Nur das Meer kennt ihre Sehnsucht: Irrlicht - Neue Edition 4 – Mystikroman
Von Maja Merling
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Mystik Romanen interessiert.
Mühsam schlug Muriel die Augen auf. Es war nur wenig zu erkennen, denn es gab kein Licht in diesem grausigen Gefängnis. Die Nacht draußen war zwar relativ hell, denn es war wolkenlos, und der Mond würde bald seine volle Scheibe zeigen, aber vor der Luke, gerade in Muriels Blickfeld, saß die alte Gräfin. Muriel versuchte sich umzusehen, aber außer dem schwachen Lichtschimmer, der am Körper der alten Frau vorbei durch die Luke fiel, war alles nur schwarze, undurchdringliche Dunkelheit. »Was ist das hier?« fragte Muriel mühsam. »Wo sind wir?« »Du bist an dem Ort, wo du dein künftiges Leben verbringen wirst«, antwortete Gräfin Camilla und betonte fast genüßlich jedes Wort. »Ich bin selbst mit hergekommen, um es dir zu zeigen und zu erklären. Gleich werde ich dich verlassen, und dann wirst du niemanden mehr sehen und mit niemandem mehr reden können…« Die junge Gräfin schaute zu dem Reiter auf, und grenzenlose Traurigkeit lag in diesem Blick. »Dies muß ein Abschied für immer sein, Alain«, sagte sie leise. »Wir dürfen uns nicht wiedersehen. Auch diese Begegnung hätte nicht sein dürfen. Aber es war schön, dich noch einmal zu sehen, noch einmal mit dir zu reden...« »Ich konnte es einfach nicht aushalten«, antwortete der Mann gepreßt. »Ich mußte dich sehen, Muriel.«
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Buchvorschau
Nur das Meer kennt ihre Sehnsucht - Maja Merling
Irrlicht - Neue Edition
– 4 –
Nur das Meer kennt ihre Sehnsucht
… doch das Böse bahnt sich seinen Weg
Maja Merling
Mühsam schlug Muriel die Augen auf. Es war nur wenig zu erkennen, denn es gab kein Licht in diesem grausigen Gefängnis. Die Nacht draußen war zwar relativ hell, denn es war wolkenlos, und der Mond würde bald seine volle Scheibe zeigen, aber vor der Luke, gerade in Muriels Blickfeld, saß die alte Gräfin. Muriel versuchte sich umzusehen, aber außer dem schwachen Lichtschimmer, der am Körper der alten Frau vorbei durch die Luke fiel, war alles nur schwarze, undurchdringliche Dunkelheit. »Was ist das hier?« fragte Muriel mühsam. »Wo sind wir?« »Du bist an dem Ort, wo du dein künftiges Leben verbringen wirst«, antwortete Gräfin Camilla und betonte fast genüßlich jedes Wort. »Ich bin selbst mit hergekommen, um es dir zu zeigen und zu erklären. Gleich werde ich dich verlassen, und dann wirst du niemanden mehr sehen und mit niemandem mehr reden können…«
Die junge Gräfin schaute zu dem Reiter auf, und grenzenlose Traurigkeit lag in diesem Blick.
»Dies muß ein Abschied für immer sein, Alain«, sagte sie leise. »Wir dürfen uns nicht wiedersehen. Auch diese Begegnung hätte nicht sein dürfen. Aber es war schön, dich noch einmal zu sehen, noch einmal mit dir zu reden...«
»Ich konnte es einfach nicht aushalten«, antwortete der Mann gepreßt. »Ich mußte dich sehen, Muriel.«
»Ja, ich weiß, Liebster. Und es war auch so etwas wie Glück für mich, dieses heimliche Treffen. Aber es hat doch nichts geändert. Unsere Wege trennen sich jetzt und hier. Und diesmal muß es für immer sein.«
»Ich würde meine Seligkeit dafür hergeben, wenn ich es ändern könnte!«
»Versündige dich nicht, Alain. So etwas darf man nicht einmal denken.«
»Wenn du wüßtest, meine Muriel, was ich alles denke, welche Pläne ich schon erwogen und wieder verworfen habe! Aber das Recht ist nicht auf unserer Seite. Und wer fragt schon nach Liebe?«
Unendliche Bitterkeit lag in der Stimme des Mannes. Er saß straff aufgerichtet im Sattel und schien in unbestimmte, weite Fernen zu schauen. Aber es war sicherlich nicht das Glück, das er dort sah, irgendwo in den Spiegelungen des zu dieser Stunde so ruhigen Meeres. Das Wasser umspielte die Beine des Pferdes. Der Reiter beabsichtigte diesen Weg zu nehmen, über den Strand und teilweise durchs flache Wasser, denn danach war ihm zumute. Er wollte keinem Menschen begegnen. Nicht nur, weil er nicht gesehen werden wollte. Er wollte allein bleiben mit sich und seinen Gedanken, die nicht nur traurig waren, sondern auch voller Anklage gegen das Schicksal und vor allem gegen die Menschen, die sich einer großen Liebe in den Weg gestellt hatten und die auch die Macht besaßen, ihren Willen durchzusetzen.
Alain Cordier war Pferdezüchter und einer der reichsten Männer hier in der Camargue, dem geheimnisvollen Land im Rhonedelta, das, obwohl im Süden Frankreichs gelegen, doch recht düster und unheimlich wirken konnte mit seinen Seen und Sümpfen, mit den Salzsteppen, den Auwäldern und mit den Dünen und Lagunen mit alten Strandwällen an der flachen Küste. Seit eh und je wurden in diesem weiten, einsamen Land Kampfstiere und Pferde gezüchtet, vor allem die schönen, temperamentvollen Camarguepferde, die herrlichen Schimmel mit üppigem Mähnen- und Schweifhaar.
Besonders berühmt und erfolgreich war die Zucht von Alain Cordier. Er galt etwas in der Camargue, und das nicht nur seines Reichtums wegen.
Aber die Frau, die er aus ganzem Herzen liebte, die ihn liebte – sie hatte er nicht heimführen dürfen. Die junge, schöne Muriel war von ihrem Vater gegen ihren Willen mit dem Grafen Gerard von Sanaron verheiratet worden.
Schon seit Monaten war Muriel nun die Gräfin von Sanaron.
Möglich, daß sie dieses Titels und auch des gutaussehenden Grafen wegen von mancher Altersgenossin beneidet wurde, aber Muriel war nicht beneidenswert glücklich. Sie war traurig und unglücklich, und wenn sie auch tapfer versucht hatte, das bei diesem Wiedersehen mit dem geliebten Mann zu verbergen,
so war es ihr doch nicht gelungen.
»Leb wohl, Alain«, sagte sie jetzt mit zitternder Stimme, »Gott möge dich beschützen. Und er möge dir bald eine Frau über den Weg führen, mit der du glücklich werden kannst.«
»Nie wird das geschehen, Muriel, nie! Mein Herz gehört dir, da wird niemals Platz für eine andere Frau sein. Und wenn du mich jemals brauchen solltest, Muriel, wenn du Hilfe benötigst in irgendeiner Form – ich werde immer für dich dasein. Versprich mir, daran zu denken, es nie zu vergessen!«
»Ich werde es nie vergessen«, flüsterte Muriel, und die Stimme wollte ihr kaum gehorchen.
Da gab Alain Cordier seinem Pferd die Sporen, und der Schimmel stob davon, daß das vorher so ruhige Wasser nur so spritzte.
Gräfin Muriel aber stand da und blickte dem Reiter hinterher, so lange sie ihn noch sehen konnte. Sie merkte nicht, daß ihr unaufhörlich Tränen über die blassen Wangen rannen.
*
Nein, Muriel war nicht glücklich in ihrer Ehe mit dem Grafen von Sanaron. Hätte sie es werden können ohne die Liebe zu einem anderen Mann in ihrem Herzen? Die junge Frau hatte sich schon oft diese Frage gestellt, aber natürlich fand sie keine Antwort. Ja, wenn da nur ihr Gemahl, der Graf Gerard, gewesen wäre! Er war jung mit seinen fünfundzwanzig Jahren, er sah gut aus, und er war auch recht liebenswürdig.
Aber er war schwach. Er stand völlig unter dem Einfluß seiner Mutter, der Gräfin Camilla, und diese wurde nicht zu Unrecht gefürchtet auf Schloß Sanaron, denn sie war streng und hochmütig, und manche sagten hinter vorgehaltener Hand sogar, sie sei böse wie der Teufel.
Nicht einmal einen solchen Gedanken erlaubte die junge Gräfin Muriel sich. Aber es war wirklich so, daß Gräfin Camilla zwischen ihr und ihrem Gatten stand. Warum nur hatte sie diese Heirat gewollt, wenn sie doch die Schwiegertochter ganz gewiß nicht liebte? Muriel wußte keine Antwort auf diese Frage. Aber sie spürte täglich den Einfluß, unter dem ihr Mann stand und der ihr das Leben so schwer machte. Sie hatte doch den ehrlichen Willen, ihre Trauer in ihrem Herzen zu verbergen, sie wollte sich sehr bemühen, dem Grafen eine gute Frau zu sein, aber wo Gräfin Camilla war, schien es keine Harmonie geben zu können.
Und Gräfin Camilla war überall!
Als Muriel spürte, daß sie schwanger war, galt ihr erster Gedanke voll verzweifelter Sehnsucht zwar dem immer noch geliebten Mann, der nicht der Vater dieses Kindes war, aber rasch verbot sie sich selbst solche Gedanken. Sie wußte, ihre Pflichten lagen hier