Sag mir die Wahrheit, Debbie
Von Lorna Michaels
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Spielt das Schicksal mit ihren Gefühlen? Ausgerechnet der Arzt Kent Berger soll Debbies schwer krankem Sohn Nick helfen: der Mann, dem sie nie wieder begegnen wollte. Doch zwischen Erschrecken, Freude und Begehren entscheidet bald ihr Herz, und in Kents Armen findet sie liebevolle Zärtlichkeit und Trost in der Sorge um Nick. Obwohl sie mit dem Geliebten die Nacht ihres Lebens verbringt, wagt Debbie nicht, ihm ihr sorgfältig gehütetes Geheimnis anzuvertrauen. Ein folgenschwerer Fehler, wie Debbie erkennen muss ...
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Sag mir die Wahrheit, Debbie - Lorna Michaels
Lorna Michaels
Sag mir die Wahrheit, Debbie
IMPRESSUM
BIANCA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2006 by Thelma Zirkelbach
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1619 (8/2) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Michaela Rabe
Fotos: Corbis
Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86349-375-2
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
1. KAPITEL
„He, Mom, Rick Howard hat schon wieder einen Home Run gelandet. Ich wette, er bricht heute seinen eigenen Rekord."
Debbie Brenner betrat das Wohnzimmer, wo ihr zehnjähriger Sohn Nick auf dem Sofa lag und gespannt das Baseballspiel der New York Yankees verfolgte.
„Und ich wette, Nicholas Brenner wird sämtliche Rekorde in der Little League brechen."
Er grinste breit. „Das glaube ich auch."
Seine Miene verfinsterte sich, als sie sich mit dem Fieberthermometer über ihn beugte. „Mund auf, mein Junge."
Als sein Baseballheld zu neuer Höchstleistung auflief, nuschelte er: „Wenn wir in New York wohnen würden, könnten wir Rick Howard spielen sehen."
„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist – du siehst ihn gerade spielen, hier in unserem Wohnzimmer, dank moderner Technik. Nick murmelte etwas Unverständliches. „Mund zu, sonst müssen wir noch mal von vorn anfangen.
Er verdrehte die Augen und sah zum Fernseher. Das Thermometer piepte, und Debbie las den Wert ab. „Normal. Das ist jetzt schon der zweite Tag."
„Cool. Meinst du, Dr. Sanders lässt mich wieder trainieren? Es ist eine Ewigkeit her, dass ich gespielt habe."
„Genau einen Monat, korrigierte sie. „Ich bin sicher, dass er sein Okay gibt, sobald die Ergebnisse der Tests da sind.
In der letzten Aprilwoche hatte Nick sich eine Grippe eingefangen und war die Krankheit nicht so schnell losgeworden wie sonst. Der Hausarzt konnte sich das anhaltende Fieber und die Mattigkeit seines kleinen Patienten nicht erklären und hatte schließlich eine umfangreiche Blutuntersuchung angeordnet.
„Wann denn?, jammerte er. „Ich hab keine Lust, hier rumzuliegen.
„Heute, spätestens morgen. Als sie sah, wie sich seine Mundwinkel noch weiter nach unten bogen, fügte sie rasch hinzu: „Möchtest du ein Eis? Ich habe dir extra Baseball Nut gekauft.
Nick warf eins der Kissen zu Boden. „Nein."
„Komm, Nick, deine Lieblingssorte. Und du hast kaum zu Mittag gegessen."
„Ich hab keinen Hunger."
„Wollen wir eine Partie Schach spielen, bevor ich zur Arbeit muss?"
„Du hast doch heute frei."
„Lauris Kinder sind nachher beim Schwimmturnier, und ich habe versprochen, sie um vier abzulösen." Seit Nick krank geworden war, hatte ihre Geschäftspartnerin Lauri Gold oft für sie einspringen müssen und den gemeinsamen Blumenladen Buds and Blossoms meistens allein geführt. Nun war Debbie froh, ihr mal einen Gefallen tun zu können. Für die zwei Stunden, die sie weg sein würde, wollte sie Nick zu ihren Eltern bringen. „Also, was ist?"
„Du bist nicht so gut, maulte Nick. „Die letzten vier Male habe ich dich haushoch geschlagen.
Geduld, ermahnte sie sich. „He, niemand schlägt Debbie Brenner fünf Mal hintereinander!"
Sie beschloss, seine Grimasse für ein Lächeln zu halten, und holte das Schachspiel. Als sie die Figuren aufstellten, klingelte das Telefon.
„Bin gleich wieder da." Sie ging in die Küche und nahm den Hörer ab.
„Praxis Dr. Sanders, Kelly am Apparat, meldete sich eine helle Frauenstimme. „Mrs. Brenner, der Doktor bittet Sie vorbeizukommen, um mit Ihnen die Ergebnisse von Nicks Blutuntersuchungen zu besprechen.
Vorbeikommen? Wegen eines Routinetests? Bei Debbie läuteten die Alarmglocken Sturm. „Ich muss gleich zur Arbeit. Geht es nicht telefonisch?"
„Ich, also … ich weiß nicht. Er hat gesagt, ich solle Sie herbitten. Wenn Sie in einer halben Stunde hier sind, kann er Sie dazwischenschieben."
„Gut, ich komme." Ihre Hand bebte, als sie den Hörer auflegte. Es musste etwas Ernstes sein, wenn Dr. Sanders sie persönlich sehen wollte.
Oder auch nicht, versuchte sie sich zu beruhigen. Vielleicht litt Nick unter Vitaminmangel, oder er hatte nicht genug Eisen. Dr. Sanders legte eben großen Wert auf persönlichen Kontakt zu seinen Patienten. Vor allem um die Kinder kümmerte er sich immer sehr aufmerksam. Als Nick nach Deans Tod vor drei Jahren ständig Albträume gehabt hatte, hatte der Arzt sich häufig die Zeit genommen, mit dem Jungen über seine Ängste und seinen Kummer nach dem Verlust des Vaters zu reden.
Kein Grund zur Sorge, sagte sie sich, ehe sie ins Wohnzimmer zurückkehrte. Trotzdem blieb ein mulmiges Gefühl in der Magengrube.
Nick spielte mit den Schachfiguren, setzte sie in verschiedene Positionen zueinander. Debbie wollte ihn mit ihrer Unruhe nicht anstecken und setzte ein strahlendes Lächeln auf. „Ich muss leider jetzt schon weg. Nimm das Spiel mit, du kannst mit Grandpa spielen. Der freut sich bestimmt."
„Ich will nicht zu Grandma und Grandpa. Warum darf ich denn nicht zu Hause bleiben?"
„Ich könnte Angela anrufen und fragen, ob sie herkommt."
Nick sah sie trotzig an. „Ich brauche keinen Babysitter! Ich kann allein auf mich aufpassen."
„Nicht drei Stunden lang."
„Dad hätte mich gelassen."
Das tat weh. Debbie schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter und zählte bis zehn. Seit Nick krank war, hatte er ständig seine Grenzen ausgetestet und ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. „Treib es nicht zu weit, junger Mann. Dad ist nicht mehr da, und du brauchst dir nicht auszudenken, was er gesagt haben könnte. Nimm das Schachspiel, und dann komm."
Widerstrebend schlurfte Nick hinter ihr her zur Tür. Sie setzte ihn bei ihren Eltern ab und fuhr weiter zur Praxis.
Das Wartezimmer war gut gefüllt, aber die Sprechstundenhilfe brachte Debbie ohne längere Wartezeit zu Dr. Sanders.
Debbie hätte den Weg auch allein gefunden. Sie kannte den Arzt seit ihrer Kindheit. Als sie sein Zimmer betrat, stand der Arzt auf und schüttelte ihr die Hand. Sonst begann er ihre Unterhaltung stets mit einem flotten Spruch, aber heute blieb er ernst. Der Druck in ihrem Magen wuchs.
„Das Labor hat uns Nicks Blutwerte geschickt", sagte er, nachdem er sich wieder gesetzt hatte.
Debbie schluckte. „Stimmt etwas nicht?"
Nun beugte er sich vor. „In Nicks Blut wurde eine stark erhöhte Konzentration weißer Blutkörperchen gefunden", sagte er behutsam.
„Heißt das … er hat eine Infektion? Oder …?"
„Debbie, ich möchte es Ihnen schonend beibringen, aber ich weiß nicht, wie. Nicholas hat Leukämie."
„Leukämie, brachte sie gepresst hervor. Flüsternd fuhr sie fort: „Nick wird … Muss er … muss er sterben?
Dr. Sanders schüttelte den Kopf. „Nein, heutzutage bedeutet Leukämie nicht mehr zwangsläufig ein Todesurteil. Die meisten Kinder überleben. Doch er muss behandelt werden."
Sie klammerte sich an den Gedanken, dass eine Therapie möglich war. „Wann können wir damit anfangen?"
„Ich muss ihn an ein Krebszentrum überweisen. Das Gaines Memorial Hospital in Houston liegt am nächsten, und glücklicherweise zählt es zu den drei besten im ganzen Land. Ich habe bereits angerufen, um die Aufnahmeformalitäten zu klären."
Houston. Weit weg von ihrer Familie, ihren Freunden. Doch das war nebensächlich, wenn sie Nick dort helfen konnten. „Haben sie schon einen Termin für uns?"
„Ja, man erwartet Sie beide in drei Tagen."
So schnell schon. „Ist Nick … Ihr versagte die Stimme, und sie konnte nur noch flüstern: „Wie schlimm ist sein Zustand?
„Er befindet sich nicht in akuter Lebensgefahr, aber wir sollten lieber heute als morgen mit der Behandlung beginnen."
Seine ruhige Stimme half ihr, nicht in Panik zu geraten. „Zu welchem Arzt gehen wir?"
„Das Krankenhaus hat mir einige seiner Spezialisten genannt. Wenn Sie möchten, kümmere ich mich darum und empfehle Ihnen einen."
„Sie werden sicher den Besten heraussuchen."
„Möchten Sie, dass ich es Nicholas sage?", fragte er sanft.
Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. „Nein, das mache ich schon, antwortete sie nach kurzem Schweigen. „Aber könnten Sie danach … morgen vielleicht … mit ihm sprechen und ihm die … Krankheit erklären?
„Selbstverständlich. Er sah sie an. „Sie sind eine starke Frau, Debbie. Aber Ihr Sohn besitzt diese Stärke auch, er ist ein tapferer kleiner Kerl. Was jetzt auf Sie beide zukommt, wird Sie viel Kraft kosten, aber ich bin sicher, dass Sie beide damit fertig werden.
„Danke." Debbie stand auf, ging mit zittrigen Beinen zur Tür und verließ die Praxis.
Eine halbe Stunde später saß Debbie im Wohnzimmer ihrer Eltern neben Nick und hielt seine Hand. „Dr. Sanders hat herausgefunden, warum du immer so müde bist, sagte sie mit bemüht ruhiger Stimme. „Du hast eine Krankheit namens Leukämie.
Mit ihren Eltern hatte sie bereits gesprochen. Sie waren entsetzt gewesen, hatten sich aber sehr zusammengenommen. Nick sah sie mit großen Augen an, und sie spürte am Druck seiner Finger, dass er Angst hatte. Doch er überraschte sie, als er sagte: „Ich bin froh, dass ich jetzt weiß, was mit mir nicht stimmt."
Debbie drängte die Tränen zurück. „Die Ärzte, die dir helfen können, sind in Houston." Sie mochte gar nicht daran denken, dass er seine Freunde und alles Vertraute verlassen musste.
Nick straffte die Schultern. „Okay, wenn sie mich gesund machen, muss ich da wohl hin. Er grinste. „Können wir zu den Astros gehen?
Die Houston Astros waren seine zweite Lieblingsmannschaft, gleich nach den Yankees.
„Natürlich. In Houston kann man viel unternehmen. Wir machen ein Abenteuer draus."
„Ich komme mit euch nach Houston", bot Lydia Roseman an, aber Debbie schüttelte den Kopf und umarmte ihre Mutter.
„Danke, das ist lieb von dir, aber du solltest hier bei Dad bleiben." Ihr Vater protestierte sofort, er käme auch gut allein zurecht, doch Debbie ließ sich nicht umstimmen.
„Wenn Nick … wenn ich dich brauche, dann kommst du, ja?" Damit waren sie einverstanden.
„Ich muss jetzt Lauri anrufen und mit ihr eine Lösung finden für die Zeit, in der ich nicht da bin." Das Telefongespräch dauerte nicht lange. Lauri zeigte tiefes Mitgefühl und war sofort bereit, vorübergehend eine Aushilfskraft einzustellen, bis Debbie wieder zurück wäre.
Beim Abendessen sprach ihr Vater das Tischgebet und schloss die Bitte um Nicks Gesundheit mit ein. Er war Rabbiner in der einzigen Synagoge hier in Valerosa, und die vertrauten hebräischen Worte und die tiefe, sonore Stimme ihres Vaters beruhigten Debbie ein wenig. Zum ersten Mal wich die Kälte von ihr, die sie seit ihrem Gespräch mit Dr. Sanders im ganzen Körper gespürt hatte.
Trotzdem konnte sie in dieser Nacht nicht schlafen. Sie wünschte, Dean wäre bei ihr. In den acht Jahren ihrer Ehe war er immer wie ein Fels in der Brandung für sie gewesen, ein wundervoller Ehemann und Vater. Vor drei Jahren hatte ein betrunkener Autofahrer seinen Wagen frontal gerammt, und kurz darauf war Dean im Krankenhaus gestorben.
„Bitte, nimm mir nicht auch noch Nick", flüsterte sie in die Dunkelheit.
Am nächsten Morgen hatte Nick erneut Fieber bekommen, und Debbie ließ sich einen schnellen Termin bei Dr. Sanders geben. Nachdem dieser den Jungen ausgiebig untersucht hatte, wandte er sich an Debbie.
„Ich habe noch einmal mit der Klinik telefoniert. Wegen des Spezialisten."
„Haben Sie einen Arzt für uns gefunden?"
„Ja. Er ist im Vergleich zu mir noch jung, aber er besitzt einen ausgezeichneten Ruf."
„Das ist gut. Wie heißt er?"
„Berger. Dr. Kent Berger."
„Berg… Unwillkürlich verschluckte sie sich und musste husten. „W…Wer?
„Kent Berger. Ausnahmslos jeder, mit dem ich gesprochen habe, hat mir versichert, dass er der Beste ist. Ich gebe Nick in fähige Hände."
Debbie unterdrückte ein hysterisches Lachen. Kent Berger. Diesen Namen hatte sie tief in ihrem Herzen vergraben und sich in elf Jahren nicht ein einziges