Kinderaugen betteln um Liebe: Sophienlust Extra 55 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Sophienlust Extra Nr. Was geschah mit der kleinen Cornelia? Majas Augen füllten sich mit Tränen, als sie durch die Räume des hübschen Einfamilienhauses am Stadtrand von Frankfurt schritt, um Abschied zu nehmen. Der Anblick der Koffer und Taschen in der Diele schnürte ihr die Kehle zu. Hatte sie die richtige Entscheidung getroffen, als sie Kais Bitten, sie in das Innere des brasilianischen Urwaldes zu begleiten, nachgegeben hatte? Natürlich interessierte sie als Archäologin diese Forschungsreise sehr. Aber sie bedeutete zugleich eine wochenlange Trennung von ihrer kleinen Tochter. Cornelia war noch nicht einmal fünf Jahre alt. Noch nie hatte Maja sich von ihrem Liebling für längere Zeit getrennt. Würde das Kinderheim Sophienlust wirklich so ideal sein, wie ihre Freundin behauptet hatte? Und Cornelia? Würde sie sich dort einleben? Sollte sie nicht doch lieber hierbleiben? Aber würde Kai Verständnis zeigen, wenn sie ihre gemeinsamen Pläne noch in der letzten Minute über den Haufen warf? Maja schüttelte den Kopf. Unmöglich, das durfte sie ihm nicht antun. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Höchste Zeit, dass sie losfuhren. Kai hatte schon am Nachmittag eine wichtige Verabredung in Hamburg. Sie hatten vor, von Sophienlust sofort weiterzufahren.
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Kinderaugen betteln um Liebe - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 55 –
Kinderaugen betteln um Liebe
Was geschah mit der kleinen Cornelia?
Gert Rothberg
Majas Augen füllten sich mit Tränen, als sie durch die Räume des hübschen Einfamilienhauses am Stadtrand von Frankfurt schritt, um Abschied zu nehmen.
Der Anblick der Koffer und Taschen in der Diele schnürte ihr die Kehle zu. Hatte sie die richtige Entscheidung getroffen, als sie Kais Bitten, sie in das Innere des brasilianischen Urwaldes zu begleiten, nachgegeben hatte? Natürlich interessierte sie als Archäologin diese Forschungsreise sehr. Aber sie bedeutete zugleich eine wochenlange Trennung von ihrer kleinen Tochter.
Cornelia war noch nicht einmal fünf Jahre alt.
Noch nie hatte Maja sich von ihrem Liebling für längere Zeit getrennt. Würde das Kinderheim Sophienlust wirklich so ideal sein, wie ihre Freundin behauptet hatte? Und Cornelia? Würde sie sich dort einleben?
Sollte sie nicht doch lieber hierbleiben? Aber würde Kai Verständnis zeigen, wenn sie ihre gemeinsamen Pläne noch in der letzten Minute über den Haufen warf?
Maja schüttelte den Kopf. Unmöglich, das durfte sie ihm nicht antun. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Höchste Zeit, dass sie losfuhren. Kai hatte schon am Nachmittag eine wichtige Verabredung in Hamburg. Sie hatten vor, von Sophienlust sofort weiterzufahren. Und morgen Vormittag würde dann ihre Maschine nach Brasilien starten. Die Arbeit, die dort auf sie wartete, war genau das, was Kai und sie selbst sich seit langem erträumt hatten. Nur der Abschied von Cornelia hinderte sie daran, sich auf die wochenlange Zusammenarbeit mit Kai zu freuen.
»Mutti! Mutti!«, rief da eine helle Kinderstimme. »Ich möchte aber mein Fahrrad mit in das Kinderheim nehmen!«
»Cornelia, wie stellst du dir das vor?«, fragte Maja lächelnd. »Wir haben keinen Platz mehr im Auto. All diese Koffer müssen in den Wagen. Aber in Sophienlust gibt es gewiss auch Kinderfahrräder.«
»Aber kein so schönes himmelblaues, Mutti«, meinte das reizende kleine Mädchen mit den auffallend großen dunklen Augen und den goldblonden Haaren. »Außerdem will ich nicht in ein Kinderheim. Warum kann ich denn nicht mit euch mitfahren?« Die Kinderlippen begannen verdächtig zu zucken.
»Cornelia, in Brasilien ist es viel zu gefährlich für ein so kleines hübsches Mädchen«, mischte sich nun Kai Dahmen ein, ein großer schlanker Mann mit hellen Haaren und dunklen Augen. Seine Tochter sah ihm verblüffend ähnlich.
»Gefährlich? Warum denn, Vati?«
»Es gibt dort noch Menschenfresser, die besonders gern kleine Mädchen verspeisen«, erwiderte er lachend.
»Oh.« Staunend sah die Kleine ihn an. Als sie bemerkte, dass er schmunzelte, rief sie: »Ach, du machst ja nur Spaß!«
»Aber ja, Cornelia, Vati macht nur Spaß.« Maja warf ihrem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. Wie konnte er dem Kind so etwas erzählen? Denn in der Gegend, in der ihr Forschungsgebiet lag, gab es tatsächlich noch Kannibalen.
Kai zwinkerte sie an, dann sagte er: »Los, wir müssen fahren! Nein, nein, Maja, du trägst keinen der schweren Koffer. Wozu hast du einen starken Mann? Nimm die leichten Sachen.«
»Und ich trage deine Handtasche, Mutti«, bot sich das Kind an.
»Das ist lieb von dir.« Wehmütig lächelnd sah Maja die Kleine an.
Cornelia bemächtigte sich der Tasche und ihrer Lieblingspuppe Celia, Maja trug die Handkoffer zum Auto, und Kai hob mühelos den großen Schrankkoffer hoch und befestigte ihn auf dem Gestell auf dem Verdeck des Wagens.
Interessiert beobachtete ihn seine Tochter.
»Du, Vati, ich glaube, mein Fahrrad hat da oben auch noch Platz. Meinst du nicht auch?«
»Also gut, dann nehmen wir dein Fahrrad auch noch mit«, gab Kai lächelnd nach.
Maja musterte etwas später das Fahrrad neben dem Schrankkoffer kritisch. »Wenn das nur gut geht, Kai.«
»Es geht gut. Außerdem ist es ja nicht sehr weit bis Sophienlust. Wie heißt doch gleich das Nest, wo es liegt?«
»Wildmoos. Das Dorf liegt in der Nähe von Bachenau. Und Bachenau ist nur wenige Kilometer von der Kreisstadt Maibach entfernt«, klärte Maja ihn auf.
»Und wo liegt Maibach?«, fragte Kai fröhlich.
»Wir werden es schon finden, Vati«, meinte Cornelia, als sie in den Wagen einstieg.
Maja setzte sich neben Kai. Als sie losfuhren, blickte sie sich noch einmal nach ihrem Haus um. »Hoffentlich vergisst unsere Aufwartefrau nicht, die Blumen zu gießen, sonst verwelken sie alle«, sagte sie gepresst.
»Maja, Frau Koller war doch immer zuverlässig. Was du für Sorgen hast«, stellte Kai kopfschüttelnd fest. Er sah sie an und bemerkte ihre Tränen, die gewiss nicht den Blumen galten. Für einen Augenblick legte er seine Hand auf ihre Knie und bat leise: »Maja, bitte nicht. Es wird gewiss herrlich werden. Die Zeit wird wie im Fluge vergehen.«
Cornelia wiegte ihre Puppe hin und her. »Vielleicht gefällt es uns doch in dem Kinderheim«, flüsterte sie, sich selbst Mut zuredend. »Du, Mutti, aber wenn es Celia und mir dort nicht gefällt? Kommst du dann zurück und fährst mit mir nach Hause?«
Maja kämpfte mit den Tränen. Sie konnte nicht antworten. An ihrer Stelle sagte Kai: »Es wird dir dort bestimmt gefallen. Du wirst sicher gar nicht mehr fort wollen.«
»Das glaube ich nicht.« Cornelia drückte ihre Puppe zärtlich an sich. »Aber lange brauche ich doch dort nicht zu bleiben, nicht wahr?«
»Nein, mein Liebling, lange brauchst du dort nicht zu bleiben«, versprach Maja leise und hoffte, dass sie nicht länger als vier Wochen von ihrem Kind getrennt sein würde.
»Ich glaube, wir müssen hier von der Autobahn herunter«, überlegte Kai und fuhr langsamer.
»Meine Freundin sagte, man sähe von der Autobahn aus dieses Sophienlust im Tal liegen. Von Weitem sähe es aus wie ein Schloss. Dort unten ist tatsächlich ein Schloss! Ja, hier müssen wir abbiegen.«
Cornelia richtete sich auf. »Wo ist das Schloss? Ist das Kinderheim denn ein Schloss? Ein richtiges Schloss, in dem ein König wohnt?«
»Es ist ein schlossähnliches Gebäude, das im vorigen Jahrhundert erbaut wurde. Meine Freundin erzählte, es habe einer sehr lieben alten Dame gehört, Sophie von Wellentin. Diese hinterließ Sophienlust ihrem Urenkel Dominik. Der Junge soll jetzt ungefähr fünfzehn oder sechzehn Jahre alt sein. Bis zu seiner Volljährigkeit verwaltet seine Mutter den Besitz für ihn. Ja, und Sophie von Wellentin verfügte, dass Sophienlust in ein Kinderheim umgestaltet werden solle, in dem alle Kinder, die Hilfe benötigen, ein Zuhause finden sollen.«
»Brauche ich denn auch Hilfe?«, fragte Cornelia nachdenklich.
»Aber ja, mein Schatz, du brauchst Hilfe, weil wir beruflich verreisen müssen«, erwiderte ihr Vater vergnügt.
»Und wenn die Eltern der Kinder ganz arme Leute sind?«, wollte die Kleine wissen. »Dürfen sie dann auch dort bleiben?«
»Dann werden sie auch aufgenommen.« Maja lächelte ihre Tochter an. »Du kannst einem wirklich Löcher in den Bauch fragen.«
»Zeig doch mal, ob du schon ein Loch hast«, bat Cornelia ganz ernst. »Wenn du noch kein Loch hast, dann möchte ich dich noch fragen, ob auch Kinder, die keine Eltern mehr haben, dort aufgenommen werden.«
»Aber ja, Cornelia, gerade solche Kinder finden in Sophienlust Schutz und Hilfe. Es gibt in diesem Kinderheim mehrere Waisen, die für immer dort bleiben.«
»Wirklich? Ob sie sehr traurig sind, wenn sie keine Mutti und keinen Vati mehr haben?«, fragte die Kleine mitleidig. »Ich bin froh, dass ich noch Eltern habe. Ich will euch immer behalten.«
»Das sollst du auch.« Kai fuhr nun sehr viel langsamer.
Maja fühlte es wieder heiß in ihre Augen schießen. Entsetzlich, wenn ihre kleine Cornelia ein solches Schicksal erleiden würde. Aber wie leicht konnte ihnen in Brasilien etwas zustoßen. Sie hätte doch bei dem Kind bleiben sollen, überlegte Maja wieder.
Aber nun gab es natürlich kein Zurück mehr. Sie durfte Kai nicht enttäuschen. Außerdem war er auch auf ihre Hilfe angewiesen. Es wäre verantwortungslos von ihr, ihn im Stich zu lassen. Sie liebte ihn doch.
Während Maja von ihren schwermütigen Gedanken nicht loskam, fiel Cornelia von einer Aufregung in die andere. Es gab so viel Neues für sie zu sehen. Besonders die lustigen, kunstvoll geschnitzten Wegweiser, die von den amtlichen Wegweisern erheblich abwichen, hatten es ihr angetan.
Als Cornelia den ersten kurz nach der Abzweigung von der Autobahn auf der Landstraße erblickte, rief sie: »Vati, bleib doch mal stehen! Schau doch, wie lustig das kleine Mädchen mit den abstehenden Zöpfen und dem weiten Röckchen aussieht. Und vor dem Mädchen sitzt ein Dackel auf seinen Hinterbeinen. Er macht Männchen!«
»Wirklich hübsch!«, rief Maja.
»Was steht denn darauf, Mutti?«
»Kinderheim Sophienlust.«
»Na, dann sind wir ja auf dem richtigen Weg«, stellte Kai zufrieden fest und fuhr langsam weiter.
Cornelia blickte sich aufgeregt nach allen Seiten um. Als sie die Koppeln mit den Ponys entdeckte, vergaß sie ihren Kummer über den bevorstehenden Abschied von ihren Eltern völlig. »Die Ponys gehören auch zu dem Kinderheim?«, erkundigte sie sich. »Ich habe noch nie so viele Ponys auf einmal gesehen!«
»Mir scheint, wir sind tatsächlich gleich da«, erklärte Kai und machte seine Frau und seine Tochter auf einen zweiten holzgeschnitzten Wegweiser aufmerksam.
»Vati, wie lustig!«, rief die Kleine sofort. »Diesmal ist es ein Junge, der vor einem Vogelkäfig mit einem bunten Vogel darin steht.«
»Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich bei dem Vogel um einen Papagei«, meinte Kai, der sich heimlich über seine Tochter amüsierte.
»Ja, Vati, es ist ein ganz bunter Papagei. Und er …, o Vati, schau doch mal! Dort vorn ist schon das Schloss.«
»Ich glaube, wir sind an unserem ersten Ziel«, sagte Maja bedrückt.