Zu wem gehöre ich eigentlich?: Kinderärztin Dr. Martens Classic 25 – Arztroman
Von Britta Frey
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Über dieses E-Book
Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme.
Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert!
»Es ist wirklich schön hier«, gab Sibylle Voß zu. Sie war stehengeblieben und lächelte den Mann an ihrer Seite an. »Ich muß zugeben, die Heide hat auch im Frühjahr ihren Reiz.« »Ich bin froh, daß es dir gefällt.« Sein warmer Blick umfing sie. »Nachdem wir beruflich viel unterwegs sind, habe ich mir gedacht, ich zeige dir einmal die nähere Umgebung.« »Ich kenne die Lüneburger Heide.« Sibylles sonst strenge Gesichtszüge nahmen einen weichen Zug an. Ihr Blick glitt über das erste Grün der Birken. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sie oft in die Heide gefahren. Damals war sie noch nicht allein gewesen. An ihrer Seite war Björn gesprungen, und hin und wieder hatte Lothar Zeit gefunden und sie in die Heide begleitet. Sibylle zuckte zusammen. Ihr Begleiter hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. Somit wurde ihr bewußt, daß sie auch jetzt nicht allein war. Seit Wochen versuchte Dierk Ullmann, ihr auch privat näherzukommen Seit ihrer Scheidung, die nun schon über zwei Jahre zurück lag, arbeitete sie in seinem Reisebüro. Sie war Dierk für seine Bemühungen dankbar. Ohne ihn wäre sie sehr einsam gewesen. Sie hatte nie eigene Freunde gehabt.
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Kinderärztin Dr. Martens
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Buchvorschau
Zu wem gehöre ich eigentlich? - Britta Frey
Kinderärztin Dr. Martens Classic
– 25 –
Zu wem gehöre ich eigentlich?
Keine hatte Zeit für den kleinen Björn
Britta Frey
»Es ist wirklich schön hier«, gab Sibylle Voß zu. Sie war stehengeblieben und lächelte den Mann an ihrer Seite an. »Ich muß zugeben, die Heide hat auch im Frühjahr ihren Reiz.«
»Ich bin froh, daß es dir gefällt.« Sein warmer Blick umfing sie. »Nachdem wir beruflich viel unterwegs sind, habe ich mir gedacht, ich zeige dir einmal die nähere Umgebung.«
»Ich kenne die Lüneburger Heide.« Sibylles sonst strenge Gesichtszüge nahmen einen weichen Zug an. Ihr Blick glitt über das erste Grün der Birken. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sie oft in die Heide gefahren. Damals war sie noch nicht allein gewesen. An ihrer Seite war Björn gesprungen, und hin und wieder hatte Lothar Zeit gefunden und sie in die Heide begleitet.
Sibylle zuckte zusammen. Ihr Begleiter hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. Somit wurde ihr bewußt, daß sie auch jetzt nicht allein war. Seit Wochen versuchte Dierk Ullmann, ihr auch privat näherzukommen Seit ihrer Scheidung, die nun schon über zwei Jahre zurück lag, arbeitete sie in seinem Reisebüro. Sie war Dierk für seine Bemühungen dankbar. Ohne ihn wäre sie sehr einsam gewesen. Sie hatte nie eigene Freunde gehabt. Die Bekannten ihres geschiedenen Mannes waren auch die ihren gewesen. Da dieser Journalist war und viel in der Welt herumreiste, lebten die Freunde in alle Windrichtungen verstreut. Sie hatte sich nie um eigene Freunde bemüht. Das war nicht ihre Art. Sie war da gewesen, wenn man sie brauchte, doch jetzt brauchte sie niemand mehr. An Lothars Seite war jetzt Cora. Vor einem Jahr hatte er diese Schönheit geheiratet.
Plötzlich wurde sich Sibylle wieder der Gegenwart von Dierk Ullmann bewußt. »Entschuldige«, murmelte sie verlegen, und das Blut stieg ihr in die Wangen. Sie hatte sich vorgenommen, nicht mehr über die Vergangenheit nachzudenken, und trotzdem passierte es ihr immer wieder, daß Erinnerungsbilder in ihr hochkamen.
»Schon gut! Ich hätte es mir denken können, daß du hier öfter mit deinem Sohn gewesen bist.« Dierk Ullmann war fünfzehn Jahre älter als Sibylle. Er war Junggeselle, für Frauen hatte er sich nie interessiert. Sibylle war die erste Ausnahme. Sie war so anders als die Frauen, mit denen er sonst in Berührung kam. Sie verstand es nicht, aus sich etwas zu machen. Ihr dunkles Haar trug sie in einem Knoten zusammengefaßt. Immer blieb sie im Hintergrund und trotzdem war sie da.
»Björn war damals noch ganz klein. Er mochte Blumen, wollte immer welche für mich pflücken.« Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Ihr Blick ging wieder in die Ferne, ihre Stimme klang rauh, als sie sagte: »Das ist lange her. Ich habe Björn seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen.«
»Warum besuchst du ihn nicht einmal?«
Sibylle trat einen Schritt zurück. Fassungslos sah sie ihren Begleiter an. »Ihn besuchen? Du meinst, ich soll nach Bonn fahren?« Dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Nein! Was sollte ich dort? Björn braucht mich nicht, er hat Cora. Ich kann mir vorstellen, daß er sie anhimmelt.«
Dierk Ullmann brummte etwas Unverständliches. Er hatte Sibylles siebenjährigen Sohn erst ein einziges Mal gesehen und konnte sich daher kein Urteil erlauben. Ihm war aber bewußt, daß die Frau sich nach ihrem Sohn sehnte. Er hätte ihr gern geholfen.
Sibylle nestelte an ihrem Haar herum. Eine vorwitzige Locke wurde streng nach hinten geschoben und mit einer Spange befestigt. Sie lächelte unsicher.
»Wahrscheinlich hätte Björn gar keinen Spaß mehr daran, durch die Heide zu wandern. Sicher bevorzugt er jetzt bereits die mondänen Orte. Im Winter war er in St. Moritz, von dort bekam ich eine Ansichtskarte.«
Obwohl sie lächelte, wußte Dierk, daß sie traurig war. Das wollte er nicht, er griff nach ihrem Arm. »Es ist nicht mehr weit bis Ögela. Am Rande dieses Ortes gibt es ein gemütliches Café. Dort kehren wir ein, einverstanden?«
Sibylle nickte. Eifrig meinte sie: »Dort gibt es ausgezeichnete Rote Grütze, und auch der Kuchen schmeckt sehr gut.«
»Du kennst das Café?« fragte Dierk. In seiner Stimme klang Enttäuschung mit. Noch merkte Sibylle nichts davon.
»Natürlich! Im Sommer gibt es dort auch Eis. Du wirst in ganz Lüneburg kein besseres finden.«
»Es war keine gute Idee, in die Heide zu fahren.« Dierk senkte den Kopf, er unterdrückte nur mühsam einen Seufzer.
»Doch! Ich war immer gern in der Heide. Stundenlang konnte ich durch die Hochmoore streifen oder durch das Heidekraut wandern.«
»Ja! Aber für dich ist sie mit Erinnerungen verbunden.«
Sekundenlang sah sie ihn bestürzt an. Es dämmerte ihr, daß er recht hatte.
Der Druck seiner Hand verstärkte sich. »Du sollst nicht in der Vergangenheit leben, Sibylle! Ich will dich nicht bedrängen, ich möchte nur, daß du auch an der Gegenwart Freude findest. Schön wäre es, wenn du in die Zukunft sehen würdest.«
Seine Hand lag nun auf ihrer Schulter, sein Gesicht war dicht vor dem ihren. Es war ein gutes Gesicht. Die grauen Schläfen störten sie nicht, und doch, sie konnte sich einfach nicht vorstellen, ihr Leben noch einmal mit einem Mann zu teilen. Sie hatte gelernt, allein zurechtzukommen. Ihre Sehnsucht hatte sie tief in ihrem Innern verschlossen.
»Sibylle, ich möchte dir helfen«, hörte sie den Mann sagen, der ihr Chef war und dessen Einladungen sie in letzter Zeit gern angenommen hatte.
»Ich bin froh, daß du da bist, und trotzdem, du mußt mir Zeit lassen. Mir ist auch nicht klar, warum du ausgerechnet mit mir deine Freizeit verbringst. Du kennst so viele Leute, hast einen großen Bekanntenkreis…«
»Hör auf!« Seine Miene verfinsterte sich. »Ich habe dir in den letzten Wochen immer wieder zu erklären versucht, daß du für mich mehr bist als eine Angestellte. Natürlich bin ich sehr froh, daß du die Leitung in meinem Reisebüro übernommen hast. Obwohl du einige Jahre nicht gearbeitet hast, hast du dich schnell eingearbeitet. Seit du bei uns tätig bist, ist der Umsatz gestiegen, das muß ich dir nicht erst sagen. Du bist aber auch eine wunderbare Frau, eine Frau…« Er wußte nicht weiter.
Ein kleines Lächeln verschönte für Sekunden ihr Gesicht. »Danke! Du bist sehr lieb, und vor allem hast du mit mir große Geduld.« Nun war sie es, die ihre Hand unter seinen Arm schob. »Laß uns weitergehen, ich freue mich auf ein großes Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee.«
Er nickte, freute sich, daß sie ihre Hand an seinem Arm ließ, als sie weitergingen. In einem unverfänglichen Gespräch kamen sie sich in den nächsten Minuten auch näher, doch dann blieb Sibylle vor einem Wegweiser stehen. »Kinderklinik Birkenhain«, las sie laut. »Ich habe davon schon gehört. Diese Klinik ist doch im ehemaligen Birkenschlößchen untergebracht? Kennst du das Schloß?«
Dierk nickte.
»Es ist ganz entzückend! Wir haben oft vor dem Schlößchen gestanden oder sind im Park spazierengegangen. Ich würde es gern wieder einmal sehen.«
»Du warst also mit deinem Sohn und deinem Mann öfter hier?« fragte Dierk.
Sibylle nickte. Dies konnte sie nicht abstreiten. Das Birkenschlößchen hatte auch Björn sehr gut gefallen. Hier hatte er im Frühjahr die ersten Schneeglöckchen gefunden und im Sommer die ersten Erdbeeren.
Dierk, der sie nicht aus den Augen gelassen hatte, sagte bestimmt: »Nicht heute! Ich möchte den Tag mit dir verleben und nicht mit deinen Erinnerungen. Kannst du das nicht verstehen?« Er versuchte, ihren Blick festzuhalten.
»Ja«, sagte sie leise. »Ich bin auch froh, daß ich diesen herrlichen Tag hier in der Heide genießen kann. Ohne dich würde ich in meiner kleinen Wohnung sitzen.«
Dierk zwang sich zu einem Lächeln, obwohl ihre Worte für ihn eine Enttäuschung waren. Er war sich aber darüber im klaren, daß er warten mußte. Es war schön, daß sie seine Einladungen nicht mehr ausschlug. Er würde alles tun, damit sie wieder Freude am Leben bekam. Mit diesem Vorsatz machte er sich auf den Weg nach Ögela. Für heute mußte es ihm genügen, daß Sibylle an seiner Seite ging.
*
Cora Voß war schlechter Laune, als sie den Bungalow betrat. Wieder einmal hatte es nicht geklappt. Die Rolle in einem Werbespot hatte sie nicht bekommen. Doch das lag nicht an ihr! Sie trat vor den Spiegel, ließ die teure Pelzjacke einfach zu Boden gleiten, wiegte sich in den Hüften und zog einen Schmollmund. Erst als ein unterdrücktes Gekicher ertönte, fuhr sie herum.
»Du bist schon hier? Was fällt dir ein, mich zu beobachten!« Mit erhobener Hand ging sie auf den siebenjährigen Jungen zu. Endlich hatte ihr Ärger ein Ziel gefunden. Ehe Björn sich verdrücken konnte, hatte sie ihn an der Schulter gepackt und schüttelte ihn.
»Was gibt es da zu lachen? Ich arbeite! Was jedoch tust du? Solltest du nicht in der Schule sein?«