Die schwarze Wölfin: Irrlicht - Neue Edition 3 – Mystikroman
Von Georgia Wingade
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Mystik Romanen interessiert.
In ihr brodelte es. Sie hatte sich angewöhnt, aus dem Angebot an Männern nur diejenigen auszuwählen, die ihren hohen Ansprüchen einigermaßen genügten. Wenn sie bemerken musste, dass einer der wenigen, denen sie ihre Gunst schenken wollte, von einem anderen weiblichen Wesen angebaggert wurde, konnte sie ihren Ingrimm kaum verbergen. Dieser Zorn wurde leicht zum Auslöser der Verwandlung, die sich ansonsten in mondhellen Nächten vollzog. Dann musste sie schleunigst eines ihrer Einzimmerappartements aufsuchen. Mit Müh und Not erreichte sie die Rue du Marechal Merdin, wo sie sich in der ersten Etage erschöpft auf das Bett fallen ließ. Dann überließ sie sich willenlos der Umwandlung. Innerhalb von kaum mehr als zwei Minuten war ihr Körper mit einem tiefschwarzen Fell bedeckt. »Seit dem 13. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt es aus der weiträumigen Region um Clermont-Ferrand die Sage von einem dunklen oder schwarzen Untier, das insbesondere immer in den ersten Wochen des Sommers über Einwohner der Gegend, gleich ob bäuerlicher oder bürgerlicher Herkunft, herfällt und sie zerfleischt. Vorzugsweise soll es sich bei den Opfern um junge Frauen unmittelbar nach Beendigung der Pubertät handeln, junge Männer sollen zwar angefallen, aber nie ernstlich verletzt worden sein. Inwieweit diese Sage der Wirklichkeit entspricht, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Sicher ist lediglich, dass die Chroniken von einer großen Anzahl an Opfern sprechen und dass insbesondere die Kirchen bzw. ihre Repräsentanten (Pfarrer bzw. Priester, je nach Konfession) bemüht waren, durch Hinweise während der Predigten und durch gezielte Hausbesuche in den außerhalb des unmittelbaren Dunstkreises der Stadt gelegenen Bauerngehöften auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Allerdings scheinen derartige Ermahnungen und Warnungen wenig bis gar nichts bewirkt zu haben, denn die Anzahl der Überfallenen und Zerfleischten blieb über mehrere Jahrhunderte konstant. Lediglich in neuerer Zeit scheint das Risiko geringer geworden zu sein, die Gründe hierfür sind allerdings unklar. Fragen, um welches Tier es sich dabei handelt, sind insofern nicht beantwortbar, als es auch Hinweise gibt, dass es sich um eine Bestie in Menschengestalt gehandelt haben könnte, gleich welcher Natur oder Wandlungsfähigkeit. Es kann nicht Aufgabe dieser Darstellung sein, derartige Spekulationen hier auszubreiten oder gar weiterzuspinnen; die phantastischen Gedankenspiele führen zu keiner Erklärung des Rätsels. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es jene in den historischen Quellen erwähnten Opfer tatsächlich gegeben hat.
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Irrlicht - Neue Edition
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Buchvorschau
Die schwarze Wölfin - Georgia Wingade
Irrlicht - Neue Edition
– 3 –
Die schwarze Wölfin
Ihr schauriges Geheul zerreißt die Stille der Nacht
Georgia Wingade
In ihr brodelte es. Sie hatte sich angewöhnt, aus dem Angebot an Männern nur diejenigen auszuwählen, die ihren hohen Ansprüchen einigermaßen genügten. Wenn sie bemerken musste, dass einer der wenigen, denen sie ihre Gunst schenken wollte, von einem anderen weiblichen Wesen angebaggert wurde, konnte sie ihren Ingrimm kaum verbergen. Dieser Zorn wurde leicht zum Auslöser der Verwandlung, die sich ansonsten in mondhellen Nächten vollzog. Dann musste sie schleunigst eines ihrer Einzimmerappartements aufsuchen. Mit Müh und Not erreichte sie die Rue du Marechal Merdin, wo sie sich in der ersten Etage erschöpft auf das Bett fallen ließ. Dann überließ sie sich willenlos der Umwandlung. Innerhalb von kaum mehr als zwei Minuten war ihr Körper mit einem tiefschwarzen Fell bedeckt. Nur mit äußerster Anstrengung unterdrückte sie das Geheul, das in ihrer Kehle aufstieg …
»Seit dem 13. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt es aus der weiträumigen Region um Clermont-Ferrand die Sage von einem dunklen oder schwarzen Untier, das insbesondere immer in den ersten Wochen des Sommers über Einwohner der Gegend, gleich ob bäuerlicher oder bürgerlicher Herkunft, herfällt und sie zerfleischt. Vorzugsweise soll es sich bei den Opfern um junge Frauen unmittelbar nach Beendigung der Pubertät handeln, junge Männer sollen zwar angefallen, aber nie ernstlich verletzt worden sein.
Inwieweit diese Sage der Wirklichkeit entspricht, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Sicher ist lediglich, dass die Chroniken von einer großen Anzahl an Opfern sprechen und dass insbesondere die Kirchen bzw. ihre Repräsentanten (Pfarrer bzw. Priester, je nach Konfession) bemüht waren, durch Hinweise während der Predigten und durch gezielte Hausbesuche in den außerhalb des unmittelbaren Dunstkreises der Stadt gelegenen Bauerngehöften auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Allerdings scheinen derartige Ermahnungen und Warnungen wenig bis gar nichts bewirkt zu haben, denn die Anzahl der Überfallenen und Zerfleischten blieb über mehrere Jahrhunderte konstant. Lediglich in neuerer Zeit scheint das Risiko geringer geworden zu sein, die Gründe hierfür sind allerdings unklar.
Fragen, um welches Tier es sich dabei handelt, sind insofern nicht beantwortbar, als es auch Hinweise gibt, dass es sich um eine Bestie in Menschengestalt gehandelt haben könnte, gleich welcher Natur oder Wandlungsfähigkeit. Es kann nicht Aufgabe dieser Darstellung sein, derartige Spekulationen hier auszubreiten oder gar weiterzuspinnen; die phantastischen Gedankenspiele führen zu keiner Erklärung des Rätsels. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es jene in den historischen Quellen erwähnten Opfer tatsächlich gegeben hat. Sogar deren Namen, Geschlecht und Alter sind überliefert.
Und es bleibt die Hoffnung, dass es in Zukunft derlei Zwischenfälle nicht mehr geben wird. Zur Erleichterung aller, der einfachen wie gebildeten Menschen auf dem Lande wie der damit befassten Behörden in der Stadt Clermont-Ferrand, sei es Verwaltung, Gendarmerie oder Militärdienststellen.
Guy-Philip Leclercque, »Mythes et Légendes du Massif Central d’après anciennes annotations«. Clermont-Ferrand 1902, Seite 234 ff.
Mein jähes Erwachen aus dem Tiefschlaf war einem unheimlichen, die Stille der Nacht zerreißenden Geheul geschuldet, das verklang, als ich mich in meinem Bett aufrichtete. Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich in der neuen Umgebung zurecht fand; schließlich war es meine erste Nacht hier in Buis-sur-Bois, mitten im französischen Massif Central.
Hatte ich dieses Geheul nur im Traum erlebt oder war es Realität? Das war die Frage, die mir durch den Kopf ging, während ich den Wecker vom Beistelltisch nahm und nach der Zeit sah. Es war zwei Uhr morgens und im Haus war alles still. Es hatte den Anschein, als habe niemand außer mir dieses unheimliche Geheul wahrgenommen, das in mir jetzt noch nachhallte.
Verzögert durch etliche Staus auf den Autoroutes und auf der Route Nationale, verursacht durch mehrere Schwertransporte, die irgendwelche riesigen Masten geladen hatten, war ich mit ziemlicher Verspätung in Buis-sur-Bois eingetroffen. Der Rezeptionist im »Hotel du Massif« hatte mich schon sehnsüchtig erwartet, denn sein Dienst war eigentlich seit einer Stunde beendet, und er hatte seinen Auftrag, mir mein Zimmer zu zeigen und die Schlüssel dafür und für die Außentür zu übergeben, ernst genommen. Ab zehn Uhr abends war das Hotel normalerweise geschlossen; und ich war weit über der Zeit.
Martin, der Rezeptionist, war noch so nett, mir aus der Frühstücksküche ein Stück Baguette und ein wenig Käse zu besorgen, dazu ein Glas Rotwein, den er im Kühlschrank fand. Nach einem herzlichen »Merci bien« meinerseits, begab er sich auf den Heimweg und ich mich auf mein Zimmer, wo ich rasch meinen Heißhunger bekämpfte, hatte ich doch seit dem frühen Nachmittags nichts mehr gegessen.
Dann sank ich in mein Bett und war im Handumdrehen »weg«. Ich war von Offenburg in einem Rutsch bis hierher, hinter Clermont-Ferrand, durchgefahren und entsprechend erschöpft in dem Städtchen angekommen. Und dann dieses Geheul, das mich aufgeschreckt hatte. Da aber anschließend nichts mehr zu hören war, legte ich mich wieder hin, nachdem ich aus dem Wasserhahn im Badezimmer einige Schluck Wasser getrunken hatte. Es schien Quellwasser vom Berg zu sein, jedenfalls schmeckte es sehr gut.
Der Rest der Nacht verlief ruhig. Doch das Geheul, das ich in der Nacht vernommen hatte, fand nach dem Aufwachen immer noch in mir sein Echo. Bildete ich mir das nur ein oder hatte ich wirklich unmittelbar unter meinem Fenster einen Wolf heulen gehört? Es war Vollmond, der auch am Morgen, unmittelbar nach meinem Erwachen, noch über dem Horizont zu sehen war. Und bekanntlich war das immer eine willkommene Gelegenheit für Wolfsrudel, ihre Stimme ertönen zu lassen. Aber, war es wirklich das gewesen, was ich gehört hatte?
Mit dieser Frage überraschte ich die Wirtin, Madame Salomone Dorée, die mich bei Eintreten in den Gastraum erst einmal ganz herzlich begrüßt hatte. Gleichzeitig entschuldigte sie sich für den vergangenen Abend, an dem sie wegen einer Sitzung des Stadtrates, dem sie als Mitglied der Freien Bürgervereinigung angehörte, verhindert gewesen sei. Ich lud sie spontan ein, sich zu mir an den Frühstückstisch zu setzen, was sie nach einem kurzen Zögern auch tat.
»Sie sind ja sozusagen ein offizieller Gast«, sagte sie, wie um diese an sich unübliche Vertraulichkeit fremden Gästen gegenüber zu entschuldigen. »Als Austauschlehrerin sind Sie eine wichtige Persönlichkeit in unserem Städtchen. Das ganze Lyceum ist schon voll gespannter Erwartung, auch und vor allem das Lehrpersonal. Und einen Rat wird ihnen jeder Lehrer und jede Lehrerin geben: Seien Sie bitte nicht zu sanftmütig unseren Schülern gegenüber. In Frankreich müssen die Schüler und Schülerinnen strenge Regeln einhalten. In Deutschland soll das ja etwas anders sein.«
Und sie fügte, nach einer kurzen Unterbrechung, hinzu: »Wenigstens erzählt man sich das hier.«
Ich bedankte mich für die Ratschläge, fügte aber dann hinzu: »Noch ist es nicht so weit. Denn ich bin absichtlich eine Woche vor meinem offiziellen Dienstbeginn hergekommen, weil ich die Stadt besichtigen und die Bewohner ein wenig kennen lernen möchte. Es kann ja nicht schaden, wenn ich mich in den Straßen und Gassen nicht permanent verlaufe und zumindest die wichtigsten Einkaufsmöglichkeiten bereits frequentiert habe. Zumal ich in einer Woche, am 3. Juni, die Dienstwohnung im Schulgebäude beziehen werde, die mir das hiesige Schulamt zur Verfügung stellt.«
Inzwischen hatte die Tochter des Hauses, eine hübsche siebzehnjährige Brünette mit Namen Marianne, Kaffee und Baguette sowie frische Croissants aufgetragen, dazu Butter, Marmelade und Käse. Auch ein Glas Orangensaft wurde serviert.
»Sie werden schon noch genügend Zeit haben, unsere schöne Umgebung kennenzulernen, denke ich.« Marianne hatte sich an den Tisch gestellt und beteiligte sich am Gespräch. »Denn während der Ferien sind ja auch hier, oder wollen Sie quer durch ganz Frankreich fahren, um mehr zu sehen?«
»Ich habe mich noch nicht entschieden, aber das wäre durchaus eine Option,« bestätigte ich.
»Sagen Sie nur, was Sie noch brauchen«, ermunterte mich Madame Dorée. »Ich werde mich bemühen, Ihnen alle Wünsche nach Kräften zu erfüllen. Schließlich sollen Sie sich hier in unserem Städtchen wohlfühlen! Und um Ihre Frage von vorhin zu beantworten: Man sagt, dass Wölfe seit Jahrhunderten im