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Die Spaltlichtpost
Die Spaltlichtpost
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eBook397 Seiten4 Stunden

Die Spaltlichtpost

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Über dieses E-Book

Angst im Dunkeln?! Nicht mit diesem Hexenkater!!!

Bücher? Handtaschen? Toilettenhäuser?
Der junge Kater Tyrrin gibt sich trotzdem tolerant, wenn es um die Eigenarten seines Mitbewohners und seiner Assistenten geht. Nicht selten sind diese Menschen nämlich äußerst wunderlich und führen scheinbar ein vergnügtes Dasein als Belastungsprobe. Ständig vergessen sie das große Ziel, das Tyrrin doch so angestrengt vor Augen hat. Kein Wunder, dass es nicht lange dauert, bis ihn plötzlich so ein fieses Finsterdings in seinen Fängen hält! - Das aber ist noch gar nichts, verglichen mit den echten Schrecken und Gefahren, die sich still und spitzfindig in den dunklen Hinterzimmern mancher Menschen zu verbergen wissen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum21. März 2019
ISBN9783947165087
Die Spaltlichtpost

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    Buchvorschau

    Die Spaltlichtpost - Platti Lorenz

    erscheinen.

    Impressum

    Die Spaltlichtpost

    Platti Lorenz

    © Copyright 2019, Stichblatt Verlag – Katrin Lorenz, Rostock, Deutschland

    www.stichblatt.de

    Autorin: Platti Lorenz, Rostock

    Illustratorin: Mie Dettmann, Hamburg

    ISBN: 978-3-947165-07-0

    Für all jene, die den pelzigen Widerstand zu schätzen wissen und selbst gerne aufmüpfig gegen den weit weniger eleganten Strom spazieren.

    Über den Erzähler

    Alten Katern kann man keine neuen Tricks beibringen – schon gar nicht einem altgedienten Hexenkater ...

    Ihr meint, das kommt halt mit dem Alter?

    Urteilt nicht zu schnell, ihr Lieben.

    Es liegt nicht am Alter, dem schlechten Kurzzeitgedächtnis und ganz bestimmt nicht an der beginnenden Senilität oder der Arthrose. Keineswegs.

    Einem alten Hexenkater, wie Tyrrin einer ist, kann man nichts mehr beibringen, weil das für ihn einfach gar nichts Neues ist.

    Denn er hat wie folgt gelernt ...

    Lektion 1

    oder

    Von Toilettenhäusern, Imbissbuden und Schildern

    „Ist es das da?"

    „N-nein."

    „Oh, oder ist es das da?"

    „N-nein."

    „Aber das da! Das muss es sein! Es kommt mir bekannt vor."

    „Äh ... N-nein."

    „Das wird es bestimmt nicht sein. Das ist ein öffentliches Toilettenhaus."

    „Ein was?"

    „S-so wie d-deine K-kiste."

    „Aha ... Ich verstehe ...", sprach ich – und verstand es dann erst wirklich. „Menschen brauchen ein ganzes Haus dafür?!"

    Auch wenn ich weiterhin eine länger andauernde gemeinsame Zukunft mit diesem Karel-Menschen-Mitbewohner nicht ernstlich in Betracht zog, hatte ich – zumindest für die nächste Zeit – beschlossen, dieses Verhältnis noch eine Weile zu tolerieren. In der Tat ließ die Gesellschaft und Verpflegung einiges zu wünschen übrig. Aber so hatte ich wenigstens ein Dach über dem Kopf und einen halbwegs sicheren Schlafplatz, von welchem aus ich meine Suche nach Old Lady gut durchdacht in Angriff nehmen konnte.

    Ja, liebe Kätzlein und Katerchen, liebe Mädchen und Jungen, Abenteuer wollen mit Bedacht angegangen werden. Man weiß nie, wohin sie einen führen, wie weit sie einen von zu Hause fortlocken oder was einen dabei erwartet.

    Es ist nie verkehrt einen Ort zu haben, an den man sich im Fall der Fälle zurücksehnen kann. Nun ja, und da Old Lady – so hatte es Karel mir jedenfalls erzählt – verschwunden war, musste ich notgedrungen mit dem, was ich hatte, vorliebnehmen.

    Nichtsdestotrotz hatte ich meinen Karel-Menschen nach zwei oder drei für ihn äußerst schlafarmen Nächten dazu überreden können, das vermeintliche Verschwinden von Old Lady noch einmal richtig nachzuprüfen. Nachdem ich dann noch hoch und heilig versprochen hatte, mich nicht in Form eines neuerlichen Fluchtversuchs von ihm abzusetzen, hatte Karel schließlich klein beigegeben und sich mit mir auf den Weg gemacht. Wir sind heraus aus unserer gemeinsamen Zimmerbuchte, auf den Korridor, der zwar voller Menschen war, aber von Karels Schulter aus betrachtet nicht ganz so verworren anmutete wie bei meinem ersten Ausflug. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass sich die Menschen dieses Mal weit weniger bewegten, ja mich sogar regelrecht beobachteten ... Vielleicht waren sie aber auch nur besorgt, weil Karel hochrot angelaufen war und offenbar versuchte, sich hinter dieser neuen Gesichtsfarbe vor etwas zu verstecken.

    Wahrscheinlich wäre er vor lauter Selbstversteckerei noch vor der ersten Treppe stehen geblieben, wenn mein Assistent ihn nicht gleichmäßig voran und an seinen Artgenossen vorbei, aus dem Korridor und zu guter Letzt ins Freie geschoben hätte.

    „Hmhm. Das hier kenne ich schon", stellte ich zuversichtlich fest und besah noch einmal das Grünzeug mit den braungrauen Spuren auf dem Boden, das weite Blau ganz oben und die klobigen grauen Blöcke dazwischen.

    „P-p-p-p-pscht", stotterte Karel, der sich spontan umsah, als wäre ihm ein Ungeheuer – oder eines dieser schuhwerfenden und andere Leute in Handtaschen steckenden Mädchen – auf den Fersen.

    „Stell dich nicht so an, Karel, sprach mein Assistent und schob ihn weiter an diesen riesigen Blockgebilden vorbei. „Ihn bemerkt schon keiner. Wenn hier einer auffällt, dann bist ganz sicher du derjenige. – Himmel, mach dich mal locker. Und tu' nicht so, als ob du etwas zu verbergen hättest. Sonst machst du uns wirklich noch verdächtig.

    Menschen waren manchmal schon sehr eigenartige Wesen. Zum Glück erwies sich mein neuer Assistent als weitaus umgänglicher als mein notgedrungener Karel-Mitbewohner. Joscha hatte sich bei meinem recht abenteuerlichen Aufenthalt in dieser Burschenschaft, die sich selbst der Graue Weiher nannte, als sehr verständiger Gastgeber erwiesen. Ich musste ihn währenddessen wohl außerordentlich beeindruckt haben. Denn kaum, dass ich die Burschenschaft verlassen hatte, war er, sobald er von meiner dringenden Suche nach Old Lady erfahren hatte, auch schon meiner Mission beigetreten. Extra für mich hatte er sogar seine Aufgaben in der Burschenschaft irgendwelchen anderen ehemaligen Hutmenschen überlassen, die nach meiner Entlarvung des selbst für mich immer noch höchst mysteriösen Schmatzkröten- und Personalmenschenkomplotts nach einer neuen Bestimmung suchten.

    Seitdem hatte sich Joscha als hervorragender Assistent behaupten können. Er hatte mir zur Entschuldigung für die Aufregung in der Burschenschaft einen sogenannten Katzenbaum zum Geschenk gemacht, der mir das manchmal recht leidliche Leben in der kleinen Karel-Zimmerbuchte etwas erträglicher gestaltete. Außerdem hatte er mir geholfen, Karel davon zu überzeugen, dass wir Old Ladys Verschwinden schnellstmöglich auf den Grund gehen mussten. Auf diese Weise hatte ich die Tage nutzen können, um meine Kräfte für die Nächte zu sammeln, in welchen ich Karel fortwährend mit meinen Absichten konfrontierte.

    Schlussendlich war es dann ebenfalls Joscha gewesen, der sich auf meine Seite stellte, als Karel mich für unsere erste gemeinsame Außenunternehmung in einen Korb mit Deckel stecken wollte. – Ein Korb mit DECKEL! Ist das zu fassen?!

    Jedenfalls waren wir – Joscha, Karel und meine Katerhaftigkeit – nun endlich drauf und dran, die große, weite Welt nach Old Lady abzusuchen.

    Wie ich feststellen musste, bestand die große, weite Welt aus erstaunlich vielen und großen, aber durchaus auch sehr unterschiedlichen blockartigen Gebilden und noch zahlreicheren Menschen. Wie Joscha mir erklärte, handelte es sich bei den großräumigen Blöcken um Gebäude und Häuser. Und alle Häuser und Gebäude zusammen nannten sich dann Redberg ... Wichtig für mich war im Augenblick allerdings nur, dass sich Old Lady in einem dieser Häuser aufhalten musste und dass dort mein richtiges Zuhause war.

    „Oh, und was ist das da? Ist das auch so ein Toilettenhaus? Warum guckt da jemand raus?"

    „Das ist eine Imbissbude. – Da gibt es was zu essen. Belegte Brötchen, Klopse und Würstchen ..."

    „Würstchen?, bemerke ich freudig. Doch dann fiel mir etwas auf. „Oh ... Man muss ja wirklich aufpassen, dass man das eine nicht mit dem anderen verwechselt ... Nicht, dass Menschen ihr Geschäft ...

    „Um genau das zu vermeiden, gibt es Schilder", kam Joscha mir zuvor und zeigte auf eine Holztafel, wie sie hier an allen Häusern und Gebäuden hing – nur, dass sich jede Tafel stets etwas von den anderen unterschied. Auf manchen waren Bilder, andere wiesen nur merkwürdige Symbole auf.

    „Schilder ...", raunte ich erkennend und diese Erfahrung verarbeitend.

    „D-da vorn ist es", rief Karel. Er zeigte auf ein verhältnismäßig kleines Haus, an welchem ebenfalls ein Schild prangte. Darauf zu sehen war so etwas wie ein rotbrauner Kreis mit Zähnen, der von zwei grauen Gegenständen überkreuzt wurde. Der eine war schmal, spitz und gerade. Der andere bestand aus zwei geschlungenen Linien die einander ebenfalls überkreuzten. Und dann waren da auch welche von diesen fragwürdigen Zeichen – sauber aneinander gereiht und deutlich.

    „Was hat das zu bedeuten?, erkundigte ich mich. „Was ist das für ein Schild?

    „Wie? Du kannst sprechen aber nicht lesen?" Joscha lächelte amüsiert.

    „Lesen?" Ich sah erst ihn und danach Karel ratlos an.

    „A-auf dem Schild steht: B-barst-tadls E-eisenwaren, kam Karel meiner Frage nach. „D-das sind Buchstaben. W-wenn m-man Buchst-taben aneinander reiht, k-kann man g-gesp-prochene Wörter auf P-papier oder Sch-schildern festhalten, o-ohne dass man s-sie sagen muss.

    „Ah ... Buchstaben also ..., murmelte ich erstaunt und fasziniert, obwohl mir der Sinn und Zweck des Ganzen noch nicht so recht begreiflich erscheinen wollte. „Und was ist ein Barstadl?

    Karel warf einen Hilfe suchenden Blick zu Joscha, der darauf mit den Schultern zuckte.

    „Warum gehen wir nicht rein und sehen nach?", schlug er dann vor und schob die Tür in den Laden hinein auf.

    Ein kaum merklicher Geruch schlug uns entgegen. Er war so schwach, dass ich nicht glaube, dass Joscha oder Karel ihn überhaupt wahrnahmen. Aber ich erkannte diese besondere Note. Denn mehr war es nicht – schlicht eine flüchtige Note. Doch ich wusste es sofort: Hier waren wir richtig. Dies hier war mein wahres Zuhause.

    Ich sprang Karel von der Schulter, ehe dieser selbst das Innere des Hauses betreten konnte, und huschte Joscha durch die Beine, noch bevor hinter mir ein verdattertes „T-t-t-t-tyrrin!" ertönte.

    Ich platzte in den Raum.

    Nur war das nicht mehr der Raum, wie ich ihn kannte. – Wo war das Körbchen, in dem meine Mutter meine Geschwister und mich zur Welt gebracht hatte? Wo war unsere Spielecke mit den vielen Decken, Kordeln und Pappschachteln? Wo war Old Ladys Sessel, in welchem sie so oft gesessen und uns Geschichten erzählt hatte? Und – das Wichtigste von allem – wo war Old Lady?!

    Alles, was ich vorfand, war ein Raum, der nicht zum Wohnen angedacht war. Das Zimmer war voll mit Kisten und Regalen, in denen sich – soweit ich sah – lauter merkwürdige Dinge befanden. Sie waren grau und kalt und verströmten einen erdigen Geruch, den ich so noch nicht kannte und welcher die Note meines Zuhauses mehr und mehr überdeckte, je länger ich mich in diesem Raum aufhielt.

    „... T-tyrrin?", meldete Karel sich besorgt zu Wort.

    Ich wandte mich langsam und mit schwerem Herzen zu ihm um. Ich sah ihn an – und erst dann verstand ich: Old Lady war nicht da ...

    Selten hatte ich mich so hilflos, fremd und benommen gefühlt.

    „Erchem, räusperte sich die raue Stimme eines Mannes. „Kann ich vielleicht weiterhelfen?

    Ich schrak zusammen – sah nach oben in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Spontan hatte sich mein ganzer Pelz gesträubt und wie geladen zu einem angriffsbereiten Buckel aufgerichtet.

    Da, hinter dem einen halbhohem Regal stand ein Menschenmann.

    Was machte er hier ...?

    Ich kannte ihn nicht.

    Ich preschte los. Nicht durch die Tür. Ich preschte in den Raum hinein, verschwand in der nächstbesten dunklen Nische, die mir gelegen kam. Einfach irgendwohin, zwischen die Kisten aus Karton, Holz und Metall. Ich schob mich, so weit ich kam, einen schmalen Spalt entlang, bog um eine Ecke und noch eine, bis es um mich völlig finster war.

    Gedämpft hörte ich Karel meinen Namen stottern, während sich Joscha verlegen lachend um eine Erklärung bemühte.

    Mir war es gleich. Old Lady war nicht hier, das hatte ich jetzt begriffen. Also musste ich sie finden. Die Frage war nur, wie ich das anstellen sollte. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Einen ruhigen Moment, um mich zu sammeln, zum Überlegen, nur für mich allein.

    Dieser dunkle, einsame Ort hinter all den Kisten wäre mir auch gerade recht dafür gewesen. Nur – und das sollte ich erst in einigen Augenblicken merken – war ich nicht alleine hier.

    Lektion 2

    oder

    Barstadl

    „Möchten die Herren nun etwas kaufen oder nicht?"

    „Ä-äh-em ..."

    „Vielleicht ..., fiel Joscha Karel rasch ins Wort. „Was genau gibt’s denn hier, ... Herr Barstadl?

    Ich atmete ein paar Mal tief durch und beruhigte mich langsam. Auch wenn diese Kisten um mich herum einen eigenwilligen Geruch verströmten, war die Dunkelheit, die sie mir spendeten, eine wahre Wohltat. Außerdem bekam ich so die Gelegenheit, die drei Menschen bei ihrem Gespräch zu belauschen.

    „Dies ist ein Eisenwarenhandel", sagte der fremde Mensch kehlig knurrend. „Hier gibt es Eisenwaren." Der Mann klang nicht sonderlich erbaut über die Anwesenheit meiner Begleiter, geschweige denn geduldig.

    „Oh, erwiderte Joscha, „Das ist bestimmt sehr faszinierend ...

    „Hier gibt es Schrauben, Muttern, Nägel, Unterlegscheiben, Scharniere, Federn, Werkzeug und verschiedene Metallersatzteile."

    „D-das da ist e-ein s-sehr schöner B-b-bohrer."

    Das ist ein Präzisionskompaktbohrgerät mit geschliffenen Faltstahlbohrelementen aus Marktland."

    „Das klingt wirklich nach einem sehr schönen Bohrer."

    „Darf ich ihn für die Herren einpacken?", erkundigte sich der Fremde mit unfreundlicher Höflichkeit.

    Was machten diese Menschen da?

    „W-was i-ist da in den K-kisten?", wechselte Karel schließlich das Thema.

    „Feinmechanische Einzel- und Ersatzteile."

    „Dürfen wir sie uns etwas genauer ansehen, ... äh ... Herr Barstadl?"

    Joscha machte vorsorglich einen zaghaften Schritt in meine Richtung.

    „Suchen die Herren etwas Bestimmtes?"

    Gut, sie vermittelten dem flüchtigen Betrachter eventuell den Eindruck einer Unterhaltung. Aber wenn man nur für einen Moment ein kleines bisschen genauer hinhörte, sagte keiner dieser drei Menschen, was er tatsächlich sagen wollte ...

    Obwohl Joscha und Karel gerade nicht einen Laut von sich gaben, beschlich mich der Verdacht, dass sie just in diesem Augenblick versuchten, möglichst unschuldig und arglos auszusehen ...

    „Wenn die Herren hier nichts kaufen wollen, nehmt gefälligst die Katze mit und verschwindet."

    ... und allem Anschein nach waren die beiden darin nicht besonders glaubhaft.

    „A-ä-ä-ähm ...", versuchte Karel sich an einer kläglichen Ausflucht.

    „Die Tür ist da, wenn ihr sie sucht", räumte der Mann mit nachdrücklicher Ruhe ein.

    „Nun, die Sache ist die, ... Herr ... Barstadl, wandte Joscha ein. „Wir haben da noch ein kleines ... Problem mit unserem ... Kater ...

    Der Barstadl-Mann seufzte unwirsch und machte sich daran – wahrscheinlich in einem seiner Regale – herumzuwühlen.

    „Irgendwo hier habe ich doch noch einen achtachsigen Winkelgriff mit hydraulischer Bedienungsvorrichtung ... Eigentlich ist er für die Wartung und Reinigung von schwer erreichbaren Engstellen gedacht. Aber für eine Katze sollte er nicht weniger geeignet sein."

    „A-a-aber ..."

    „Nix da. Ihr stellt mir bestimmt nicht mein halbes Geschäft auf den Kopf. Ich erkenne Möchtegernhandwerker und mittellose Studenten, wenn ich sie sehe. – Man muss das kleine Biest unvorbereitet erwischen, bevor es spitzkriegt, was ihm blüht. Bei Ratten funktioniert es jedenfalls prächtig."

    Etwas polterte wie kleinteiliges Metall auf Holz.

    „Himmel, was zum ... Was ist das?"

    „E-e-eigentlich w-w-w-wollten w-wir n-n-n-nur ..."

    „Keine Bange. Ich stelle den Herren die Dienstleistung in Rechnung", sagte der Mann geschäftig und stapfte festen Schrittes auf mich zu – oder nur in meine Richtung?

    Was zum Kuckuck passierte da draußen?! – Aber, wenn ich genauer darüber nachdachte ... Nein. So neugierig war ich nun auch wieder nicht, dass ich mir das zu allem Elend obendrein noch angucken musste. Stattdessen regte sich in mir dieses unbestimmte Gefühl, welches einen für gewöhnlich ereilt, wenn man nicht richtig zugehört hat und herausbekommen will, welche Frage einem das Gegenüber soeben gestellt hat.

    Ich hörte ein blechernes Klappern, gefolgt von einem Quietschen, das mehrmals von einem lauten Klack-tsch! begleitet wurde und mit einem kräftigen Schnapp! ein jähes Ende fand.

    „Also, da war sie nicht."

    Ein ratterndes Geräusch hallte hinter den Kisten, zwischen denen ich hockte, entlang und endete mit einem giftigen Zischlaut.

    Ich sah mich in meiner unmittelbaren Nähe um und prüfte, ob sich etwas verändert hatte. Aber da war nichts. Vielleicht war es aber auch nur zu dunkel.

    „Herr, – Herr Barstadl, mischte sich plötzlich Joscha ein. „Das ist doch nicht gefährlich, oder? – Also für den Kater, meine ich.

    „Das ist feinste Wertarbeit aus Marktland, junger Herr, brummte der Barstadl in sein Tun vertieft. „Alles nur nach höchsten Sicherheitsstandards.

    „G-gilt d-das auch f-für d-denjenigen am v-vorderen Ende?"

    Da, schon wieder!

    Klack-tsch! Klack-tsch! Klack-tsch! Klack-tsch! Klack-tsch!

    „Duck dich!", pfiff mir ein dünnes Stimmchen direkt ins Ohr.

    Ich ging in Deckung. Und kaum lag ich so flach wie nur irgend möglich auf dem Boden, erklang bereits das nächste Klack-tsch! und ich spürte, dass etwas flüchtig meinen Rücken streifte.

    Und nochmal. Klack-tsch! Klack-tsch! Schnapp!

    Was war das?! Ich wollte mich umsehen ...

    „Bleib unten, Tyrrin", flüsterte es mir erneut, nur diesmal in mein anderes Ohr.

    „N ... hach! Schon wieder nichts", hörte ich den Barstadl murren.

    Was immer an mir vorbei gerauscht war, hatte mich noch nicht ganz passiert. Über mir und hinter meinem Rücken knatterte und ratterte es von Neuem. Es wurde lauter, glitt mit einem ruppigen Luftzug an mir vorbei und entfernte sich in die Richtung, aus welcher es ursprünglich gekommen war.

    Das reichte mir.

    Ich sprang auf, fauchte und schlug einige Male mit meiner Pfote nach ... Ja, nach diesem Ding eben. Was es auch war, es hatte es verdient – selbst wenn es nicht mehr da war.

    „Was treibt ihr da?!, rief ich erbost in die Außenwelt. „Wo ist Old Lady?! Was habt ihr Menschen mit ihr angestellt?!

    „Was ...? – Wer ...?" Etwas Metallisches wurde verwundert auf dem Boden abgelegt.

    „D-das i-ist s-sein Frauchen", erklärte Karel.

    „Die Dame hatte vor Ihnen dieses Geschäft gemietet, fügte Joscha hinzu. „Ist sie Ihnen vor Ihrem Einzug vielleicht begegnet? Oder ist Ihnen bekannt, wo sie hinwollte? – Um ehrlich zu sein ... Wir sind eigentlich nur wegen dieser Auskunft hierhergekommen.

    „A ... Ach so ... Der Barstadl klang etwas abwesend. „Wenn das so ist ... Womöglich sollten sich die Herren lieber an den Herrn Vermieter wenden ... Die Katze ... Die Katze, sie hat ...

    „Herr Barstadl, ich denke, wir trinken jetzt erst einmal einen schönen Tee."

    „U-und v-v-vielen D-dank für d-die Auskunft."

    Es polterte benommen und unbeholfen. Anscheinend waren Karel und Joscha mit dem Barstadl-Mann in Old Ladys ehemaliges Privatzimmer verschwunden. Doch auch, wenn ich nicht recht wusste, was nun wieder ein Vermieter war, beschloss ich, den Menschen vorerst nicht zu folgen. Ich würde mir später einfach alle notwendigen Details von Joscha berichten lassen. Wozu sonst hatte ich einen Assistenten?

    Unterdessen nutzte ich meine neu gewonnene Abgeschiedenheit in der Finsternis, um mir über einige Dinge klar zu werden.

    Wohin konnte Old Lady nur verschwunden sein?

    Während ich so über meine Pläne nachsann und die beruhigende Eintönigkeit der Schatten unbestimmt betrachtete, bemerkte ich, dass sich genau dort, wo bis auf tiefste Schwärze nichts sein sollte, etwas tat.

    Mir fiel wieder dieses Stimmchen ein. Oder, war es doch nur meine Einbildung gewesen? Aber dann erinnerte ich mich an seine Worte ... Ganz gleich ob Trugbild oder nicht, es gab da eine Frage, die mir auf den Lippen brannte und deren Antwort mir wahrscheinlich nicht sonderlich behagen würde.

    „Woher kennst du meinen Namen?", rief ich in die unbewegte Dunkelheit.

    Jemand lachte leise.

    Lektion 3

    oder

    Wen-N

    Ich hatte große Mühe und brauchte ein gehöriges Maß an Konzentration, um die Zweifel an meinen eigenen Sinnen abzuschütteln. War da etwas? Hörte ich wirklich, was ich zu hören glaubte? Oder handelte es sich vielleicht doch nur um einen bizarren Traum?

    Es war schließlich mein Instinkt, der mich anhielt, meiner Wahrnehmung zu trauen, auch wenn meine Wahrnehmung lediglich aus einem Hauch von einem Geräusch bestand, das vielfach verstärkt vielleicht wie ein zaghaftes Kichern geklungen hätte. Aber nichtsdestotrotz, mein Instinkt sagte mir, dass es da war.

    „Nun sag schon, entschloss ich mich für die Flucht nach vorn. „Woher kennst du meinen Namen?!

    Da! Das Stimmchen kicherte erneut.

    Ich sah mich um, sah bis auf eine monotone Dunkelheit allerdings nichts, dass auf jemanden in meiner Nähe hindeutete. So leise wie dieses Kichern war, musste es jedoch irgendwo aus meiner unmittelbaren Umgebung kommen.

    „Schau hier hin", rief das Stimmchen in seiner kaum wahrnehmbaren Art. Und es lachte wieder.

    „Wo bist du?!" Ich merkte, dass ich unbewusst eine leicht geduckte Haltung eingenommen hatte. Ich sah mich gezielter um, versuchte jede noch so kleine Regung, jeden winzigsten Kontrast – so es denn etwas derartiges gab – zu erkennen. Ich witterte. Aber der moderige Geruch, den die Kisten rings um mich verströmten, überdeckte jede nur denkbare dezente Spur.

    „Schau genauer", ermutigte mich das Stimmchen. Und das tat ich. Ich sah so gut und haargenau hin, wie es mir die Finsternis erlaubte. Ich konzentrierte mich, war entschlossen.

    Das Stimmchen brach in schallendes Gelächter aus. – Also, sofern man bei dieser kaum hörbaren Lautstärke überhaupt von schallend sprechen konnte. Die Art, wie dieses Stimmchen lachte, erkannte ich sofort. Es lachte mich aus – und konnte dabei kaum an sich halten.

    „Wie du schielst!", pfiff das Stimmchen in den höchsten Tönen und setzte sein Gelächter fort.

    Aber, liebe Kätzlein und Katerchen, liebe Mädchen und Jungen, ein echter Hexenkater lässt sich von so etwas nicht beirren. Schon gar nicht, wenn er dabei ist, etwas herauszufinden, das nur den Wenigsten bekannt ist.

    Ich sah noch genauer hin. Sah dort hin, woher diese fiepsenden Kicherlaute kamen. Ich atmete tief durch und versteifte mich darauf zu erkennen ...

    Die Dunkelheit. Sie flackerte – oder verschwamm. So genau vermochte ich das nicht einzuordnen. Mir war plötzlich, als sähe ich durch ein kugelrundes Wasserglas, das unkontrolliert auf und ab wippte.

    Aber Moment mal! Ich tat einen Schritt zurück und richtete meine Aufmerksamkeit nicht durch, sondern auf dieses rundliche Gebilde aus einem Hauch von Nichts. Denn mehr war es ja auch wirklich nicht. – Na ja, sah man einmal davon ab, dass sich am unteren Ende dieses Schattens einer leicht schief geratenen Glaskugel je zwei dünne und nicht weniger halbwirkliche Ärmchen und Beinchen anschlossen.

    Also, ich musste schon zugeben, dass diese anscheinend freilebende Sinnestäuschung – ließ man die exorbitant überdimensionierte Größe des Kopfes einmal außer Acht – durchaus eine gewisse Ähnlichkeit hatte mit ...

    „Bist du ein Mensch?", fragte ich.

    Das Gelächter verstummte, womit auch die zappelige Auf- und Abbewegung des Kopfes ihr jähes Ende fand, was es mir wiederum nicht leichter machte, meinen neugewonnenen Gesprächspartner von dem Rest der Düsternis zu unterscheiden.

    „Seh' ich etwa so aus?!", maßregelte mich das Stimmchen flüsternd leise, aber höchst pikiert.

    „Du benutzt ihre Sprache und ..." Ich blickte nur zur Kontrolle ein weiteres Mal in den Schatten. „Oder bist du vielleicht ein kleiner Mensch? – Einer von diesen ... Wie heißen sie noch gleich ...?"

    Nein", versicherte das Stimmchen mir in einem Wort.

    Ich schnaufte, zum einen etwas beleidigt, zum anderen ein kleines Stück enttäuscht über diese mangelnde Informationsbereitschaft. „Dann sag mir wenigstens, woher du meinen Namen kennst", forderte ich maulig und prompt kicherte das Stimmchen wieder hübsch vergnügt.

    „Ich könnte dir sagen, dass ich deinen Namen kenne, weil der nervöse Menschenjunge dich mit ihm benannt hat, kurz nachdem ihr dieses Haus betreten hattet." Es kicherte noch einmal und mir wurde klar, dass diese Sache mit dem eigenen Namen, den man nicht in die falschen Hände geben durfte – das hatte Old Lady mir unmissverständlich eingebläut –, sich über kurz oder lang schwieriger gestalten könnte, als ich es je anzunehmen gewagt hätte. Wenn ich wieder mit Karel in seiner Zimmerbuchte war, würde ich dringlichst ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen. Es war auch immer dasselbe mit ihm ...

    „Aber weißt du, Tyrrin, fuhr das Stimmchen fort, „Tatsächlich kenne ich deinen Namen schon seit dem Tag, an dem du ihn bekommen hast. Wieder lachte es belustigt.

    So, und nun war ich mir nicht ganz sicher, ob ich das Wesen richtig verstanden hatte, ob ich jetzt besser ein flaues Gefühl haben sollte oder ob unter Umständen sogar ein erbostes Schockiertsein angebracht war. Außerdem traf mich der Gedanke an Karels eventuelle Doch-Unschuld in dieser Namensfrage ausgesprochen unvorbereitet.

    „Hä? – Oh, ich meine: Wie bitte?"

    „Ich habe dich

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