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Die Traumreisende - Nachtblüten
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eBook311 Seiten3 Stunden

Die Traumreisende - Nachtblüten

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Über dieses E-Book

Gibt es mehr als diese Welt?
Kennst Du das Gefühl, schon einmal gelebt zu haben?
Die 27-jährige Marie begibt sich seit ihrer Kindheit auf Traumreisen. Jahrelang hat sie sich mit ihren luziden Träumen zurückgehalten und sich mit ihrem Verlobten Cirilo ein schönes Leben aufgebaut. Doch nun kann Marie sich dem Sog der Zwischenwelten nicht länger entziehen. Dabei trifft sie nicht nur auf vertraute Personen und lichte Wesen, sondern auch auf bedrohliche Gestalten und düstere Mächte, die sich an ihr stören.
Bald wird ihr jemand aus einer höheren Welt als Schutzengel zugeteilt. Sofort fühlt Marie sich Ion eigenartig verbunden. Sie beide scheinen sich aus einer weit zurückliegenden Zeit und aus mehr als nur einem früheren Leben zu kennen ...
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum25. Feb. 2022
ISBN9783969370834
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    Buchvorschau

    Die Traumreisende - Nachtblüten - Jasmin Engel

    Jasmin Engel

    Die Traumreisende

    Nachtblüten

    E-Book, Originalausgabe, erschienen 2022

    1. Auflage

    ISBN: 978-3-96937-083-4

    Copyright © 2022 LEGIONARION Verlag, Steina

    www.legionarion.de

    Text © Jasmin Engel

    Coverdesign: © Marta Jakubowska, LEGIONARION Verlag

    Umschlagmotiv: © shutterstock 771608578 / 686989240

    Kapitelbild: © shutterstock 1081527785

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

    Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

    detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die Handlung, die handelnden Personen, Orte und Begebenheiten dieses Buchs sind frei erfunden.

    Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ebenso wie ihre Handlungen sind rein fiktiv, nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    ©LEGIONARION Verlag, Steina

    Alle Rechte vorbehalten

    http://www.legionarion.de

    Der LEGIONARION Verlag ist ein Imprint der Invicticon GmbH

    E-Book Distribution: XinXii

     www.xinxii.com

    logo_xinxii
    Das Buch

    Gibt es mehr als diese Welt?

    Kennst Du das Gefühl, schon einmal gelebt zu haben?

    Die 27-jährige Marie begibt sich seit ihrer Kindheit auf Traumreisen. Jahrelang hat sie sich mit ihren luziden Träumen zurückgehalten und sich mit ihrem Verlobten Cirilo ein schönes Leben aufgebaut. Doch nun kann Marie sich dem Sog der Zwischenwelten nicht länger entziehen. Dabei trifft sie nicht nur auf vertraute Personen und lichte Wesen, sondern auch auf bedrohliche Gestalten und düstere Mächte, die sich an ihr stören.

    Bald wird ihr jemand aus einer höheren Welt als Schutzengel zugeteilt. Sofort fühlt Marie sich Ion eigenartig verbunden. Sie beide scheinen sich aus einer weit zurückliegenden Zeit und aus mehr als nur einem früheren Leben zu kennen …

    Inhalt

    Einleitung

    Erster Teil

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Zweiter Teil

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Einleitung

    Wir alle träumen, Nacht für Nacht.

    Dennoch stehen wir jeden Morgen auf, vergessen oder verdrängen unsere Träume und leben für den Alltag. Wir halten Träume für Schäume. Wir spalten unser Sein in unreal und real, ziehen dadurch eine feste Grenze.

    Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir mit Schlafen: Täglich etwa 8 unserer 24 Stunden. In jeder Nacht erleben wir 4 bis 7 Träume. Unser Gehirn ist dabei sogar aktiver als im Wachzustand.

    Wir verarbeiten damit nicht nur Geschehnisse und Gefühle. Klarträume etwa ermöglichen uns einen Zustand, den es laut traditioneller Psychologie gar nicht geben dürfte.

    Lange wurden sie von der Wissenschaft als esoterische Spinnerei abgetan – bis sie wissenschaftlich nachgewiesen werden konnten und seitdem von Fachleuten zunehmend ernster genommen werden.

    Man fand heraus, dass bei einem Klartraum gerade die Zentren im Gehirn besonders aktiv sind, die beim Menschen im Vergleich zu den Gehirnen etwa von Primaten vergrößert sind.

    Es gibt eine Schwelle zwischen normalem und Klartraum, die jeder von uns bereits mehrfach überschritten hat. Nun kommt es darauf an. Konstruieren wir uns nur eigene Fantasiewelten beim Klarträumen oder begeben wir uns zu bereits existierenden Orten?

    Es sind Welten für sich, und früher oder später werden wir uns vielleicht alle in der einen oder anderen wiederfinden.

    Erster Teil

    »Wir sind nichts – was wir suchen, ist alles.«

    - Novalis -

    Kapitel 1

    Sie schüttelte sich kurz, als könne sie dadurch ihren Geist vom Staub der Schlaftrunkenheit befreien.

    Sie ließ ihren Blick um sich schweifen, als könne sie dadurch diese fremde Welt mit ihrer eigenen vergleichen.

    Sie atmete tief ein und wieder aus, als könne sie ihr Herz dadurch jeglicher Zaghaftigkeit entledigen.

    All das konnte sie, hier, zwischen den Träumen.

    Marie lief den breiten, hellgrau gepflasterten Gehweg entlang und musterte die Häuser auf ihrer sowie der anderen Straßenseite. Inmitten dieses ruhigen Wohnviertels war sie vor gefühlten ein, zwei Minuten zu sich gekommen.

    Die Einfamilienhäuser zu ihrer Linken und Rechten waren stets mit einigen Metern Abstand zueinander errichtet worden. Reihenhäuser sah man selten in dieser ähnlichen und doch anderen Welt.

    Keines der Gebäude hier wirkte wie ein Neubau, doch historischen Glanz oder Ruinen suchte man ebenso vergeblich. Zumindest galt das für diese Zwischenwelt, in der Marie durch ihre Traumreisen am häufigsten landete.

    Die kleinen Vorgärten machten mal einen mehr, mal weniger gepflegten Eindruck. Nicht nur die Flora in ihnen sah nach Spätherbst aus, vielleicht November. Hingegen die angenehm frische Brise, die um Maries Wangen strich, kündete noch längst nicht von nahendem Winter. Der Himmel über ihr war wie meistens bewölkt, aber es regnete nie.

    Sie hätte auch auf der asphaltierten Straße laufen können, denn Autos fuhren hier ohnehin keine. Das Gleiche galt für andere Arten von Fahrzeugen, überdies auch für Flugzeuge oder sonstige Flugobjekte. Wie still und weitläufig dadurch hier alles wirkte! Für eine Frankfurterin wie Marie war der Kontrast gewiss noch einmal stärker als für jemanden, der in einem Dorf lebte.

    Es konnte passieren, dass man einen Vogel auf einem Ast erspähte, gelegentlich auch einer Katze oder einem Hund über den Weg lief. Aber grundsätzlich war eine Begegnung mit einem Tier an diesen jenseitigen Orten etwas eher Besonderes, häufig mit Bedeutung aufgeladen. Insekten jeglicher Art waren hier die absolute Ausnahme. Vielen Menschen würde eine Welt ohne Spinnen, Schnaken und Wespen sicher gefallen.

    Was die scheinbar menschlichen Bewohner hier betraf, wusste Marie nicht genau, wie sie darüber dachten. Sie verhielten sich ihr gegenüber in der Regel eher verschlossen.

    An all diese Eigenheiten hier hatte sie sich bereits gewöhnt.

    Wie sie es hin und wieder auf ihren Traumreisen zu tun pflegte, blickte Marie auch heute an sich herab. Sie trug an den Füßen ihr bequemstes Paar Schuhe und am Körper ihre locker sitzende, marineblaue Lieblingshose sowie das schlichte, lavendelfarbene Shirt mit langen Ärmeln, das sie schon so viele Jahre besaß. Sie trug in ihren Träumen fast immer dieses Outfit. Doch es kam auch vor, dass Marie barfuß und im Pyjama in eine Traumreise startete, mit verwuschelten Haaren wie frisch aus dem Bett gestiegen. Aktuell aber war ihr glattes, dunkles Haar ordentlich zum Pferdeschwanz gebunden.

    Die gerade Straße mit den Wohnhäusern öffnete sich nun auf der gegenüberliegenden Seite zu einem weiteren, asphaltierten Gehweg. Er lief in der Ferne auf einen größeren Platz zu. Wenn Marie nicht alles täuschte, konnte sie dort einige Leute ausmachen. Scheint zumindest mehr los zu sein als hier, nichts wie hin!, sagte sie sich.

    Als Marie näher gekommen war, bestätigte sich ihr erster Eindruck, denn es war keine Fata Morgana. Die Leute standen auf dem Platz verteilt, dessen Mitte ein runder Marktbrunnen zierte.

    Sobald der glatte Asphalt in das gröbere Kopfsteinpflaster des Platzes mündete, war sie nah genug dran, dass ihr zwei der Personen bekannt vorkamen. Jetzt bloß nicht aufwachen!, dachte Marie mit heftiger pochendem Herzen und beschleunigte ihren Schritt.

    Das Wiedererkennen spiegelte sich auch in den Gesichtern der Frau und des Mannes wider, die sich in den späten mittleren Jahren befunden haben mochten. Außer den beiden, die etwa drei Meter vor dem Sandsteinbrunnen standen, saßen auf dessen Rand links hinter ihnen noch zwei junge Frauen.

    Im Hintergrund erstreckte sich ein langes Gebäude, das zumindest so aussah wie ein Rathaus. Es hätte genauso gut in einer beliebigen mitteleuropäischen Altstadt stehen können. Eine schmucke Uhr, wie bei vielen Rathäusern in der Tageswelt, zierte es allerdings nicht. Vielleicht brauchte man hier einfach keine Uhren. Durch die Gassen links und rechts des historisch anmutenden Gebäudes lief selten jemand. Es war rund um diesen Platz in etwa so wenig los wie auf seinem irdischen Pendant an einem Sonn- oder Feiertag in der raueren Jahreszeit.

    »Hallo Marie, es ist schön, dich wiederzusehen.« Sie erwiderte unwillkürlich lächelnd den Gruß der beiden. Dann klang sie jedoch fast etwas beleidigt, milderte es jedoch mit einem scherzhaften Unterton ab. »Ihr hättet mir letztes Mal gleich sagen müssen, was ihr mir so dringend mitteilen wolltet. Hier weiß man doch nie, ob und wann man sich einmal wiedersieht.«

    Der reifere Mann mit den kurzen, ergrauten Haaren und dem Bart lachte auf. »Das ob kannst du getrost streichen.« Er machte einen gutmütigen Eindruck. Womöglich waren es seine warm leuchtenden braunen Augen.

    »Und das Wann hat hier auch eine andere Bedeutung«, warf die Frau mit dem ähnlich grau gesträhnten, schulterlangen Haar, ernster ein. Sie war im Gegensatz zu ihrem Partner sehr schlank und überragte ihn sogar um einen halben Kopf. Beide trugen schlichte, naturfarbene Hosen und Tuniken aus Leinen.

    Marie nickte, begleitet von einem kleinen Schulterzucken. Sie akzeptierte die Sicht der beiden Andersweltlichen. Aber diese jungen Frauen dort hinten ließen ihr keine Ruhe, obgleich sie Marie unbekannt waren. Sie spähte kurz zu dem Sandsteinbrunnen.

    Aus seiner Mitte ragte eine Säule empor, die an zwei Seiten je einen kleinen, bronzenen Wasserspeier mit Puttengesicht aufwies. Die mädchenhaften Frauen, die auf seinem Rand saßen, hatten das Gespräch zwischen Marie und dem Paar beobachtet. Sie ähnelten sich äußerlich wie Schwestern. Bei der scheinbar Jüngeren von beiden wellte sich das goldblonde Haar bis weit über den Rücken und die Ältere trug es als seitlichen Zopf. War das eine noch kindliche Unschuld oder wachsame Neugierde, die sie in den graublauen Augen der beiden reflektiert sah?

    Marie wandte sich wieder dem reiferen Paar zu. »Gut, ihr wart also sicher, dass wir uns wieder begegnen. Aber in meiner Welt ist seit dem letzten Mal ein ganzes Jahr vergangen!« Die beiden blickten sie nachdenklich an.

    Marie seufzte und erklärte: »Ein Jahr ist bei uns eine lange Zeit, wenn man auf eine wichtige Mitteilung wartet. Doch lassen wir das. Was wolltet ihr mir nun sagen?«

    Der väterliche Mann legte seine Hand auf Maries Unterarm und wies mit dem Zeigefinger der anderen Hand in Richtung des Rathauses. »Wie wäre es, wenn wir dabei ein paar Schritte laufen? Meine Frau und ich würden uns nach dem Warten auf dein Eintreffen gerne etwas die Beine vertreten.«

    Sie beeilte sich, zuzustimmen: »Natürlich.«

    Die Drei setzten sich in Bewegung. Nach ein paar Metern drehte Marie sich noch einmal kurz im Gehen um und spähte zu dem Sandsteinbrunnen. Die »güldenen Jungfern« waren verschwunden.

    »Ich hoffe, sie folgen uns nicht insgeheim«, sagten Maries Begleiter nahezu gleichzeitig.

    »Kennt ihr die jungen Frauen etwa?«

    Der Mann zu ihrer Rechten wirkte in diesem Moment so konzentriert und ernst, dass es seinen Zügen eine ganz andere Ausprägung gab. »Nicht direkt.«

    Das Rathaus, so wenig es hier wohl seiner üblichen Funktion genügen musste, glich einem gut restaurierten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. Rundum waren noch kleinere Bauten in diesem Stil angeordnet, doch weniger, als es auf den meisten irdischen Marktplätzen der Fall wäre. Das Paar, von dem Marie flankiert wurde, bog westlich des Rathauses in eine enge Gasse. Dort setzte sich das dunkelgraue Kopfsteinpflaster des Platzes nahtlos fort. Sie liefen schweigend weiter.

    Marie zuckte innerlich zusammen. Wollen die beiden denn schon wieder so lange warten, bis ich aufwache? »Ihr …« Als sie gerade zu sprechen ansetzte, blieb das Paar stehen.

    Sie schauten rasch um sich, wonach die Frau feststellte: »Hier müsste es in Ordnung sein.« Sie atmete einmal tief durch und blickte Marie an. »Verzeih uns, dass wir nicht früher dazu gekommen sind.« Mit einer Geste der Hand und offenbar bewusst leiser Stimme stellte die reifere Frau sich und ihren Mann vor: »Dies ist Nathan und ich bin Rhea.« Auf ihren Lippen zeigte sich jetzt das erste, kleine Lächeln, seitdem sie sich damals begegnet waren.

    Marie stand gegen eine Häuserwand gelehnt und das Paar befand sich ihr gegenüber. Es lag nur so wenig Abstand zwischen ihnen, dass sie ein, zwei Mal den Atem der beiden auf der Haut zu spüren glaubte. Es verwunderte sie auch nach vielen Traumreisen noch, dass dieser Körper gar nicht so verschieden von dem irdischen schien. Sie sprach vorsorglich ebenfalls halb im Flüstern: »Rhea, Nathan, seid ihr ebenfalls durch eine Traumreise an diesen Ort gekommen?«

    Rhea wirkte wachsam, ja angespannt und wog den Kopf. »Lass uns ein anderes Mal darüber reden.«

    Marie versuchte, ihre Enttäuschung durch eine andere wichtige Frage zu übergehen. »Die Bewohner von Zwischenwelten wie dieser … Sind es die Toten?«

    »Aus deiner Perspektive betrachtet: Ja«, erwiderte Rhea nüchtern. »Zumindest die Mehrzahl.«

    Marie hatte es zwar stets vermutet, doch diese sachliche Bestätigung verursachte bei ihr doch ein äußerst mulmiges Gefühl.

    Nathan fixierte sie nun eindringlich. »Wir wollten dich folgendes bereits letztes Mal wissen lassen: Du hast Aufmerksamkeit erregt.«

    Sie war nicht sicher, ob sie sich jetzt geehrt fühlen oder eher ängstigen sollte. »Ähm … Aufmerksamkeit?«

    Rhea räusperte sich, bevor sie sanft belehrend sprach: »All unser Tun, unsere Worte und Entscheidungen, seien sie auch noch so gering, haben Folgen und werden beobachtet. Was du seit einigen Jahren unternimmst, Marie, ist nichts Geringes. Verstehst du?«

    Ihr Herz krampfte sich leicht zusammen und sie bekam eine Gänsehaut. Aufgeregt blickte sie von einem zum anderen. Marie begriff durchaus.

    Nicht jetzt! Eine leichte Benommenheit überkam sie. So fing es immer an, wenn sie bald aufwachen würde. Marie atmete tief durch und konzentrierte sich mit aller Kraft auf die beiden und das Thema. »Ich nehme an, es geht nicht um das, was ich am Tag tue oder sage.«

    Nathan wog den Kopf. »Weniger, in der Tat. Es betrifft, was du zum Beispiel gerade im Moment erlebst, liebe Marie. Nämlich dein Bereisen und Erkunden von Zwischenwelten wie dieser. Achtsame, auch kritische Augen sind auf dich gerichtet.«

    »Kritische Augen? Das klingt nicht gut. Wessen Augen sollten sich denn für mich interessieren?« Maries Puls hatte sich noch etwas mehr beschleunigt. Sie presste unbewusst den Rücken fester gegen die Hauswand.

    Nathan legte beruhigend seine Hand auf ihren Arm und Rhea erklärte mit ihrer angenehmen Stimme: »Schau Marie, wenn du in einem exotischen, fernen Land als Touristin unterwegs bist, ziehst du die Blicke der Einheimischen auf dich. Bist du allerdings als eine der ganz wenigen Reisenden dort, die es je in diese fremden Lande verschlagen hat, erregst du die Aufmerksamkeit der halben Welt.«

    Nathan fügte hinzu: »Wie du sicher bereits spürst, ist es etwas Ungewöhnliches, dass du nachts im Schlaf diese Orte zwischen Himmel, Erde und Hö…«, er räusperte sich kurz, »ansteuern kannst und sie bewusst erkundest. Es fühlt sich für dich jedoch kaum anders an, als wenn du in der irdischen Welt mit deinem irdischen Körper unterwegs bist, nicht wahr?«

    Marie brachte nur ein heftiges Nicken zustande. Sie schob das von Nathan nicht ausgesprochene, beunruhigende Wort vorerst in den Hintergrund. »Ich wusste, dass es nicht einfach nur verarbeitende Träume sind!« Alles in ihr wollte mehr erfahren, etwa über die kritischen Blicke, die auf sie gerichtet waren. Aber sie vermochte ihre Konzentration immer weniger aufrecht zu erhalten.

    Ihre eigene Welt zog an Marie mit festem Griff. Sie fühlte sich nun, als beginne langsam eine Narkose bei ihr zu wirken. »Was soll ich eurer Meinung nach jetzt tun?«, fragte sie noch schnell und aufgeregt. Aber sie war bereits dabei, wegzudriften.

    Einen Moment später spürte Marie ihren Körper in Wärme und Weichheit gebettet, bis zur Nasenspitze vergraben in der kuscheligen Decke. Ein sanfter Ruck war durch sie gegangen, wie nach einem tiefen, stoßartigen Ausatmen.

    Die Traumreise war vorbei.

    Blinzelnd öffnete sie die Augen. Während Marie zu sich kam, hallte ständig die Frage in ihrem Kopf, auf die sie vorhin von Rhea und Nathan keine Antwort mehr erhalten hatte: Wie soll ich nun weiter vorgehen?

    Denn die nächste Nacht kam gewiss.

    Kapitel 2

    Er lehnte sich träge aus dem weich gepolsterten Stuhl nach vorne und nahm sich ein paar der tropfenförmigen Süßigkeiten von der Etagere vor ihm. Sie stand inmitten vieler weiterer schmackhafter Speisen und Getränke, die in weißem, mit bunten Mustern bemaltem Geschirr und farbigem Glas auf der reich gedeckten Tafel arrangiert waren.

    Ion saß hier im Kreise seiner Familie bei der zweiten der beiden täglichen Mahlzeiten. Fast immer fanden sie unter freiem Himmel statt. Gedankenverloren ließ er einen nach dem anderen der im Mund überraschend Wärme und süßes Aroma verbreitenden Tropfen zwischen seinen Lippen verschwinden.

    Das zweigeschossige Heim seiner Familie, auf dessen Rückseite man vom Garten aus blickte, besaß eine geräumige Eingangsveranda, weiß abgesetzte Fensterumfassungen und große Dachüberstände. Inmitten einer Blumenwiese hinter dem Haus stand die lange Tafel, umgeben von zahlreichen Stühlen aus dem gleichen weißen Holz, mit Stoffpolstern in blau-weißem Streifenmuster.

    In diesem Landgarten wuchs nahezu alles, wie und wann es wollte, da nur wenig gestutzt wurde. Kornblumen, Weidenröschen und Margeriten bildeten farbige Tupfen im Grün. Ein Apfelbaum, verschwenderisch mit rotbackigen Früchten behangen, ragte wie ein munterer Wächter am hinteren Ende des Gartens auf. Himbeer- und Brombeersträucher bildeten wilde Hecken um das Gartengrundstück. Auch sie prangten mit ihren unzähligen, reifen pinken und schwarz-blauen Beeren.

    Die Männer und Frauen an der Tafel waren alle in leichte, weich fließende Gewänder in Pastellfarben gekleidet. Beide Geschlechter schmückten sich gleich gerne, an gewöhnlichen Tagen jedoch sehr dezent. Jeder, der hier saß, war jedem stark verbunden. Sie waren nicht bloß verwandt, sondern auch tief miteinander befreundet, wie es nur bei verbundenen Seelen sein konnte. In der Tat unterhielten sich die anderen über interessante Themen und lachten gelegentlich zusammen.

    Warum konnte er nicht so glücklich sein wie sie? Wie seine Eltern, seine drei Brüder und vier Schwestern, von denen einige von ihren Partnern begleitet wurden.

    »Ion! Nimm doch noch einen Schluck von dem köstlichen Mondwein!«, forderte ihn sein Vater auf, der gerade die mit silbernen Ornamenten verzierte Karaffe in der Hand hielt, um seinen Tischnachbarn einzuschenken.

    »Wenn ich dir damit eine Freude machen kann …« Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sein Kinn kitzelte, und schaffte es, zu lächeln.

    Seine Mutter schaute ihn mitfühlend und besorgt an. Seine älteste Schwester kam und setzte sich auf den einen freien Stuhl zu seiner Linken. Sie trug ihr weizenblondes Haar als eine Hochsteckfrisur und sah ihm äußerlich nicht ähnlich. »Mein Bruder, gibt es denn dieser Tage nichts mehr, womit man dich erfreuen kann? Ich möchte deine Augen wieder strahlen sehen.«

    »Doch, das gibt es. Ich brauche bloß an einen wundervollen Anlass zu denken.« Er ließ den Blick gerührt zwischen seiner ältesten Schwester und deren Verlobtem hin und her wandern. »Froh sehe ich dem Tag eurer Vermählung entgegen, Schwesterchen.«

    Sie griff nach Ions Hand und drückte sie fest. »Und ich bin froh, dass ich dich einmal wieder lächeln sehe, Brüderchen.«

    Indessen schwankte der Gesichtsausdruck seiner Mutter zwischen Glück und Sorge. Im Gegensatz zu seinem hellblonden Vater besaß sie eine kastanienbraune Mähne. Auch sie sahen noch wie zu den besten Zeiten ihres letzten irdischen Lebens aus. Ihre Namen von damals trugen sie hingegen meist nicht mehr, sondern hatten sich neue gegeben.

    Ergraute Häupter und tiefe Falten gab es in dieser Welt nicht mehr. Das Äußere alterte anstatt mit der Zeit, die es hier auch gab, mit den Erfahrungen und der inneren Reife. Es war allerdings ein sanftes Altern, das vor allem eine würdevolle Ausstrahlung verlieh. Ihre hiesigen Körper waren anders beschaffen als einst. So viel wusste Ion noch von seinem Leben in jener Ebene, die sich direkt unterhalb von dieser befand: Auf der Erde. Es war einst genauso das seine wie das Leben, das er jetzt führte.

    »Versuchst du auch noch manchmal, dich genauer an dein letztes Leben zu erinnern?«, fragte er an seine Schwester gewandt. »Wie es auf der Erde war, als es noch dunkle Nacht gab und die Tage so

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