Tyrells Rückkehr
Von Logan Kenison
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Buchvorschau
Tyrells Rückkehr - Logan Kenison
Impressum
Copyright „Tyrells Rückkehr"
Originaltitel: „Ein Spacer kehrt zurück"
© 2008 by Frederick S. List
und Logan Kenison
„Öl vom Mars"
© 2019 by Logan Kenison
„Roberta"
© 2004 by Logan Kenison
Neuauflage 10/2021
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Autors.
Kontakt: logan.kenison@gmx.de
Coverart: »Green Light« by Jacob Charles Dietz © 2011
TYRELLS RÜCKKEHR
Ein Spaceaction-Roman
1.
Jack Tyrell riss die Biertube auf, schnippte den Verschluss in weitem Bogen über die Köpfe der Gäste hinweg und schrie: »Zum Wohl, Jungs!« Er saugte das Bier aus der Plastiktube und die dreißig oder vierzig Hafenarbeiter, denen er gerade eine Runde schmiss, taten dasselbe. Diese Arbeiter verbrachten hier in Ralstons Kneipe ihren Feierabend, während Tyrell einfach nur seine Rückkehr zur Erde feierte.
Viel zu lange hatte er in der Schwerelosigkeit geschuftet, kübelweise Schweiß vergossen, zahllose Stahlteile montiert, eine Million Schrauben versenkt und kilometerweise Schweißdraht verschmolzen. Die neue Raumstation bestand zu einem gewissen Prozentsatz auch aus seinem Schweiß.
In den arbeitsfreien Stunden hatte er sich einem harten Training unterwerfen müssen, damit seine Muskulatur sich in der Schwerelosigkeit nicht zurückbildete. Die Arbeit im Raumanzug an einer freischwebenden Station war nichts für Schwächlinge. Jack Tyrell hatte ganze fünf Jahre im Raum überstanden.
Vor elf Stunden war er im Raumhafen New Haven aus der Fähre gestiegen. Es tat gut, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren! Er war ziellos durch die naheliegende Stadt marschiert und hatte ihren Geruch eingesogen – den Duft blühender Bäume und Sträucher, der Gestank der Kloakenöffnungen, die Abgase von Schwebegleitern und Fabriken – ein Wohlgeruch verglichen mit dem sterilen Gemisch der Raumstation, das man gemeinhin Atemluft nannte.
In ein oder zwei Tagen würde er nach New York übersetzen und dort vielleicht zwei Wochen verbringen; er hatte die Silhouette die Stadt vom Ufer aus schon gesehen. Aber zuerst musste seine Ankunft noch gebührend gefeiert werden.
Er warf einen Blick auf die X-Card, die unter anderem auch seinen Kontostand aufzeigte, und lächelte zufrieden. Fünf Jahre, die sich vollauf gelohnt hatten! »Noch ’ne Runde für alle!«, brüllte er und reckte die Faust in die Höhe. Die Meute, die sich um ihn drängte, brach ein weiteres Mal in Jubel aus.
Ralston, der Barkeeper, warf die Biertuben dutzendweise in die Luft, und schwielenbesetzte Hände streckten sich gierig nach ihnen. Ein wüstes Gerangel entstand. Keine einzige Tube schaffte es bis zum Boden; jede einzelne fand ihren Besitzer und musste sich in das ihr angedachte Schicksal ergeben.
Sekunden später regnete es leere Biertuben, und ein Reinigungsrobo zwängte sich auf der Suche nach allem, was auch nur im Entferntesten nach Müll aussah, durch die Menge.
Da wurde die Tür aufgestoßen und vier Männer stürmten herein. Ihre Kleidung bestand aus blau-weiß-rot-gestreiften Nessal-Anzügen, Umhängen und Hüten – ein deutliches Anzeichen dafür, dass sie sich in einem politischen Wahlkampf betätigten.
»Wählt John Dox!«, proklamierten sie und rasselten mit ihren Spendendosen. »John Dox zum Präsidenten!«
Der Wirt sprang wütend vor und trieb sie aus seiner Kneipe.
»Raus hier, ihr Schwachköpfe! Dies ist eine Craig-Bar!« Brummend kehrte er an den Tresen zurück. »Die haben mir gerade noch gefehlt.«
Tyrell ließ sich die gute Laune nicht trüben. Er stürmte an einen nahestehenden Tisch und warf sich auf einen Stuhl. Ein Hundertdollarschein fiel vor ihm auf die Tischplatte; er rammte seinen Ellbogen auf die Tischplatte und rief: »Wer tritt gegen mich an?«
Einer der Werftarbeiter glitt Tyrell gegenüber auf den Stuhl. Er legte seinen Hunderter auf Tyrells.
»Den Spaß lasse ich mir nicht entgehen!«, rief er.
Blanke Arme glänzten im Licht, Hände klatschten aufeinander. Der Wettkampf begann. Sie drückten, die Arme erzitterten, doch sonst war nichts zu bemerken. Keiner der Kontrahenten verzog auch nur seine Miene.
Nach kurzer Zeit allerdings standen Schweißperlen auf der Stirn des Werftarbeiters. Sein Lächeln wirkte versteinert, und bald war es völlig verschwunden.
Dann ging alles blitzschnell.
Der Werftarbeiter musste mit zusammengekniffenem Mund erleben, wie Jack Tyrell ihm den Arm auf die Tischplatte schmetterte. Mit einem Krachen schlug sein Handrücken auf die Styroplastit-Oberfläche.
Die Menge jubelte auf, und der besiegte Werftarbeiter erhob sich mit hochrotem Kopf, rieb sich den Arm. Seine Jungs wagten es nicht, ihn auszulachen, denn er war einer ihrer Vorarbeiter, und viele Male hatte er sie schon im Armdrücken besiegt. Dennoch entdeckte Tyrell auf den Lippen eines manchen Arbeiters ein spöttisches Lächeln.
Jack steckte einen der beiden Hunderter ein, den anderen ließ er liegen.
»Noch jemand?«, rief er.
»Tusker! Tusker! Tusker!«, schrien die Werftarbeiter.
Nicht, dass sie Tyrell besiegt sehen wollten, sie wollten nur das bestmögliche Schauspiel geboten bekommen. Nachdem er ihnen zur Feier seiner Rückkehr zur Erde eine Runde nach der anderen geschmissen hatte, gab es im Raum wohl niemanden, der Tyrell nicht gut leiden konnte – auf die herbe Art, wie Arbeiter einander zugetan waren.
Vom Chor umjubelt drängte sich – knurrend wie ein Tiger – ein Riese durch die Menge: ein glatzköpfiger Bursche, bestimmt einen Kopf größer als Tyrell und mindestens doppelt so breit! Er nahm dem Herausforderer gegenüber Platz, ein Hunderter flog auf den anderen, eine narbige Hand schloss sich um die Tyrells. Tyrell glaubte, ein Schraubstock schlösse sich um seine Finger.
Langsam legte er Druck in seinen Arm, der mühelos erwidert wurde. Dieser Tusker war wahrhaft ein Gegner für ihn! Tyrell verstärkte den Druck, Muskeln spannten sich, der Bizeps begann sich bedrohlich zu wölben. Als Antwort lachte ihm Tusker nur laut ins Gesicht. Tyrell sah auf faulige Zahnstummel, stinkender Bieratem wehte ihm entgegen.
Tyrell lachte zurück, doch es klang leicht gepresst.
»Tusker! Tusker!«, schrien die Werftarbeiter.
Sie drückten eine geschlagene Minute, ohne dass ihre ineinander gekrampften Hände sich auch nur um einen Millimeter bewegten. Inzwischen standen Tyrell die Schweißperlen auf der Stirn, wie zuvor dem Vorarbeiter. Doch auch an Tusker ging die Anstrengung nicht spurlos vorüber. Die Unterlippe des Riesen zitterte, Speichel troff von ihr, und seine Glatze glänzte im Licht der Deckenstrahler.
So saßen sie eine weitere Minute, und noch eine, und noch eine. Die Werftarbeiter waren längst verstummt und starrten gebannt auf den stummen Zweikampf. Keiner der beiden Kontrahenten erweckte den Anschein, dass er dem anderen unterliegen würde. Doch ebenfalls wirkte keiner von ihnen wie ein künftiger Sieger.
Da begannen ihre Arme zu zittern. Beide Männer durchlief ein Beben, beide gleichzeitig, und beide in gleicher Stärke. Als wenn der eine den anderen ansteckte. Doch dann ebbte das Beben wieder ab, und sie saßen sich gegenüber wie zuvor, mit verbissenen Gesichtern, reglos wie Statuen.
Irgendwann presste Tyrell hervor: »Ich habe einen Krampf im Arm.«
In den Augen des Riesen leuchtete es auf. Man sah, dass er seine Anstrengung verstärkte; Tyrells Arm gab um einen Zentimeter nach. Aber da ging es plötzlich nicht mehr weiter. Tusker schaffte es nicht, Tyrells Arm weiter zu bewegen.
Dann heulte der Riese plötzlich auf.
Tyrell lächelte gequält. »Das sind Schmerzen, nicht wahr?«
Tusker nickte widerwillig. Ein Strom von Schweiß lief ihm von der Stirn auf die Nasenwurzel, auf den Nasenrücken, und tropfte von der Nasenspitze auf die Tischplatte.
»Gibst du auf?«
»Nöö!«, brummte der Riese.
»Ich auch nicht«, sagte Tyrell, um Gleichmut bemüht.
Sie verharrten eine weitere Minute.
»Sollen wir aufhören?«, fragte Tyrell.
Der Riese nickte, und Tyrell nahm vorsichtig Druck aus seinem Arm. Als er spürte, dass der Riese ebenfalls zurücknahm, löste er die Anspannung völlig. Tusker war kein Schweinehund, der die Situation ausgenützt hätte. Er sah Jack offen in die Augen und ihre Hände lösten sich voneinander.
Sie blieben einen Moment in der Stellung, wie sie viele Minuten lang gedrückt und sich verkrampft hatten. Tyrell bog mit der Linken die Finger seiner rechten Hand gerade.
Der Riese nickte anerkennend. »Du bist ein Bursche nach meinem Geschmack«, sagte er mit tiefer Stimme.
»Du bist auch nicht ohne, du Riese!«, erwiderte Tyrell und schob Tusker die zwei Hunderter zu. »Da, nimm!«
Tusker sah auf die Scheine, doch er zögerte.
»Nimm ruhig, du kannst sie gebrauchen. Ich habe genug davon.«
Sie standen auf und schüttelten sich die Hände. Es gab keinen Sieger, sie waren sich ebenbürtig. Und trotz dieses Ausgangs fühlte sich keiner der Zuschauer des Wettkampfes um eine Attraktion betrogen, denn dass jemand Tusker widerstanden hatte, war an sich schon eine Sensation.
»Ich glaube, es ist Zeit für ein weiteres Bier!«, schrie Tyrell.
Die Männer johlten.
Tyrell trat an den Tresen, massierte seinen Bizeps und beäugte seinen Nachbarn, einen jungen Burschen, der noch alle Finger besaß und nicht die üblichen Kratzer und Narben an Händen, Unterarmen und im Gesicht aufwies. Nach ein paar Jahren in den Docks würde auch er aussehen wie die anderen. Diese Arbeit ging nicht spurlos an einem vorüber.
Der Bursche strich sich das lange, glatte Blondhaar aus dem Gesicht und lachte Tyrell an. Er warf Tyrell eine Biertube zu, nickte, und zog eine weitere aus seiner Jackentasche, die er selbst öffnete. Es war der Abend des Feierns und Wettsaufens, und wer nicht mithalten konnte, blieb besser Zuhause.
Während Tyrell den Verschluss abriss und die Tube zum Mund führte, lachte