Mami 1800 – Familienroman: Um ihres Kindes willen zu jedem Opfer bereit
Von Gloria Rosen
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Heller Sonnenschein flutete über die Zinnen des stolzen Schlosses Sandberg und umschmeichelte die schöne, junge Frau, die auf dem Altan stand und einen kleinen blondlockigen Buben auf dem Arm hielt. Plötzlich begann er zu zappeln und rief aufgeregt in den Schloßhof hinunter: "Papi! Papi!" Ulrich Graf von Sandberg wollte gerade losreiten, als ihn die Stimme seines Sohnes erreichte. Er schaute hinauf und umfaßte mit liebem Blick die Seinen. Dann hob er grüßend die Reitgerte. Ein stolzes Lächeln umspielte seinen Mund. Er konnte dem Herrgott nie genug danken für das unbeschreibliche Glück, das er durch Sarah gefunden hatte. Ihre innige Liebe zueinander vertiefte sich noch durch die Geburt des Stammhalters. Daran würde sich durch nichts und niemanden etwas ändern lassen. Das schwor sich Ulrich auch jetzt wieder, als er den Blick von dem lieblichen Bild auf dem Altan löste und langsam vom Schloßhof ritt.
Traurige Kinderaugen blickten ihm nach.
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Mami 1800 – Familienroman - Gloria Rosen
Mami –1800–
Um ihres Kindes willen zu jedem Opfer bereit
Roman von Rosen Gloria
Heller Sonnenschein flutete über die Zinnen des stolzen Schlosses Sandberg und umschmeichelte die schöne, junge Frau, die auf dem Altan stand und einen kleinen blondlockigen Buben auf dem Arm hielt.
Plötzlich begann er zu zappeln und rief aufgeregt in den Schloßhof hinunter: »Papi! Papi!«
Ulrich Graf von Sandberg wollte gerade losreiten, als ihn die Stimme seines Sohnes erreichte. Er schaute hinauf und umfaßte mit liebem Blick die Seinen. Dann hob er grüßend die Reitgerte. Ein stolzes Lächeln umspielte seinen Mund. Er konnte dem Herrgott nie genug danken für das unbeschreibliche Glück, das er durch Sarah gefunden hatte.
Ihre innige Liebe zueinander vertiefte sich noch durch die Geburt des Stammhalters. Daran würde sich durch nichts und niemanden etwas ändern lassen. Das schwor sich Ulrich auch jetzt wieder, als er den Blick von dem lieblichen Bild auf dem Altan löste und langsam vom Schloßhof ritt.
Traurige Kinderaugen blickten ihm nach. »Warum nimmt Papi mich nicht mit?«
Robin, der in zwei Tagen drei Jahre alt wurde, kannte kein größeres Vergnügen, als vor dem Vater im Sattel zu sitzen und zu reiten.
Liebevoll tröstete ihn die Mutter. Erst, als sie ihm versprach, mit der Kutsche aus vergangener Zeit auszufahren, strahlten die Augen wieder.
»Fahren wir sofort?« bettelte der Kleine.
»Sobald wir miteinander gefrühstückt haben«, versprach ihm Sarah bereitwillig.
Zunächst erwartete sie jedoch eine mißbilligende Gräfin Leonore im Frühstückszimmer. »Ihr habt euch verspätet. Ulrich und ich haben bereits gefrühstückt.«
»Guten Morgen, Mama«, sagte Sarah freundlich. Sie dachte nicht daran, sich zu rechtfertigen, weil es ohnehin sinnlos war. Ulrichs verwitwete Mutter stand ihr von Anfang an ablehnend gegenüber, weil sie weder aus adeligem noch vermögendem Elternhaus stamm-
te.
Vergeblich hatte sich Sarah um ein freundliches Verhältnis zur Schwiegermutter bemüht und es schließlich aufgegeben, weil es aussichtslos war. Sie lehnte sich lediglich gegen Leonores Bevormundung auf, wobei sie sich stets diplomatisch durchzusetzen verstand, ohne die Schwiegermutter in ihrem Stolz zu verletzen. Dennoch wünschte sie sich nichts sehnli-cher, als eine bessere Beziehung
zu Gräfin Leonore zu bekom-
men.
Robin trat bereits vor sie hin, machte artig seinen Diener und sagte: »Guten Morgen, Oma.«
»Es heißt nicht Oma, sondern Großmama«, wies sie ihn streng zurecht. »Merk dir das endlich einmal.« Sie warf der Schwiegertochter einen ärgerlichen Blick zu. »Mir scheint, du wendest nicht die richtige Erziehungsmethode an. Besser wäre darum, Robin würde endlich eine junge Erzieherin bekommen, die sich in Adelskreisen auskennt und…«
»Entschuldige, Mama, wenn ich dich unhöflich unterbreche. Ich halte es jedoch für schädlich, solche Probleme im Beisein eines sensiblen Kindes zu erörtern. Außerdem hat es auch so keinen Sinn, denn in der Hinsicht sind und bleiben wir geteilter Meinung.«
Gräfin Leonore maß sie mit eisigem Blick und rauschte hoheitsvoll hinaus.
Robin schaute die Mutter ängstlich an. »Ist die Oma böse?«
»Nein, mein Liebling.« Beruhigend strich sie dem Buben über den Kopf. »Sie meint es nicht so.« In Gedanken fügte sie hinzu: Sie kann halt nicht aus ihrer Haut heraus.
Während des Frühstücks sprachen Mutter und Sohn kein Wort. Auch wenn Gräfin Leonore wäh-rend einer Mahlzeit nicht anwesend war, achtete Sarah dennoch streng darauf, daß Robin um jeden Preis den Mund hielt. So beugte sie vor, damit er sich richtig verhielt und sich keinen Verweis der Großmama zuzog.
Als sich Sarah vom Tisch erhob, war der Kleine blitzschnell an ihrer Seite. Seine Augen blickten sie erwartungsvoll an. »Fahren wir jetzt mit der Kutsche?«
»Natürlich, mein Liebling. Ich habe es dir ja versprochen, und mein Wort halte ich auf jeden Fall. Sei bitte ganz leise.« Sarah legte den Finger bedeutungsvoll auf den Mund. Sekundenlang horchte sie angestrengt.
Sarah atmete tief durch, als sie die Kutsche durch die ländliche Gegend um Schloß Sandberg lenkte. Überall waren fleißige Leute am Werk. Gerade jetzt zur Frühjahrszeit gab es unendlich viel zu tun. Und wenn die festangestellten Kräfte auf dem Schloßgut nicht ausreichten, stellte Graf Ulrich vorübergehend Aushilfen ein. Es fanden sich immer Leute in der Umgebung, die sich gern etwas Geld zusätzlich verdienten.
Sarah erhielt fröhliche Zurufe und hielt immer mal wieder an, um mit dem einen oder anderen einige Worte zu wechseln. Sie ging stets auf die Nöte und Sorgen der Arbeitenden ein, tröstete sie oder besprach freundlich mit ihnen, wie man eventuell Abhilfe schaffen konnte. Auf alle Fälle erfreute sie sich größter Beliebtheit und war glücklich darüber.
Zum Glück kümmerte sich Gräfin Leonore nicht um die Gutsarbeiten, sondern schwang lieber im Haus das Zepter. Im Schloß hatte sie alles vorzüglich im Griff. Deswegen ging Sarah auch nicht auf ihre gelegentlichen Bitten ein, sich ebenfalls in diese Pflichten einbeziehen zu lassen. Sie wußte von vornherein, daß das bestimmt zu Querelen führte.
Während sie die Fragen des Kleinen beantwortete, ließ sie ihre Blicke schweifen. Schließlich langte sie beim Forsthaus an und legte eine Rast ein.
»Du darfst dir jetzt die Tiere im Forstgehege anschauen. Erschrick aber keines«, ermahnte sie. »Du weißt ja,…«
»Da haben wir ja lieben Besuch bekommen«, rief die Förstersfrau fröhlich aus. Sie war unbemerkt aus dem Haus getreten. Nun begrüßte sie die beiden Gäste und half ihnen von der Kutsche herunter. »Du kannst dir gleich die lieben Tierchen mit mir anschauen. Magst du?«
Sie hielt Robin die Hand hin, die er gleich vertrauensvoll ergriff. »Mein Mann ist im Haus. Er…«
Doch da trat er selbst heraus. Er begrüßte Robin und die Gräfin, die er freundlich aufforderte, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen.
In kurzen, präzisen Worten erstattete er Bericht über den augenblicklichen Zustand des gräflichen Forstes.
Gräfin Sarah sah ihn verwundert an. »Sie sind ein kluger, umsichtiger Förster. Mein Mann wird sich freuen, wenn ich ihm berichte, daß Sie alles bestens im Griff haben. Für mich ist es stets eine Freude, Ihnen zuzuhören. Sie sind ein echter Naturmensch, der die Pflanzen und Tiere liebt.«
»Kein Wunder, denn mein Vater und Großvater waren auch schon Förster. Die Liebe zur Natur ist mir quasi mit der Muttermilch eingegeben worden. Sie sind ja auch die geborene Gutsfrau.« Er sagte absichtlich nicht Herrin, weil er wußte, daß sie das nicht mochte.
»Wer auf dem Land aufwächst, hat auch von Kindesbeinen an eine ganz andere Beziehung zur Natur, weil er nahezu mit ihr verwachsen ist.« Sie erhob sich. »Ich hoffe, ich kann Robin von Ihren Tieren losreißen, denn er ist ganz begeistert von ihnen. Schon jetzt versuche ich, ihm klarzumachen, wie wertvoll jedes von ihnen ist, und daß man sie fürsorglich behandeln muß.«
»Tja, man kann den Kindern nicht früh genug die Tierliebe einprägen, damit sie später die hilflosen Kreaturen nicht quälen.« Der Förster berichtete, daß er wieder zwei verletzte Tiere im Wald gefunden und in sein Gehege gebracht hatte. Er zeigte sie ihr.
Sarah hörte jedoch kaum hin. Sie ergötzte sich vielmehr am Anblick des Buben, dessen Wangen vor Freude gerötet waren. Seine Augen glänzten, als er auf Geheiß der Förstersfrau dieses oder jenes Tier behutsam streichelte. Dabei hörte er ihr aufmerksam zu, was sie ihm über die vierbeinigen Pfleglinge erzählte.
Robin konnte sich nur schwer vom Anblick der Waldtiere losreißen. Dennoch äußerte er beim Abschied nicht mehr den Wunsch, die Mutter möge eines der Tiere mit ins Schloß nehmen. Obwohl er noch so klein war, begriff er doch die Erläuterungen, warum sie hier im Gehege besser aufgehoben waren