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Cowboy am Scheideweg
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eBook137 Seiten1 Stunde

Cowboy am Scheideweg

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Über dieses E-Book

1870
Ich hatte den halben Vormittag lang die Tiere versorgt, schließlich trat ich aus dem Stall. Da sah ich Pepe Holguin. Er ritt gerade auf seinem Esel über die Hügelkuppe. Am Zügel führte er ein Pferd mit sich. Schließlich kam es ganz in Sicht, und ich erkannte den Toten, der quer über dem Sattel lag.
Plötzlich fühlte ich Schwindel aufsteigen. Mir war, als stürzte ich rücklings in einen tiefen Brunnen.
Die Kalbslederweste, die abgegriffene Colt im Holster …
Der Tote war mein Bruder Jake.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum19. Mai 2020
ISBN9783750237681
Cowboy am Scheideweg

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    Buchvorschau

    Cowboy am Scheideweg - Logan Kenison

    Copyright © 05/2015 by Logan Kenison

    Lektorat: Carola Lee-Altrichter

    Abdruck auch auszugsweise

    nur mit Genehmigung des Autors.

    Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode Gefährliche Freundschaft (Orig.: Showdown, USA, 1960) der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.fernsehjuwelen.de

    Kontakt: Logan.Kenison@gmx.de

    Joe Tyler

    Cowboy am Scheideweg

    Western

    1870

    Ich hatte den halben Vormittag lang die Tiere versorgt, schließlich trat ich aus dem Stall. Da sah ich Pepe Holguin. Er ritt gerade auf seinem Esel über die Hügelkuppe. Am Zügel führte er ein Pferd mit sich. Schließlich kam es ganz in Sicht, und ich erkannte den Toten, der quer über dem Sattel lag.

    Plötzlich fühlte ich Schwindel aufsteigen. Mir war, als stürzte ich rücklings in einen tiefen Brunnen.

    Die Kalbslederweste, die abgegriffene Colt im Holster …

    Der Tote war mein Bruder Jake.

    *

    Pepe Holguin war der mexikanische Helfer, den wir auf der Ranch angestellt hatten. Unsere Ranch – das war der kleine Flecken Land, den wir gemäß dem Homestead Act abgesteckt hatten und großspurig die McNally-Ranch nannten.

    Mit reichlich Illusionen beladen waren wir vor fünf Jahren ins Rio Grande Valley gekommen. Aufgebrochen waren wir von Massachusetts, meine Brüder William und Jacob sowie ich, Ezekiel McNally. Nach dem Tod unserer Eltern verließen wir sozusagen die Zivilisation und zogen westwärts. Es war uns zu eng geworden in Neuengland, wo unser Pa – Amerikaner der zweiten Generation und geboren 1821 in den kleinen Ort Plimsoll – sein Auskommen mehr schlecht als recht als Kesselflicker und Scherenschleifer gehabt hatte.

    In Kindertagen hatten wir eine gewisse Schulausbildung erhalten. Wir konnten Lesen, Schreiben und Rechnen. Mein ältester Bruder Will war während des Sezessionskriegs ein Jahr lang zur See gefahren, danach hatte er die Nase von schaukelnden Planken voll gehabt. Er arbeitete danach als Rausschmeißer in McKenny’s Beer-Bar, später holte er Jake nach.

    Schließlich war auch ich alt genug geworden, und wir überlegten, was wir tun konnten.

    Unser Pa lauschte mit mürrischer Miene unseren Gesprächen, die mehr und mehr mit Begeisterung durchwachsen waren. Für uns stand außer Frage, dass er mit uns kam. Doch er wollte nicht. Er hatte nach Ma’s Tod eine nette Dame kennengelernt, Mrs Gertrude Montag, eine deutsche Witwe aus der Chumshag Road, mit der er oft und gern zusammen war. Vielleicht hätte er ihr in Kürze einen Antrag gemacht, doch da raffte ihn die Diphterie im Alter von achtundvierzig dahin. Wir begruben ihn auf dem Cemetery neben unserer Ma und zogen fort.

    Fast waren wir so blauäugig wie die Auswanderer, deren Eintreffen wir wöchentlich am Hafen beobachten konnten. Sie besorgten sich Wagen und Ausrüstung und brachen auf nach Westen. Grüne Täler, Weide-, Farm- und Ackerland warteten auf alle, die sich ihren Teil davon nehmen wollten. So hieß es in den Zeitungen und Magazinen. Gesellschaften, die den Siedlern halfen, Fuß zu fassen, schossen wie Pilze aus dem Boden. Es kursierten die tollsten Geschichten. Viele Iren, die 1859 aufgrund der Hungersnot in die Staaten ausgewandert sind, seien heute reiche und wohlhabende Farmer, Rancher und Handwerker. Weit drüben im Westen, so hieß es.

    Andere hatten ihr Glück in den Goldfeldern gemacht. 1848 war in Kalifornien auf Sutter’s Mill Gold entdeckt worden. Die Zeitungen berichteten von Nuggets in der Größe von Taubeneiern. Nachdem sich dies herumgesprochen hatte, waren 1849 Tausende dorthin gepilgert in der Hoffnung, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.

    Wieder andere machten Ihr Glück beim Eisenbahnbau, welcher sich über Jahre erstreckte und den Westen mit dem Osten verband. Der neue Handelsweg erschloss ungeahnte Möglichkeiten für alle, die etwas produzierten. Handelsvertreter schwärmten aus und kauften Ernten auf.

    Die Fackel unserer Begeisterung brannte längst schon lichterloh. Egal, was man anfasste, alles schien sich in Gold zu verwandeln. Unsere Unzufriedenheit in New England wuchs von Tag zu Tag. Kein Wunder, dass wir die Gelegenheit beim Schopf griffen und mit Sack und Pack nach Westen zogen.

    Was die Berichte allerdings verschwiegen hatten, waren das Blut, die Tränen und den Schweiß, den die Menschen vergossen, bevor sie dem Land auch nur ihren Lebensunterhalt abzuringen vermochten.

    Viele Trecks waren von habgierigen Händlern, inkompetenten Führern und Banditen ausgenommen worden. Auch die Indianer waren ein ständiges Problem. Selbst relativ häufig befahrene Wege und Forts boten keine Sicherheit. Immer wieder kam es zu Hinterhalten, Überfällen, gar Massakern. Jedem Siedler wurde geraten, sich bis an die Zähne zu bewaffnen, wenn er durch Indianerland fuhr.

    Inzwischen waren einige Verrückte dazu übergegangen, im Indianerland zu siedeln. Voraussetzung war, dass es fruchtbar war und reiche Ernte versprach. Die US Army hatte sich nach dem Sezessionskrieg auf einen neuen Gegner eingestimmt: Die Rothäute. Diese galt es nun zu vertreiben. Washington gab dafür nur allzu oft und allzu bereitwillig grünes Licht. Stämme wurden dörferweise umgesiedelt. Jene, die sich weigerten, wurden massakriert.

    Wir McNally-Brüder waren im Frühjahr 1870 mit einem Wagenzug nach Südwesttexas gezogen und hatten uns bei passender Gelegenheit nach Süden verabschiedet. Unser Ziel war das Rio Grande Valley. Hier gab es gewaltige Flächen freien Landes. Der Westen von Texas war dünn besiedelt und bot uns Platz zum Ausbreiten – genau das, was unsere nach Freiheit schreienden Seelen suchten.

    Während wir allein unterwegs waren, bekamen wir es mit Indianern zu tun. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Wir fuhren mit unserem Conestoga-Schoner durch die menschenleere Prärie und wirbelten eine Menge Staub auf. Noch nie, so schien es, war hier ein Wagen gefahren. Es gab keine Spuren, keinen Weg. In alle Himmelsrichtungen dehnte sich die Prärie als gewaltige Ebene. Der Himmel spannte sich tiefblau über uns, durchzogen von watteweißen Wolken von Horizont bis Horizont. Keine Lufttrübung erschwerte die Sicht, wir sahen gewiss dreißig oder vierzig Meilen weit.

    Plötzlich sausten Pfeile und Kugeln auf uns zu, zerschnitten die Wagenplane, fauchten an uns vorüber. Als wir uns erschreckt umsahen, tauchten wie Gespenster sieben oder acht Indianer auf ihren Ponys aus der Staubwolke auf, griffen uns mit verbissenen Mienen an. Wir wussten nicht, wo sie hergekommen waren und wie es ihnen gelungen war, sich uns unbemerkt zu nähern.

    Jedenfalls waren sie da. Wir erwiderten das Feuer. Als Nachkommen irischer Einwanderer wussten wir, was es bedeutete zu kämpfen. Wir gaben ihnen zurück, was wir konnten. Während Jake die Pferde wild schreiend vorwärtsjagte, schossen Will und ich in die Indianer hinein.

    Damals tötete ich zum ersten Mal einen Menschen.

    Er war nahe herangekommen, schwang sein Tomahawk, um mich auf dem Wagen zurückzudrängen. Dann streckte er die Hand aus, wollte das Gestänge ergreifen, über das die Plane gespannt war, um sich auf den Schoner zu schwingen. Ich hielt Pa’s alten 1851er Navy-Colt in der Hand und drückte den Abzug. Es gab einen Blitz und ein gewaltiges Krachen. Der Rückstoß war furchtbar, mir tat das Handgelenk so sehr weh, dass ich den Colt beinahe fallengelassen hätte.

    Ich sah, wie auf seiner Brust ein Loch entstanden war, aus dem stoßweiße Blut auf die Mähne seines Mustangs spritzte.

    Er zuckte nicht zusammen, zog nur die ausgestreckte Hand langsam zurück. Blickte zu mir hoch, mir direkt in die Augen, ein junger Bursche von vielleicht zwanzig Jahren. Er wusste, was geschehen war. Ich wusste es auch. Wir beide wussten, dass es unumkehrbar war. Was jetzt folgte, musste mit aller Bitterkeit ertragen werden – von ihm wie von mir. Es gab keine Hoffnung, keinen Rückzug mehr.

    Plötzlich war in meinen Ohren ein Rauschen, das alle anderen Geräusche ausblendete. Ich bekam nicht mit, wie wir weiterjagten, über Steine und Unebenheiten holpernd.

    Der Indianer blieb mehr und mehr zurück. Im wehenden Staub sah ich, wie sein Tier stehenblieb. Viele Sekunden lang hielt er sich auf dem Pferderücken, versuchte, die Balance zu halten. Ich war wie versteinert, konnte den Blick nicht von ihm nehmen.

    Dann kippte er um.

    Mit dem Oberkörper prallte er auf den harten Wüstenboden.

    Ich war so gelähmt, dass mich ein anderer Krieger beinahe erwischt hätte. Will schlug mir mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf und schrie etwas, und es war, als erwachte ich aus einer Trance.

    Ich begriff, dass ich es mir nicht leisten konnte, mich meinen Gefühlen hinzugeben, mochten sie noch so furchtbar, noch so gewaltig sein. Nicht jetzt, wo uns die Indianer immer heftiger bedrängten.

    Ich hob die schmerzende Hand und feuerte. Die ganze Trommel leerte ich in die angreifenden Indianer hinein. Will tat dasselbe mit der Winchester. Danach ergriff ich Jakes Henry Rifle und legte bereits erneut an, als sich der Abstand zwischen ihnen und uns plötzlich vergrößerte.

    Sie ließen sich zurückfallen.

    »Die haben genug!«, brüllte Will. Er jagte eine letzte Kugel in ihre Richtung, traf jedoch keinen mehr.

    In einem Kampf um Leben und Tod hatten wir den Sieg errungen, aber in uns war keine Freude. Eine gewaltige Aufregung hatte uns gepackt. Wir waren nicht mehr in der Lage, weiterzufahren. Deshalb fuhren wir noch zwei Meilen, dann suchten wir uns einen Lagerplatz, der gut verteidigt werden konnte.

    Ich zitterte, als ich vom Wagen stieg.

    »Der Kleine war heute ein richtiger Held«, meinte Will. Er hielt mir die Steinflasche mit dem Whisky hin, von der normalerweise nur er und Jake nehmen durften.

    Bislang war mir das Getränk streng verboten gewesen. Ich war ja der Jüngste der Brüder, gerade erst siebzehn Jahre alt, während Jake fünf und Will acht Jahre älter waren. Wären unsere anderen Brüder und Schwestern nicht bereits im Säuglingsalter gestorben, hätten wir noch sieben weitere Geschwister. So aber waren wir nur drei.

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