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Wo der Wind weht: Geschichten aus der Neuen Welt von Boston bis New Orleans
Wo der Wind weht: Geschichten aus der Neuen Welt von Boston bis New Orleans
Wo der Wind weht: Geschichten aus der Neuen Welt von Boston bis New Orleans
eBook366 Seiten4 Stunden

Wo der Wind weht: Geschichten aus der Neuen Welt von Boston bis New Orleans

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Über dieses E-Book

Handfest, kauzig, schillernd, herzhaft, ursprünglich, umwerfend, versponnen, fantastisch, abenteuerlich sind diese Geschichten, Sagen, Märchen, Lieder und Anekdoten aus den Anfängen der amerikanischen Folklore. Aus allen Ecken der Alten Welt brachten die Einwanderer ihr Volksgut mit: englisches und französisches vermischte sich mit indianischem, ebenso holländisches, deutsches, irisches, norwegisches. Am Lagerfeuer, in den Hütten, auf langen Ritten durch neues Land wurden Geschichten erzählt, prahlte jemand mit seinen Taten, sang jemand ein Lied. Nur die eindruckvollsten Geschichten überlebten. Denn Bücher und Zeitungen gab es damals kaum im noch dünn besiedelten Osten und Süden. Erst später wurde aufgeschrieben, was von Interesse war. Daraus entstand die amerikanische Folklore, später der Blues, die Rockmusik, die Geschichten für Hollywood und vieles als Quelle der heutigen, amerikanische Popularkultur.

Frederik Hetman hat sich in fünfzehnjähriger Arbeit zu diesen Quellen vorgearbeitet. Er hat in Staatsbibliotheken und tief in der Provinz gesucht, hat aus Büchern herausgepickt, von Kalenderblättern, Postillen, Zeitungen abgeschrieben, fotokopiert, notiert, auf Tonband festgehalten, gesammelt, archiviert, gegliedert und übersetzt, um dieses zweibändige Werk vorlegen zu können. So reihen sich Geschichten, Schwänke, Sagen, Lieder, Märchen und Anekdoten von Yankees, Hinterwäldlern, Sklaven, Abenteurern, Indianern und Piraten aneinander und formen sich, ausgestattet mit Illustrationen des bekannten Buchkünstlers Günther Stiller, beim Lesen und Betrachten neu zu einer Landkarte der Fantasie der alten Neuen Welt.
SpracheDeutsch
HerausgeberFuego
Erscheinungsdatum15. März 2019
ISBN9783862871360
Wo der Wind weht: Geschichten aus der Neuen Welt von Boston bis New Orleans

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    Buchvorschau

    Wo der Wind weht - Frederik Hetmann

    Coverbild

    Frederik Hetmann

    WOHIN DER WIND WEHT

    Geschichten aus der Neuen Welt von Boston bis New Orleans
    Mit Bildern von Günther Stiller
    FUEGO

    - Über dieses Buch -

    Handfest, kauzig, schillernd, herzhaft, ursprünglich, umwerfend, versponnen, fantastisch, abenteuerlich sind diese Geschichten, Sagen, Märchen, Lieder und Anekdoten aus den Anfängen der amerikanischen Folklore. Aus allen Ecken der Alten Welt brachten die Einwanderer ihr Volksgut mit: englisches und französisches vermischte sich mit indianischem, ebenso holländisches, deutsches, irisches, norwegisches. Am Lagerfeuer, in den Hütten, auf langen Ritten durch neues Land wurden Geschichten erzählt, prahlte jemand mit seinen Taten, sang jemand ein Lied. Nur die eindruckvollsten Geschichten überlebten. Denn Bücher und Zeitungen gab es damals kaum im noch dünn besiedelten Osten und Süden. Erst später wurde aufgeschrieben, was von Interesse war. Daraus entstand die amerikanische Folklore, später der Blues, die Rockmusik, die Geschichten für Hollywood und vieles als Quelle der heutigen, amerikanische Popularkultur.

    Frederik Hetman hat sich in fünfzehnjähriger Arbeit zu diesen Quellen vorgearbeitet. Er hat in Staatsbibliotheken und tief in der Provinz gesucht, hat aus Büchern herausgepickt, von Kalenderblättern, Postillen, Zeitungen abgeschrieben, fotokopiert, notiert, auf Tonband festgehalten, gesammelt, archiviert, gegliedert und übersetzt, um dieses zweibändige Werk vorlegen zu können. So reihen sich Geschichten, Schwänke, Sagen, Lieder, Märchen und Anekdoten von Yankees, Hinterwäldlern, Sklaven, Abenteurern, Indianern und Piraten aneinander und formen sich, ausgestattet mit Illustrationen des bekannten Buchkünstlers Günther Stiller, beim Lesen und Betrachten neu zu einer Landkarte der Fantasie der alten Neuen Welt.

    Für Nor in Liebe

    nach fünfzehn Jahren

    abermals

    Carl Sandburg – The People, Yes

    Do tell!

    I want to know!

    You don't say so!

    For the land's sake!

    Gosh, all fish hooks!

    Tell me some more.

    I don't believe a word you say, but I love to listen …

    Nun erzähle!

    Ich will es wissen!

    Was du nicht sagst!

    Um des Landes Willen.

    Herrje, all die alten Fischköder!

    Erzähl mir noch weiter.

    Ich glaube kein Wort von dem, was du sagst,

    aber ich höre so gerne zu …

    FotoFoto

    Vorstrophe: Der Osten

    »Ein Yankee wurde einmal gefragt, was er als die Grenzen der Vereinigten Staaten ansehe. ›Die Grenzen unseres Landes, Herr?‹, meinte er, ›nun, Herr, im Norden ist es das Nordlicht, im Osten ist es die aufgehende Sonne, im Süden ist es die Prozession der Wirbelstürme, und im Westen ist es der Tag des Jüngsten Gerichts‹.« (Folklore aus dem Osten)

    Was ich mir vorstelle, ist dies: einen Flickenteppich aus Geschichten zu nähen, und schließlich wird daraus eine Landkarte der Phantasie.

    Der Osten, das war und das ist das Land der Yankees. Jankins nannten die frühen holländischen Kolonisten an der Mündung des Hudson ihre englischen Nachbarn weiter oben im Norden.

    Die Puritaner, die aus der Alten Welt nach Neu-England gekommen waren, griffen diesen Namen auf. Er wurde gewissermaßen zu einer Handelsmarke. Nach dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg breitete sich dieser Name aus. Güter trugen ihn in alle Gegenden der Nation und in die weite Welt. 1825 drangen ganze Wellen auswandernder Yankees über den Erie-Barge-Kanal quer durch den nördlichen Teil des Staates New York in den Mittelwesten vor.

    Mit dem Yankee-Pioneer, dem Yankee-Händler wanderten die Lebensgewohnheiten, die Sitten, die Wertmaßstäbe der Yankees … und ihre Geschichten und Lieder.

    Die Yankee-Geschichtenerzähler ließen keinen Zweifel daran, dass sie einem schlauen, hart arbeitenden, zähen, gottesfürchtigen Menschenschlag angehörten. Ein echter scharfer Yankee nahm es mit dem Teufel selbst auf.

    Das galt natürlich auch im übertragenen Sinn: keine Strapaze, keine Anstrengung, kein Abenteuer, dem ein Yankee nicht gewachsen gewesen wäre. Wer die Überfahrt aus der Alten in die Neue Welt heil überstanden hatte, wer in den ersten Wintern in den Kolonien nicht vor Hunger oder Erschöpfung gestorben war, der hatte eine Wasser- und Feuerprobe hinter sich, war nicht mehr so leicht unterzukriegen, hatte seinen Einfallsreichtum erwiesen und ein ausgeprägtes Selbstgefühl entwickelt. Er war zu einem Yankee geworden.

    Und diese Männer und Frauen waren sehr unterschiedlicher nationaler Herkunft: Sie waren Bergleute aus Schottland und Wales, Deutsche aus der Pfalz und aus Hessen, irische Arbeiter, die den Eriekanal gebaut hatten und nun die Schienenstränge weiter nach Westen verlegten, es waren Frankokanadier, die in den Holzfällerlagern in den großen Wäldern an der Nordgrenze Neu-Englands arbeiteten, Seeleute aus Massachusetts, die mit den Klipperschiffen bis nach China gekommen waren oder auf einem Walfänger bis ins ewige Eis der Antarktis oder auf eine Südseeinsel.

    Natürlich waren das Abenteuer der Überfahrt und die Naturwunder der Neuen Welt erster Anstoß zum Geschichtenerzählen. Aber bald stellte sich heraus: Geister, Gespenster, Dämonen, Teufel und Hexen – man könnte auch sagen: Schuldgefühle, Ängste, Todesfurcht, Neid und Herrschsucht – waren mit über das Meer gefahren.

    Gegen Ende des 17. Jahrhunderts rief der puritanische Pfarrer und Geschichtsschreiber Cotton Mather in Neu-England aus: »Gehet hin und verkündet der Menschheit, dass da sind Teufel und Hexen.« Mit der Vorstellung, dass die Mächte des Bösen den Menschen ständig umschleichen und belauern, versuchen und verlocken, erzählten die Puritaner Neu-Englands ihre Geschichten.

    Aber hie und da kam es auch vor, dass einer der frühen Kolonisten eine Geschichte der Indianer hörte und verstand. Hie und da wurde jenes seltsame Gefühl, aus Zeit und Raum gefallen zu sein, zum Gegenstand einer eigenen, einer amerikanischen Geschichte.

    Und die Geschichte der Neuen Welt selbst begann nun, Vorlagen für Sagen und Legenden zu liefern: die Indianerkriege, Kriege zwischen Engländern und Franzosen, die Seeräuber vor den Küsten, was auf der Jagd geschah, wie es hinter dem nächsten Wald, dem nächsten hohen Berg aussah, Gedanken darüber, was das Recht jedes Menschen sei.

    Die Yankees erzählten nüchtern, mit einem trockenen Humor. Sie waren aus auf Tatsachen. Für die lyrische Nuance, für ausschweifende Phantasie hatten sie wenig Sinn. Das tägliche Leben mit seinen Abenteuern und Anstrengungen war phantastisch genug. Was sie besonders gern hörten, waren Berichte von schweren Reisen, von harter Arbeit, mit der man endlich doch fertig geworden war. »So ist es tatsächlich gewesen« oder »dieses Lied ist gediegen wie Stahl«: das waren Komplimente, die man einer guten Geschichte, einer guten Ballade machte. Klar, deutlich, ohne zu stocken, ohne Schnörkel, so sollte eine Geschichte vorangehen.

    Die Yankees brachten in die amerikanische Folklore die realistische Tradition ein. Der arbeitende Mensch war der Held dieser Geschichten. Sarkasmus ist die Tonart der Yankees. »Wenn sie die Wahl hatten«, schreibt Josh Billings, »dann zogen sie immer noch Terpentin dem Kölnisch Wasser vor.« Bezeichnend ist hier die Geschichte vom Captain Plowjigger aus Maine. Der alte Seebär hatte gerade seine vierte Frau zu Grabe tragen müssen, als ein Freund, der vom Hinscheiden der vierten noch nichts gehört hatte, sich bei ihm erkundigte, wie es denn seiner Frau gehe. »Nun«, sagte der Kapitän ungerührt, »im Augenblick sind mir die Frauen gewissermaßen ausgegangen.«

    Foto

    Der Anfang der Welt

    Eine Geschichte der Huronen und Irokesen

    Diese Schöpfungsgeschichte der Indianer wurde 1874 nördlich des Erie-Sees von einem Unterhäuptling der Huronen, der zu dieser Zeit etwa fünfundsiebzig Jahre alt war, erzählt. Sie stellt wahrscheinlich die Niederschrift des ältesten Schöpfungsberichts von nordamerikanischen Indianern überhaupt dar.

    Da der Erzähler die Geschichte selbst schon von den Alten seines Stammes in seiner Jugend gehört hatte, wird sie in dieser oder ähnlicher Form schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts, vielleicht sogar noch früher bei den Indianern erzählt worden sein.

    Auf jeden Fall waren dies Zeiten, als die Zivilisation der Weißen die Sitten und Gebräuche und die Vorstellungen der Wendat noch nicht beeinflusst hatte. Wendat ist der indianische Name dieses Stammes, Huronen der Spitzname, den diese Indianer von den Franzosen erhielten. Im Englischen wurde aus dem indianischen Stammesnamen die Bezeichnung »Wyandot«.

    Im Anfang war nichts als Wasser, nichts als eine weite, weite See. Die einzigen Wesen, die es damals schon auf der Welt gab, waren die Tiere. Sie lebten in oder auf dem Wasser.

    Dann fiel eine Frau vom Himmel, eine heilige Person. Zwei Tauchervögel flogen über das Wasser hin, sahen sich um und bemerkten, wie sie herabfiel. Rasch schoben sie sich unter sie und bildeten mit ihren Leibern ein Kissen, auf dem sie ruhte. So retteten sie sie vor dem Ertrinken. Während sie sie so in der Schwebe hielten, riefen sie mit lauter Stimme die anderen Tiere um Hilfe. Nun kann man den Ruf der Taucher auf dem Wasser weithin hören, und so kamen die anderen Geschöpfe rasch herbei.

    Als die Große Schildkröte hörte, was geschehen war, trat sie in der Ratsversammlung vor und sagte:

    »Überlasst die Frau nur mir. Legt sie auf meinen Rücken. Mein Rücken ist breit.«

    So wurden die Taucher ihre Last los.

    Dann berieten die Tiere, was geschehen solle, um das Leben der Frau zu retten. Um zu leben, brauche sie eine Erde, meinten sie.

    Die Große Schildkröte hieß die anderen Tiere eines nach dem anderen auf den Meeresboden hinabtauchen und etwas Erde heraufholen. Der Biber, die Bisamratte, die Wasservögel – sie alle halfen mit. Einige von ihnen blieben so lange unten, dass die anderen schon fürchteten, sie seien ertrunken.

    Die Große Schildkröte sah allen ins Maul und konnte bei keinem auch nur eine Spur Erde finden. Zum Schluss tauchte die Kröte.

    Nach langer Zeit und erschöpft vom langen Tauchen kam sie schließlich wieder herauf. In ihrem Maul nun fand die Große Schildkröte etwas Erde, und sie gab diese Erde der Frau.

    Die Frau nahm sie und streute sie vorsichtig rings um den Panzer der Großen Schildkröte. So entstand das trockene Land. Nach allen Seiten hin wurde das Land größer und größer, und schließlich begannen auf dem Land auch Bäume und Pflanzen zu wachsen. All dies trug die Große Schildkröte auf ihrem Rücken, und so ist es auch noch heute.

    Nach einiger Zeit brachte die Frau Zwillinge zur Welt. Die beiden Kinder waren sehr verschieden. Noch ehe sie geboren wurden, schlugen und stritten sie sich im Leib der Mutter. Die Mutter hörte den einen sagen, ihm sei es recht, wenn er auf die normale Art und Weise zur Welt komme, und so geschah es. Der andere aber brach aus der Seite der Frau hervor und tötete seine Mutter dabei.

    Die Frau wurde in der Erde begraben, und aus ihrem Körper wuchsen Pflanzen, jene Pflanzen, die die Menschen auf der neu erschaffenen Erde zu ihrem Lebensunterhalt brauchen würden.

    Aus dem Kopf der Frau wuchs eine Kürbisranke, aus ihren Brüsten der Mais und aus ihren Armen und Beinen die Bohne.

    Die Zwillinge waren nicht etwa Menschen. Sie waren übernatürliche Wesen. Ihnen war aufgetragen, die Erde als Heimat der Menschen vorzubereiten.

    Als sie aufwuchsen, stellte sich heraus, dass sie in allem sehr verschieden waren. Als sie nun merkten, dass sie zusammen nicht leben konnten, gingen sie ihrer Wege, und jeder von ihnen nahm einen Teil des Landes. Zuerst schufen sie die verschiedenen Arten von Tieren.

    Der Böse Bruder, dessen Name soviel wie »Feuerstein« bedeutet, schuf die wilden Tiere, die die Menschen in Schrecken versetzen und sie verschlingen. Er schuf die Schlangen, die Panther, die Wölfe, die Bären und Moskitos, die so groß waren wie heutzutage die Truthühner. Und er schuf auch eine riesige Kröte, die alles Wasser auf der Erde aufleckte.

    Der Gute Bruder schuf die nützlichen Tiere – den Hund, das Reh, den Elch, den Büffel und viele Vögel, darunter auch das Rebhuhn. Sehr zum Erstaunen des Guten Bruders flatterte das Rebhuhn auf und flog in das Land des Bösen. »Wo willst du denn hin?« fragte der Gute Bruder.

    »Ich schaue mich nach Wasser um«, antwortete das Rebhuhn. »Im Land des Feuersteins soll es welches geben.«

    Der Gute Bruder folgte dem Rebhuhn und erreichte bald das Land des Bösen. Hier stieß er auf die riesigen Schlangen, die wilden Tiere und die gewaltigen Insekten, die sein Bruder geschaffen hatte. Der Gute überwand sie. Er vermochte sie nicht zu vernichten, aber er machte sie kleiner, weniger wild, so dass die Menschen ihrer Herr werden konnten.

    Dann kam er zu der riesigen Kröte. Er schnitt ihr den Bauch auf und ließ das Wasser auf das Land laufen. So bildeten sich die Flüsse.

    Der Gute schlug vor, jeder Fluss solle zwei Strömungen haben, die eine flussauf, die andere flussab, damit die Menschen auch stromaufwärts fahren könnten. »Das ist nicht so gut für die Menschen«, sagte der Böse Bruder, »es wird ihnen nichts schaden, wenn sie sich etwas anstrengen müssen.«

    Also machte er, dass die Flüsse nur in einer Richtung fließen. Und um das Paddeln in einem Kanu noch gefährlicher zu machen, schuf er die Wasserfälle und die Strudel.

    In einem Traum erschien dem Guten der Geist seiner Mutter und warnte ihn vor dem Bösen.

    Als die Zwillinge feststellten, dass sie sich wieder einmal nicht einigen konnten, beschlossen sie, ein Duell auszutragen. Der Sieger sollte der Herr der Welt sein. Sie kamen auch überein, dass jeder die Waffe bestimmen solle, die ihm selbst den Tod bringe.

    »Ich kann nur vernichtet werden«, sagte der Gute Bruder, »wenn man mich mit einem Sack Bohnen oder Mais schlägt.«

    »Ich kann nur vernichtet werden«, sagte der Böse, »wenn man mich mit dem Geweih eines Rehbocks oder dem Horn eines anderen Tieres tötet.«

    Dann bestimmten sie einen Kampfplatz, und der Böse begann den Kampf. Er schlug auf den Bruder mit einem Sack Bohnen ein, jagte ihn umher, bis er endlich leblos zu Boden sank. Aber der Geist der Mutter hauchte ihm wieder Leben ein, und er gewann seine alte Stärke wieder.

    Dann griff der Gute nach dem Rehbockgeweih, verfolgte seinen Bruder und tötete ihn.

    Nach seinem Tod erschien der Böse seinem Bruder und sprach:

    »Ich gehe jetzt weit in den Westen. Hernach werden alle Menschen nach ihrem Tod in den Westen gehen.« Und bis die christlichen Missionare kamen, flogen die Geister der toten Indianer in den fernen Westen und lebten dort.

    Die Tuscaroras, einer der sechs Stämme aus der irokesischen Liga der Nationen, kennen eine interessante Erweiterung zu dieser Schöpfungsgeschichte, die unter den Indianern der Irokesenfamilie verbreitet ist. Die Tuscaroras lebten an den Ufern des Roanoke-River in North Carolina im Südosten der heutigen Vereinigten Staaten, als die ersten Kolonisten in diese Gegend kamen.

    Nach dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1783) schickte man diesen und andere irokesische Stämme, die zu den Engländern gehalten hatten, in eine Reservation am Grand-River in Ontario. Nach ihrer eigenen Überlieferung aber haben die Tuscaroras Jahrhunderte zuvor am St.-Lorenz-Strom gelebt, der in ihrer Sprache »Kanawage« heißt.

    Nach der Erschaffung der Welt, der Pflanzen und der Tiere beschloss der Himmelshalter, Menschen zu schaffen, damit sie auf Erden leben und sich der Dinge erfreuen sollten, die er geschaffen hatte. Die Menschen sollten stärker, tapferer und schöner sein als alles, was er zuvor gemacht hatte.

    Also brachte der Himmelshalter von der Großen Insel, wo sie sich von Maulwürfen ernährt hatten, sechs Paare mit. Und sie waren die Vorfahren aller Menschen. Das erste Paar blieb an einem großen Fluss. Seine Kinder und Kindeskinder wurden bekannt unter dem Namen Mohawks.

    Das zweite Paar sollte neben einem großen Stein wohnen. Ihre Nachkommen waren die Oneidas. Das Wort Oneida bedeutet »aufrechter Stein«.

    Das dritte Paar nahm seine Wohnung im Gebirge und hieß Onondaga, von ihm stammen die Onondagas ab.

    Das vierte Paar wurde angewiesen, neben jenem See zu wohnen, aus dessen Wasser ein Gebirge aufsteigt. Ihr Familienname lautete »eine große Pfeife«. Später wurden sie als die Cayugas bekannt.

    Das nächste Paar zog in die Nähe eines Hügels an einem anderen See. Sein indianischer Name besagte so viel wie: Jene, die die Tür besitzen. Das waren die Senecas.

    Das sechste Paar schließlich waren die Vorfahren der Tuscaroras. Sie wurden vom Himmelshalter weiter nach Süden geführt, gegen den Mittagsstand der Sonne hin, bis sie an das Ufer eines großen Wassers kamen, an eine Flussmündung. Dort hieß sie der Himmelshalter sich niederlassen. Er blieb eine Weile bei ihnen. Er zeigte ihnen, wie man mit Pfeil und Bogen umgeht. Er lehrte sie nützliche Fertigkeiten und Künste. Und darum sind die Tuscaroras die Auserwählten des Himmelshalters.

    Die Onondagas meinten, sie seien das auserwählte Volk, weil ihnen das Ratsfeuer anvertraut worden war.

    Jeder der vier anderen Nationen aber hatte auch einen Grund, sich für den Stamm zu halten, den der Himmelshalter besonders liebte.

    Als die sechs Paare noch auf der Großen Insel lebten, redeten alle eine Sprache. Später, als sie sich trennten und diese oder jene Gegend ihre Heimat wurde, änderte jede Nation die irokesische Sprache ein wenig ab. Aber die Veränderungen waren nicht allzu groß, immer noch konnten Menschen aus den verschiedenen Nationen einander verstehen.

    Jahre später, als die Nachfahren der sechs Paare verstreut wurden, gab es in der Gegend, in der einige von ihnen lebten, viele Bären. Also nannten diese sich »Bärenklan«. In der Heimat anderer gab es viele Biber, und diese Menschen nannten sich Angehörige des Biberklans. Nur die Geschichte des Schildkrötenklans ist nicht ganz so einfach.

    Während eines besonders heißen Sommers trocknete der Teich, in dem die Schildkröten lebten, aus. Also mussten sich die Tiere nach einer neuen Heimat umsehen. Eine der Schildkröten, ein fettes Tier, war einen so weiten Weg nicht gewohnt. Um sich Erleichterung zu verschaffen, warf sie den Panzer ab. Mit der Zeit änderte sich ihr Aussehen, mehr und noch mehr, bis endlich aus der fetten, faulen Schildkröte ein Mensch geworden war, der Vorfahr des Schildkrötenklans.

    Eine Reise nach Virginia im Jahre 1649

    Viele jener Menschen, die in die Neue Welt fuhren, flohen vor der Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen. Insofern ist die Ausgangssituation bei Henry Norwood, dem Autor der folgenden Aufzeichnung, eigentlich beispielhaft für viele andere mehr, die Europa verließen und nach Amerika gingen. Norwood war überzeugter Royalist und unterstützte während des Bürgerkrieges in England zwischen dem König und der Parlamentspartei Charles I. Als der König besiegt wurde, ging Norwood in die Neue Welt. Später kehrte er nach England zurück und beteiligte sich dort an einer Verschwörung, die das Ziel hatte, den Sohn Charles I. auf den englischen Thron zu bringen. Das Unternehmen schlug fehl, und Norwood verbrachte die Jahre zwischen 1655 und 1659 als Staatsgefangener im Tower zu London. Mit der Wiederaufrichtung des Königtums durch Charles II. wendete sich für Norwood das Blatt. Für den Rest seines Lebens hatte er ausgesorgt.

    Im August Anno 1649 traf ich mich mit zwei Kameraden, Major Francis Morrison und Major Richard Fox, in London, und wir überlegten uns, ob wir nicht nach Virginia reisen und dort unser Glück versuchen sollten.

    In unseren Plänen wurden wir durch die Veränderungen, die im Staate vor sich gingen, nur noch bestärkt. Es wurde immer schlimmer. Waren wir schon über das ganz verzweifelt gewesen, was man der Person unseres Königs auf der Isle of Wight angetan hatte, so überkam uns nach der Nachricht von seiner Hinrichtung im Palast von Whitehall Angst und Schrecken …

    Die traurigen Umstände entmutigten die Anhänger der Royalisten, die entschlossen gewesen waren, den Prinzipien, für die sie gekämpft hatten, treu zu bleiben, so sehr, dass eine beträchtliche Anzahl von Adligen, Geistlichen und Landadligen beschlossen, ihr Heimatland zu verlassen.

    Es wollte ihnen vorkommen, als werde es ihnen überall sonst besser gehen als in England.

    Doch nun zu meiner Geschichte:

    Am 1. September Anno 1649 machten wir in der Königlichen Börse die Bekanntschaft von Kapitän John Locker, dessen Plakat an einem der Pfosten uns aufgefallen war. Er war Herr über ein gutes Schiff – dass es zu Unrecht so genannt wurde, stellte sich erst später heraus – die Virginia Merchant, die 300 Tonnen Fracht laden konnte und mit mehr als 30 Kanonen bestückt war. Es dauerte nicht lange, da waren wir uns mit dem Kapitän darüber handelseinig, dass er gegen die Zahlung von 6 Pfund pro Kopf uns und unsere Diener zur Mündung des James-River (in Virginia) bringen werde. Für unser Gepäck zahlten wir die übliche Rate.

    Am 15. September sollten wir uns in Garvesend an Bord einfinden, wo der Kapitän mit den Kaufleuten abrechnete und wir auch unsere Passage bezahlen sollten. Nachdem das geschehen war, blieben wir aber nicht auf dem Schiff, sondern nahmen die Post bis Downs, wo wir mit einiger Ungeduld auf sein Kommen warteten. Endlich, am 16. dieses Monats, sahen wir die ganze Flotte unter Segel bei Südwestwind kommen. Aber dann ankerten die Schiffe wieder. Wir kamen und kamen nicht fort. Wir hatten schon fast all unser Geld ausgegeben.

    Am 23. September schlug der Wind um und blies nun aus Osten. Durch Signale und Schüsse gab man uns zu verstehen, wir sollten an Bord kommen.

    Die frische Brise hielt für drei Tage an, und wir fuhren durch den Kanal.

    Nach diesem günstigen Anfang segelten wir für ungefähr zwanzig Tage mit dem Ziel, die Inseln im Westen (Madeira) zu erreichen. Um diese Zeit begann der Küfer zu klagen, die Wasservorräte gingen zur Neige. Wir hatten gerade noch so viel, um unsere große Familie – es waren an die 330 Seelen an Bord – für einen Monat zu versorgen.

    dass das Wasser so rasch knapp wurde, machte unserem Kapitän Kummer, und er beriet sich mit den Offizieren, was dagegen zu unternehmen sei.

    Wir befanden uns nun – nach Aussagen aller, die etwas davon verstanden, – sehr nahe der westlichen Inseln. Funchal würde wahrscheinlich als erstes in Sicht kommen, und der Kapitän beschloss, dort anzulegen, um unsere Wasservorräte zu ergänzen, zumal es dort einen für diesen Zweck gut geeigneten Hafen gab. Dies war eine gute Nachricht für die Passagiere, die sich immer freuen, wenn Land in Sicht kommt.

    Bei Tagesanbruch des 14. Oktober zeigte sich uns die Bergspitze dieser Insel, der höchste ins Auge fallende Punkt unter den Landmarken, die ich je Matrosen habe erwähnen hören, vielleicht mit Ausnahme von Teneriffa.

    Wir hielten direkt auf den Hafen zu und orientierten uns an dem Berg, der sich ungefähr eine Meile östlich der Stadt erhebt.

    Wir grüßten zum schloss, und man antwortete uns, und Kapitän John Tatam, unser Landsmann, tat desgleichen an Bord seines guten Schiffes John. Er war eben aus Brasilien zurückgekehrt, stand im Dienst des Königs von Portugal und fuhr mit reicher Fracht nach Portugal zurück. Auf seinem Schiff befand sich als Passagier auch eine vornehme Dame.

    Die englischen

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