Kaltes Grauen (Patricia Vanhelsing): Patricia Vanhelsing, #8
Von Alfred Bekker
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Über dieses E-Book
Ein Patricia Vanhelsing-Roman
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 107 Taschenbuchseiten.
Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt. Weshalb unser Zweig der Familie seine Schreibweise von "van Helsing" in "Vanhelsing" änderte, kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein, besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muss es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht erklären lassen? Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere Rolle.
In meinem Fall war es Fluch und Gabe zugleich.
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Kaltes Grauen (Patricia Vanhelsing) - Alfred Bekker
Kaltes Grauen (Patricia Vanhelsing)
Alfred Bekker
Published by BEKKERpublishing, 2018.
Inhaltsverzeichnis
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Kaltes Grauen
Copyright
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Kaltes Grauen
Ein Patricia Vanhelsing -Roman
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 107 Taschenbuchseiten.
Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt. Weshalb unser Zweig der Familie seine Schreibweise von „van Helsing in „Vanhelsing
änderte, kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein, besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muss es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht erklären lassen? Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere Rolle.
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Ein CassiopeiaPress Buch
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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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1
Nacht über London. ..
Eine schwarze Katze jaulte angstvoll auf, als das dumpfe Grollen unter der Erde ertönte.
Tief, sehr tief unter der engen Cumberland Street war etwas...
Die Katze verschwand zwischen den überquellenden Mülltonnen. Scheppernd fiel eine von ihnen um.
Sekundenbruchteile später zog sich ein Riss durch den Asphalt der schmalen Seitenstraße, verzweigte sich wie das Delta eines Flusses. Ein ächzender Laut durchschnitt die Nacht und übertönte sogar die Geräusche der nahen Hauptstraße.
Die Straßendecke brach auf. Faustgroße Brocken wurden meterhoch emporgeschleudert. Manche von ihnen knallten auf das Blech parkender Wagen.
Eine totenbleiche Hand streckte sich aus der Öffnung im Asphalt heraus.
Sie war von einer dünnen Schicht aus grauweißem Eis überzogen.
Das Krächzen wurde lauter, mischte sich mit einem hörbaren Atemgeräusch. Etwas versuchte an die Oberfläche zu gelangen. Kalter, weißer Nebel drang jetzt aus dem Loch ins Freie. Tischgroße Stücke wurden aus der Betondecke herausgebrochen. Mit einem Zischen quoll weiterer Nebel aus der Tiefe empor.
Mit geradezu gespenstischer Leichtigkeit schob die Gestalt die zentnerschweren Betonbrocken zur Seite und stieg an die Oberfläche.
Die Gestalt hatte ein graues, verwestes Totengesicht. Sie sah aus wie eine gefrorene Leiche.
Ein Zombie aus schmutzigem Eis und den Überresten eines Toten.
Die Augenhöhlen waren leer.
Seine hartgefrorene Kleidung bestand aus einem fleckigen Totenhemd.
Der Zombie bewegte sich mit steifen Bewegungen vorwärts.
Kalter Atem dampfte aus seinem Mund heraus.
Eine grausige Leichenpuppe, die unendlich lange Zeit in einer Mischung aus Schlamm und Eis gelegen haben musste.
Wie eine an unsichtbaren Fäden gezogene Marionette bewegte sich das Wesen vorwärts in die Straßenmitte.
Ein Wagen bog um die Ecke.
Die Scheinwerfer beleuchteten jedes furchtbare Detail des Zombies. Der Fahrer trat mit aller Gewalt auf die Bremse. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen.
Eine Fontäne aus weißem, eiskaltem Nebel schoss aus dem Mund der unheimlichen Kreatur heraus und traf auf die Windschutzscheibe. Innerhalb eines einzigen Augenaufschlags war diese von einer dicken Eisschicht bedeckt. Der Wagen setzte zurück. Der Fahrer musste von grenzenlosem Entsetzen erfasst worden sein. Er fuhr gegen ein parkendes Fahrzeug.
Bevor er wieder nach vorne setzen konnte, hatte der Zombie die Fahrertür erreicht.
Sein augenloses Gesicht drehte sich etwas.
Der Mund öffnete sich halb.
Die bleiche, knochenmagere Totenhand schnellte vor und prallte gegen die Scheibe der Beifahrertür. Das Glas splitterte. Blitzschnell schloss sich die kalte Hand des Eis-Zombies um den Hals des Fahrers. Ein schauerlicher Todesschrei gellte durch die Cumberland Street. Ein Schrei voller namenlosem Entsetzen.
Im gleichen Moment schoss erneut eine Fontäne aus eiskaltem Atem aus dem Mund der Kreatur. Der Schrei erstarb.
Kraft..., durchzuckte es die Kreatur. Mehr Kraft...
Energie... Leben...
Mehr Leben...
Nach all der Zeit des Todes und des Vergessens!
2
Tante Lizzys Augen leuchteten freudig erregt, als wir die Bibliothek ihrer verwinkelten Villa betraten. Die Wände waren von überquellenden Bücherregalen bedeckt, in denen sich dickleibige, ledergebundene Folianten aneinanderreihten.
In der ganzen Villa sah es so aus - abgesehen von der Etage, die ich bewohnte.
Tante Lizzy verfügte über einer der umfangreichsten Sammlungen von Schriften, die sich mit dem Übersinnlichen befassten. Dieses Archiv sprengte längst den räumlichen Rahmen, den das altehrwürdige, noch aus viktorianischer Zeit stammende Gebäude setzte. Doch das hinderte meine Großtante Elizabeth Vanhelsing - für mich Tante Lizzy - keineswegs daran, ihrer Sammel- und Forscherleidenschaft im Bereich des Okkulten freien Lauf zu lassen.
Zwei Männer standen rechts und links eines eigenartigen Schreibtisches, der in einer Ecke der Bibliothek untergebracht war. An allen vier Ecken befanden sich geschnitzte Köpfe von Fabelwesen, die halb Tier, halb Mensch waren.
Diese geisterhaften Gesichter mit ihren weit aufgerissenen, zahnbewehrten Mäulern gaben dem vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammenden Möbelstück eine seltsame Aura.
Angeblich hatte dieser Tisch einst dem Geisterseher Guy de Traliere gehört, war danach aber durch Dutzende von Händen gegangen. Tante Lizzys Nachforschungen zu Folge musste es in dieser Antiquität noch ein bislang unentdecktes Geheimfach geben, über dessen Inhalt sich nur spekulieren ließ.
Mindestens ein Dutzend Fachleute hatte Tante Lizzy bisher ins Rennen geschickt, um sich mit den Geheimfachkonstrukteuren des 18. Jahrhunderts zu messen.
Bislang vergeblich.
Die beiden Männer sahen Tante Lizzy mit triumphierenden Gesichtern an.
Sie hießen beide Conroy und waren die Besitzer des Antiquitätengeschäftes Conroy & Son Ltd. aus der Londoner Riddleton Street. Vater und Sohn waren ausgewiesene Experten ihres Fachs und wie es schien, war ihnen tatsächlich das nahezu Unmögliche gelungen...
Mrs. Vanhelsing, sehen Sie bitte her!
, sagte Mr. Conroy senior mit beinahe feierlichem Tonfall. Beide Conroys teilten offenbar die Liebe zu alten Dingen mit meiner Großtante. Die Art und Weise, in der die beiden Männer das kostbare Möbelstück behandelten, sprach Bände darüber.
Sie haben das Geheimfach gefunden?
, fragte Tante Lizzy mit bebender Stimme.
...und den Mechanismus enträtselt
, erklärte Conroy senior nicht ohne Stolz in der Stimme.
Sie sah mich kurz an. Oh, Patricia! Wie lange habe ich darauf gewartet!
Mr. Conroy junior zog eine der Schubladen heraus.
Sie war leer.
Sehen Sie gut zu, Mrs. Vanhelsing!
, sagte Conroy mit bedeutungsschwerer Stimme.
Er steckte einem der tierhaften Holzgesichtern den Zeigefinger tief in den Rachen. Gleichzeitig zog er die Schublade erneut heraus.
Tante Lizzy und ich sahen mit atemloser Spannung zu, wie sich ein doppelter Boden zurückzog. Darunter wurde der Blick auf ein kleines Fach sichtbar. Es bildete eine Vertiefung unter dem hinteren Drittel der Schublade, das sich nicht aus dem Schreibtisch herausziehen ließ.
Ein kleines, leinengebundenes Büchlein befand sich darin.
Es wirkte sehr alt und war gewiss seit langer Zeit nicht nicht mehr aus dem Fach herausgenommen worden.
Eine Staubschicht hatte sich auf dem Einband abgesetzt.
Tante Lizzy nahm es mit zitternder Hand heraus.
Das ist es also, was dieses Fach enthielt...
Es muss dem Vorbesitzer sehr viel Wert gewesen sein, dass er es hier versteckt hat
, meinte ich.
Conroy schob die Schublade wieder hinein, um sie im nächsten Moment erneut herauszuziehen. Aber nun war von der Vertiefung im hinteren Drittel nichts mehr zu sehen. Die Schublade ließ sich nun auch wesentlich weiter herausziehen, ehe sie gegen einen Widerstand stieß.
Eine geniale Konstruktion
, meinte der junge Conroy.
Sein Vater nickte. Könnte aus der Werkstatt von Adriano Inchingoli kommen, einem Meister aus Florenz, der zu den berühmtesten Geheimfachkonstrukteuren des frühen 18. Jahrhunderts zählte.
Tante Lizzy blätterte indessen in dem Buch.
Worum handelt es sich?
, fragte ich.
Es ist ein Notizbuch
, erwiderte sie. Verfasst in einer Handschrift, die mir nur allzu bekannt ist... Nein, das ist nicht möglich!
Tante Lizzy war völlig fasziniert.
Sie hielt mir das Buch hin.
Ich zuckte nur verständnislos die Achseln.
Ich werde das natürlich genauer überprüfen lassen, aber wenn mich nicht alles täuscht, dann ist dies die Handschrift von keinem Geringeren als Hermann von Schlichten!
, sagte Tante Lizzy sichtlich ergriffen.
3
Später, als die Conroys gegangen waren, verwandelte sich die provisorisch wirkende Ordnung der Bibliothek im Handumdrehen in etwas, das jeder Außenstehende als Chaos angesehen hätte.
Jeder, außer Tante Lizzy.
Dutzende von Büchern zog sie aus den Regalen heraus. Und ich half ihr dabei, einen großen Karton aus dem Keller heraufzuschleppen, der nichts anderes als Briefe enthielt.
Briefe, die der deutsche Okkultist Hermann von Schlichten um die Jahrhundertwende mit verschiedenen Gönnern und Gleichgesinnten auf den britischen Inseln gewechselt hatte.
So unter anderem mit einem Hutmacher aus Bristol, der die obskuren Forschungen von Schlichtens großzügig unterstützt hatte.
Tante Lizzy hatte einige dieser Briefwechsel antiquarisch erworben und inzwischen zu einem großen Teil auch geordnet.
Hermann von Schlichten war gleichermaßen einer der genialsten und geheimnisumwittersten Personen, die sich mit der Erforschung des Übersinnlichen befasst hatten.
Sein großes Kompendium des Übersinnlichen, ein Buch mit dem Titel ABSONDERLICHE KULTE, verfasste von Schlichten in mittelalterlichem Latein. Damit hatte er die schwarzen Rituale und Beschwörungen, die es in großer Zahl enthielt, vor dem Zugriff Unbefugter bewahren wollen.
Den in den Händen gewissenloser Menschen waren diese Rituale eine furchtbare Waffe, mit der äonenaltes Grauen heraufbeschworen werden konnte. Dämonen, Untote, magische Wesen und Verbindungen in andere Dimensionen und ihren nichtmenschlichen Bewohnern, denen das Schicksal der Menschen so gleichgültig war, wie uns der Tod eines erschlagenen Insekts.
Tante Lizzy besaß neben einem Original-Exemplar der ABSONDERLICHEN KULTE auch mehrere Übersetzungen, die sich jedoch teilweise erheblich unterschieden.
Der Streit um die richtige Interpretation mancher Stellen in diesem Kompendium des Unvorstellbaren, würde unter Okkultismus-Forschern sicher noch Jahrzehnte andauern.
Hermann von Schlichten schien von dem Gedanken an eine Verschlüsselung seines Werkes geradezu besessen gewesen zu sein und so gab es Spekulationen darüber, dass manche Stellen in den ABSONDERLICHEN KULTEN zusätzlich chiffriert worden waren.
Außerdem gab es immer wieder Gerüchte darüber, dass es vielleicht noch einen zweiten, verschollenen Band der ABSONDERLICHEN KULTE gegeben hatte.
Zumindest