...und das Heimweh ging mit: Leni Behrendt Bestseller 1 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Kaum hatte Melanie die Küche betreten, begehrte der Mann auch schon Einlaß. Er lebte mit seiner Frau von einer Rente, mit der sie gerade so schlecht und recht auskamen, doch er verdiente sich durch Gelegenheitsarbeiten etwas dazu. Er blieb aber nur da, wo es ihm gefiel, und hier gefiel es ihm nicht. Daß er überhaupt noch herkam, geschah um des Mädchens willen, das ihm leid tat. »Das ist vielleicht ein Wetter!« schimpfte er an der Küchentür, die zum Hof führte, den triefenden Regenmantel kräftig schüttelnd. »Am liebsten wäre ich zu Hause geblieben, aber dann hätten Sie armes Wurm auch noch die Heizung versorgen müssen.« Brummend verschwand er im Keller, und als er in die Küche zurückkehrte, stand auf dem Tisch sein Frühstück, ein Topf Kaffee, zwei dickbelegte Schnitten und ein Schnaps. Wohl stand ihm nach Vereinbarung ein Frühstück zu, wäre aber nicht so üppig ausgefallen, wenn die Hausfrau es ihm zugeteilt hätte. Das wußte der Mann, der die Verhältnisse hier kannte. »Na, Fräuleinchen, das ist wieder mal recht reichlich«, zwinkerte er Melanie zu. »Man gut, daß es die Geizig nicht sieht!« »Die Dame heißt Geisig«, verbesserte das Mädchen, und er lachte. »In unserer Ecke hier ist sie Geizig, weil sie geizig ist und ihr Sohn nicht weniger. Allerdings nicht in der eigenen Familie, da schlemmen sie.« Damit machte er sich über sein Frühstück her, während Melanie die Morgenschokolade kochte. Die Küche, sonst immer blank, war heute unaufgeräumt. Im Spülstein stapelten sich gebrauchte Töpfe und Geschirr, auf das Melanie verlegen zeigte.
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...und das Heimweh ging mit - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 1 –
...und das Heimweh ging mit
Leni Behrendt
Kaum hatte Melanie die Küche betreten, begehrte der Mann auch schon Einlaß. Er lebte mit seiner Frau von einer Rente, mit der sie gerade so schlecht und recht auskamen, doch er verdiente sich durch Gelegenheitsarbeiten etwas dazu. Er blieb aber nur da, wo es ihm gefiel, und hier gefiel es ihm nicht. Daß er überhaupt noch herkam, geschah um des Mädchens willen, das ihm leid tat.
»Das ist vielleicht ein Wetter!« schimpfte er an der Küchentür, die zum Hof führte, den triefenden Regenmantel kräftig schüttelnd. »Am liebsten wäre ich zu Hause geblieben, aber dann hätten Sie armes Wurm auch noch die Heizung versorgen müssen.«
Brummend verschwand er im Keller, und als er in die Küche zurückkehrte, stand auf dem Tisch sein Frühstück, ein Topf Kaffee, zwei dickbelegte Schnitten und ein Schnaps. Wohl stand ihm nach Vereinbarung ein Frühstück zu, wäre aber nicht so üppig ausgefallen, wenn die Hausfrau es ihm zugeteilt hätte. Das wußte der Mann, der die Verhältnisse hier kannte.
»Na, Fräuleinchen, das ist wieder mal recht reichlich«, zwinkerte er Melanie zu. »Man gut, daß es die Geizig nicht sieht!«
»Die Dame heißt Geisig«, verbesserte das Mädchen, und er lachte.
»In unserer Ecke hier ist sie Geizig, weil sie geizig ist und ihr Sohn nicht weniger. Allerdings nicht in der eigenen Familie, da schlemmen sie.«
Damit machte er sich über sein Frühstück her, während Melanie die Morgenschokolade kochte.
Die Küche, sonst immer blank, war heute unaufgeräumt. Im Spülstein stapelten sich gebrauchte Töpfe und Geschirr, auf das Melanie verlegen zeigte.
»Ich konnte es gestern abend wirklich nicht mehr abwaschen, ich war zu müde. Herr Geisig kam erst nach neun Uhr und verlangte ein warmes Essen.«
»Das Sie Schäfchen ihm auch geduldig machten«, fiel der Mann grimmig ein. »Schuften Sie man immer weiter so, dann werden Sie bald ganz auf der Nase liegen, halb tun Sie es nämlich schon. Aber vielleicht wäre das ganz gut, dann würden Sie endlich aus der Fron herauskommen. Denn um es auf reguläre Art zu tun, dazu fehlt es Ihnen an Mumm…«
»Melanie!« schrillte eine Stimme von oben. »Was trödeln Sie denn da unten so lang herum? Hören Sie denn nicht die Kinder schreien!«
»Ich komme ja schon!« rief Melanie durch die geöffnete Tür. »Nur noch ein wenig Geduld!«
Hastig stellte sie das Frühstück aufs Tablett, nickte dem Mann freundlich zu und ging nach oben, wo die Kinder sich in mieserabler Laune befanden und auch dementsprechend betrugen, zumal der fünfjährige Knabe seit gestern Schnupfen hatte, der das ohnehin schon ungezogene Kind einfach unausstehlich werden ließ. Wütend schlug er Melanie die Tasse aus der Hand, so daß sich flüssige Schokolade über das Bett ergoß.
Seine um drei Jahre ältere Schwester, die von der spinalen Kinderlähmung ein steifes Rückgrat zurückbehalten hatte, kreischte in den höchsten Tönen nach Torte mit Schlagsahne, und die Großmutter der herzigen Kleinen preßte die Fingerspitzen gegen die Schläfen und jammerte:
»Kinder, so gebt doch Ruhe, ihr sollt ja alles haben, was ihr wollt. Aber Melanie muß ja erst die Torte besorgen und bringt dann gleich für unser Bübchen die Schokoladenstangen mit, die er so gern mag.«
Es waren aber noch viele schmeichelnde Versprechungen nötig, bis die kleinen Teufel endlich geruhten, ihr Frühstück zu essen. Melanie, die nach dem schwierigen Amt mit dem Geschirr abziehen wollte, wurde von Frau Geisig zurückgehalten.
»Lassen Sie das jetzt, machen Sie sich zum Einkaufen fertig. Ist die Stundenfrau auch heute nicht gekommen?«
»Nein, wahrscheinlich wird sie ganz wegbleiben, wie ihre Vorgängerinnen auch. Ich habe also alle Hände voll zu tun.«
»Das glaube ich Ihnen ja. Aber am wichtigsten ist, daß die Kinder die Süßigkeiten bekommen.«
»Und das Frühstück für Herrn Geisig?«
»Können Sie nach Ihrer Rückkehr besorgen. Machen Sie sich fertig, inzwischen schreibe ich auf, was fehlt.«
Und das gewiß nicht wenig. Leckereien für die Kinder, Delikatessen für den Vater – und die Großmutter hatte auch sich nicht vergessen. Also mußte Melanie in fünf Geschäfte gehen, ohne daß die anspruchsvolle Dame ihr das Geld zum Einkaufen gab. Daran schien sie nicht zu denken, was heute übrigens nicht zum erstenmal geschah. Melanie hatte dann stets die Summe ausgelegt, davon jedoch keine Mark zurückerhalten.
Obwohl sie sich warm angezogen hatte, schauderte sie draußen zusammen. Und bald hatte sie das Gefühl, keinen Schritt mehr gehen zu können, und setzte dennoch Fuß vor Fuß. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Krankenhaus, an dem ihr Weg sie vorüberführte. Wie schön wäre es, da hineinzugehen, sich ins Bett zu legen und sich auch einmal betreuen zu lassen, wie sie es bisher immer bei anderen hatte tun müssen. Zuerst bei der gelähmten Dame und jetzt bei Familie Geisig.
Auch vorher hatte sie ein freudloses Leben geführt. Hatte bei der Geburt die Mutter verloren und war von einer mürrischen Tante großgezogen worden. Den Vater bekam sie nur selten zu sehen, da er als Mitglied eines Orchesters fast ständig auf Reisen war. Wenn er für kurze Zeit nach Hause kam, war er für die Tochter ein fremder Mann, und auch er wußte nichts mit ihr anzufangen.
Aber er sorgte gut für sie. Die Verwandte bekam jeden Monat eine Summe überwiesen, von der sie und das Kind gut leben konnten. Als Melanie mit zehn Jahren, fast am gleichen Tag, die Tante und den Vater verlor, der sich im fernen Land eine bösartige Krankheit zugezogen hatte, an der er dann auch starb, kam das nun vollkommen verwaiste Mädchen in ein Internat. So hatte es der Vater in einem hinterlassenen Schreiben bestimmt, das seinem Vetter, dem Rechtsanwalt und Notar Dr. Ewald Breyse, zugestellt wurde. Er bat darin auch den Verwandten, die Vormundschaft für die Waise zu übernehmen, was er selbstverständlich tat. Kosten erwuchsen ihm daraus nicht, da der Verstorbene so viel Geld hinterlassen hatte, daß es ausreichte, die Internatskosten und eine Berufsausbildung zu bestreiten.
So gab denn Breyse sein Mündel in ein gutes Internat und stand mit der Vorsteherin des Instituts in Verbindung, die über den Zögling Melanie Santen nie eine Klage zu führen hatte. Sie war fleißig, gewissenhaft und gehorsam. Das Lernen fiel ihr leicht, und für Musik war sie außerordentlich begabt.
Das wurde öfter betont und bewog den Vormund, seinem Mündel, als es mit sechzehn Jahren dem Internat entwachsen war, den Vorschlag zu machen, ein Konservatorium zu besuchen.
Doch damit stieß er bei dem sonst so fügsamen Mädchen auf Widerstand. Sie erklärte, was sie in den Musikstunden des Internats gelernt hätte, genüge ihr vollkommen. Die Freude, die sie jetzt an der Musik hatte, wollte sie sich durch etwaige Übungen nicht vergällen lassen. Außerdem würde für die langwierige Ausbildung das Geld, das der Vater hinterließ, nicht ausreichen, wohl aber zu der einer Krankenpflegerin.
Wohl versuchte der Vormund, ihr das auszureden, doch sie ging nicht darauf ein. Alles, was er ihr auch vorbringen mochte, wies sie zwar artig, aber beharrlich zurück.
Vielleicht hatte er auch nicht die richtige Art für dieses Mädchen, mit dem er nicht in Kontakt kommen konnte, obwohl er es von klein auf kannte. Wenn sein Vetter zu Hause war, hatte er ihn jedesmal besucht und auch seine Tochter begrüßt. Ein scheues und verschlossenes Kind, aus dem er nicht klug werden konnte und es auch als ihr Vormund nicht wurde.
Nun, wenn sie durchaus Pflegerin werden wollte, mußte er sie wohl gewähren lassen. So kam sie denn auf eine der besten Schulen, wo sie nach drei Jahren die Prüfung mit Auszeichnung bestand.
Auf seinen Vorschlag hin nahm sie die Stelle bei einer alten, gelähmten Dame an, die zu seinen Klienten zählte. Kein leichtes Amt für eine Pflegerin und auch gewiß nicht der rechte Platz für ein so blutjunges Menschenkind. Das mußte ja trübsinnig werden bei zwei so alten mürrischen Menschen, wie Frau Hacher und ihre langjährige Wirtschafterin es waren. Die einzige Abwechslung für die junge Melanie waren die täglichen Besorgungsgänge und an ihren Ausgehtagen ein Kino- oder Kaffeehausbesuch.
Aber Freude hatte sie daran nicht. Die hatte sie nur beim Musizieren, was sie täglich tat, weil ihr Pflegling es verlangte.
Die alte Dame verlangte überhaupt viel von ihrer Pflegerin, die manches einstecken mußte, was andere nicht taten und die unwirsche Kranke daher mieden.
Nur zwei Verwandte, Mutter und Sohn Geisig, erschienen oft, weil sie sich doch so sehr um das liebe Tantchen sorgten und ihr die schroffe Art nicht übelnahmen. Sie waren zu der Pflegerin von bestrickender Liebenswürdigkeit, was das menschenunkundige Mädchen für bare Münze nahm. Und als nach dem Tod der alten Dame Frau Geisig nun Melanie den Vorschlag machte, zu ihr zu kommen, sagte diese zu.
Der Vorschlag wurde ihr aber erst gemacht, als sich nach der Testamentseröffnung herausstellte, daß die Pflegerin mit einem Legat von fünftausend Mark bedacht worden war. Die Wohnungseinrichtung nebst einer Rente erbte die Wirtschafterin, und damit war die Hinterlassenschaft der Verstorbenen, die Geisigs für reich gehalten hatten, erschöpft. Sie selbst, die sich doch so um das liebe Tantchen bemüht hatten, gingen leer aus. Als Melanie deswegen Frau Geisig gegenüber ihr Befremden äußerte, entgegnete diese erstaunt:
»Aber mein liebes Kind, wie sollten wir wohl dazu kommen? Auf das Wenige, das unser Tantchen hinterließ, haben Sie als treue Pflegerin und die gleichfalls treue Wirtschafterin ein Anrecht. Was werden Sie nun beginnen?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?«
»Bitte, gnädige Frau.«
»Aber doch nicht so formell, mein liebes Kind«, flötete sie süß. »Nennen Sie mich ruhig bei meinem Namen – vorläufig –, denn ich hoffe, daß wir uns noch recht nahe kommen werden. Das heißt, wenn Sie unsere liebe Hausgenossin werden wollen und später noch mehr – mein Sohn hat nämlich viel für Sie übrig. Leider kann er jetzt noch nicht so, wie er gern möchte. Er muß das Trauerjahr um seine verstorbene Frau abwarten, das jedoch bald zu Ende ist. Aber dann…«
In der Art ging es weiter. Sicher wäre die süßsäuselnde Frau, die alles in den Mantel der Güte kleidete, von einem lebenserfahrenen Menschen durchschaut worden, allein das junge gutgläubige Menschenkind ging auf das »gütige« Angebot mit Freuden ein, ohne vorher mit dem Anwalt Breyse gesprochen zu haben, dessen Vormundschaft sie seit kurzem entwachsen war.
Heute, nach drei Monaten, war sie durch Erfahrung klug geworden. Und alle Reue, den früheren Vormund, der sich nicht mehr um sie kümmerte, übergangen zu haben, kam zu spät.
*
Ich muß es schaffen, ich muß, dachte Melanie verzweifelt, als sie sich von Laden zu Laden schleppte. Das war nicht so arg, als wenn sie, ohne alles eingekauft zu haben, zurückkehrte und dem Gebrüll der Kinder und dem Gezeter von deren Großmutter standhalten mußte.
Als sie den Rückweg antrat, hatte sie das Gefühl, auf Gummi zu treten. Es flimmerte vor ihren Augen, im Kopf bohrte und stach es. Das Atmen schmerzte sie, schwer wie Blei hing die vollgepackte Tasche an ihrem Arm, nur mühsam konnte sie die Füße setzen.
Als sie dann unter Aufbietung aller Kraft endlich das Haus erreicht hatte, hielt davor ein teurer Wagen, aus dem eine Dame und ein Herr stiegen und das nur mühsam dahinschleichende Mädchen scharf musterten, hauptsächlich der Herr.
»Wollen Sie zu Geisig?« fragte Melanie mit schleppender Stimme, als sie vor den beiden stand.
»Ja.«
»Geschäftlich?«
»Nein, Verwandtschaftsbesuch.«
»Dann kommen Sie bitte. Ich habe den Schlüssel.«
Ein hohler Husten erstickte ihre weiteren Worte, die freie Hand preßte sich auf die Brust, und ihr Atem ging mühsam und schwer.
»Nun geben Sie mal die Tasche her«, sagte der Mann kurz. »Ganz nettes Gewicht, mit dem Sie sich da abschleppen müssen, dazu noch bei der körperlichen Verfassung. Sie gehören ins Bett, mein Fräulein.«
»Schön wär’s«, seufzte sie, schloß die Haustür auf und betrat mit den beiden die Diele. Eine Tür stand offen, und dahinter hörte man laute Stimmen, die den Schritt der Eintretenden verhalten ließ. Denn da schien ein Streit im Gange zu sein, in den man nicht geraten wollte.
»Ich kann dir kein Geld geben«, sagte eine Männerstimme ungehalten. »Morgen vielleicht!«
»Aber wovon sollen wir denn leben?« fragte eine weibliche Stimme aufgeregt. »Aus der Tasche der Santen geht es nicht länger…«
»Mach doch nicht so ein Theater um die paar Groschen. Die soll sie wiederhaben, sobald ich aus der Klemme bin.«
»Wie sollte das wohl möglich sein?«
»Ich gedenke, mich in allernächster Zeit mit einer reichen Frau zu verloben, und somit dürfte die Misere hier bald ein Ende haben.«
»Geldlich vielleicht, aber sonst wohl kaum. Denn ich glaube nicht, daß