Die eiserne Hand
Von Logan Kenison
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Buchvorschau
Die eiserne Hand - Logan Kenison
Copyright © 04/2013 by Logan Kenison.
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Autors.
Das Cover wurde gestaltet nach einem Motiv des Films Ein Mann allein
(USA, 1955). Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.filmjuwelen.de
Kontakt: Logan.Kenison@gmx.de
Western von Logan Kenison
In wildem Galopp preschten die fünf Reiter die Landstraße entlang. Es war Samstagabend. Vor zwei Stunden war das Round-up planmäßig zu Ende gegangen. Danach hatten sie sich gewaschen, rasiert und mit Rosenwasser eingerieben, damit sie gut dufteten. Nun versuchten sie, noch vor Sonnenuntergang die Stadt zu erreichen.
Die Girls in Bob Frankenhausers Saloon erwarteten sie. Seit dem Mittagessen hatten die fünf Cowboys nichts anderes mehr im Sinn gehabt als die vergnüglichen Stunden, die diese Stuten ihnen am Abend bereiten würden. Ihr Boss, der Rancher Will Barrier, hatte ihnen den Wochenlohn ausbezahlt, und sie hatten vor, ihn an diesem Abend vollständig auf den Kopf zu hauen. Denn am kommenden Montag begann der Viehtrieb über den Chisholm Trail nach Norden, in das fünfhundert Meilen entfernte Abilene in Kansas, und das bedeutete drei Monate harte Arbeit, kaum Schlaf, keinen Whisky, kein Bier, keine Mädchen. Daher wollten sie an diesem Abend noch einmal richtig auf den Putz hauen.
Der Hufschlag ihrer Pferde prasselte. Schreiend und johlend jagten sie auf die Stadt zu, gefolgt von einer wabernden Staubwolke. Als sie das Ortsschild passierten, bremsten sie nicht etwa ab, sondern schlugen ihren Tieren die Hacken in die Weichen, damit sie noch schneller ausgriffen.
Sie preschten die Main Street hinauf, doch dann riss der Vorderste plötzlich sein Pferd zurück und stieß einen erschrockenen Schrei aus. Auch die anderen zügelten abrupt ihre Tiere.
Vor dem Marshal’s Office stand ein Mann auf dem Sidewalk und blickte ihnen finster entgegen. In der Rechten hielt er die nagelneue Winchester 73, die vor zwei Wochen mit der Post gekommen war. Auf seiner schwarzen Weste blinkte im Licht der untergehenden Sonne der Marshalsstern.
Die fünf Cowboys setzten ihre Pferde wieder in Trab. Bemüht anständig ritten sie langsam am Marshal vorbei. Zwei von ihnen lüfteten sogar den Hut zum Gruß und nickten dem Gesetzeshüter zu.
Dieser erwiderte den Gruß nicht. Er starrte ihnen nur grimmig entgegen.
Der Respekt der Cowboys vor John Bertram Coburn war gewaltig. Marshal Ironhand nannten sie ihn. Die eiserne Hand.
Der Marshal hatte sich in Sand Springs in den letzten Wochen den Ruf eines unbeugsamen Städtebändigers erworben. Den Ruf des eisernen Kämpfers besaß er schon vorher. Die Bürgerschaft hatte Coburn vor vier Monaten angeheuert, als ihr das Treiben der Cowboys aus dem Umland zu bunt geworden war.
Dieser John B. Coburn war ein ehemaliger Revolverkämpfer. Der Stadtrat bot ihm eine Prämie von eintausend Dollar, wenn er die Stadt innerhalb von sechs Monaten zur Raison brachte. Coburn hatte nur drei Wochen dazu gebraucht.
Natürlich hatten die Cowboys es zuerst nicht wahrhaben wollen. Immer wieder hatten sie über die Stränge geschlagen, hatten ausprobieren wollen, wo die Grenzen lagen. Wollten herausfinden, was sie sich erlauben konnten, und was nicht.
In der ersten Nacht waren ein paar von den Jungs schießend durch die Stadt geritten. Marshal Coburn hatte drei von ihnen aus dem Sattel geschossen. Die Cowboys waren so geschockt gewesen, dass sie heulend wie geprügelte Hunde zu ihren Ranches zurückgekehrt waren.
Die Protestrufe, die das brutale Vorgehen des Marshals verurteilten, wurden vom Aufschrei der Empörung übertönt, als bekannt wurde, dass eine der Kugeln, die die Cowboys achtlos abgeschossenen hatten, eine Holzwand durchschlagen und ein kleines Mädchen im Schlaf getötet hatte. Viele Bürger brüllten nun lauthals nach genau den Maßnahmen, die der Marshal ergriffen hatte.
Die Freunde der niedergeschossenen Cowboys jedoch wollten den Tod ihrer Kameraden nicht sang- und klanglos hinnehmen. Für sie war es plötzlich eine Frage des Stolzes. Einige von ihnen waren erschossen worden – das wollten und konnten sie nicht auf sich sitzen lassen.
Sie hetzten den Stärksten ihrer Mannschaft, einen Burschen namens Hogjaw Flint, gegen Coburn auf.
Flint war einunddreißig, ein bulliger Kerl, gestählt durch jahrelange harte Arbeit. Er wog zweihundertvierzig Pfund und bestand größtenteils aus Muskeln, besaß einen Stiernacken und Fäuste wie Schmiedehämmer. Einen umgekippten Pritschenwagen konnte er allein wieder aufrichten.
Die Cowboys legten zusammen und boten Hogjaw Flint hundert Dollar, wenn er den Marshal so verdrosch, dass dieser die Stadt verließ.
Flint hatte auf der Ranch schon mit mehreren Kameraden gebalgt und geprügelt. Er galt als Querulant; als ein Bursche, der sich nichts sagen ließ und nur widerwillig gehorchte. Der Rancher war drauf und dran gewesen, Flint zu feuern. Stattdessen hatte er ihn auf eine einsam gelegene Weidehütte abkommandiert, wo er künftig die Grenzen der Ranch gegen Wilddiebe sichern musste.
Diesen Hogjaw Flint suchten die Cowboys auf. Er grinste, als sie ihm das Angebot unterbreiteten, und verlangte einen Vorschuss von fünfzig Dollar. Sie bezahlten, und am Samstagabend ging der stiernackige Mann in die Stadt. Gegen Mitternacht kam er zurück – mit vier Zähnen weniger. Der Marshal hatte sich gar nicht erst auf einen Faustkampf eingelassen, sondern ihm gleich den Lauf seines Gewehrs ins Gesicht geschlagen. Danach hatte er den übel zugerichteten Weidearbeiter ins Gefängnis geschleift und erst wieder freigelassen, als er die Strafe bezahlt hatte – die zufällig genau fünfzig Dollar betrug.
Die Cowboys forderten die Anzahlung wegen Nichterfüllung zurück, doch Flint ballte die Fäuste. Er grinste ihnen mit seinem zerschlagenen Gesicht und den Zahnlücken herausfordernd entgegen. Es war klar, dass er jemanden suchte, an dem er sich für die Niederlage abreagieren konnte. Seine Kumpane wären ihm da gerade recht gekommen, doch sie verließen fluchtartig das Bunkhouse, sodass Flint zu einer Whiskyflasche Zuflucht nehmen musste.
Eine Woche später ritten die Cowboys nach Leon Flats. Dort kannte man sie nicht, dort hatten die meisten noch nichts von John B. Coburn gehört. Sie überlegten, dass ein so gefährlicher Mann wie Coburn Feinde haben musste. Diese würden sie lediglich auf Coburns Spur lenken müssen, dann löste sich das Problem von selbst.
Sie begannen herumzufragen und stießen auf einen finsteren Burschen namens Geoff LaJoie. LaJoie verkündete vollmundig, eine Rechnung mit Coburn offen zu haben, und die Cowboys ließen während des Pokerspiels den Hinweis fallen, dass Coburn drüben in Sand Springs Marshal wäre. LaJoie knurrte, als er dies hörte, spielte die Partie jedoch zu Ende. Danach sammelte er seine Besitztümer von der Tischplatte und verließ den Raum.
Er war ein hagerer Bursche mit schwarzem Hut, schwarzem Haar, einem kantigen Kinn und blauschwarzem Bartschatten. Er trug ein olivgrünes Baumwollhemd, und dieser olivgrüne Rücken war das Letzte, was die Cowboys von ihm zu sehen bekamen. Anstatt nach Osten, nach Sand Springs, zu reiten, schlug LaJoie den Weg nach Westen ein.
Die Cowboys erschraken darüber und wollten ihr Vorhaben schon aufgeben, als sie zwei Wochen später doch noch fündig wurden. Zwei Reiter näherten sich der Jacobson-Quelle, auf der Rusty Yates und Slim Baylor Dienst taten. Sie passten auf die Rinder und Pferde sowie darauf auf, dass niemand Gift ins Wasser schüttete. Denn die Barrier-Ranch war die größte der ganzen Gegend, und der Rancher hatte viele Feinde, die ihm Erfolg und Reichtum neideten.
Die zwei Reiter kamen aus dem Südwesten heran, nicht übermäßig schnell, nur im Trab, der ihre Tiere schonte und nur geringen Staub aufwirbelte. Sie kannten anscheinend die Gegend, denn sie hielten direkt auf die Quelle zu. Slim entdeckte sie zuerst und rief Rusty herbei. Die Cowboys erwarteten die Reiter mit ihren Gewehren in Händen, jedoch mit zu Boden gerichteten Mündungen.
Beide Parteien begrüßten einander eher misstrauisch. In letzter Zeit hatte es Viehdiebstähle und andere Formen der Sabotage gegeben, und die Cowboys waren gegenüber Fremden misstrauisch. Die beiden Ankömmlinge hingegen schienen auf etwas zu lauern, auf einen Hinweis, dass Gewalt oder Bedrohung in der Luft lag und sie zur Waffe greifen müssten.
Sie fragten nach Wasser, und die Cowboys gewährten es ihnen.
Während sie die Pferde tränkten, entspann sich ein Gespräch. Als die Cowboys den Vorfall mit Hogjaw Flint und dem Marshal erwähnten, wurden die Fremden hellhörig. Sie fragten nach dem Namen des Marshals, und Slim nannte ihn. Nun gaben die Fremden eine Beschreibung ab, und Slim bestätigte, dass sie mit der des Marshals übereinstimmte.
Ein seltsames Feuer begann in den Augen der Fremden zu glimmen. Sie blickten einander an, sagten jedoch nichts. Offensichtlich wollten sie in Anwesenheit der Cowboys nicht über etwas reden, was nur sie anging.
Da fasste Slim sich ein Herz und berichtete von dem Tod dreier Freunde, die der Marshal aus dem Sattel geschossen hatte. Die beiden Fremden hörten mit unbewegten Mienen zu.
»Und das lasst ihr euch gefallen?«, fragte einer dann.
»Gegen diesen Mann können wir gar nichts tun«, wehrte Slim ab. Es war eine lahme Reaktion. Ihm und auch Rusty war klar, dass sie in den Augen dieser Fremden nur als Feiglinge gelten konnten. Doch vielleicht war genau das der ausschlaggebende Punkt, nämlich dass sie jetzt die richtigen Männer gefunden hatten, um es Coburn heimzuzahlen.
»Wir arbeiten zwölf Stunden auf den Weiden«, erklärte Slim. »Wir arbeiten mit den Händen. Selbst wenn wir stundenlang mit dem Colt üben würden, sind unsere Muskeln doch hart und müde und steif. Wir sind einfach zu langsam, können diesen Marshal Coburn niemals beim Ziehen schlagen. Er ist uns gegenüber immer im Vorteil – weil er geschmeidig und glatt ziehen kann. Nein, Freunde, wir Cowboys können gar nichts tun. Wir brauchen jemanden, der es mit dem Colt gegen Mister John B. Coburn aufnehmen kann. Der genauso schnell und genauso glatt ziehen und