Alice im Wunderland
Von Lewis Carroll
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Über dieses E-Book
Lewis Carroll
Lewis Carroll (1832-1898), was the pen name of Oxford mathematician, logician, photographer, and author Charles Lutwidge Dodgson. At age twenty he received a studentship at Christ Church and was appointed a lecturer in mathematics. Though shy, Dodgson enjoyed creating delightful stories for children. His world-famous works include the novels Alice's Adventures in Wonderland and Through the Looking Glass and the poems The Hunting of the Snark and Jabberwocky.
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Buchvorschau
Alice im Wunderland - Lewis Carroll
fand.
HINUNTER IN DIE KANINCHENHÖHLE
Alice wurde es müde, mit ihrer Schwester auf einer Bank zu sitzen. Da sie nichts zu tun hatte, blinzelte sie ein- oder zweimal zu dem Buch hinüber, in dem die Schwester las. Aber da gab es weder Bilder noch Gespräche, und „ein Buch ohne Bilder und Gespräche, ist das denn überhaupt noch ein Buch?" dachte Alice.
War das Vergnügen, einen Gänseblümchenkranz zu binden, die Mühe des Aufstehens und Blumenpflückens wert? Alice dachte gerade darüber nach — und das war gar nicht so leicht an einem Sommertag, der sie dumm und schläfrig machte — als plötzlich ein weißes Kaninchen mit roten Augen dicht an ihr vorbeihoppelte.
Alice fand nichts Besonderes daran, noch kam es ihr allzu ungewöhnlich vor, daß das Karnickel zu sich selber sagte: „O je! O je! Ich komme sicher zu spät!" Später, als sie ihre Abenteuer bedachte, wußte sie wohl, daß sie sich eigentlich hätte wundern müssen; aber jetzt, da die Geschichte begann, schien ihr das noch ganz natürlich. Als nun aber das Kaninchen eine Uhr aus seiner Westentasche zog, auf das Zifferblatt blickte und davoneilte, sprang Alice denn doch auf die Füße. Denn ein Kaninchen, das eine Uhr hatte und dazu auch noch eine Westentasche, aus der es die Uhr hervorziehen konnte, das hatte Alice noch nie gesehen. Brennend vor Neugier lief sie hinter dem Karnickel her querfeldein und kam gerade noch zurecht, um es in einer großen Kaninchenhöhle unter der Hecke verschwinden zu sehen. Ohne Zögern folgte ihm Alice. Wie um alles in der Welt wollte sie nur da wieder herauskommen?
Ein Tunnel führte lange geradeaus in die Höhle hinein, bis er sich plötzlich senkte, so plötzlich, daß Alice nicht einmal daran denken konnte, zu bremsen; sie fiel, fiel in einen sehr tiefen Schacht.
Entweder war der Schacht so tief oder sie fiel so langsam, jedenfalls hatte sie viel Zeit, sich umzusehen und auszudenken, was nun wohl geschehen könnte. Zunächst wollte sie einmal unter sich sehen und feststellen, wohin es ging; aber da war es zu dunkel, um etwas zu erkennen. Dann untersuchte sie die Schachtwände und erkannte Geschirrschränke und Bücherregale und hier und da Landkarten und Bilder. Im Vorbeifallen nahm sie von einem der Regale einen Krug. Er trug die Aufschrift: „ORANGENMARMELADE". Aber zu ihrem Leidwesen war er leer. Da sie fürchtete, jemanden tief unten zu töten, ließ sie den Krug nicht einfach fallen, sondern stellte ihn in einen der Geschirrschränke, an dem sie vorbeifiel.
„Ich würde mich gar nicht wundern, wenn nun auch die Sterne herunterpurzeln würden, dachte Alice. „Daheim würde man mich sicher für sehr tapfer halten! Aber wenn ich auch so tief wie ein Haus fallen sollte, ich will doch lieber nichts davon zuhause erzählen!
Das würde dann höchstwahrscheinlich auch gar nicht mehr möglich sein.
Sie fiel und fiel und fiel — wollte das denn gar nicht aufhören? „Wieviel Kilometer mag ich wohl schon gefallen sein? sagte Alice laut. „Bald muß doch schon der Mittelpunkt der Erde kommen. Das wären dann — laß mich doch sehen! — sechstausend Kilometer — denk ich.
Ja, Alice hatte verschiedene Sachen dieser Art in der Schule gelernt, und wenn hier auch die Gelegenheit gerade nicht sehr günstig war, ihre Kenntnisse vorzubringen, da ja niemand zuhörte, so war es immerhin doch eine ganz gute Gedächtnisübung. „Ja — das dürfte wohl die richtige Entfernung sein. Es soll mich nur wundern, welchen Breitengrad oder Längengrad ich erreichen werde." Alice hatte keine blasse Ahnung, was ein Breiten- oder Längengrad ist; es machte ihr nur Spaß, das stolze Wort auszusprechen.
„Vielleicht falle ich ja auch schlankweg durch die ganze Erde hindurch! Das muß lustig sein, bei den Leuten anzukommen, die auf dem Kopf Spazierengehen. Die Antipopen — so heißt es doch — Diesmal war Alice froh, daß niemand zuhörte, denn es klang ihr nicht so wie das richtige Wort. „— ich muß dann nach dem Namen des Landes fragen. Bitte, gnädige Frau, ist hier Neuseeland oder Australien?
Sie versuchte, das so höflich wie möglich zu sagen. Verrückt! Höflich zu reden, wenn man durch die Luft fliegt! Ob Ihr das wohl auch fertig brächtet? Was meint Ihr?
„Was für ein dummes Gör, würde sie von mir denken! Nein, ich will doch lieber nicht fragen. Vielleicht ist der Name irgendwo angeschrieben."
Sie fiel und fiel und fiel — und da sie nichts weiter zu tun hatte, redete sie wieder darauflos. „Dinah wird mich heute abend sicher sehr vermissen. Dinah war die Katze. „Hoffentlich vergessen sie nicht, daß sie zur Teezeit ihr Näpfchen mit Milch bekommt. Dinah, meine Süße, ich wollte, du wärst jetzt bei mir. Leider gibt es ja in der Luft keine Mäuse, aber vielleicht könntest du eine Fledermaus fangen, das ist doch auch so etwas wie eine Maus. Ob Katzen Fledermäuse fressen?
Alice wurde schläfrig, und wie einer aus dem Traum spricht, wiederholte sie: „Fressen Katzen Fledermäuse? Fressen Katzen Fledermäuse? und manchmal auch: „Fressen Fledermäuse Katzen?
Aber da niemand da war, der antworten konnte, machte es auch nichts aus, was sie fragte. Mehr und mehr duselte sie ein, und gerade träumte sie, Hand in Hand mit Dinah spazierenzugehen und zu sagen: „Nun, Dinah, sag die Wahrheit, hast du schon einmal eine Fledermaus gefressen? — da machte es „plumps
, und sie war auf einem Haufen dürrer Zweige und Blätter gelandet. Aus! Der Fall war zu Ende.
Alice hatte sich nicht ein bißchen getan und sprang sofort auf die Füße. Über sich sah sie nur den dunklen Schacht. Aber vor ihr lag ein langer Gang, und dorthinten hoppelte auch das weiße Kaninchen. Da war keine Zeit zu verlieren. Flink wie der Wind lief Alice ihm nach, und gerade kam sie noch zurecht, um das Karnickel sagen zu hören: „O meine Ohren, o mein Schnurrbart, wie spät ist es geworden!", bevor es um die Ecke bog. Alice war ihm dicht auf den Fersen, als auch sie um die Ecke rannte. Aber das Kaninchen war nicht mehr zu sehen. Alice stand in einem langen, niedrigen Saal, den eine Reihe von Deckenlampen beleuchtete. Ringsum waren Türen; und als Alice saalauf, saalab gelaufen war und jede Klinke versucht hatte, wußte sie, daß alle Türen verschlossen waren. Traurig ging sie in die Mitte des Saales und überlegte, wie sie wohl je wieder hier hinauskommen sollte.
Plötzlich stieß sie an einen kleinen dreibeinigen Tisch, der ganz aus Glas gemacht war und auf dem ein winziger goldener Schlüssel lag. „Der muß doch zu einer der Türen gehören", dachte Alice.
Aber ach! Waren nun die Schlüssellöcher zu groß oder der Schlüssel zu klein, jedenfalls wollte er keine der Türen öffnen.
Als aber Alice nochmals die Runde durch den Saal machte, entdeckte sie einen niedrigen Vorhang, den sie vorher gar nicht gesehen hatte. Und hinter dem Vorhang war eine kleine Tür, kaum einen halben Meter hoch. Sie probierte das goldene Schlüsselchen, und — da war die Freude aber groß! — das Schlüsselchen paßte!
Alice öffnete die Tür und sah in einen schmalen Gang hinein, der nicht viel geräumiger als ein Rattenloch war. Sie kniete nieder und erblickte jenseits des Ganges den schönsten Garten, den Ihr je gesehen habt. O, wie wünschte sie da, aus dem dunklen Saal hinauszukommen und zwischen den leuchtenden Blumenbeeten und kühlen Springbrunnen einherzuspazieren! Aber sie konnte ja nicht einmal den Kopf durch den Eingang stecken. „Und wenn auch mein Kopf hindurchginge, dachte Alice, „so hätte das nur wenig Zweck, wenn ich die Schultern nicht auch mitbekäme. Ich wünschte, ich könnte mich zusammenschieben wie ein Fernrohr. Das muß doch auch zu machen sein, wenn ich nur wüßte, wie!
Denn seht, Alice hatte schon soviel ungewöhnliche Dinge erlebt, daß sie glaubte, es