Braddock - Wenn das Gesetz versagt
Von Logan Kenison
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Über dieses E-Book
"Wer … wer bist du?", murmelt der tödlich Verwundete. "Warum … bist du hinter uns her?"
Braddock sagt nichts. Sieht nur auf den Mann hinab.
"Wer…?"
Ein langer Atemzug entfährt ihm, dann hört seine Brust auf, sich zu heben und zu senken.
Er ist tot.
"Ich bin Braddock", sagt der nächtliche Besucher. "Wenn das Gesetz versagt, ruft man mich."
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Buchvorschau
Braddock - Wenn das Gesetz versagt - Logan Kenison
05/2019
Copyright dieser Ausgabe: 2020 by Logan Kenison
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Autors.
Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode Keine Chance für Ed Payson
(Orig.: Broken Ballad
, USA, 1961) der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.fernsehjuwelen.de
logan.kenison@gmx.de
Braddock – Wenn das Gesetz versagt
Westernroman von Logan Kenison
ALS BRADDOCK ans Lagerfeuer der zwei abgerissenen Gestalten tritt, ist er hellwach.
Er ist nicht nach der neuesten Mode gekleidet, seine Ausstattung hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, zudem ist sie von dem langen Ritt staubbedeckt, und bestimmt riecht inzwischen alles stark nach Schweiß. Er war diesen Männern den ganzen Nachmittag über gefolgt, hatte gewartet, bis sie weit genug in die Wildnis hinausgeritten waren. Hier sieht sie niemand, hier hört sie niemand. Hier stört sie niemand, hier gibt es keine Zeugen.
Einer der Kerle schreit auf, als er im Feuerschein den Mann sieht, der vor wenigen Sekunden noch nicht dagewesen ist. Der andere, der eben noch an seiner Satteltasche herumgenestelt hat, blickt auf.
Ein Augenblick des Schreckens, ein Augenblick des Erkennens. Dann:
»Ach, du bist es.«
Ja, er ist es. Clay Braddock.
»Ich hab dich in der Stadt gesehen.«
»Yeah«, sagt Braddock. »Ich war dort.«
»Du warst bei der Verhandlung.«
»Sicher.«
»Du hast gehört, was der Richter gesagt hat.«
»Yeah.«
»Komisch, dass du denselben Weg hast wie wir.«
»Hab ich nicht«, sagt Braddock.
»Nun, wir sind hier, und du bist hier. Bist du etwa auf unserer Fährte geritten?«
»Sicher.«
»Dann willst du etwas von uns?«
Der Kerl war nun alarmiert. Er stellt sich hin, seine Rechte schwebt über dem Revolvergriff.
»Sag, willst du etwas von uns?«
Da fällt dem Mann auf, dass Braddock schon von Anfang an so dagestanden hat: Die Rechte in der Nähe des Revolvergriffs. Er wirkt nicht wie ein Mann, der an ein Lagerfeuer tritt, um nach einem Becher Kaffee und einem Schlafplatz zu fragen.
»Hey, Bill«, ruft der Mann seinem Kumpan zu. »Komm mal eben her. Dieser Fellow will etwas von uns.«
Plötzlich liegt eine eigenartige Spannung in der Luft. Auch der zweite Mann begreift, dass etwas vor sich geht, das ziemlich unangenehm werden kann. Er vergisst seine Satteltasche und alles, was er mit ihr hat anstellen wollen, und erhebt sich. Er tritt neben seinen Kumpan, und jetzt funkeln zwei Augenpaare Braddock an.
»Du willst uns also Ärger machen«, stellt der erste fest.
»Nope«, antwortet Braddock.
»Was dann? Warum schleichst du dich an unser Lager ran? Du wirkst nicht wie ein ehrlicher Weidereiter, der um Aufnahme an einem Lagerfeuer bittet.«
»Ich bitte um nichts.«
»Was willst du dann?«
»Ich bin gekommen, um mit euch abzurechnen.«
»Abzurechnen?« Der Mann heult auf wie ein getretener Hund. »Du verdammter Mistbock! Was haben wir dir getan?«
»Du willst es uns geben?«, sagt der andere. »Wir werden’s dir geben, Mister. Hau bloß ab! Wir schießen dich in Grund und Boden.«
»Bei dem dilettantischen Versuch, die Bank zu überfallen, habt ihr die Frau des Hufschmieds erschossen.«
»Unsinn. Das waren wir nicht. Hast du es nicht mitbekommen? In der Verhandlung ist uns das nicht nachgewiesen worden.«
»Das brauchte es nicht. Denn jetzt bin ich ja hier. Ihr werdet gegen mich ziehen. Wenn ihr mich besiegt, könnt ihr eures Weges ziehen.«
Der Mann legt seinem Freund die Hand auf den Arm. »Tu’s nicht!«, raunt er ihm zu, und zu Braddock sagt er:
»Und wenn nicht? Niemand auf der ganzen Welt kann uns zwingen, den Colt gegen dich zu ziehen. Du willst uns zu einem Duell zwingen. Weil das Gesetz uns nicht verurteilt hat, willst du uns erschießen.«
»Es trifft keine Unschuldigen«, sagt Braddock. »Ihr seid zwei dreckige Mörder.«
»Was, wie ich schon sagte, niemals bewiesen wurde.«
»Es braucht keine Beweise mehr. Das ist jetzt eine Sache zwischen euch und mir. Zieht!«
Immer noch hindert der eine seinen Kumpel daran.
»Halt! Lass es. Tu es nicht. – Zuerst, Fremder, möchte ich wissen, warum du das tust. Was hast du mit dieser Frau zu tun? Dieser Frau des Hufschmieds?«
»Nichts.«
»Na also. Ich dachte schon für einen Moment, du wärst ihr Sohn oder ihr Enkel oder sonst irgendwas. Dir kann es doch ganz egal sein, ob die Alte lebt oder nicht. Wir haben keinen Streit miteinander.«
»Irrtum, Freundchen. Mr. Jeremias Swayle hat damit gerechnet, dass das Gericht euch freisprechen würde. Deshalb hat er mich gebeten, der Verhandlung beizuwohnen. Es kam, wie er befürchtet hatte, und jetzt bin ich an der Reihe.«
»Zum Teufel, das kann doch nicht wahr sein. Was glaubst du, wer du bist? Der Rächer der Enterbten?«
»Ich bin nur ein Kerl, der euch zu einem fairen Duell fordert. Dass ihr zu zweit seid, und ich allein, macht die Sache sogar mehr als fair.«
»Wir wollen uns aber nicht schießen!«, heult der eine auf. Angst steht in seinen Augen.
»Ihr wollt nicht? Ihr habt euch jedoch nie gefragt, was Mrs. Swayle gewollt hat. Bestimmt hat sie von euch keine Kugel in die Brust gewollt.«
»Dummes Geschwätz! Es gibt keine Beweise für solch eine Aussage, also waren wir es nicht.«
»Ihr wart es, und ich ziehe euch dafür zur Rechenschaft.«
Der eine verschränkt die Arme vor der Brust.
»So? Na, dann bin ich mal gespannt, wie du das fertigbringen willst. Ich jedenfalls werde nicht gegen dich ziehen, Mister!«
Sein Kamerad hingegen steht verängstigt und unschlüssig da. Er fragt sich, was sein Kumpel vorhat, andererseits, ob er damit Erfolg haben wird. Er traut der Sache nicht so ganz, denn seine Hand schwebt nach wie vor über dem Coltgriff.
Und was nun geschieht, ist so unerwartet, dass niemand damit gerechnet hat.
Clay Braddock zieht – und schießt. Er schießt dem Mann, der mit verschränkten Händen dasteht, in die Brust. Und noch bevor der Mann mit einem Ächzen am Boden aufschlägt, hat Braddock den Colt ins Holster zurückgeschoben.
Sein Kumpan verliert die Angst; Entsetzen macht sich in ihm breit.
»Das war Mord!«, schreit er, und geht bei seinem Freund auf die Knie. »Mord! Du hast ihn getötet. Purer, feiger, gemeiner Mord!«
Braddock sagt nichts. Er steht nur da, wartet, beobachtet. Wartet, bis die Emotionen in dem Outlaw den Siedepunkt erreicht haben. Dieser weiß nun, dass er durch Nichtstun nicht davonkommen wird. Er wird gegen diesen Fremden ziehen müssen, oder dieser wird ihn genauso kaltblütig abknallen wie seinen Freund … wie einen räudigen Hund.
Er springt auf die Beine und reißt die Waffe aus dem Holster.
In diesem Moment bellt schon der Colt des nächtlichen Besuchers wieder auf.
Der Outlaw hat ihn nicht ziehen sehen, so verteufelt schnell ist dieser Mann.
Die Kugel fährt ihm in die Brust, und mit einem Husten lässt er den Colt fallen. Während das Blut aus der Wunde seine Hemdbrust rötet, taumelt er einige Schritte zurück, wendet sich ab. Geht zu seiner Satteltasche. Er kniet vor ihr nieder und beginnt, den Riemen zu lösen. Er murmelt ein paar unverständliche Sätze, dann kippt er wortlos zur Seite.
Braddock tritt vor ihn. Wie ein Racheengel sieht er aus, angeleuchtet vom flackernden roten Licht des Lagerfeuers, die Waffe noch in der Hand. Er steckt sie ins Holster zurück.
»Wer … wer bist du?«, murmelt der tödlich Verwundete. »Warum … bist du hinter uns her?«
Braddock sagt nichts. Sieht nur auf den Mann hinab.
»Wer…?«
Ein langer Atemzug entfährt ihm, dann hört seine Brust auf, sich zu heben und zu senken.
Er ist tot.
»Ich bin Braddock«, sagt der nächtliche Besucher. »Wenn das Gesetz versagt, ruft man mich.«
*
BRADDOCK REITET am Nachmittag des nächsten Tages in Sunnyvale ein. Kaum jemand beachtet ihn. Er war ein paar Tage zuvor hier angekommen, war dann gegangen, wiedergekommen, gegangen … jetzt kommt er wieder. Wen interessiert’s?
Er hat ein Zimmer bei Mrs. Chantal Haillet gemietet, und dort möchte er die Nacht verbringen. In herrlich duftender Bettwäsche, auf weichen Daunenfedern. Doch zuvor hat er noch einiges zu tun.
Er geht zum Mietstall und bringt sein Pferd unter. Er wirft dem Stallburschen, einem 14-jährigen, sommersprossigen Jungen, ein 25-Cent-Stück zu, dann steuert er die Werkstatt des Hufschmieds an.
Jeremias Swayle ist am Amboss tätig. Man hört die klirrenden Hammerschläge bis auf die Straße hinaus. Er ist ein 60-jähriger Mann, sein ganzes Leben lang an harte Arbeit gewöhnt, und so macht es ihm selbst in diesem Alter nichts aus, den Hammer zu schwingen.
Was er nicht gewöhnt ist, das war, dass Ganoven seiner Frau eine Kugel in die Brust jagten. Dieses Erlebnis war fast das Ende von Jeremias Swayle gewesen. Er brach zusammen, als er davon hörte, und hatte sich tagelang betrunken.
Jetzt hat er sich endlich wieder gefangen. Jetzt weiß er, dass das Leben weitergeht, und wie, das liegt allein an ihm. Ein wenig hat es auch damit zu tun, dass der Sheriff die beiden Burschen gefasst hat, die es getan haben. Leider hat Sheriff Gideon Bane nicht genügend Beweise beibringen können, sodass es nicht für eine Verurteilung gereicht hat.
Bane hatte es Jeremias Swayle schon einige Zeit vor der Verhandlung angekündigt, und so hat Swayle Zeit und Gelegenheit gehabt, nach einer anderen Lösung Ausschau zu halten.
Diese andere Lösung hieß Braddock. Swayle war nach Burkeley hinübergeritten und hatte mit Braddock gesprochen, und Braddock hatte sofort gewusst, was zu tun war.
Braddock war nach Sunnyvale gekommen, hat die Verhandlung mitverfolgt, und als der durchreisende Richter, der nur für diesen Anlass in die Stadt gekommen war, den Freispruch aus Mangel an Beweisen verkündet hat, hat Braddock mit seiner Arbeit begonnen.
Vor zwei