Kleines Herz findet Heim: Sophienlust Extra 48 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Aline Larsen sah ihre Freundin Lola Auerbach, die genussvoll ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte aß, unsicher an. Schließlich fragte sie: »Du glaubst wirklich, dass Frau von Schoenecker unsere Jolanda für drei Wochen bei sich aufnehmen würde?« Lola schob den letzten Bissen in den Mund und trank einen Schluck Kaffee hinterher. »Wenn ich nicht sicher wäre, hätte ich dir die Adresse nicht genannt, Aline. Im Kinderheim Sophienlust werden natürlich vor allem Waisen und Kinder aus unglücklichen Familienverhältnissen aufgenommen. Eine Stiftung finanziert das Heim. Aber zahlende kleine Gäste sind selbstverständlich gern gesehen, sofern gerade Platz ist. Deshalb musst du dich zunächst telefonisch erkundigen. Kann ich noch ein winziges Stückchen von der Torte haben, Aline? Sie schmeckt zu gut.« »Nimm, so viel du willst, Lola. Dann werde ich also meine Schüchternheit überwinden und anfragen.« Aline drehte sogleich die Wählscheibe. Denise von Schoenecker war selbst am Apparat. Aline trug ihre Bitte vor: »Mein Mann muss für etwa drei Wochen geschäftlich nach Argentinien. Wir hatten in unserer zwölfjährigen Ehe noch nie Gelegenheit zu einem gemeinsamen Urlaub. Ich würde deshalb gern mitfahren, aber nur dann, wenn ich wüsste, dass unsere elfjährige Tochter Jolanda während dieser Zeit gut aufgehoben ist.« Aline lauschte eine Weile mit geneigtem Kopf. Ein freudiges Lächeln glitt dann über ihr schmales Gesicht. »Herzlichen Dank, Frau von Schoenecker.
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Buchvorschau
Kleines Herz findet Heim - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 48 –
Kleines Herz findet Heim
Alles wird gut für Jolanda!
Gert Rothberg
Aline Larsen sah ihre Freundin Lola Auerbach, die genussvoll ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte aß, unsicher an. Schließlich fragte sie: »Du glaubst wirklich, dass Frau von Schoenecker unsere Jolanda für drei Wochen bei sich aufnehmen würde?«
Lola schob den letzten Bissen in den Mund und trank einen Schluck Kaffee hinterher. »Wenn ich nicht sicher wäre, hätte ich dir die Adresse nicht genannt, Aline. Im Kinderheim Sophienlust werden natürlich vor allem Waisen und Kinder aus unglücklichen Familienverhältnissen aufgenommen. Eine Stiftung finanziert das Heim. Aber zahlende kleine Gäste sind selbstverständlich gern gesehen, sofern gerade Platz ist. Deshalb musst du dich zunächst telefonisch erkundigen. Kann ich noch ein winziges Stückchen von der Torte haben, Aline? Sie schmeckt zu gut.«
»Nimm, so viel du willst, Lola. Dann werde ich also meine Schüchternheit überwinden und anfragen.«
Aline drehte sogleich die Wählscheibe. Denise von Schoenecker war selbst am Apparat. Aline trug ihre Bitte vor: »Mein Mann muss für etwa drei Wochen geschäftlich nach Argentinien. Wir hatten in unserer zwölfjährigen Ehe noch nie Gelegenheit zu einem gemeinsamen Urlaub. Ich würde deshalb gern mitfahren, aber nur dann, wenn ich wüsste, dass unsere elfjährige Tochter Jolanda während dieser Zeit gut aufgehoben ist.«
Aline lauschte eine Weile mit geneigtem Kopf. Ein freudiges Lächeln glitt dann über ihr schmales Gesicht. »Herzlichen Dank, Frau von Schoenecker. Ich komme übermorgen mit Jolanda zu Ihnen. Sie müssen das Mädchen ja erst kennenlernen. Es ist recht vorwitzig und altklug.«
Sie lauschte wieder und brach in helles Lachen aus. Danach verabschiedete sie sich und legte den Hörer auf. »Weißt du, was sie erwidert hat, Lola?«
»Da ich keine Luchsohren habe, konnte ich nichts hören, Aline.«
»Sie sagte, nur kranke Kinder seien brave Kinder. Sie scheint sehr verständnisvoll zu sein.«
»Und gütig, wie ich hörte. Eine ausgezeichnete Pädagogin, die mit dreierlei Kindern in ihrer Familie glänzend zurechtkommt.«
Aline hob fragend die Augenbrauen, und Lola erklärte ihr die verzwickten Familienverhältnisse der von Schoeneckers.
»Denise von Schoenecker war früher Tänzerin. Sie muss bildschön gewesen sein und heiratete Dietmar von Wellentin, der kurz vor der Geburt seines Sohnes Dominik mit dem Auto tödlich verunglückte. Die vornehme Familie lehnte die ehemalige Tänzerin natürlich ab. Denise hat sich in der Not jedoch niemals an die Familie um Hilfe gewandt, sondern sich und ihren Buben selbst ernährt. Das imponierte Dominiks Urgroßmutter, Sophie von Wellentin, die Denise zufällig kennenlernte. Sie setzte ihren Urenkel Dominik als Erben ein. Nach ihrem Tod wurde das Kinderheim gegründet, das ein Segen für die ganze Gegend geworden ist.«
»Deine Schilderung ist zwar sehr ausführlich, Lola, aber warum Denise von Schoenecker dreierlei Kinder hat, weiß ich noch immer nicht.«
Lola schob den Kuchenteller zurück, nahm ihre Finger zu Hilfe und zählte. »Dominik ist Denises Sohn aus der Ehe mit Dietmar von Wellentin. Dann heiratete sie Alexander von Schoenecker, einen wohlhabenden verwitweten Gutsbesitzer, der bereits einen Sohn und eine Tochter hatte, Sascha und Andrea. Nummer vier ist der kleine Henrik, der aus der Ehe mit Alexander stammt. Bist du mitgekommen?«
»So einigermaßen, Lola. Willst du also wirklich so nett sein und Hanni während dieser drei Wochen in Pflege nehmen?«
Hanni war Jolandas schwarzes Kaninchen.
»Es wird mir nur guttun, mich an Hannis Essgewohnheiten zu gewöhnen, Aline.« Lola schaute betrübt auf ihre rundliche Formen herab. »Jeden Monat nehme ich ein Kilo zu. Kannst du dir vorstellen, wie ich in zehn Jahren aussehe? Das sind dann zusätzlich einhundertzwanzig Kilo zu meinen bereits vorhandenen achtzig. Reif für den Zirkus! Ich werde also mit Hanni Rübchen und Salatblätter knabbern und Gänsewein aus der Leitung trinken.« Lola sprang trotz ihres Gewichtes mit erstaunlicher Behändigkeit auf. »Darf ich mich zu der Fahrt nach Sophienlust einladen? Ich weiß nun so viel über Denise von Schoenecker, dass ich sie gern persönlich kennenlernen möchte.«
»Wir freuen uns, wenn du mitkommst, Lola. Das weißt du doch.«
»Ich habe es aber von dir hören wollen. Leb wohl, meine Liebe! Grüße Manuel und Jolanda. Ich werde erst dreimal um den Block marschieren und dann heimfahren. Ich muss einfach für meine Figur etwas tun. Erst gestern hat mein Chef mich vor der Tür warten lassen, damit sein wichtigster Einkäufer nicht sah, welche Tonne von einer Frau die grazilen Kleidchen und Hosenanzüge für die halb verhungerten Mannequins entwirft. Auf Wiedersehen!«
Aline konnte sich erst jetzt so recht der Freude auf den gemeinsamen Urlaub mit ihrem Mann hingeben. Sie musterte ihren Kleiderschrank und stellte fest, dass sie überhaupt nichts Passendes für Südamerika hatte. Lola wird mir helfen, eine nicht zu teure Garderobe einzukaufen, dachte sie.
Sie und Manuel hatten jung geheiratet. Schon nach elf Monaten war Jolanda angekommen. Manuel war damals Angestellter eines kleinen Immobilienbüros gewesen. Nach dem Tod des Chefs hatte er es übernommen. In gemeinsamer harter Arbeit hatten sie die Firma zu einem angesehenen Unternehmen mit vierzig Angestellten hochgebracht. Das hatte Opfer und Verzicht auf viele persönliche Wünsche bedeutet. Nun hatte Manuel den Auftrag bekommen, für ein riesiges Stahlwerk Fabrikräume und ein Bürohaus in Argentinien aufzuspüren.
Eigentlich bin ich eine glückliche Frau, dachte Aline dankbar. Manuel ist der beste aller Ehemänner, Jolanda vorwitzig und keck, aber gesund. Mein einziger Kummer ist, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann. Aber heutzutage kann auch ein Mädchen die Lebensarbeit des Vaters fortführen.
Alines Blick glitt zur Uhr. Jolanda kam wieder einmal nicht pünktlich heim. Aline nahm sich vor, sie energisch zu tadeln. Da öffnete sich die Tür, und Jolanda kam herein.
Aline wollte aufstehen, aber die Kleine drückte sie energisch in den Sessel zurück. »Bleib sitzen, Mutti! Es ist besser für dich.«
»Warum?«
»Du siehst so müde aus, Mutti. Ich glaube, dich macht der kommende Urlaub ganz krank.«
»Heraus mit der Sprache? Was willst du mir schonend beibringen, Jolanda?«
Das Mädchen seufzte und setzte sich auf die Sessellehne. »Wir haben doch heute unsere Zeugnisse bekommen, Mutti. Es tut mir sehr leid, dass ich dir nun auch noch Kummer machen muss, wo du doch schon so schlecht aussiehst.«
Die Zeugnisverteilung hatte Aline in ihrer Vorfreude auf den Urlaub ganz vergessen. Sie zog eine strafende Miene und tadelte Jolanda für ihre Faulheit. Die Elfjährige zeigte sich zerknirscht, verstand es aber auch, ihre Mutter von dem unerfreulichen Thema abzulenken.
»Warum hast du denn deinen Kleiderschrank ausgeräumt, Mutti? Willst du das alles mitnehmen?«
»Nein! Ich habe nur festgestellt …«
Jolanda unterbrach sie mit strahlendem Gesicht. »Wir werden ganz groß einkaufen gehen, Mutti, und ich werde mich dadurch selbst strafen, dass ich mir keine anderen Hosen wünsche und nicht einmal einen Pulli. Du musst doch anerkennen, dass das sehr hart für mich ist.«
Aline konnte ihr nicht böse sein. Jolandas Charme zu widerstehen, war einfach unmöglich für jene, die sie liebten. Und Aline liebte ihre Tochter genauso hingebungsvoll wie ihren Mann. Sie fand selbst, dass sie altmodisch sei. Aber ihre Familie war der Sinn ihres Lebens und ihre ganze Befriedigung.
Das Strahlen auf Jolandas rundem Gesichtchen erlosch. »Du willst mich also wirklich in ein Kinderheim abschieben, Mutti? Ich gehe doch schon ins Gymnasium. Ich könnte für mich und Hanni selbst kochen.«
»Ich hätte keine Ruhe, Jolanda, wenn du allein wärst. Wir fahren übermorgen nach Sophienlust, damit du das Kinderheim kennenlernst.«
»Und was wird aus Hanni?«
»Die wird Tante Lola in Pension nehmen.«
»Aber warum kann ich nicht auch zu ihr?«
»Weil sie dich bei ihrer Arbeit nicht gebrauchen kann. Weil sie manchmal einige Tage verreisen muss.«
»Und wo bleibt dann Hanni?« empörte sich Jolanda. »Außerdem wird Tante Lola das Kaninchen wie ein Schwein mästen.«
»Im Gegenteil, Jolanda. Lola will sich an Hanni ein Beispiel nehmen und leichte Sachen essen. Nun wasch dir die Hände und räum dein Zimmer auf. Dann darfst du mit Vati und mir Kaffee trinken. Er kommt heute früher nach Hause.«
Jolanda griff blitzschnell nach dem Zeugnis und verschwand damit, in der Hoffnung, dass der Vater nicht daran denken würde.
Manuel Larsen dachte zwar daran, aber er erwähnte das Zeugnis nicht. An Alines betretener Miene hatte er erkannt, dass es auch diesmal nicht zufriedenstellend ausgefallen war. Aber er wollte weder ihr noch sich selbst den bevorstehenden Urlaub verderben. Und vor allem Jolanda nicht, die höchst ungern in das Kinderheim Sophienlust ging.
*
Mit verkniffener Miene war Jolanda aus dem Wagen gestiegen. Sie hatte sich vorgenommen, so unleidlich zu sein, dass diese Frau von Schoenecker es ablehnen würde, sie aufzunehmen.
Als sie jedoch die hochgewachsene schöne Frau sah, die ihre Mutter und Tante Lola so herzlich begrüßte, schwand ihr der Mut. Artig sagte sie: »Guten Tag, Frau von Schoenecker!«
»Guten Tag, Jolanda.«
Ein blondes Mädchen mit blauen Augen stand neben Denise. »Das ist Angelika Langenbach, Jolanda. Sie ist so alt wie du und wird dir das Haus zeigen und dich mit den anderen Kindern bekanntmachen. Willst du?«
Jolanda zögerte. Musste sie wirklich zu diesem fremden