Höllisches Gold
Von Logan Kenison
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Buchvorschau
Höllisches Gold - Logan Kenison
Impressum
09/2018
Copyright dieser Ausgabe: 2020 by Logan Kenison
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Autors.
Das Cover wurde gestaltet nach Motiven des Films »Massaker – Der Galgen muss warten« (Orig.: »Massacre«, USA, 1957). Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.fernsehjuwelen.de
Kontakt: logan.kenison@gmx.de
Höllisches Gold
Westernroman
von Logan Kenison
Von der Prärie weht ein warmer Abendwind in die Stadt Sunnyvale und bringt süßen Duft mit sich, und im Westen zeigt sich die für Arizona typische glutrote Färbung am Himmel, die das ganze Land in einen blutigen Glanz taucht.
Der kleine Jeremy Tate erreicht in diesen Minuten atemlos das Sheriff’s Office und schlägt die Tür hinter sich zu. Sein Blick fällt zuerst auf Sheriff John Garth, der am abgewetzten Schreibtisch sitzt, dann auf den Deputy Hank Lorrimer, der an der Steinmauer neben der Tür lehnt, wandert dann zum Sheriff zurück.
»Sheriff Garth«, ruft er aufgeregt, »Mister Olstead schickt mich. In seinen Saloon sind gerade die Buchanan-Brüder eingefallen. Ich soll Ihnen schnellstens darüber Bescheid geben, und zwar so, dass es keiner mitkriegt, hat er gesagt.«
»Danke, Jeremy. Das hast du gut gemacht.« John Garth steht auf und streicht dem Jungen übers blonde Haar. »Du tust jetzt genau, was ich dir sage: Du gehst nach Hause und verrammelst alle Fenster und Türen. Verstanden!«
»Yes, Sir. Aber warum darf ich n…«
»Keine Widerrede! Geh jetzt, Junge. Und lass dir nicht einfallen, dich in den nächsten 15 oder 20 Minuten beim Saloon blicken zu lassen. Du bekommst zehn Cents für das Überbringen der Nachricht und dafür, dass du jetzt nach Hause gehst und dortbleibst.« Dann wendet er sich seinem Deputy zu: »Hank, gib dem Kleinen einen Dime.«
Brummend stößt Hank Lorrimer sich von der Wand ab, kramt in der Tasche nach einer Münze, wird fündig und wirft sie dem Jungen zu.
Geschickt fängt Jeremy sie auf. Er hat beim Saloonwirt beobachtet, dass dieser manchmal einen Bisstest mit den Münzen macht, die man ihm gibt, also steckt er sie zwischen die Zähne und versucht, sie zu verbiegen, was misslingt.
»Scheint echt zu sein«, gibt er weltmännisch von sich.
»Dann hat Hank ja noch einmal Glück gehabt«, sagt der Sheriff. »Sonst hätte ich ihn verhaften müssen. Also los, Junge. Du gehst jetzt nach Hause. Und du sagst auch deiner Ma, sie soll drinbleiben.«
»Das tu ich«, verspricht Jeremy und verschwindet.
»Meine Güte, der ist ein Kaliber«, sagt Garth, dem entschwindenden Jungen nachblickend.
»Allerdings«, gibt Hank Lorrimer grinsend zurück. »Bekomme ich die zehn Cents irgendwann wieder, Boss?«
»Natürlich – von der Stadtkasse. Schreib’s auf deine nächste Spesenabrechnung. Bist du bereit, Hank? Los geht’s!«
Hank nickt. Er tritt an den Waffenschrank und nimmt die zweiläufige Parker-Shotgun heraus. Dem Sheriff reicht er die Winchester 73, die dieser sogleich repetiert. Dann verlassen die beiden Männer das Office.
Auf der Main Street ist zu dieser frühen Abendstunde ungewöhnlich wenig los. Normalerweise sind Männer, die Feierabend haben, unterwegs – entweder zum Saloon, um noch einen späten Umtrunk zu nehmen, oder auf dem Weg nach Hause, zu Frau, Kindern und Abendessen.
Doch heute ist es anders.
Es ist, als hätte sich das Eintreffen der Buchanan-Brüder schon überall herumgesprochen.
Es ist, als atme die Stadt jetzt Gefahr und Bedrohung, und deshalb haben sich alle Einwohner verzogen.
Als spürten sie es, wenn die Luft kurz davorsteht, bleihaltig zu werden.
Sheriff Garth wird sich wieder einmal bewusst, wie allein er steht, wenn es darum geht, Recht und Ordnung in der Stadt aufrecht zu erhalten. Die Buchanan-Brüder, Alfie und Pete, tauchen auf, und alle ehrbaren Bürger tauchen ab. Sie wollen nichts mit der Sache zu tun haben. Outlaws zu verhaften, das ist die Aufgabe des Sheriffs und seines Deputys. Schließlich werden die beiden dafür bezahlt. Wozu also sich die Hände schmutzig machen?
Bis zu einem gewissen Punkt kann John Garth diese Einstellung sogar nachvollziehen. Er bekommt eine Menge Geld dafür, dass er die Stadt von Parasiten und Schädlingen jeder Art freihält. Allerdings stellt er fest – und er muss stets seufzen, wenn er daran denkt –, dass sich die Menschen in den letzten Jahren geändert haben. Früher waren sie allzeit bereit gewesen zu kämpfen. Gegen die Indianer. Gegen Banditen, Desperados und Gesetzlose, die eine Gemeinschaft bedrohten. Sogar gegen ihre eigenen Brüder aus dem Süden, die die Union bedrohten.
Heute haben sie vielerorts Sheriffs und Marshals installiert und ihnen prächtige Büros aus Backsteinziegel mit angeschlossenen Jails gebaut, und widmen sich selbst nur noch ihren Geschäften.
Die Zeiten haben sich geändert. Ein gewisser Wohlstand breitet sich aus, mit Waffen will man nichts mehr zu tun haben. Geschäfte zu machen und erfolgreich dabei zu sein, ist wichtiger geworden.
Der Kampf ums Überleben ist zurückgewichen, das Überleben ist vielerorts gesichert, man genießt einen gewissen Stand der Zivilisation.
Dennoch gibt es immer wieder Momente, in denen diese Zivilisation gefährdet ist oder gefährdet scheint.
Wenn eine Bank von einer Banditenbande überfallen wird, zum Beispiel.
Oder wenn, wie jetzt, Alfie und Pete Buchanan in der Stadt auftauchten.
Die Brüder sind dafür bekannt, überall Unruhe zu stiften. Sie sind Radaubrüder der schlimmsten Sorte, die in jedem Saloon mit irgendjemandem Streit anfangen, und über kurz oder lang wird es zu einer Schlägerei kommen, bei der Stühle, Tische, Gläser, Flaschen, Treppengeländer, Fensterscheiben, Spiegel, Kronleuchter und Lampen zu Bruch gehen. Von ihrem letzten Besuch schuldeten sie Richard Olstead noch 200 Dollar, und nun sollen der Sheriff und sein Deputy diese eintreiben – oder dieses Jungs ins Jail verfrachten. Und vor allem sollen sie verhindern, dass erneut Radau ausbricht.
Neuerdings hat Sunnyvale mit Robert Ochsschlag ja auch einen Richter, und so könnte man den Buchanan-Brüdern rasch den Prozess machen. Wenn man sie für ein paar Wochen nach Brule oder Raton ins Gefängnis verfrachtet, wird das ihr Mütchen hoffentlich soweit abkühlen, sodass sie als annehmbare und (hoffentlich) friedliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zurückkehren.
Doch vor all diesen Maßnahmen und Erziehungsversuchen steht die Verhaftung der Brüder – und die war Aufgabe von Sheriff Garth und Deputy Lorrimer.
Die Gesetzeshüter marschieren mit ihren Gewehren über die Main Street. Schon von Weitem sehen sie zwei Pferde am Haltebalken angebunden. Es sind schöne Tiere, doch man sieht ihnen an, dass sie vernachlässigt und schlecht behandelt worden sind. Eines von ihnen trägt sogar blutige Spuren vom brutalen Gebrauch der Sporen an sich.
Die Tiere tun den Gesetzesmännern leid. Doch was kann man von Rabauken wie den Buchanans erwarten? Sie terrorisieren Menschen, da behandeln sie bestimmt auch Tiere schlecht.
»Nur mal kurz checken«, sagt John Garth und tritt an die Braunen heran, öffnet die Satteltaschen, zuerst die des einen, dann die des anderen Sattels. Er tut dies zwischen den Pferden stehend und völlig unbeobachtet. Nur Hank Lorrimer ist dabei und sieht zu. Doch er sieht nicht, was sein Boss in den Satteltaschen findet.
Der Sheriff verharrt, bleibt geraume Zeit zwischen den Pferden stehen, denkt nach.
Sein Deputy weiß nicht, worüber.
Was hat er erwartet und vorgefunden? Waffen? Munition? Etwa Geld von einem Bankraub?
Dann geht ein Ruck durch ihn, und er setzt sich wieder in Bewegung.
Die beiden Männer treten an die Schwingflügel des Saloons. Sie werfen einen kurzen Blick in den Raum und weichen dann gleich wieder hinter die Hauswand zurück. Es geht so schnell, dass sie nicht bemerkt werden.
Die Buchanan-Brüder, das haben sie bei dem kurzen Blick aufgeschnappt, stehen an der Theke und haben den Wirt und einen Gast in der Zange. Ronald Blaire hat den Saloon nicht mehr schnell genug verlassen können und »klebt« nun bei den beiden, ist sozusagen zu ihrem Opfer geworden.
Sie nötigen ihn, einen Whisky nach dem andern zu trinken. Die offene Flasche steht vor ihnen, und sie füllen sein Glas nach, sobald er es geleert hat. Wenn er sich weigert, rücken sie ihm auf die Pelle und hauen ihm getarnte Drohungen um die Ohren. John Garth sieht deutlich die Angst in Blaires Gesicht, und er weiß, es ist an der Zeit, dem Treiben ein Ende zu setzen.
»Trink!«, fordert Alfie Buchanan den Gast auf.
»Bitte, nein, Mister Alfie«, sagt Ronald Blair. »Ich kann nicht mehr. Mir ist schon ganz schwindelig.«
Alfie Buchanan lacht hämisch.
Und Pete Buchanan sagt: »Trink’ lieber, Mister. Ich kenne meinen Bruder. Wenn du seinen Whisky abschlägst, nimmt er das sehr persönlich. Und du wirst ihm doch nicht etwa sagen wollen, dass du mit ihm keinen Whisky trinken willst? Willst du das? Willst du sagen, dass dir seine Gesellschaft nicht gut genug ist?«
»Aber nein!«, heult Ronald Blair auf. »So etwas würde ich niemals behaupten. Bitte, Mister Alfie, Sie müssen mir glauben.«
»Trink jetzt!«, fordert Alfie Buchanan ihn barsch auf. »Oder ich schütt’ es dir durch die Nase!«
John Garth hat genug gehört. Er stellt die Winchester gegen die Hauswand und nimmt seinem Deputy die Parker-Gun ab.
»Ich gehe allein«, knurrt er wie ein bösartiger Hund, und dabei leuchten seine Augen in einem finsteren Licht auf.
Er bringt die Schrotflinte in Hüftanschlag und geht durch die grünen Schwingflügel in den Saloon.
Die Männer fahren herum, als sie seine Schritte hören.
Ronald Blair nutzt die Gelegenheit, um zurückzuweichen.
»Ihr verdammten Sauhunde!«, sagt John Garth gefährlich ruhig. »Jetzt habt ihr lange genug Bürger dieser Stadt terrorisiert.«
Und dann drückt er den Abzug durch.
Eine Feuerlanze sticht aus dem rechten Lauf und die gesamte Schrotladung schlägt in Alfie Buchanan. Die Entfernung ist gering, da der Sheriff unentwegt auf den