Die Ruhrpotters - Band V - ,Der Schrott is hot'
Von Dietrich Bussen
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Über dieses E-Book
Edel und vor allem Jana steht der Sinn jetzt nicht mehr nach irgendwelchen Schrottplatzaktionen. Der Schrott hat erstmal Pause.
In dieser Zeit radeln Klotz und Finn zu dem Wochenmarkt, auf dem Klotzens Vater einen Stand hat. Auf der Hinfahrt geht Klotz der Schrottplatz nicht aus dem Kopf. Stolz präsentiert er Finn schließlich das Ergebnis seiner Überlegungen. Finn ist beeindruckt. Noch beeindruckender finden beide jedoch, dass ihnen für die Rückfahrt ihre Fahrräder nicht mehr zur Verfügung stehen.
Nachdem auch Jana und Edel den 'Klotzplan' für durchführbar halten, kann die 'Aktion Schrottplatz' dann doch beginnen.
Damit überschlagen sich nun die Ereignisse. Mit Schrott getarnt tauchen plötzlich Edelkarossen auf dem Gelände auf und mit ihnen Gestalten, von denen nichts Gutes zu erwarten ist. Auch Neonazis glauben sie zu erkennen. Ihnen wird klar, dass sie jetzt allein – ohne Hilfe ihrer Eltern – nicht mehr weiter kommen.
Peinlich nur, dass Klotz in diesem Zusammenhang gezwungen ist, ein bis dahin vor allen streng gehütetes Geheimnis zu lüften.
Zum Schuss spüren alle, dass sich bei den 'Ruhrpotters' in Zukunft Entscheidendes ändern könnte. Eines aber nicht, so hoffen sie, ihre Freundschaft.
Auch eine neue Liebe soll daran nichts ändern.
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Buchvorschau
Die Ruhrpotters - Band V - ,Der Schrott is hot' - Dietrich Bussen
Die Ruhrpotters
Ein Jugend - Roman in fünf Bänden
Geschrieben für alle, die sich was trauen
und für die anderen natürlich auch
von Dietrich Bussen
Band V
‚Der Schrott is hot’
Altwarp Deutschland
2017
1. Kapitel
Für Jana fing eine neue Zeitrechnung an. Ab jetzt gab es eine Zeit vor dem Unfall und eine Zeit nach dem Unfall.
X-Jahre davor oder X-Tage danach. So in der Art funktionierte ihr Hirn, wenn sie an irgendwelche Ereignisse dachte. Wenn ihr die Kindergartenaktion einfiel, dann war das ein paar Tage nach dem Unfall.
Manchmal dachte sie, dass es ohne den Unfall alles Andere auch nicht gegeben hätte, oder wenigstens nicht so, wie es dann passierte. Ganz anders eben. Ohne den Scheiß-Unfall.
Weiß nur keiner. Kann man grübeln solange man will, sagte sie sich, wenn solche Gedanken wieder mal in ihrem Kopf kreisten.
Die nächsten Tage verliefen wie das Gegenteil von prickelnd. Langeweile machte sich breit. Mit Jana konnten sie nichts planen, und ohne sie wollte auch keiner. Nur Schlappohr schien sich pudelwohl zu fühlen. Jetzt, wo er nicht mehr gequält wurde, wo er ein kuscheliges Plätzchen am Bett von Oma Schmitz hatte, regelmäßig gestreichelt wurde, die Hausbewohner ihm sogar über alles Mögliche erzählten und ihm immer mal wieder die ein- oder andere Leckerei zusteckten. Für ihn war die ‚Hundewelt‘ wieder in Ordnung. Erst recht, wenn er im Pfarrhausgarten hinter Karnickeln und Mäusen herjagen konnte. Auch beim Gassi gehen gab es nur selten Probleme.
Wie der wieder kuckt, zum Herzerweichen, dachte Oma Schmitz oft, wenn er sich aus seinem Körbchen wieder mal auf ihr Bett geschlichen hatte, und sie so tat, als ob sie nichts bemerkt hätte. Und wenn er dann wohlig vor sich hin knurrte, dachte sie, jetzt fühlt er sich bestimmt so, wie im Hundehimmel, wie bei Anton sozusagen. «Das war nämlich dein Vorgänger», erklärte sie dem Gast an ihrem Fußende. Dann lächelte sie und schlief auch ein.
In den nächsten Tagen hielten sich die Mädchen meistens in ihrem Zimmer auf, außer bei ihrem täglichen Krankenhausbesuch. Edel begleitete Jana dann, wartete aber draußen. Darauf hatten sie sich geeinigt. Jana wollte im Krankenhaus mit ihren Eltern alleine sein. So hilflos, wie sie in ihren Betten lagen, mit den Schläuchen im Gesicht und an den Armen und den Apparaten überall, die blinkten und tickten und manchmal Töne von sich gaben, dass es einem durch alle Glieder fuhr, und man automatisch an Alarm und Notfall denken musste oder irgendwas Sciencefictionmäßiges. So etwas sollten andere nicht mitkriegen, auch nicht ihre Freunde. Damit wollte sie alleine fertig werden, solange es eben ging.
Am vierten Besuchstag war die Besuchszeit längst vorüber. Edel wunderte sich. So lange hatte sie noch nie auf Jana gewartet. Dann spürte sie ein komisches Ziehen im Bauch, dass ihr Angst und Bange wurde, und sie fürchtete, dass es ein schlechtes Zeichen sei, dass es so lange dauerte, dass es jetzt vielleicht passiert sei, dass sie Jana beruhigen müssten, vielleicht sogar mit einer Spritze, und dass sie deshalb nicht herauskäme, weil sie völlig fertig wäre. Sie überlegte, ins Krankenhaus zu gehen und irgendwie rauszukriegen, was dort vor sich ginge. An der Information vielleicht, dachte sie. Aber sie erinnerte sich, dass selbst ihr Vater damit keinen Erfolg gehabt hatte, als er wegen irgendwelcher Beerdigungsgeschichten irgendwas rauskriegen wollte. „Weil er kein Angehöriger sei".
Dann ich erst recht nich … Ach du heiligs Bächle. Sie sah Jana in der Eingangstür.
Na endlich, dachte sie, und dann, ach du Scheiße, bitte nich, bitte, bitte, nich.
Sie sah, wie Jana sich Tränen aus dem Gesicht wischte, und dann zu den Bänken vor dem Krankenhaus hinüber sah, und dass sie sie endlich auf ihrer Bank entdeckte, ihr zuwinkte und auf sie zulief.
Und während Edel noch, hoffentlich pack ich das, dachte, umarmten sich beide und Jana sagte: «Sonst heul ich eigentlich nie, nichmal, wenn ne Feuernummer schiefgeht. Aber das Scheißwarten und das Durcheinander auf dem Flur und immer irgendwelche Weißkittel, die keine Zeit haben, und meine Eltern, das hat mich irgendwie umgehauen, tränenmäßig.»
Und trotzdem kann die noch lächeln. Is ja irre, dachte Edel. Oder, die is …, die is wirklich durchgedreht, absolut weg, woanders, nich mehr hier.
«Hör mal Jana …» Himmel Arsch, was sag ich denn jetzt? Tut mir leid, sieht‘s schlecht aus?, kannst dich auf uns verlassen, wir sind für dich da schwirrte ihr durch den Kopf. Komm wir setzen uns erstmal, fiel ihr auch noch ein. Auf keinen Fall was mit Tod, das auf keinen Fall, das geht gar nich. Mit dem setzen vielleicht, dachte sie, und dann kann man immer noch …
«Lass uns erstmal auf die Bank», unterbrach Jana Edels Gedanken, «ich bin ganz wackelig.»
Kein Wunder, dachte Edel und rutschte ganz nah an Janas Seite.
«Das Schlimmste war das Warten, echt, unheimlich beschissen. Bis endlich einer kam und», wieder schluchzte sie, «und nicht schon wieder sagte, da musste dich an die oder den wenden. Diesmal war’s der Arzt und der sagte» - wieder blieben ihr die Worte im Halse stecken - «der sagte, dass sie übern Berg wären, ich mir keine Sorgen mehr zu machen bräuchte, und sie würden meine Eltern in den nächsten Tagen aus dem Koma holen, zuerst Mama und dann…», und bevor sie Papa sagen konnte, heulten beide.
«Bescheuert oder?», sagte Jana schließlich. «Heulen hier rum, anstatt Freudentänze zu tanzen.»
«Oder ne Feuernummer, für umsonst, für die Belegschaft hier.» Jetzt hatte sich auch Edel wieder berappelt. «Wenn’s schief geht, hastes auf alle Fälle nich weit.» Sie grinste. «Und jetzt lad ich dich ein», schickte sie hinterher.
«Wohin, ich meine wozu?»
«Was hälste von Eis?»
«Absolut in Ordnung.»
«Na ja», Edel kramte in ihren Taschen, besah sich ihren Fund, zählte: «Drei Euro und ein paar zerquetschte. Fuck, bisschen knapp oder? Dachte, ich hätte …»
«Quatsch», unterbrach Jana, «für die Kantine reicht’s.»
«Hier im Krankenhaus? Nich im Ernst.»
«Wieso nich? Die sind klasse hier, wo die Mama und Papa wieder hinkriegen, nach dem Unfall. Und wenn’s nicht reicht, bargeldmäßig, sag ich, sie sollens mit auf die Rechnung schreiben von Mama und Papa, dafür dass sie mir son Schreck eingejagt haben. Alles klar?»
Und lächeln tut sie auch schon wieder, dachte Edel. Stark, echt stark.
Wieder im Pfarrhaus lagen sich alle, die Arme hatten, in den Armen. Schlappohr wedelte mit dem Schwanz.
Klotz, in Sachen Umarmung noch ungeübt, versuchte es mit Schulterklopfen. Erfolglos.
Nich mal schlecht, dachte er, als Edel, die bei der guten Nachricht zufällig neben ihm stand, ihn als ersten an sich drückte.
Kann man gelten lassen, sagte er sich. Nur bei Oma Schmitz mit ihrem Höckerchen auf dem Rücken. Greif ich drüber oder drunter oder sogar drauf?
- Da musste jetzt durch, hilft alles nix. -
Immer, wenn man’s so richtig nich braucht, funkt die einem dazwischen, diese Extraterroristische. Was soll’s, Oma wird’s schon machen. Bin sicher nich der erste, der da rumfummelt.
«Und zur Feier des Tages eine Grillparty im Garten, gleich morgen», schlug Herr Kantelberg vor. «Was meint ihr? Mit allem Drum und Dran. Lampions und Fackeln und Musik …» - aber bitte nich deine Gesänge, dachte Finn - «und was man sonst noch so macht bei sowas.»
Frau Kantelberg sah Jana, und sie dachte, hier könnte was richtig schief laufen, wenn mein lieber Mann so weiter macht. Sie fragte Jana, was sie davon hielte.
Das fände sie ganz toll, sagte Jana.
Donnerwetter, dachte Frau Kantelberg.
So siehste aber nich aus, wenigstens nich im Gesicht, dachte Finn.
Aber sie fänd es besser, damit noch ein paar Tage zu warten, bis ihre Eltern aus dem Koma seien, und man ganz sicher sein könnte, dass alles gut sei. Dann fände sie das wirklich ganz toll.
Gleich muss die wieder heulen, so wie die kuckt, dachte Edel und sagte: «Komm, wir gehen erstmal nach oben.» Vorsichtshalber schob sie ihr noch ein Taschentuch in die Hand.
2. Kapitel
Dann können wir das mit dem Schrottplatz auch erstmal vergessen, dachte Klotz. Kann man eben nix machen. Irgendwie Kacke.
Trotzdem, einmal im Kopf, bekam er ihn nicht wieder raus, den Schrottplatz.
Eigentlich is mir dieses verkackte Schrottteil ja scheißegal. Is schließlich Onkels Ding. Aber die Sache mit Tante Aische und den Kindern is mir überhaupt nich scheißegal. Wie die Arschlöcher die behandelt haben. Zu dritt in voller Kriegsausrüstung gegen kleine Kinder und ne Frau. Voll mutig, Arschlöcher! Und Onkel will nix unternehmen. Nix, mehr so von gar nix, und bullenmäßig auch Fehlanzeige. Weiß der Henker warum. Dann müssen wir eben. Je schneller desto besser. Aber im Augenblick …?
Solche Gedanken kamen immer wieder, ob er wollte oder nicht.
Und meistens abends, wenn Finn schon eingeschlafen war, überlegte er, wie sie es machen könnten, wie sie es diesen Nazischweinen heimzahlen könnten und zwar so, dass sie es in hundert Jahren nicht vergessen würden.
Aber auch bei ihm: Fehlanzeige. Ergebnis gleich null. Meistens schlief er drüber ein und träumte irgendein wirres Zeug.
Bei sowas is Finn gut, dachte er oft. Aber der fiel aus, wie die anderen auch, weil sie sich an die Abmachung hielten: nicht bevor mit Janas Eltern alles klar ist.
Nich mal Schuleschwänzen kann man, bedauerte er manchmal, wenn sowieso alle frei haben.
Versuchen kann man’s ja mal, dachte er, als er am nächsten Abend im Bett vor sich hin grübelte. Ausnahmsweise, könnte man ja mal … genau, is zwar auch nich der Hit, aber immer noch besser, als hier rumhängen.
«Biste noch wach?», schickte er in gedämpfter Stimmlage zu Finns Bett, genauer gesagt zu dessen Rückenansicht.
«Wieso?» Deutlich und hellwach hörte sich Finns Antwort an.
«Nur so.»
«Ach so.» Hinter ach so versuchte Finn es mit auffälligem Gähnen.
Daran musste noch arbeiten, dachte Klotz.
Pause.
«Klasse das mit Janas Eltern», startete Klotz einen neuen Versuch, nachdem er sich mit deutlichen Geräuschen in seinem Bett hin und her gerollt hatte.
«Genau», kam es aus dem anderen Bett.
Das war’s schon wieder? Langsam reicht’s, aber echt, grollte es in Klotz, und er rutschte sich in Sitzstellung.
«Willste nich oder kannste nich oder tuste nur so, Professor, bekannt in Freundeskreisen auch für: spricht gern in ganzen Sätzen. Is irgendwas?»
«Was soll sein?»
«Hör endlich auf mit dem Quatsch Finn. Willste pennen, ja oder oder ja nich?»
«Eigentlich will ich nich drüber reden, mehr nich», sagte Finn, während er sein Kopfkissen zum Rückenpolster zurecht knautschte.
«Ich muss eben immer