wochenende das Sturmtief Yap über die Insel gefegt war, räumte sie im Garten noch einzelne Äste beiseite, harkte die Blätter zusammen. Stürme kommen eigentlich im Frühling oder Herbst. Dann sind die Bäume meist noch kahl, ohne Laub. Durch die Äste kann der Wind pfeifen. Zweige und Äste fliegen durch die Luft, da sie leichter brechen. Dieses Mal war alles anders gewesen, deswegen eben auch die Blätter, die auf dem Boden lagen. Das waren die Vorboten des Herbstes, hieß es allgemein. Jetzt im August war der für sie noch in weiter Ferne.

    Nachmittags radelte sie nach Süddorf zum Amrumer Leuchtturm. Er galt als Wahrzeichen der Insel. Der rot-weiße Turm war ungefähr 42 Meter hoch, daher von überall gut sichtbar. Für sie das Primäre war, das man auf den Turm steigen konnte. Spielend nahm sie die fast 200 Stufen. Sie zählte diese jedes Mal, aber stets war etwas anderen dabei herausgekommen. Alle Zahlen zwischen 183 und 212 waren dabei gewesen. Jörgen hatte nur 190 Stufen gezählt und sie hatten hier oben gestanden und gelacht: Wir sind beide zu dusselig, richtig zu zählen, hatte er lachend festgestellt, sie in den Arm genommen und einen Kuss auf die Wange gegeben. Montagabend rief er an, teilte ihr mit, es sind 197 Stufen, habe ich nachgelesen. Obwohl woanders sind es 192 Stufen. Da können noch welche nicht zählen, hatte er sich amüsiert. Als sie Wochen später erneut hier waren, sagte er: Mama, hätte ich nicht machen sollen, da wir es jetzt wissen, schickte er hinterher. Zählen tat sie jedoch immer, wenn sie hier hinaufging. 197 war erst einmal dabei gewesen.

    Sie genoss die Ruhe, da sie den Turm heute für sich allein hatte. Der Rundumblick über die Insel, das Meer faszinierte sie jedes Mal auf das Neue. Es wehte hier eine steife Brise, die sie frösteln ließ, aber das nahm sie gern in Kauf. Es kam ihr stets so vor, als wenn der Wind ihren Kopf freipusten würde. Aller Stress, die Alltagssorgen, kleinere Nöte verschwanden. Tief atmete sie die frische Luft ein, während der Blick über den Sand glitt, welcher sich am Horizont erstreckte, bevor er in die raue Nordsee verschwand. Sie ließ alles auf sich wirken, bemerkte jetzt, wie die Sonne sich gemächlich senkte, mehr Wind aufkam, sich der Himmel in der Ferne verdunkelte. Nun stieg sie langsam hinunter und radelte nach Hause.

    Zurück genoss sie bei Kerzenlicht ein Stück Friesentorte und einen Pharisäer auf der Terrasse. Der Friede des Abends kehrte ein. Düfte von frisch gemähtem Gras und umgegrabener Erde drangen zu ihr. Sie blickte sich um, war mit dem Anblick mehr als unzufrieden. Im Frühjahr würde sie einen Großteil des Gartens neu gestalten. Sie hatte bisher nicht viel in dem großen Garten getan. Groß war er wirklich. Das Unkraut entfernte sie zwar regelmäßig, so wie sie auch immer Rasen mähte. Mehr jedoch nie. Zum einen wollte sie erst das Haus fertig haben, zum anderen fehlte ihr aber auch das Geld. Sie lebte von dem, was sie als Ärztin verdiente, musste davon auch noch 93.000 Euro Schulden abbezahlen, da sie die Praxis völlig neu einrichten musste, einige neue Möbel benötigte. Da hieß es sparsam leben, keine großen Sprünge machen, ein paar Spargroschen beiseitelegen. Man wusste nie, was geschah, ob sie nicht mal Rücklagen benötigte.

    Allmählich wurde es rasch merklich kühler. Der nahende Herbst machte sich zuweilen bemerkbar. Bereits vor zwei Wochen war das erste Sturmtief des bevorstehenden Herbstes über die Insel gefegt. Einzelne Zweige brachen ab, Blätter segelten durch den Wind davon. Durch die Kombination mit der Belaubung und den ausgetrockneten Stämmen waren besonders viele Äste geknickt. Am Sonntag war das Sturmtief mit seinem Kern weiter gen Ostsee gezogen, hatte kleiner Verwüstungen hinterlassen. Die Amrumer nahmen das alle gelassen hin, aber ihr machte das irgendwie Angst.

    Sie legte eine CD in das Gerät, legte sich auf die Couch, deckte eine Wolldecke über die Beine und griff nach dem Buch, welches auf den Tisch lag.

    ◦Chapter Söndai

    Wie jeden Sonntag schlief sie lange. Nach einem gemütlichen Frühstück packte sie ihre Badesachen ein.

    Sie freute sich dabei schon auf das Meerwasserwellenbad. Wasser war generell ihr Element, hatte sie immer wieder festgestellt: Schwimmen, Schnorcheln, Tauchen. Der Aufenthalt im Wasser, waren für sie das pure Vergnügen. Dabei vergaß sie alles, auch zuweilen die Zeit. So auch heute.

    Fast drei Stunden darauf radelte sie unmittelbar an der Wasserkante entlang. Da führte eine Promenade um den südlichsten Zipfel der Insel. Sie radelte zu einer kleinen Sandbucht, von wo sie eine herrliche Aussicht über das Watt genoss.

    Die Vogelwelt ist bei uns besonders reichhaltig, erzählte ihr Arne Knudsen. Amrum gehört zu den wichtigsten Brutgebieten für Seevögel. So ist es das Hauptbrutgebiet der Eiderente, Austernfischer, Brandgänse, Küstenseeschwalben, Möwen wie Silbermöwe, Sturmmöwe und wie die alle hießen. Den jungen Kiebitzen bekam das kalte und nasse Maiwetter dieses Jahr allerdings nicht. Leider! Dazu kommen zur Zeit des Vogelzugs riesige Schwärme von Knutts und Ringelgänsen her. Die Bauern gerade auf dem Festland waren jedes Jahr weniger erfreut über diese Tausende von Tieren. Sie schaute gern solchen Schwärmen zu.

    Fischer Knut hatte ihr damals erzählt: In seiner Kindheit, als er mit seinem Vadder rausfuhr, konnte er den Kniepsand nur von Weitem betrachten. Viele Jahre zuvor grub das Meer einen Priel zwischen die Sandmassen und trennte den Kniepsand vom Ufer. Über die Jahre hinweg konnten die Gezeiten die Sandbank allerdings peu á peu an die Küstenlandschaft heranspülen, bis der Hochsand schließlich auf das Inselufer traf, alles eins wurde. Heute gehörten die wandernden Sandmassen zu einem der größten Strände Europas, hatte er ihr stolz berichtet. Der Sandstrand war laut Fischer Knut noch immer in Bewegung. Besuchern diente das Ufer für ausgiebige Spaziergänge, so wie sie es auch schon oft tat. Sie nutzte dazu jedoch, wenn möglich die Zeiten am frühen Morgen, da sie nicht so sehr den Trubel liebte, nicht an Menschen auf Decken, in Strandkörben oder im Sand sitzend, vorbeilaufen wollte. Auch wenn sie im Meer schwimmen wollte, zog sie Zeiten oder Gebiete mit weniger Touristen vor. Bisweilen war es hingegen unvermeidbar.

    Nach einem verspäteten Mittagessen guckte sie die Termine für die nächste Woche durch, notierte einiges dazu, bevor sie sich mit einem großen Pott Kaffee auf die Terrasse setzte. Jetzt las sie Zeitungen, so wie jeden Sonntag. Sie hatte einige Frauenzeitschriften abonniert, welche sie allerdings nie las. Die waren nur für die Praxis. Monika nahm die danach immer mit, da sie und ihre Schwiegertochter die gern lasen. Sie las die Amrumer Zeitungen, falls noch nicht geschehen. Insel Bote hieß die hiesige Tageszeitung. Darin stand alles über das lokale Geschehen auf Föhr, Amrum und den Halligen. Amrum Aktuell erschien wöchentlich. Sie blätterte das immer rasch durch, da das nur Veranstaltungen der Insel beinhaltete. Dann gab es noch den kleinen Amrumer, der jährlich erschien. Ein Magazin der sich mehr den kulturhistorischen Themen und Berichten über die Natur der Insel, widmete.

    Erst danach war das Internet und ihrer Plattform an der Reihe. Sie beantwortete Fragen als Frauenärztin. Etwas, was sie nicht besonders gern tat, aber durch die Anzeigen kam sie so zu weiteren kleinen Einnahmen, die sie allerdings als Spargroschen sparte. Meistens beantwortete sie die Fragen mittwochs und sonntags. Heute waren es nur zwei Fragen. Es waren generell in der Woche nur wenige Personen auf der Seite gewesen, wie sie anhand der Besucherzahlen sah. Sie musste schmunzeln, da ein 14-jähriger Teenager sie fragte, wie sie schwanger werden könnte, ohne mit einem Jungen ins Bett zu gehen. Das dürfe sie nämlich nicht.

    Den restlichen Tag verbrachte sie mit faulenzen, Nägel lackieren, telefonieren mit Jörgen, Freunden in Hamburg, lesen, stricken, dabei Fernsehgucken.

    Jörgen hatte mal festgestellt: Du bist ein Gewohnheitstier, bei dir weiß man immer, was du an welchem Tag zu welcher Uhrzeit machst.

    ◦Chapter Saninj

    In Nebel, Honigparadies, dem Zielort des Volkslaufes, stand sie mit Holger und Frauke Jessen. Die Läufer hatten, wenn sie hier ankamen, 28 Kilometer hinter sich, davon verliefen 15 Kilometer durch den Kniepsand. Für sie war das eine nette Abwechslung, da sie eine anstrengende Woche hinter sich hatte, da sie das Gästezimmer gestrichen und endlich mit den alten Möbeln eingerichtet hatte.

    Frauke blickte zu ihr, deutete auf Holger und schüttelte den Kopf. Er guckte sie grinsend an. „Ich bin in der Midlife-Crisis und darf nach anderen Frauen gucken."

    „Aber nicht nach so was", schüttelte Frauke nochmals den Kopf.

    „Seit wann bist du in den Wechseljahren?"

    „Bitte, Wechseljahren sind Frauen. Seit Februar, da ich da 50 wurde. So etwas junges, dickes, abscheulich gekleidetes Etwas hatte ich noch nie. Eine hübsche, knackige, feminine, stilvolle Deern habe ich ja zu Hause."

    „Wie kann man mit so kurzen Röcken herumlaufen, wenn man Beine hat, die dicker als Holgers sind?"

    „Sie sind eben selbstbewusst", musste Britta schmunzeln.

    Der junge Polizist kam angerannt. „Moin! Britta, kannst du bitte kurz kommen? Da vorn ist eine Frau umgeknickt. Es ist gerade niemand anderes da."

    „Sicher, nur ich habe nichts dabei."

    „Gebe ich dir aus unserem Auto. So was haben wir im Koffer, falls es mal zu Notfällen kommt." Sie eilten zum Ziel, wo die Frau an der Seite saß, weinte. Britta stellte sich vor, untersuchte den Knöchel.

    „Nur verstaucht. Ich bandagiere es und Sie lassen sich nach Hause fahren. Nicht laufen!" Ein Mann sagte sofort, ich muss erst den Wagen holen. Britta nickte, nahm von Claas den Koffer entgegen, suchte einen Verband und wickelte den um den Knöchel, sagte ihr, sie solle solange hier sitzen bleiben, nicht allein aufstehen oder laufen, nicht einmal humpeln. Sie schloss den Koffer, suchte mit Blicken den Polizisten. Der rief ihren Namen, winkte ihr zu.

    Ein Mann lag auf einem Handtuch. Er hatte sich völlig verausgabt, war im Ziel zusammengeklappt. Er war puterrot im Gesicht, total verschwitzt und schnaufte. Ein viel zu hoher Puls. Sie bat um Stilles Wasser und reichte ihm die kleine Flasche Mineralwasser, damit er langsam trank. Sonst hatte er nichts. Er solle sich daheim hinlegen, viel trinken. Claas, der junge Polizist wollte ihn nach Hause fahren, wie er sagte.

    Sie spazierte zu ihren

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