Wir sind unzertrennlich: Sophienlust 415 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Schwer atmend blieb der alte Oberförster Bullinger stehen. Er war zwar noch rüstig, doch wenn es galt, Steigungen auf unebenem Gelände zu überwinden, merkte er doch, daß er schon seit vielen Jahren im Ruhestand war. Er hätte sich ein bequemes Dasein leisten können. Doch wer wie er ein Leben lang hart gearbeitet hatte, legte auch im Alter die Hände nicht in den Schoß. In der vergangenen Nacht war ein schweres Unwetter niedergegangen. Mehrmals hatte der Blitz eingeschlagen und große Schäden im Wald verursacht. Deshalb war der pensionierte Oberförster jetzt unterwegs, um seinem jungen Kollegen Hinweise geben zu können. Denn Klaus Schröder konnte, bei aller Tüchtigkeit, dieses große Revier nicht so rasch inspizieren, wie es im Interesse der Sicherheit nötig war. Bullinger hatte sich bereits eine Menge Notizen gemacht. Jetzt stützte sich Bullinger auf seinen Stock, den er seit einiger Zeit brauchte. Der Oberförster kniff die Augen zusammen. Drüben, in der Nähe des Baches, bewegte sich etwas. Es war kein Wild, das erkannte Bullinger auch jetzt noch sofort. Es waren auch keine Beerensammler oder Pilzsucher. Dafür war das Objekt zu klein. Unwillkürlich beugte sich der Mann in der grünen Jägerkleidung etwas vor. Das Gebiet hier war so entlegen, daß man nur äußerst selten jemanden traf. Deshalb glaubte Bullinger seinen Augen nicht trauen zu können. Am Steilhang neben dem Bach kletterte ein Kind bergan. Nein, zwei waren es.
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Wir sind unzertrennlich - Susanne Svanberg
Sophienlust
– 415 –
Wir sind unzertrennlich
Susanne Svanberg
Schwer atmend blieb der alte Oberförster Bullinger stehen. Er war zwar noch rüstig, doch wenn es galt, Steigungen auf unebenem Gelände zu überwinden, merkte er doch, daß er schon seit vielen Jahren im Ruhestand war. Er hätte sich ein bequemes Dasein leisten können. Doch wer wie er ein Leben lang hart gearbeitet hatte, legte auch im Alter die Hände nicht in den Schoß. In der vergangenen Nacht war ein schweres Unwetter niedergegangen. Mehrmals hatte der Blitz eingeschlagen und große Schäden im Wald verursacht.
Deshalb war der pensionierte Oberförster jetzt unterwegs, um seinem jungen Kollegen Hinweise geben zu können. Denn Klaus Schröder konnte, bei aller Tüchtigkeit, dieses große Revier nicht so rasch inspizieren, wie es im Interesse der Sicherheit nötig war. Bullinger hatte sich bereits eine Menge Notizen gemacht.
Jetzt stützte sich Bullinger auf seinen Stock, den er seit einiger Zeit brauchte. Der Oberförster kniff die Augen zusammen. Drüben, in der Nähe des Baches, bewegte sich etwas. Es war kein Wild, das erkannte Bullinger auch jetzt noch sofort. Es waren auch keine Beerensammler oder Pilzsucher. Dafür war das Objekt zu klein. Unwillkürlich beugte sich der Mann in der grünen Jägerkleidung etwas vor. Das Gebiet hier war so entlegen, daß man nur äußerst selten jemanden traf. Deshalb glaubte Bullinger seinen Augen nicht trauen zu können. Am Steilhang neben dem Bach kletterte ein Kind bergan. Nein, zwei waren es. Ganz deutlich erkannte der Förster nun die beiden kleinen Gestalten. Sie kamen in dem morastigen, vom Bach überschwemmten Gelände nur mühsam vorwärts. Oberförster Bullinger hielt nach den Begleitpersonen Ausschau, konnte aber niemanden entdecken. Jetzt blieben die Kinder stehen, sahen sich unsicher um, nahmen aber gleich darauf die beschwerliche Kraxelei wieder auf. Den Mann, der unten am Weg stand und von einigen Tannen verdeckt wurde, konnten sie nicht sehen.
»Hallo, ihr beiden«, schrie Bullinger herüber, »kommt zurück! Weiter oben ist nur Fels, da gibt’s ohnehin kein Durchkommen.« Der alte Förster hatte eine kräftige, laute Stimme, die das Rauschen des Baches übertönte. In dem engen, von Felsen begrenzten Tal hallte sie besonders laut.
Überrascht und verwundert blieben die Kinder stehen und schauten in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Sie schienen sich nicht zu fürchten, sondern eher erleichtert darüber zu sein, in dieser Einsamkeit eine menschliche Stimme zu vernehmen.
Der Mann ging ihnen entgegen, marschierte am Bachufer entlang tapfer aufwärts. Sein Atem ging dabei rasch und laut, und sein Herz klopfte wild vor Anstrengung. Doch das beachtete er nicht. In vielen Berufsjahren hatte er im Wald so manches erlebt. Ergreifende Tiertragödien, verirrte Wanderer, Verbrecher, die sich und ihr Diebesgut versteckten, ja, sogar Selbstmörder. Noch nie aber hatte Bullinger zwei Kinder allein im Wald getroffen. Unwillkürlich mußte er an das Märchen von Hänsel und Gretel denken. Denn die beiden, ein kleiner Junge von etwa fünf und ein Mädchen, das vermutlich nicht älter als vier Jahre alt war, wirkten wie diese Märchengestalten.
»Kommt langsam zurück«, bat der Förster freundlich. Er war jetzt den Kindern schon so nahe, daß er nicht mehr schreien mußte. »Keine Angst, ich tu’ euch nichts. Ich helfe euch.«
Die Kinder versuchten, abwärts zu steigen, rutschen aber auf dem nassen Untergrund aus und blieben dann ängstlich stehen.
»Hinauf geht es meistens leichter als hinunter«, verriet der Förster mit gutmütigem Lachen. Sein weißer Vollbart wippte dabei, und sein rundes noch immer frisches Gesicht strahlte.
»Bist du der Nikolaus?« erkundigte sich das kleine Mädchen. Sein dünnes, helles Stimmchen klang rührend.
Bullinger blieb keuchend stehen. Der Aufstieg strengte ihn doch mehr an, als man sich in seinem Alter zumuten durfte. »Nein, ich bin ein alter Förster, der auf seine Pirschgänge im Wald nicht verzichten kann«, erklärte er japsend. »Kommt, kommt herunter, ich bringe euch zu euren Eltern.« Das Sprechen fiel dem ehemaligen Oberförster sichtlich schwer.
»Wir haben aber keine Eltern mehr«, berichtete der Junge mit trotzig vorgeschobener Unterlippe. »Wir sind ganz allein.« Der Gedanke schien ihm Angst einzuflößen, denn er griff hilfesuchend nach der Hand seiner Schwester.
Daß die beiden Geschwister waren, erkannte man auf den ersten Blick. Die Kinder trugen Lederhosen und kleine Rucksäcke, schienen also für eine Wanderung ausgerüstet zu sein.
»Mami und Papi sind in der Erde«, berichtete die Schwester, die wohl noch zu klein war, die Endgültigkeit dieser Aussage zu begreifen. »Da waren ganz viele Leute im Park.«
»Das war kein Park, das war der Friedhof«, berichtete der Bruder. »Die Omi hatte ein schwarzes Kleid, und der Opa hat geweint«, erzählte die Kleine mitteilungsbedürftig.
»Und weil sie sich dann gezankt haben, sind wir weggelaufen«, ergänzte der kleine Junge. »Wir gehen zur Fee.«
Keuchend stieg Bullinger weiter hoch. »Zu welcher Fee?« japste er, völlig außer Atem.
»Sie wohnt im Wald und hilft allen Kindern. Ganz hoch oben auf dem Berg hat sie ein Schloß.« Der Kleine sah in die Luft, als könnte er irgendwo zwischen den Wolken den Palast der Traumgestalt erblicken.
»Wie heißt ihr denn?« Bullinger hatte die Kinder jetzt bis auf wenige Meter erreicht.
»Michael und Anica.«
»Und woher kommt ihr?«
»Von der Omi. Bei ihr waren wir, weil Mami und Papi verreisen wollten.« Anica setzte sich jetzt in Bewegung und zog den Bruder mit. Vertrauensvoll sah sie zu dem älteren Mann auf.
Der greise Förster ahnte schon, daß er von den Geschwistern kaum mehr erfahren würde. Sie waren noch zu klein, um ihre vollständige Adresse zu kennen. Wenn sie tatsächlich ohne jede Begleitung waren, was der Fall zu sein schien, würde man die Polizei einschalten müssen, um ihre Angehörigen ausfindig zu machen.
»Seid ihr den ganzen Weg gelaufen?«
Bullinger schüttelte besorgt den Kopf. Dieses Waldgebiet war viele Kilometer weit vom nächsten Ort entfernt, und an Wochentagen traf man kaum jemanden hier draußen. Daß er hier vorbeigekommen war, war eigentlich mehr Zufall gewesen. Bullinger wagte sich nicht vorzustellen, was geschehen wäre, wenn er die Kinder nicht entdeckt hätte. Die Chance, daß sie allein wieder aus dem unwegsamen Gelände herausgefunden hätten, war sehr gering.
»Wir sind mit einem Laster gefahren und ausgestiegen, als er Pause gemacht hat«, berichtete Anica mit ihrer hellen Kinderstimme.
»Dann weiß also niemand, wo ihr seid?« Noch glaubte Bullinger die Geschichte nicht ganz. Denn welche Oma versäumte es schon, zwei so reizende Enkelkinder ausreichend zu beaufsichtigen?
»Doch, die Fee. Sie weiß es immer, wenn ein Kind sie braucht. Mami hat uns das oft erzählt.« Michael war in einem Alter, in dem er Wirklichkeit und Märchen nicht auseinanderhalten konnte. Die Gestalten der Erzählungen seiner Mutter existierten für ihn.
»Hat dich die Fee gesandt?« erkundigte sich Anica.
»Nein. Aber ich möchte euch trotzdem bitten mitzukommen. Wir gehen zu mir nach Hause. Meine Frau wird euch etwas zu essen geben, und dann sehen wir weiter. Sie ist sehr lieb und mag Kinder sehr gern«, ergänzte er, als er bemerkte, daß die Geschwister zögerten. Fürsorglich faßte er die Kleinen bei der Hand.
Der Abstieg war schwierig, aber Bullinger ließ sich Zeit. Er legte immer wieder Pausen ein und unterhielt sich mit den Kindern so nett, daß sie jede Scheu verloren.
Frieda Bullinger, die wußte, wie kinderlieb ihr Mann war, wunderte sich kaum, als sie ihn mit den beiden Kleinen kommen sah.
»Du warst wohl in Sophienlust drüben und hast dir Zuhörer für deine Geschichten mitgebracht?« erkundigte sie sich lachend. »Kommt nur herein, ihr beiden. Ich hole euch Milch und frisch gebackenen Kuchen.«
»Sophienlust? Nein. Aber das ist die Idee. Versorge du die Kinder, ich muß mal rasch telefonieren.« An seiner Frau vorbei ging Bullinger ins Haus.
Die resolute Frau des Oberförsters schüttelte den Kopf. »Moment mal. Würdest du mir bitte erklären…«
»Ja, aber später.« Bullinger verschwand in seinem kleinen Arbeitszimmer, wo sich das Telefon befand. Er wußte, daß Michael und Anica bei seiner Frau in bester Obhut waren.
Die beiden streiften sich eben die schmutzigen Schuhe ab und betraten ohne Scheu das Haus.
»Ist dieser Ast von einem Hirsch?« erkundigte sich der Junge und blieb staunend im Flur stehen, wo über einer alten Truhe ein riesiges Geweih hing.
»Ja, das ist ein Kronenzwölfer. Er hat dem schönsten Hirsch gehört, der hier im Revier war.« Frieda lächelte wehmütig, denn die Trophäe erinnerte sie an die Zeit, als ihr Mann und sie als junges Ehepaar in dieses Revier gekommen waren. Damals hatten sie oft mit Stolz und Freude den kapitalen Hirsch beobachtet.
»Hat er ihn totgeschossen?« wollte Michael wissen. Er deutete dabei auf die Tür, hinter der Bullinger verschwunden war.
»Nein. Der Hirsch war alt und hat sein Geweih bei einem Kampf verloren.« Frau Bullinger mochte den Kleinen nicht erzählen, daß ihr Mann das Tier wenig später verendet gefunden hatte. »Kommt jetzt. Drüben im Wohnzimmer gibt es noch mehr, das euch interessieren wird.« Frau Bullinger hatte sich bereits daran gewöhnt, daß die Kinder von Sophienlust, die ab und zu zu Besuch kamen, immer wieder die ausgestopften Tiere bewunderten. Auch Michael und Anica waren sofort davon begeistert.
*
»Was gibt denn das?« erkundigte sich Vicky und betrachtete Nicks Produktion von allen Seiten.
»Wachsengel«, war die knappe, etwas unfreundliche Antwort. Nick ließ sich in seiner Arbeit nicht stören, obwohl er es nicht gerne hatte, daß ihm jemand zuschaute. Vor allen Dingen deshalb nicht, weil ihm die Wachsgießerei nicht so richtig gelingen wollte. Die Figuren lösten sich nicht vollständig aus den Formen und waren deshalb kaum zu erkennen.
»Jetzt haben wir doch erst Juni, da ist aber noch sehr viel Zeit bis Weihnachten.« Vicky war die jüngere der Langenbach-Geschwister, die ihre Eltern bei einem Lawinenunglück verloren hatten und danach in Sophienlust Aufnahme gefunden hatten. Was zunächst als Notlösung gedacht war, wurde zum Dauerzustand. Michael, Angelika und Vicky fanden in dem ehemaligen Gutshaus Sophienlust, das Denise von Schoenecker zu einem privaten Kinderheim umfunktioniert hatte, eine zweite Heimat. Michael studierte inzwischen in Heidelberg und kam