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Arsène Lupin
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eBook274 Seiten3 Stunden

Arsène Lupin

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Über dieses E-Book

Arsene Lupin, der Gentleman-Gauner ist eine Sammlung aus neun von Maurice Leblanc geschriebenen Krimisnovellen, die unter den ersten Abenteuern Arsene Lupins enthalten. Der Farbumschlag der Originalausgabe wurde von Henri Goussé gestaltet.

Die erste Geschichte der Sammlung, Die Verhaftung von Arsene Lupin, wurde im Juli 1905 in der Zeitung Je sais tout veröffentlicht. Es war die erste Geschichte mit Arsene Lupin. Da es ein großer Erfolg war, wurde Maurice Leblanc von seinem Verleger ermutigt, eine Fortsetzung zu schreiben. Da der Autor jedoch ratlos war, wie er die Abenteuer seines gerade verhafteten Helden fortsetzen sollte, schlug der Verleger vor, ihn auszubrechen. Die Saga vom Gentleman-Dieb war geboren. In Je sais tout erschienen bis 1907 in unregelmäßigen Abständen mehrere Kurzgeschichten, die dann in einem Band zusammengefasst wurden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBadPress
Erscheinungsdatum1. Okt. 2021
ISBN9781667415062
Arsène Lupin
Autor

Maurice Leblanc

Maurice Leblanc (1864-1941) was a French novelist and short story writer. Born and raised in Rouen, Normandy, Leblanc attended law school before dropping out to pursue a writing career in Paris. There, he made a name for himself as a leading author of crime fiction, publishing critically acclaimed stories and novels with moderate commercial success. On July 15th, 1905, Leblanc published a story in Je sais tout, a popular French magazine, featuring Arsène Lupin, gentleman thief. The character, inspired by Sir Arthur Conan Doyle’s Sherlock Holmes stories, brought Leblanc both fame and fortune, featuring in 21 novels and short story collections and defining his career as one of the bestselling authors of the twentieth century. Appointed to the Légion d'Honneur, France’s highest order of merit, Leblanc and his works remain cultural touchstones for generations of devoted readers. His stories have inspired numerous adaptations, including Lupin, a smash-hit 2021 television series.

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    Buchvorschau

    Arsène Lupin - Maurice Leblanc

    Maurice Leblanc

    Arsene Lupin, der Gentleman-Gauner

    I

    Die Verhaftung von Arsene Lupin

    Was für eine komische Reise! Sie hatte aber doch so gut angefangen! Was mich betrifft, hatte ich noch keine gemacht, die sich so gut vorstellte. La Provence ist ein schnelles, bequemes Passagierschiff mit dem wohlwollendsten Kommandant. Man konnte da die beste Gesellschaft bekommen.  Beziehungen wurden geknüpft, Aktivitäten wurden organisiert. Wir waren vom ausgezeichneten Gefühl gefüllt, von der Welt getrennt zu sein, uns selbst überlassen, was uns zwang, uns einander anzunähern.

    Und wie näherten uns an...

    Habt ihr euch je Gedanken darüber gemacht, wie original und unvorhergesehen solch eine Gruppe von Menschen ist, die sich am vorherigen Tag noch nicht kannten und während etlicher Tage zwischen dem unendlichen Himmel und dem unermesslichen Meer im engsten Kontakt leben und sich zusammen dem wütenden Ozean, dem schrecklichen Angriff der Wogen und der hinterhältigen Ruhe der eingeschlafenen Wasser stellen?

    Es stellt, im Grunde genommen, in so einer tragischen und verkürzten Form das Leben selbst dar, mit seinen Stürmen und Erhabenheiten, seiner Eintönig- und Vielfältigkeit. Es ist vielleicht auf diesem Grund, dass wir mit so einer fieberhaften Eile und einem intensiven Vergnügen diese Reise eingehen, deren Ende wir schon beim Anfang erblicken.

    Aber seit einigen Jahren geschieht einiges, was ganz einzigartig zu den Gefühlen der Überfahrt beiträgt. Die kleine schwimmende Insel ist immer noch zur Welt verbunden, von der wir uns befreit fühlten. Eine Verbindung besteht, die sich inmitten des Ozeans nur allmählich aufbindet und nach und nach wieder anknüpft. Der drahtlose Telegraph! Aufrufe von einem anderen Universum, von dem wir Neuigkeiten auf der geheimnisvollsten Weise bekommen! Man kann sich nicht mehr imaginären metallischen Drähte vorstellen, in deren Mitte sich die unsichtbare Nachricht bewegt. Das Geheimnis ist sogar unergründlicher, so wie auch poetischer. Man muss auf den fliegenden Wind zurückgreifen, um dieses neue Wunder zu erklären.

    So fühlten wir uns in den ersten Stunden von dieser fernen Stimme gefolgt und begleitet, sie ging uns voran und flüsterte hin und wieder einem von uns zu. Zwei Freunde haben mit mir gesprochen. Zehn weitere, zwanzig sogar sandten uns allen ihren traurigen oder freudigen Abschied durch das große Nichts.

    Aber am zweiten Tag erreichte uns während eines gewittrigen Nachmittags fünfhundert Meilen von der französischen Küste entfernt eine Kurznachricht vom drahtlosen Telegraphen vermittelt, die so lautete:

    „Arsene Lupin an Bord Ihres Schiffes, erste Klasse, blonde Haare, am rechten Unterarm verletzt, reist allein, unter dem Namen R..."

    Genau zu diesem Zeitpunkt ertönte im dunklen Himmel einen mächtigen Donnerschlag. Die elektromagnetischen Wellen wurden unterbrochen und der übrige Teil der Nachricht erreichte uns nicht. Vom Namen, unter dem Arsene Lupin sich versteckte, kannte man nur den ersten Buchstab.

    Hätte es sich um irgendeine andere Nachricht gehandelt, wäre es zweifellos von den Angestellten der Telegraphenstation gewissenhaft geheim gehalten, sowie es auch der Bordkommissar und der Kommandant getan hätten. Es gibt aber solche Ereignisse, die die strikteste Geheimhaltungspflicht übertreffen. Am selben Tag, obwohl niemand erklären konnte, wie es sich verbreitet hatte, wusste jeder, dass der bekannte Arsene Lupin sich unter uns befand.

    Arsene Lupin, einer von uns! Der noch nie gefundene Meisterdieb, deren Leistungen seit Monaten in allen Zeitungen zu finden waren! Diese enigmatische Figur, gegen die der alte Ganimard, unser bester Polizist, diesen unendlichen Kampf begonnen hatte, deren Peripetien sich so malerisch zutrugen! Arsene Lupin, der phantasiesuchende Gentleman, der nur in Schlössern und Salons arbeitet, und der, als er einer Nacht im Hause des Barons Schormann eingedrungen war, mit leeren Händen das Haus verließ, nachdem er seine Karte mit der folgenden Botschaft zurückgelassen hatte: „Arsene Lupin, Gentleman und Meisterdieb, wird zurückkommen, wenn die Möbel authentisch sein werden" Arsene Lupin, dieser Mann mit den tausenden Verkleidungen, am einen Tag Fahrer, am anderen Tenor, Buchmacher, Sohn einer großen Familie, Jungendliche, alter Mann, Verkäufer aus Marseille, russischer Arzt oder noch spanischer Torero!

    Sei man dessen bewusst:  Arsene Lupin ging herum im relativ beschränktem Umfeld eines Passagierschiff! Was sage ich: er befand sich eigentlich in eben diesem kleinen Raum der Veranstaltungen, wo wir uns immer treffen konnten, in diesem gemeinsamen Ess- oder Wohnzimmer oder vielleicht in diesem Raucherraum! Arsene Lupin könnte dieser Herr hier sein... Oder der da... Vielleicht sitzt er neben mir am Tisch... Oder schläft mit mir in meiner Kabine...

    –  Und das wird noch fünf Tage dauern! rief Miss Nelly Underdown am folgenden Tag, es ist inakzeptabel!  Ich hoffe, dass man ihn verhaften wird.

    Und indem sie sich mir zuwandte:

    – Sie, Herr d'Andrésy, Sie haben die beste Beziehung zum Kommandanten, wissen Sie gar nichts?

    Ich hätte gern etwas gewusst um Miss Nelly zu gefallen! Sie war eine von diesen wunderschönen Schöpfungen, die immer am angesehensten Platz stehen, wo auch immer sie sind, die mit ihrer Schönheit, so wie mit ihrem Vermögen alle andere ausblenden. Sie haben ein Publikum, einige davon sehr eifrig, andere sehr enthusiastisch.

    Von einer französischen Mutter in Paris aufgewachsen, sie wollte nun mit ihrem Vater, der sehr reiche Underdown, in Chicago sein. Eine Freundin von ihr, Frau Jerland, begleitete sie.

    Von der ersten Stunde an beantragte ich einen Flirt. Aber in der schnellen Intimität der Reise hatte mich ihr Charme sofort betroffen, und wenn ihre großen schwarzen Augen meine trafen, war ich zu sehr von Gefühlen ergriffen, um ein Flirtversuch zu unternehmen. Allerdings nahm sie meine Huldigungen mit einer gewissen Wertschätzung. Sie ließ sich dazu herab, über meine freundlichen Worte zu lachen und sich für meine Anekdoten zu interessieren. Sie zeigte den Eifer, den ich ihr entgegenbrachte, eine ungewisse Freundlichkeit.

    Ein einziger Rivale beunruhigte mich. Ein gut aussehender junger Mann, elegant, zurückhaltend, dessen stillen Humor sie manchmal meiner parisien extrovertierten Gemütsart zu bevorzugen schien.

    Er war nämlich Teil der Gruppe Verehrer, die um sie standen, als sie mich befragte. Wie waren auf dem Deck, bequem auf Schaukelstühlen sitzend. Der Sturm vom Vortag hatte nun den Himmel erhellt. Es war eine sehr angenehme Zeit.

    – Ich weiß nichts Genaues, Mademoiselle, antwortete ich, könnten wir aber nicht selbst unsere Untersuchungen durchführen, genauso wie der alte Ganimard, Arsene Lupins persönlicher Feind, es tun würde?

    – Oh! Oh! Sie nehmen sich viel vor!

    – Inwiefern? Ist das so schwer?

    – Sehr schwer.

    – Sie vergessen alle Hinweise, die wir zur Lösung haben.

    – Welche Hinweise?

    – 1. Lupin trägt den Namen Herr R...

    – Diese Andeutung ist sehr unspezifisch.

    – 2. Er reist allein.

    – Wenn das Ihnen reicht.

    – 3. Er ist blond.

    – Und dann?

    –  Das heißt, dass wir in der Liste aller Passagiere nachsehen können. Mit jedem Hinweis können wir schon Einige ausschließen und so weiter vorgehen.

    Ich hatte diese Liste in meiner Tasche. Ich nahm sie und ging sie durch.

    – Ich stelle schon fest, dass es nur dreizehn Menschen gibt, deren erster Buchstab sie zu unserer Aufmerksamkeit bringt.

    – Nur dreizehn?

    – In erster Klasse, ja. Unter den dreizehn Herren R..., wie Sie es auch selbst sehen können, werden neun von Frauen, Kinder oder Hausdiener begleitet. Es bleiben vier Alleinstehender: der Marquis de Raverdan...

    – Botschaftssekretär, unterbrach Miss Nelly, ich kenne ihn.

    – Major Rawson

    – Er ist mein Onkel, sagte einer.

    – Herr Rivolta...

    – Anwesend, rief einer von uns, ein Italiener, dessen Gesicht unter einem allerschönsten schwarzen Bart verschwand.

    Miss Nelly brach in Lachen aus.

    – Der Herr ist nicht ganz blond.

    – Dann, resümierte ich, müssen wir annehmen, dass der Schuldige der letzte dieser Liste ist.

    – Und das wäre ...?

    – Das wäre Herr Rozaine. Kennt jemand Herr Rozaine?

    Man schwieg. Aber Miss Nelly sagte, indem sie den stillen jungen Mann ansprach, dessen Fleiß in ihrer Nähe mich quälte:

    – Also, Herr Rozaine, antworten Sie nicht?

    Man drehte sich zu. Er war blond.

    Ich muss gestehen, dass ich tief in mir einen kleinen Schock empfand. Und die verlegene Stille, die auf uns lastete, zeigte mir, dass die anderen Teilnehmer, dieses ähnliche Gefühl der Erstickung empfanden. Es war eigentlich so widersinnig, denn es gab nichts im Verhalten dieses Herrn, was uns erlaubt hätte, ihn zu verdächtigen.

    – Warum ich nicht antworte? sagte er, weil meinen Namen betrachtend, da ich allein Reise, und meiner Haarfarbe entsprechend, ich eine ähnliche Untersuchung durchgeführt habe und zum selben Schluss gekommen bin. Ich bin daher der Meinung, ich sollte verhaftet werden.

    Er sah komisch aus, als er dies sagte.  Seine Lippen, so dünn wie zwei starre Linien, wurden sogar dünner und blass. Blutschlieren streiften seine Augen.

    Offensichtlich scherzte er. Trotzdem beeindruckten uns seine Physiognomie und seine Körperhaltung. Naiv fragte Miss Nelly:

    – Sie sind aber nicht verletzt?

    – Es ist wahr, sagte er, dass die Wunde fehlt.

    Nervös zog er seinen Ärmel hoch und zeigte seinen Arm. Unverzüglich kam mir aber einen Gedanken. Miss Nelly und ich sahen einander an: er hatte nur den linken Arm gezeigt.

    Ich hätte eine klare Aussage gemacht, als ein Zwischenfall unsere Aufmerksamkeit ablenkte.  Frau Jerland, die Freundin von Miss Nelly, lief auf uns zu.

    Sie war sehr aufgebracht. Wir eilten um sie herum, und erst nach großer Anstrengung gelang es ihr, zu stammeln:

    – Meine Juwelen, meine Perlen!... Es gibt nichts mehr!..

    Doch, es blieb etwas zurück. Wie wir es später herausfanden, hatte jemand merkwürdigerweise unter den Juwelen ausgesucht!

    Vom Diamantenstern, vom Anhänger mit Rubincabochon, von den gebrochenen Ketten und Armbänder hatte man nicht die größten sondern die dünnsten und kostbarsten Steine weggenommen, die, die vermutlich am wertvollsten waren und am wenigsten Platz beanspruchten. Die Fassungen lagen da auf dem Tisch. Ich sah, wir alle sahen sie, von Ihren Juwelen entkleidet, wie Blumen, von denen die schönen, glänzenden, bunten Blütenblätter abgezupft worden waren.

    Und um dieses Werk zu verrichten, hatte man, während der einzelnen Stunde, in der Frau Jerland Tee trank, am helllichten Tag und in einem belebten Korridor die Kabinentür aufbrechen, eine kleine Tasche finden, die absichtlich am Boden einer Hutschachtel versteckt worden war, sie öffnen und dann wählen müssen!

    Es gab ein einzelnes Geschrei unter uns. Sobald sich die Kund des Diebstahls verbreitete, waren alle Passagiere einer Meinung: das war Arsene Lupin.  Und zwar war es seine komplizierte, mysteriöse, unfassbare Art und Weise... Und dennoch ganz logische, denn, wie auch schwierig es doch gewesen wäre, die Gesamtheit aller sperrigen Juwelen zu verstecken, wie geringer war doch die Schwierigkeit mit kleinen getrennten Teilen: Perlen, Smaragde und Saphire!

    Zum Abendessen blieben die Plätze zur linken und zur rechten Seite Rozaines leer. Und abends fanden wir heraus, dass er vom Kommandanten einberufen worden war.

    Seine Verhaftung, die niemand bezweifelte, verursachte eine große Erleichterung. Endlich atmeten wir auf. An diesem Abend haben wir gespielt und getanzt. Vor allem zeigte Miss Nelly eine schwindelerregende Heiterkeit, die mich erkennen ließ, dass, wenn Rozaines Huldigungen ihr anfangs gefallen hatten, sie sich kaum noch daran erinnerte. Ihre Anmut überwältigte mich. Gegen Mitternacht, im heiteren Licht des Mondes, bezeugte ich meine Hingabe an sie mit solchen Gefühlen, die ihr nicht zu missfallen schienen.

    Aber am folgenden Tag, zur Verwunderung eines jeden, lernten wir, dass die Gründe zur Anklage nicht genügten: Rozaine war frei.

    Als Sohn eines bekannten Großhändlers aus Bordeaux waren alle seine Unterlagen in Ordnung. Außerdem hatten seine Arme kein Zeichen von Wunden.

    –  Unterlagen! Geburtsurkunden! riefen die Feinde Rozaines aus, Arsene Lupin kann Ihnen davon so viele zeigen, wie Sie es auch wollen! Bezüglich der Wunde hat er entweder keine bekommen... oder deren Zeichen irgendwie ausgelöscht.

    Es wurde Ihnen eingewendet, dass Rozaine sich während des Diebstahls auf dem Deck befand, wie es schon bewiesen worden war. Darauf entgegneten sie:

    – Denken Sie, dass es für einen Mann wie Arsene Lupin absolut notwendig ist, beim Diebstahl, den er begeht, anwesend zu sein?

    Und dann gab es, abgesehen von allen subjektiven Überlegungen, einen Punkt, gegen den selbst die größten Skeptiker nicht sprechen konnten. Wer, außer Rozaine, reiste allein, war blond und hatte einen Namen, der mit R beginnt? Von wem außer Rozaine hätte das Telegramm sprechen können?

    Und als Rozaine ein paar Minuten vor dem Mittagessen kühn auf unsere Gruppe zuging, standen Miss Nelly und Frau Jerland auf und gingen weg.

    Es gab tatsächlich Angst von ihm.

    Eine Stunde später ging ein handgeschriebenes Rundschreiben unter allen Schiffsangestellten, Matrosen und Reisenden aller Klassen herum:  Herr Louis Rozaine versprach demjenigen, der Arsene Lupin entlarven oder der neue Besitzer der gestohlenen Edelsteine finden würde, zehntausend Francs.

    – Und falls niemand mir gegen diesen Verbrecher hilft, erklärte Rozaine dem Kommandanten, werde ich mich selbst um ihn kümmern.

    Rozaine gegen Arsene Lupin, oder wie man es sagte, Arsene Lupin selbst gegen Arsene Lupin, an Interesse mangelte der Kampf nicht!

    Er dauerte zwei Tage lang.

    Man sah, wie Rozaine sich überall herumtrieb, sich unter das Personal mischte, Fragen stellte und herumschnüffelte. Man konnte währende der Nacht seinen Schatten sehen, als er auf der Lauer war.

    Seinerseits setzte der Kommandant seine ganze Energie ein. Von oben bis unten, in jeder Ecke, wurde La Provence abgesucht. Alle Kabinen wurden ausnahmslos durchsucht, unter dem ganz richtigen Vorwand, dass die Gegenstände an irgendeinem Ort versteckt sein könnten, außer in der Kabine des Täters.

    – Irgendwann wird man ja etwas entdecken, oder?, fragte mich Miss Nelly. Sei er auch wie ein Zauberer, kann er Diamanten und Perlen nicht unsichtbar werden lassen.

    – Doch, antwortete ich, sonst müssten wir die Spitzen unserer Hüte, das Futter unserer Jacken und alles, was wir an uns tragen, untersuchen.

    Und indem ich ihr meine Kodak zeigte, eine 9 x 12, mit der ich sie immer wieder in den verschiedensten Haltungen fotografierte:

    – Meinen Sie nicht, dass in einer Kamera, die nicht größer ist als diese, alle Edelsteine von Frau Jerland Platz finden würden? Man gibt vor Bilder zu machen und die Sache ist erledigt.

    – Dennoch habe ich gehört, dass es keinen Dieb gibt, der nicht irgendeinen Hinweis hinterlässt.

    – Es gibt doch einer: Arsene Lupin.

    – Was lässt Sie das glauben?

    – Was mich das glauben lässt? Er denkt nicht nur an den Diebstahl, den er begeht, sondern auch an alle Umstände, die ihn entlarven könnten.

    – Am Anfang waren Sie selbstbewusster.

    – Aber seither habe ich gesehen, wie er arbeitet.

    – Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

    – Dass wir meiner Meinung nach unsere Zeit verschwenden.

    Und tatsächlich brachten die Untersuchungen kein Ergebnis, oder zumindest entsprach das, was sie ergaben, nicht dem allgemeinen Bemühen: die Uhr des Kommandanten wurde ihm gestohlen.

    Wütend verdoppelte er seine Bemühungen und war sogar achtsamer auf Rozaine, mit dem er mehrere Gespräche geführt hatte. Am nächsten Tag wurde die Uhr, auf ganz ironischer Weise, unter den Wechselkragen des zweiten Kommandanten gefunden.

    Das alles klang nach einem Wunder und denunzierte die humorvolle Art Arsene Lupins, zwar ein Meisterdieb, aber auch ein Schelm. Er arbeitete aus Behagen und Berufung, natürlich, aber auch um Spaß zu haben. Er vermittelte den Eindruck eines Gentlemans, der sich über das Stück, das er aufführt, amüsiert und der hinter den Kulissen laut über seine witzigen Züge und die Situationen, die er sich ausdenkt, lacht.

    Zweifellos war er ein Künstler dieser Art, und wenn ich Rozaine beobachtete, dunkel und störrisch, und an die Doppelrolle dachte, die dieser seltsame Charakter zweifellos spielte, konnte ich nicht ohne eine gewisse Bewunderung davon sprechen.

    Doch hörte der Wachoffizier in der vorletzten Nacht ein Stöhnen im dunkelsten Teil des Decks. Er näherte sich. Ein Mann lag da, den Kopf in einen sehr dicken grauen Schal gewickelt, die Handgelenke anhand einer dünnen Schnur gefesselt.

    Er wurde aus seinen Fesseln entlassen, hochgehoben und umsorgt. Dieser Mann war Rozaine.

    Es war Rozaine, der auf einem seiner Streifzüge überfallen, niedergeschlagen und ausgeraubt wurde. Eine Visitenkarte, die mit einer Stecknadel an seinem Gewand befestigt worden war, trug diese Worte:

    „Arsene Lupin nimmt die zehntausend Francs von Herrn Rozaine gerne an. "

    Tatsächlich enthielt die gestohlene Brieftasche zwanzig eintausend Banknoten.

    Natürlich wurde der arme Mann beschuldigt, diesen Angriff auf sich selbst vorgetäuscht zu haben. Aber abgesehen davon, dass es für ihn unmöglich gewesen wäre, sich auf diese Weise zu binden, wurde festgestellt, dass die Handschrift auf der Karte sich absolut von der von Rozaine unterschied und der von Arsene Lupin ähnelte, wie sie in einer an Bord gefundenen alten Zeitung wiedergegeben wurde.

    Rozaine war also nicht mehr Arsene Lupin. Rozaine war Rozaine, Sohn eines Großhändlers aus Bordeaux! Die Anwesenheit Arsene Lupins wurde also nochmals bestätigt, und durch welche furchtbare Tat!

    Es war erschreckend. Niemand traute sich, allein in seiner Kabine zu bleiben, oder sich allein an zu weit entfernte Orte zu wagen.  Vorsichtig gruppierte man sich unter Leuten, die sich gegenseitig vertrauten. Und selbst dann trennte ein instinktives Misstrauen sogar diejenigen im engsten Kreis. Die Bedrohung ging nicht mehr von einer einzelnen Person aus, was weniger gefährlich wäre. Arsene Lupin war jetzt...

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