Heimliche Sehnsucht
Von Teresa Hill
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Über dieses E-Book
Es war Liebe auf den ersten Blick. Vor fünf Jahren hat Kathie den Mann ihrer Träume gefunden - er aber ahnt nichts davon. Niemand weiß von ihrer brennenden Sehnsucht und ihren unerfüllten Träumen, die sie tief in ihrem Innern verbirgt. Erst als sie um ihre Mutter weint und Joe sie trösten will, wird sie von ihren Gefühlen überwältigt. Aus einer sanften Umarmung wird ein leidenschaftlicher Kuss. Kathies Herz steht in Flammen, doch ihr Gewissen schreit "Verrat". Voller Scham flieht sie aus der Stadt, um Joe zu vergessen - denn er ist der Freund ihrer Schwester …
Teresa Hill
Teresa Hill wurde mitten im romantischen Kentucky geboren und wuchs mit dem Gedanken auf, es gäbe nichts Schöneres auf der Welt als Bücher zu schreiben. Kein Wunder, denn die Stadtbibliothek war in einer wunderschönen alten Kirche eingerichtet, und hier verbrachte Teresa richtig viel Zeit. Bücher erschienen ihr fast als heilig oder zumindest spirituell, sie ermöglichten stille Reisen und Abenteuer. Teresa liebte die "Insel der Blauen Delfine" von Scott O'Dell, denn sie war richtig vernarrt in die Idee, sehr jung schon ganz selbstständig zu sein und alleine zu leben. Ans Herz ging ihr auch die zauberhafte Familiengeschichte "Little Women" von Louisa May Alcott, obwohl Jo und Laurie am Ende nicht zusammenkamen … "The Outsiders" von Susan E. Hinton faszinierte Teresa und schockierte sie gleichermaßen: Diese unglaubliche Story hatte eine Teenagerin verfasst! Abgesehen von diesem einen Beispiel war sie als Kind aber völlig sicher, dass Autoren grundsätzlich alte, grauhaarige und unglaublich weise Menschen waren, die isoliert von jeder Zivilisation in einsamen Burgen wohnten. Einige Jahre später entdeckte Teresa die wunderbare Welt der Liebesromane für sich. Am liebsten mochte sie historische Romane mit einer Prise Romantik, von denen sie einige in der Erwachsenenecke der Bibliothek in der alten Kirche fand … Victoria Holts Romane über englische Könige und deren Frauen waren ganz nach Teresas Geschmack. Wenn sie nicht gerade in Bücher vergraben war, blieb Teresa aber auf dem Boden der Tatsachen: Seit sie denken kann ist sie treuer Fan des Kentucky Basketballteams. Von ihrem Studium an der Eastern Kentucky Universität profitierte sie gleich doppelt: Sie nahm nicht nur ein Abschlusszeugnis mit nach Hause, sondern auch einen Ehemann … Die ersten sieben langen Arbeitsjahre verbrachte Teresa Hill bei einer kleinen Regionalzeitung. Zu ihren spannendsten Aufgaben gehörte ein Interview mit Charlie Sheen. Meistens musste sie aber zum Beispiel über langweilige Regierungssitzungen schreiben. Doch auch die hatten ein Gutes: hier entstanden ganz nebenbei einige Romanszenen, die Teresa später wieder zur Hand nahm. Als sie nämlich wegen einer Recherche den ersten aktiv erlebten Halloweenabend ihres Babys verpasste, entschied sie sich für eine andere berufliche Laufbahn – sie wollte keine Meilensteine in der Entwicklung ihres geliebten kleinen Sohnes mehr versäumen! Und so tat sie, was sie schon immer tun wollte: Romane schreiben. Ihr erstes Buch veröffentlichte sie 1991. ...
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Heimliche Sehnsucht - Teresa Hill
Teresa Hill
Heimliche Sehnsucht
IMPRESSUM
BIANCA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2006 by Teresa Hill
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1729 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Patrick Hansen
Fotos: gettyimages
Veröffentlicht im ePub Format im 01/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-299-1
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
1. KAPITEL
Die kleinen alten Ladys an den Picknicktischen starrten ihn an, als wäre er gerade aus einem Teich gekrochen.
Joe Reed versuchte, die abfälligen Blicke zu ignorieren, während er unter der riesigen Magnolie ein Hotdog aß. Die Stadt feierte den 1. Mai, und er tat so, als wäre er ganz der Alte – etabliert, zuverlässig und berechenbar. Augenblick mal. Er beugte sich nach rechts, um eine der kleinen alten Ladys genauer zu betrachten.
War das nicht eine Freundin seiner Großmutter?
Joe stöhnte auf.
Seine Großmutter war schwerhörig und lebte nicht mehr so ganz in der Gegenwart. Sie hielt sich oft für ein kleines Mädchen, das seinen – seit vierundsiebzig Jahren toten – Pudel namens CoCo suchte. Joe hatte gehofft, dass sie niemals von seinem Absturz erfahren würde. Aber falls eine ihrer Freundinnen aus dem Seniorenheim hier war, würde sie die unschöne Geschichte brühwarm aufgetischt bekommen. Er konnte nur hoffen, dass seine Großmutter entweder nichts hörte oder es gleich wieder vergaß.
Trotzdem wäre es ihm lieber, wenn sie nichts davon erfuhr.
Ja, jetzt, da er genauer hingesehen hatte, konnte die Frau, die auf ihn zukam, tatsächlich ihre gute Freundin Marge sein … und bestimmt hatte sie vor, ihm eine Standpauke zu halten. Joe beschloss, sofort von hier zu verschwinden. Doch kaum hatte er sich umgedreht, wurde er an den Schultern gepackt und von zwei Männern in den Wald geschleift.
Leider waren es keine Fremden.
Echte Straßenräuber wären Joe lieber gewesen.
Nicht, dass man in Magnolia Falls, Georgia, ausgeraubt wurde. Jedenfalls nicht am helllichten Tag.
Einer der beiden Männer war bewaffnet; deshalb hielt Joe den Mund.
Eine halbe Meile weiter ließen sie ihn los, stießen ihn mit dem Rücken an einen Baum und funkelten ihn an.
Einer von ihnen war Polizist.
Mit dessen Schwester war Joe früher verlobt gewesen.
Der andere war Geistlicher und jetzt mit der Frau verheiratet, mit der Joe mal verlobt gewesen war. Eigentlich dürfte er nichts dagegen haben, dass Joe und Kate sich getrennt hatten. Sonst wären Ben und Kate jetzt nicht zusammen.
Das Problem war nur, wie Joe und Kate sich getrennt hatten.
Und da kam die andere Schwester ins Spiel. Kathie.
Es gab noch eine dritte Schwester, Kim, das Nesthäkchen, aber die hatte Joe nie angerührt.
„Wir haben ein Problem", sagte Jax, der Polizist.
„Was immer es ist, ich war’s nicht", erwiderte Joe und kam sich vor, als wäre er noch in der dritten Klasse und hätte gerade Celia Rawlins an den Haaren gezogen.
„O doch, du warst es", entgegnete Jax, der noch genauso groß und einschüchternd aussah wie in der High School, als er beim Football durch die gegnerischen Abwehrreihen pflügte und mit jeder Cheerleaderin ausgegangen war.
Joe war damals ruhiger und zurückhaltender gewesen, ein Musterschüler und Schachspieler, was ihm nicht gerade viele Dates eingebracht hatte. Er war kein Frauentyp, erst recht keiner, der mit einer Schwester verlobt war und die andere küsste.
Er konnte noch immer nicht begreifen, wie es dazu gekommen war.
Ein Fall von zeitweiliger geistiger Umnachtung. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
Immerhin leitete er eine Bankfiliale.
Was war aus dem Mann geworden, der jahrelang ein angesehener Bürger der Kleinstadt gewesen war?
„Ich habe wirklich nichts getan", beharrte Joe.
Seit sechs Monaten lebte er wie ein Mönch, machte seinen Job so gut wie möglich und versuchte, nicht unangenehm aufzufallen.
Nicht, dass das dem Gerede ein Ende bereitet hatte.
Er sah Jax an. Die Waffe an dessen Gürtel. Dann Ben, den Gelasseneren der beiden. Ein Geistlicher würde ihn doch wohl nicht verprügeln, oder?
„Ich sage dir, wie es ist. Ben lächelte betrübt, während Jax die Stirn runzelte. „Kate ist nicht glücklich.
Verwirrt starrte Joe ihn an. Er hatte Kate nichts getan. Er hatte kaum ein Wort mit ihr gesprochen, sich von ihr ferngehalten, und wenn sie unglücklich war, war das nicht eher Bens Problem? Schließlich war Ben ihr Ehemann.
„Sie wäre glücklich, sehr glücklich sogar, fuhr Ben fort. „Wenn es da nicht eine gewisse Sache gäbe.
Joe ahnte, was das für eine Sache war.
„Und Kim ist auch nicht glücklich, warf Jax ein. „Aber vor allem bin ich nicht glücklich. Und ich könnte dir leicht wehtun.
Ben trat zwischen sie. „Und wenn meine Frau und ihre Familie nicht glücklich sind, bin ich es natürlich auch nicht."
Okay. Joe nickte.
„Wir können schon deshalb nicht glücklich sein, weil ein Mitglied aus unserer Familie nicht hier ist", sagte Jax.
Kathie. Sie war am Tag von Kates und Bens Hochzeit verschwunden. Gleich nach der Trauung. Erst Wochen später hatten sie herausgefunden, wo sie war. Sie unterrichtete in einer teuren Privatschule in North Carolina und weigerte sich strikt, nach Hause zu kommen.
Joe konnte es ihr nicht verdenken. Er wäre auch gern davongelaufen, aber er hatte Verpflichtungen. Außerdem war er immer zuverlässig gewesen. Das musste doch mehr zählen als ein paar verrückte Momente mit der Schwester seiner damaligen Verlobten.
Aber nein. Offenbar würde er sein Leben lang für den kleinen Fehltritt büßen müssen.
Und jetzt waren alle sauer auf ihn, weil Kathie nicht hier war? Er war heilfroh darüber, aber das verstanden die beiden wohl nicht.
„Und da du uns das alles eingebrockt hast, bringst du es auch wieder in Ordnung", knurrte Jax.
Joe schluckte.
Jax drohte ihm mit der Faust. „Du wirst unsere Schwester nach Hause holen", sagte er nur.
„Ich?, fragte Joe entsetzt. „Aber … sie hasst mich.
„Das ist dein Problem."
„Bestimmt kannst du es lösen", fügte Ben hinzu, als wäre es ein Kinderspiel.
„Sie redet doch nicht mal mit mir", erwiderte Joe verzweifelt.
„Du schaffst das schon." Ben klopfte ihm auf den Rücken.
„Aber … ich …"
Jax drückte ihm einen Zettel an die Brust. „Das ist ihre Adresse. Es sind nur vier Stunden mit dem Wagen. Morgen ist Abschlussfeier an ihrer vornehmen Schule. Danach hat sie frei. Du hilfst ihr, eine Tasche zu packen, und bringst sie her."
„Ich soll heute Abend schon losfahren?"
„In spätestens einer Stunde bist du unterwegs, sagte Jax. „Du weißt, was passiert, wenn dich nach zwanzig Uhr jemand hier sieht.
Ja, das wusste er.
Jax und seine Kumpel bei der Polizei ließen ihn nicht aus den Augen.
In der Woche, nachdem Kathie verschwunden war, hatte Joe fünf Strafzettel bekommen. Der Richter hatte ihn verwarnt und ihm geraten, sich nie wieder mit den Ordnungshütern von Magnolia Falls anzulegen.
„Was soll ich ihr denn sagen?", fragte Joe. Natürlich tat Kathie ihm leid. Ihr Vater war gestorben, als sie fünf war, ihre Mutter im letzten Jahr, und jetzt hatte sie nur noch ihre Schwestern und den Bruder.
Und Kate war für ihre jüngeren Schwestern wie eine Mutter gewesen.
Er war Kate etwas schuldig.
Und Kathie. In seinen Augen war sie noch immer ein Teenager. Dabei war sie inzwischen vierundzwanzig. Und er einunddreißig, ein verantwortungsvoller, intelligenter Erwachsener – trotzdem hatte er Mist gebaut.
„Also gut, gab er nach. „Ich fahre.
Was bedeutete, dass er in spätestens vierundzwanzig Stunden Kathie Cassidy gegenübertreten musste.
Na toll.
Kathie arbeitete an einer versnobten Jungenschule mitten im Nichts. Nach endlosen Meilen durch einen Wald tauchten die ehrwürdigen, mit Efeu bewachsenen Backsteingebäude vor Joe auf. Jacobsen Hall hatte auf dem Schild gestanden. Das klang nicht nur edel – das ganze Anwesen roch praktisch nach altem Geldadel.
Nach einem Blick auf die Wegbeschreibung fand er das Wohnheim, in dem sie als Hausmutter tätig war.
Hausmutter?
Kathie war vierundzwanzig.
Schüler strömten nach draußen. Chauffeure verluden ihr Gepäck in teure Limousinen.
Okay.
Kathie hatte mal an einer ganz normalen Schule unterrichten wollen. Jacobsen Hall war Welten davon entfernt.
Joe bahnte sich einen Weg durch die hochnäsigen Jungen und ihre Kofferstapel und ging hinein.
Kathie stand im Foyer, ein Klemmbrett in der Hand, das Haar zu einem strengen Knoten gesteckt, in einem schwarzen Kleid mit weißem Kragen.
Einen verrückten Moment lang stellte Joe sich vor, der Rock wäre etwas kürzer. Dazu ein paar geöffnete Knöpfe, eine weiße Schürze, das Haar auf den Schultern, und sie sähe aus wie … wie …
Er stöhnte auf.
Nein, unter keinen Umständen durfte er an so etwas auch nur denken.
Die jüngere Schwester seiner Exverlobten war tabu.
Für immer.
Denn sonst konnte er sich gleich die Kugel geben.
Er brauchte eine vernünftige, biedere Frau. Eine, mit der er ein geordnetes Leben führen und wieder der alte Joe Reed werden konnte. Und dann würden alle Leute den kleinen Vorfall vergessen, der vor sechs Monaten seinen Ruf ruiniert hatte.
Ja.
Plötzlich wusste er, was er tun musste.
Und er würde sein Ziel in Angriff nehmen, gleich nachdem er Kathie in Magnolia Falls abgeliefert hatte, damit ihr Bruder und ihr Schwager ihn nicht krankenhausreif prügelten oder hinter Gitter brachten.
Er würde sich von ihr fernhalten. Und auch nicht mehr an sie denken.
Allerdings war er in der Hinsicht nicht besonders zuversichtlich, nachdem er Kathie in seiner Fantasie gerade eben in eine neckische Zofe verwandelt hatte. Aber ohne sie durfte er nicht zurückkehren. Es würde ihn sämtliche Zähne kosten.
Natürlich war das nicht der einzige Grund. Er hatte Kathie gegenüber eine Menge wiedergutzumachen.
Außerdem gehörte sie in den Kreis ihrer Familie, und Joe wollte nicht daran schuld sein, dass sie die Aufpasserin für die verzogenen Bengel des Geldadels spielen musste, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Du bist ein Mann. Also benimm dich gefälligst auch wie einer.
Entschlossen ging Joe auf Kathie zu.
Sie hob den Kopf, entdeckte ihn und gab einen ängstlichen Laut von sich.
Du meine Güte, für wen hielt sie ihn denn? Hatte sie etwa Angst vor ihm?
Sie wurde blass. Ihre Hände begannen zu zittern, und sie machte einen Moment lang den Eindruck, als wollte sie vor ihm flüchten. Doch dann straffte sie die Schultern und sah Joe halb verlegen, halb abweisend an.
„Hi, Kathie." Er schob die Hände in die Taschen. Würde sie ihn ohrfeigen?
Sie tat es nicht. „Was willst du hier?", fragte sie nur.
„Dich besuchen."
„Wie hast du mich gefunden?"
„Dein Bruder hat es mir gesagt."
„Der würde dir nie erzählen, wo ich bin."
Joe nahm den Zettel mit Jax’ Wegbeschreibung heraus und hielt ihn hoch.
Kathie verzog das Gesicht. „Ich habe dir nichts zu sagen." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und gab sich die größte Mühe, wie ein trotziges Kind auszusehen.
Er fühlte, wie seine Mundwinkel zuckten, und unterdrückte ein Lächeln. „Aber ich dir, konterte er. „Und du wirst mir zuhören.
So hätte Jax es doch gemacht, oder? Vielleicht auch nicht. Zu Frauen konnte Kathies Bruder unglaublich charmant sein. Leider war Charme noch nie Joes Stärke gewesen.
Verblüfft starrte Kathie ihn an. Sein scharfer Tonfall schien sie zu überraschen. Aber dann wirkte sie verletzt. So, als würde sie gleich weinen.
Oh, verdammt. Er hatte es vermasselt. Mal wieder.
„Okay, hör mir einfach zu, ja?"
Sie schüttelte den Kopf. „Lass mich in Ruhe!"
Eine andere Frau, ebenso züchtig gekleidet wie sie, eilte herbei. „Kathie? Alles in Ordnung?"
Sie nickte, mit zitternder Unterlippe und Tränen in den Augen.
Na toll, dachte Joe. Jetzt bin ich mal wieder der Schurke.