Ein Funke Magie
Von Elena Münscher
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Über dieses E-Book
Ein Versprechen
Ein Funke dunkler Magie
Näherin Adelheid ist mehr als verwundert, dass ein feiner Herr wie dieser Rumpel ihr seine Hilfe anbietet. Nicht nur, dass er sie und ihre Mutter finanziell unterstützt, er ermöglicht Adelheid auch durch eine arrangierte Heirat den sozialen Aufstieg. Alles, was Herr Rumpel dafür verlangt, ist ihr Versprechen, ihm irgendwann zu helfen.
Das ist fast zu schön, um wahr zu sein!
Rumpel ist mit sich und der Welt zufrieden. Für die Aussicht auf ein wenig Wohlstand lassen diese Menschen scheinbar nur zu gerne jede Vorsicht außer Acht. Und bis Adelheid merkt, was genau sie ihm versprochen hat, wird Rumpels Magie bereits wirken.
Was kann da noch schiefgehen?
Rumpelstilzchen einmal anders. Das Berlin der Goldenen Zwanziger Jahre bildet den Hintergrund für eine Geschichte, in der Rumpelstilzchens Motive gründlich unter die Lupe genommen werden. So grausam und willkürlich er uns im Märchen auch erscheint, niemand handelt ohne guten Grund, auch die Bösen nicht.
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Buchvorschau
Ein Funke Magie - Elena Münscher
978-3-95959-190-4
1. Kapitel
Der Abend war bereits so fortgeschritten wie der Alkoholpegel der Gäste. Zigarettenqualm vernebelte das Wirtshaus. Es war laut. Gläser klirrten, Leute redeten durcheinander, einer rief lautstark nach seinem Bier, andere zählten Münzen auf den Tisch, hinten an der Wand spielte eine Gruppe ein Würfelspiel. Rummms! Der speckige Lederbecher knallte auf die Tischplatte. »Sechs!«, brüllte eine tiefe Männerstimme.
Schon knallte der Becher erneut auf den Tisch.
»He, das gilt nicht! Du hast gemogelt!«
»Hab ich nicht! Nimm das sofort zurück! He, ihr habt alle gesehen, dass ich nicht gemogelt habe!«
»Jaja, haben wir, nun gib endlich weiter, sonst sind wir übermorgen noch nicht fertig!«
Wie hielten die das bloß aus?
Konnten diese Wesen nicht ein Mal still sein?
Rummmms!
»Scheiße, nur eine Fünf!«
Sein Kopf schmerzte. Seine Gedanken verknoteten sich in dem magielosen Äther, ungerichtet, in Schlingen und Verwerfungen. Kaum dass er einen einzigen Gedanken zu Ende brachte. Wie lange konnte er das noch ertragen?
Mit einem Stöhnen sackte er auf dem Stuhl zusammen. Sein Kopf berührte das bierfleckige Holz. Wenn er doch bloß hier wegkönnte! Gequält schloss er die Augen.
»Besoffen.« In der Stimme klang Verachtung. »Schon wieder. Macht der das eigentlich jeden Abend?«
»Lass ihn. Er bezahlt immer. Und er gibt uns ein anständiges Trinkgeld. Außerdem geht er bald. Wie immer.«
Das war … wie hieß sie noch mal? Maria? Die Menschen hatten komische Namen. Er hatte Mühe, sie zu behalten, zumal ihre blassen Gesichter kaum auseinanderzuhalten waren. Ja. Maria. Hin und wieder hatte sie ihm die Zähne gezeigt. Er hatte lange gebraucht, um zu merken, dass diese Geste hierzulande freundlich gemeint war.
Und Maria hatte recht. Er musste gleich gehen. So erschöpft, wie er sich fühlte, würde er bald einschlafen, und das durfte auf keinen Fall vor den Augen der Menschen passieren. Sein Gestalttrugbild löste sich auf, wenn er schlief. Mit einem Stöhnen öffnete er die Augen und schob sich in die Höhe.
Mit einer Restvergiftung, die von den Menschen merkwürdigerweise mit dem Namen eines Tieres belegt wurde, wachte er am nächsten Abend auf. Kopf und Magen schmerzten. Er erinnerte sich nicht, welchen Weg er den Tag zuvor zu seinem Versteck genommen hatte. Wie primitiv die Menschen auch sein mochten, in einem waren sie sehr gut: in der Wirkstärke ihrer alkoholischen Getränke. Selbst bei seinem Stoffwechsel gelang es dank dieser Erfindung, dass er sein komplettes Denken vorübergehend einstellen konnte. Ein Segen, in den er sich fast jede Nacht flüchtete, wenn er sonst nichts zu tun hatte. Dafür nahm er sogar die anschließenden Schmerzen in Kauf. Die Tage waren nicht so schlimm. Seine Art war nachtaktiv, tagsüber bevorzugte sein Körper von allein ein sanftes Dahindösen, nicht richtig wach, nicht richtig schlafend, aber zumindest nicht gequält von seinen Erinnerungen. Die Nächte dagegen waren die Hölle. Dann, wenn er in dieser schrecklich warmen Welt kaum Luft kriegte, fast zu ersticken meinte, wenn der magielose Äther um ihn wie eine Wand wirkte, die Gedanken weder hinein- noch hinausließ. Nur der Alkohol ließ ihn sein Elend ertragen. Der und seine unaufhörliche, beharrliche Arbeit an einer Rückkehrmöglichkeit.
Langsam schob er sich aus dem Versteck, kniff die Augen zu, geblendet von dem noch immer intensivroten Abendhimmel.
Sein erster Gang führte wie zu Beginn jeder Nacht zum Tor. Ein schwarzer rauer Felsblock inmitten anderer schwarzer rauer Felsblöcke, aber die Runen der Wächter waren Leuchtfeuer für seine Augen. So nah und doch so fern! Ein einziger Schritt trennte ihn von seiner Heimat. Ein Schritt, den er nicht vollbringen konnte, denn nur Magie konnte die Runen zwingen, das Tor zu öffnen. Eine Magie, die ihm in dieser Welt nicht zur Verfügung stand. Noch nicht. Er starrte auf den Felsen, berührte ihn mit seinen Krallen, fuhr die Muster der Runen nach. Sie reagierten nicht mit dem kleinsten Flackern. Seine Verbannung war vollkommen. Eine Welt, in der Magie nur in winzigsten Spuren existierte, zu denen er einfach keinen Zugriff erlangte.
Nicht einmal das Trugbild, das er den Menschen von sich zeigte, konnte er aus eigener Kraft erhalten. Ein kleiner Zauber, den man ihm in die Verbannung mitgegeben hatte, komprimiert in einem Ring als einziges Zugeständnis an die Zustände hier. Sein Aussehen konnte er damit variieren, der Rest war für Manipulationen so unzugänglich wie die Wächterrunen.
Und doch … Sein Gesicht verzog sich, er fletschte die Zähne. Es gab einen Weg. Es gab immer einen Weg. Das war in der Welt der Menschen nicht anders als in seiner. Es würde lange dauern, er würde Geduld brauchen. Aber irgendwann würde er genügend Magie angesammelt haben, um die Wächter zu bezwingen und das Tor zurück zu öffnen. Er würde sich rächen.
Er würde zurückkehren.
Irgendwann.
2. Kapitel
»Der schon wieder!« Die junge Frau, die halb entblößt vor der Fassade eines heruntergekommenen Tanzlokals stand und rauchte, sah ihn an, als sei er eines von diesen überall in ihren Behausungen herumkrabbelnden Insekten, welche die Menschen Küchenschaben nannten. »Kommt jede Woche mindestens einmal hier vorbei, seit über einem Jahr. Aber er hat erst ein einziges Mal ein Mädchen mitgenommen. Die Hilda, die immer an der Ecke Osterstraße stand.«