Die Feuer von Krell
Von Logan Kenison
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Buchvorschau
Die Feuer von Krell - Logan Kenison
Impressum
03/2018
Copyright dieser Ausgabe: 10/2021
by Logan Kenison
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck auch auszugsweise
nur mit Genehmigung des Autors.
Cover: »Lone Survivor« mit freundlicher Genehmigung von Markkus3D
https://www.deviantart.com/markkus3d
Logan Kenison
DIE FEUER VON KRELL
Am Abend hatten sie ihn eingekreist.
Nachdem Owen Richter ihnen die halbe Nacht und einen ganzen Tag immer wieder in der Wildnis entkommen war, hatten sie schließlich doch noch einen entscheidenden Vorteil erlangt. Sein Reittier, ein erfahrenes Quill, war am Ende seiner Kräfte, und er wusste es. Ja, er wusste, wann er verloren hatte.
Er glitt aus dem abgewetzten Ledersattel, ließ die hustende und spuckende Reitechse zurück und lief auf eine nahegelegene zerklüftete Anhöhe brauner Felsblöcke hinauf. Sie war gut zu verteidigen, jedoch leider auch unübersichtlich genug, um seinen Verfolgern zu ermöglichen, ihn aus mehreren Richtungen zu Beschleichen. Es würde hart werden.
Richter prüfte in aller Ruhe die Ladungen seiner Waffen. Beide waren bis zum Maximum gefüllt. Er legte das rotglänzende F-3000 neben sich und steckte die metallic-blaue ZAP-9 zurück ins Holster. In seinen Augen glomm ein grimmiges Feuer, ein fester Entschluss. Er würde es ihnen nicht leicht machen. Wenn sie seine Haut wollten, mussten sie den Preis dafür bezahlen. Und der würde teuer werden.
Zu teuer, hoffte er.
Doch nachdem sie ihn so lange und akribisch verfolgt hatten, glaubte er nicht daran, dass sie sich von ihm zurückschlagen ließen – selbst dann nicht, wenn er einige von ihnen erledigte.
Er spähte ins Tal hinab, und da sah er sie kommen. Achtzehn Rover wirbelten gewaltige Staubwolken auf, die hoch in den rostig-roten Himmel hinaufstiegen. Dazwischen zahlreiche Quills mit Männern auf ihren Rücken, sie alle schwerbewaffnet. Richter hatte nicht die Muße, sie zu zählen, doch er schätzte, dass sich dort unten an die zweihundert Mann versammelt hatten, um ihn zur Strecke zu bringen.
Teufel, wie hatte es so weit kommen können?
Das alles nur, weil er Krystall Kwont, der Tochter dieses Landbarons, schöne Augen gemacht hatte? Weil er Krystall beim Ernteball ins Feld hinaus entführt hatte?
Teufel, außer ein paar Küssen hatte es dort nichts gegeben, sie hatte es doch auch gewollt! Und schließlich war sie erwachsen.
Also, was soll’s?
Aber anscheinend sah ihr Vater das völlig anders. Er verfügte über diese Männer, und sie taten, was er ihnen befahl. Natürlich wäre er niemals so reich und mächtig geworden, wenn er eine zimperliche Ader besessen hätte. Richard Olson Kwont I. hatte auf diesem Planeten, auf diesem Kontinent, sein Imperium errichtet. Er hatte das Land den Einheimischen abgetrotzt und sie seine Faust spüren lassen. Er beutete die Bodenschätze aus, und seine gewaltigen Wildtierherden dehnten sich bis zum Horizont über die Landmasse aus. Schon seit vielen Jahren arbeiteten viele der Ureinwohner für ihn – ohne Bezahlung; sie hatten sich mit dem Los der Sklaverei abgefunden. Wenn sie nicht spurten, bekamen sie die Peitsche zu spüren, und Richard Olson Kwont I. sparte weiß Gott nicht damit. Doch wenn sie gehorchten, hatten sie wenigstens täglich einen Napf warmen Essens, Bedeckung und ein Dach über dem Kopf.
Richter spähte über die Kimme seiner F-3000 in die Senke hinab. Einen der Männer hatte er genau im Visier. Wie leicht könnte er jetzt das Feuer eröffnen. Doch dann wäre er ein Mörder. Dann hatten diese Männer mehr als genügend Grund, ihn zu jagen – und zu erledigen.
Er senkte die Mündung um ein paar Millimeter und drückte den Abzug.
Ein gleißender Strahl zischte hinab, genau vor die Füße des ersten Mannes, der die Anhöhe heraufstürmte.
Der schrie wild auf, wirbelte mit den Armen und warf sich hinter einen Felsblock.
Die anderen Männer taten dasselbe. Hastig und schreiend suchte ein jeder nach einer Deckungsmöglichkeit. Richter lachte in sich hinein, als sie auseinanderstoben. Wie die Hasen, dachte er. Doch gleich darauf holte ihn der Ernst der Lage wieder ein.
Sie eröffneten das Feuer.
Es zischte und surrte um ihn herum, und gleißende Farbbögen blendeten ihn. Das Gestein begann zu schmelzen. Hitze stieg Richter ins Gesicht.
Er zog den Kopf ein und hoffte, dass keiner der Strahlen ihn traf.
Er verlegte seinen Standpunkt etwas nach links und schoss aus einer unerwarteten Position, doch nicht auf die Männer, sondern auf einen der mit geöffneten Türen dastehenden Rover, den sie achtlos hatten stehen lassen. Es gab eine grelle gelbrote Explosion, als das Gefährt in die Luft flog, und dichter schwarzer Qualm hüllte für Sekunden alles in eine dunkle Faust. Dann wallte die Wolke nach oben und brennendes Metall wurde sichtbar.
Die Angreifer hatten erneut aufgeschrien und entsetzt die Explosion angestarrt. Jetzt antworteten sie mit wütendem Gegenfeuer.
Richter war erneut gezwungen, in Deckung zu gehen. Wieder verlegte er seinen Standort, wich verflüssigtem heißem Gestein aus und warf sich hinter einen hohen grauen Felsblock. Doch bevor er erneut Feuern konnte, sah er mehrere Männer von rechts über den zackigen Felsrücken klettern. Jeder hatte ein Strahlengewehr in der Hand, und sie wollten ihn offensichtlich in die Zange nehmen, denn von links stiegen bereits ebenfalls Männer herauf.
Exakt dieselbe Taktik, die Richter angewandt hätte.
Er fluchte.
Bislang hatte es noch keine Toten und Verletzte gegeben. Doch das würde sich nun wohl ändern.
Er hatte nichts gegen diese Leute. Warum sollte er auch? Sie waren es, die ihn jagten. Und nun musste er um sein Leben kämpfen. Er fluchte, denn er wusste, was es bedeutete, wenn er seine Chancen voll nutzte.
Plötzlich waren sie da. Er hatte sie nicht kommen sehen. Eine Gruppe von Männern hatte irgendeinen Schleichweg benutzt, um in seinen Rücken zu gelangen. In dem wilden Durcheinander war ihm das entgangen.
Er bemerkte sie, als ein Schatten auf ihn fiel, und er wirbelte herum. Gerade wollte er abdrücken, da traf ihn der Schaft des Strahlengewehrs genau an die Schläfe.
Richter sackte halb besinnungslos auf den heißen Felsboden.
Lichtpunkte wirbelten vor seinen Augen, und er war zu keiner Reaktion fähig, doch seltsamerweise bekam er wie durch einen diffusen Nebel alles mit, was um ihn herum geschah. Er spürte, wie ihm jemand die F-3000 aus der erschlafften Hand riss. Ein anderer zog ihm die ZAP-9 aus dem Holster. Kräftige Hände packten ihn bei den Oberarmen, rissen ihn hoch und schleiften ihn zur Senke hinab. Sie fesselten seine Arme auf den Rücken und warfen ihn auf die gerippte Ladefläche eines der Rover, neben Treibstoffkanistern, Drahtseilen und alten abgewetzten Sturmplanen.
»An dem wird der Alte seine helle Freude haben«, drang eine raue Stimme an Richters Ohren.
»Ganz recht, das gibt ’ne dicke Prämie«, sagte ein anderer.
»Mindestens zwei Tausender für jeden von uns.«
»Hätte nicht gedacht, dass der Typ so leicht zu bekommen ist«, sagte ein Dritter. »Er sieht ziemlich hart aus und hat uns in der Wüste einige Mühe gemacht. Aber wahrscheinlich ist er einer dieser Schlaffies, die bloß stark sind, wenn sie sich an Weiber ranmachen.«
»Soll mit der Tochter des Alten im Bett gewesen sein.«
Richter stöhnte auf. Er wollte die Sache richtigstellen, wollte sagen, dass es nichts weiter als ein paar Küsse gegeben hatte, aber er brachte kein verständliches Wort heraus.
»Halt’s Maul, Mistkerl!«, fauchte einer der Männer und schlug ihn in die Rippen. »Sieh, was du angerichtet hast. Der Rover ist Schrott. Das wird der Alte uns vom Gehalt abziehen.«
Einige Männer lachten. Anscheinend ein Witz, aber Richter verstand die Pointe nicht. Er versuchte, auf der Ladefläche in eine einigermaßen bequeme Position zu kommen. Sein Schädel schmerzte, und das rote Licht der untergehenden Sonne blendete ihn unangenehm in die Augen.
Die Männer sprangen auf ihre Sitze, und die Engine startete summend. Sekunden später setzte der Rover sich rumpelnd in Bewegung.
»Wirst du auch gut durchgeschüttelt?«, fragte einer.
Gelächter.
Richter hatte nicht damit gerechnet, die Konfrontation mit diesen Männern zu überleben. Gab es doch noch eine Chance? Anscheinend hatten sie vor, ihn zu ihrem Brotherrn, dem Landbaron Kwont I., zu bringen. Was für ein Interesse hatte der Großgrundbesitzer an ihm? Überhaupt wusste Richter nicht, warum die Männer ihn so vehement durch die Wildnis gejagt hatten. Krystall musste ihrem Vater doch gesagt haben, dass nichts als ein bisschen Knutscherei gelaufen war.
Hatte der Alte ihr nicht geglaubt? Fühlte er sich zum Verteidiger der heiligen Unschuld seiner Tochter berufen?
Zum Teufel damit, jedenfalls hatte Richter sich jede Menge Ärger eingehandelt, als er sich an die schöne Krystall herangemacht hatte.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Das blonde Mädchen in dem glänzenden rosa Samtkleid war ihm gleich aufgefallen. Es war, als umgebe sie eine Aura hellen Lichts, die alle anderen Mädchen auf dem Ball mausgrau und unscheinbar erscheinen ließ.
Richter war neu auf dem Planeten gewesen, es war sein zweiter Tag, und er hatte sich nach einer langen Reise durch den Weltraum ein bisschen amüsieren wollen. Als der kleine Ritchie, ein Freund Krystalls, plötzlich auf dem Feld angeflitzt kam und ihnen zuschrie, dass der Alte fuchsteufelswild sei und seine Männer auf ihn, Richter, gehetzt hatte und sie bereits überall nach ihm suchten, hatte er erst bleiben wollen, um die Angelegenheit verbal zu klären. Doch Krystall hatte ihn angeschrien und gedrängt zu fliehen. Hysterisch malte sie ihm in allen Farben des roten, blauen und schwarzen Blutes aller Spezies von Krell aus, was ihr Vater in der Vergangenheit mit Männern angestellt hatte, und so hatte Richter sich breitschlagen lassen, das nächstbeste Quill zu besteigen und in die Wüste zu reiten.
Was ein Fehler gewesen war.
Er hätte wissen müssen, dass er diese Männer, die sich in der Gegend hervorragend auskannten, nicht würde abhängen können.