Alle sind verrückt nach Linda: Dr. Norden Extra 128 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Ungeduldig, mit Fahrradhelm auf dem Kopf, stand Christian Norden, genannt Jan und der jüngste Sohn der Familie, neben seinem Fahrrad auf dem Gartenweg und verzog das Gesicht. »Was ist denn jetzt, Mami, darf ich mit Florian auf den Spielplatz fahren oder nicht?« rief er seiner Mutter Fee zu, die im Garten mit den letzten Arbeiten vor dem Winter beschäftigt war. »Bist du schon mit den Hausaufgaben fertig?« erkundigte Fee sich gedankenlos und häufte eine Schaufel Erde unter einen Rosenbusch. »Schon längst. Darf ich jetzt? Florian wartet schon.« Die Stimme wurde immer dringlicher. Fee stand auf, rieb sich den schmerzenden Rücken und seufzte. »Aber nur, wenn ihr mit euren Rädern keinen allzu großen Unsinn treibt. Wenn ich mich nicht irre, ist neben dem Spielplatz dieser große Erdhaufen aufgeschüttet. Ich glaube, es ist keine gute Idee, dort herumzufahren.« »Mensch, Mami, das ist doch gerade das Coole dran. Da kann man richtig tolle Stunts machen.« Janni verzog das Gesicht zu einer beleidigten Schnute. »Tolle Stunts? Das klingt nicht gerade vertrauenerweckend«, murmelte Fee vor sich hin. Sie wollte keine autoritäre Mutter sein, aber manche Dinge erschienen ihr angesichts ihres reichen Erfahrungsschatzes ziemlich gefährlich.
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Alle sind verrückt nach Linda - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Extra
– 128 –
Alle sind verrückt nach Linda
Eine Frau steht zwischen Leid und Glück
Patricia Vandenberg
Ungeduldig, mit Fahrradhelm auf dem Kopf, stand Christian Norden, genannt Jan und der jüngste Sohn der Familie, neben seinem Fahrrad auf dem Gartenweg und verzog das Gesicht. »Was ist denn jetzt, Mami, darf ich mit Florian auf den Spielplatz fahren oder nicht?« rief er seiner Mutter Fee zu, die im Garten mit den letzten Arbeiten vor dem Winter beschäftigt war. »Bist du schon mit den Hausaufgaben fertig?« erkundigte Fee sich gedankenlos und häufte eine Schaufel Erde unter einen Rosenbusch.
»Schon längst. Darf ich jetzt? Florian wartet schon.« Die Stimme wurde immer dringlicher.
Fee stand auf, rieb sich den schmerzenden Rücken und seufzte.
»Aber nur, wenn ihr mit euren Rädern keinen allzu großen Unsinn treibt. Wenn ich mich nicht irre, ist neben dem Spielplatz dieser große Erdhaufen aufgeschüttet. Ich glaube, es ist keine gute Idee, dort herumzufahren.«
»Mensch, Mami, das ist doch gerade das Coole dran. Da kann man richtig tolle Stunts machen.« Janni verzog das Gesicht zu einer beleidigten Schnute.
»Tolle Stunts? Das klingt nicht gerade vertrauenerweckend«, murmelte Fee vor sich hin. Sie wollte keine autoritäre Mutter sein, aber manche Dinge erschienen ihr angesichts ihres reichen Erfahrungsschatzes ziemlich gefährlich. Andererseits wußte sie, dass gerade kleine Jungen das Abenteuer suchten, das Gefühl brauchten, die Gefahr herauszufordern und erfolgreich zu meistern. »Also schön. Aber bleib nicht zu lange weg, ja? Gegen fünf bist du bitte wieder zu Hause. Und wenn was ist, kommst du sofort zurück.«
»Mir passiert schon nichts, Mami«, beruhigte Jan seine in seinen Augen überängstliche Mutter und machte, dass er davonkam. Schließlich wartete sein Freund Florian, und das war in diesem Alter wichtiger als die Ermahnungen besorgter Mütter. Ganz egal, wie lieb sie auch sein mochten.
Fee sah ihrem jüngsten Sohn lächelnd nach. In solchen Augenblicken hatte sie stets das Bild vor sich, wie die Hebamme ihr den kleinen Christian in den einen, seine Zwillingsschwester Désireée in den anderen Arm gelegt hatte. Deutlich erinnerte sie sich an die Mischung aus unbeschreiblicher Freude, Erleichterung und Glück, die sie jedes Mal wieder nach einer Geburt überwältigt hatte. Und nun war ihr Jüngster auch schon ein Schulkind, ein richtiger Irrwisch dazu, ständig mit Freunden auf Achse, lebhaft und frech, wie es kleine Buben eben sein mussten. Aber wo um alles in der Welt waren nur all die Jahre geblieben? »Was ist denn, mein Herz?« Unbemerkt war Daniel Norden neben seine Frau getreten und folgte ihrem Blick die Straße hinunter, auf der natürlich längst nichts mehr zu sehen war außer ein paar geparkten Autos. »Du schaust ja so traurig.«
»Ach, ich dachte nur gerade darüber nach, wie schnell doch die Zeit vergeht. Es kommt mir wie gestern vor, dass Jan und Dési auf die Welt gekommen sind, und jetzt sind sie auch schon so groß.«
»Einerseits schade«, gab Daniel zu und legte den Arm um Fees Schultern. »Andererseits freue ich mich auf die Gelegenheit, auch mal wieder ein paar ungestörte Stunden mit dir verbringen zu können. Schließlich ist es lange her …«
»Klar, das finde ich auch wichtig. Aber wie sagt man doch so schön: kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen.«
»Darf ich fragen, welche mittelgroßen Sorgen dich jetzt umtreiben? Ich muss nämlich gleich wieder in die Praxis und lasse dich ungern so betrübt zurück.« Fee schenkte ihrem Mann einen liebevollen Blick, dann lächelte sie.
»Eigentlich keine wirklichen Sorgen. Aber Janni ist mit seinem Freund am Spielplatz, dort, wo der Erdhügel aufgeschüttet ist. Sie wollen Fahrrad fahren und ich habe einfach ein bisschen Angst, dass sie sich gegenseitig aufstacheln und irgendeinen Unsinn machen.«
»Hat er denn seinen Helm auf?«
»Natürlich. Ohne den darf er mit dem Radl gar nicht weg.«
»Sehr weise. Allerdings solltest du dann nicht so große Bedenken haben. Jungs in diesem Alter brauchen die Herausforderung. Und Erdhügel sind besonders reizvoll. Ich spreche aus Erfahrung.«
»Das heißt, du hast auch so halsbrecherische Stunts auf zwei Rädern gemacht?« erkundigte sich Fee belustigt.
»Du brauchst dich gar nicht über mich lustig zu machen«, beschwerte sich Daniel und spielte den Beleidigten. Aber seine Augen lachten dabei. »Früher hat man zwar nicht Stunts gesagt, aber gefährlich war es trotzdem.«
»Und, ist dir mal was passiert?«
»Ich glaube, nach meinem ersten Abgang über den Lenker war Schluss mit meiner Stuntman-Karriere«, erinnerte er sich vage.
»Das soll aber nicht heißen, dass ich mir wünschen soll, Jan fliegt möglichst bald über den Lenker?« hakte Fee leicht beunruhigt nach.
»Das soll heißen, dass du dir nicht so viele Sorgen machen sollst. Schließlich hast du schon drei andere Kinder erfolgreich großgezogen. Weshalb sollte das bei den letzten beiden nicht auch gelingen?«
»Vielleicht hat man ja sein Glück irgendwann mal überstrapaziert.« Fee wirkte plötzlich sehr nachdenklich. Daniel gab ihr einen zärtlichen Stups auf die Nase.
»Jetzt hör’ aber auf damit. An solche Sachen wollen wir erst gar nicht denken, oder?«
Fee gab sich einen Ruck.
»Natürlich nicht, du hast recht. Aber manchmal kommen solche Gedanken einfach. Da kann ich gar nichts dafür.« Sie schielte mit einem Auge auf ihre Armbanduhr. »Mir kommt gerade noch ein anderer Gedanke: wenn du dich nicht beeilst, schaffst du es nicht rechtzeitig, vor deinen Patienten in der Praxis zu sein.«
»Du liebe Zeit, schon so spät?« Über dem Gespräch mit seiner Frau hatte Daniel die Zeit völlig vergessen. Er drückte ihr einen hastigen Kuss auf den Mund und verschwand im Haus, um Tasche und Mantel zu holen. »Vielen Dank für deine Gesellschaft und bis nachher, mein Schatz«, rief er ihr noch zu. Gleich darauf dröhnte der Motor seines Wagens. Das Geräusch entfernte sich rasch. Fee lächelte, und schob ihre Sorgen um Jan entschieden beiseite, um wieder an ihre Gartenarbeit zurückzukehren. Es gab noch viel zu tun, bevor der Winter kam.
*
Sorgen um kleine Kinder musste sich Johanna Bühl schon lange nicht mehr machen. Ihre einzige Tochter Linda war längst erwachsen, eine auffallend hübsche, reizende junge Frau Anfang zwanzig, die ihr in all den Jahren viel Freude und nur wenig Kummer gemacht hatte. Grund zur Sorge bot da vielmehr ihr Mann Herwig, Chefarzt einer angesehenen Kölner Klinik, der vor ein paar Monaten gestorben und ihr überraschenderweise nichts als Ärger hinterlassen hatte.
»Ich verstehe das alles gar nicht«, seufzte Johanna und schob die Unterlagen auf Herwigs altem Schreibtisch hilflos hin und her. »Warum hat er mir niemals etwas von all dem erzählt?«
»Das kann ich mir schon denken«, gab Linda schnippisch zurück und langte nach einem wichtig aussehenden Dokument. »Schließlich hätte er von dir eine Menge Ärger bekommen, wenn du erfahren hättest, dass er das ganze Geld aus den Sparbriefen in dunkle Kanäle geschleust hat.«
»Allerdings. Wovon soll ich denn jetzt leben und das Haus unterhalten, frage ich dich,« Johanna war den Tränen nahe. Mit einem Schlag war ihr Leben, stets sorgenfrei und leicht, eingestürzt wie eine baufällige Ruine. Die Nachricht, dass ihr Mann Herwig an Bauchspeicheldrüsenkrebs im letzten Stadium litt, hatte sie schon niedergeschmettert. Und das Leben ohne ihn, die Stütze an ihrer Seite, fiel ihr unglaublich schwer. Die Entdeckungen, die sie allerdings nach seinem schnellen Tod machen musste, brachten sie an den Rand der Verzweiflung. »Ich weiß einfach nicht mehr weiter.«
Linda sah eine Weile nachdenklich vor sich hin, legte das Dokument zurück und schob den Stapel Papiere rigoros zusammen. Sie sah sich im muffigen Arbeitszimmer ihres Vaters um, um das sie schon als Kind immer einen möglichst großen Bogen gemacht hatte. Noch hing der Rauch seiner Pfeife in der Luft und mischte sich mit dem Geruch nach Möbelpolitur, mit der die Zugehfrau die bedrückenden Mahagonimöbel