Die Hölle auf Erden: Der Arzt vom Tegernsee 57 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Isabel Leins stand vor dem bodenlangen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und drehte sich im Kreis. Sie war an diesem Abend mit ihrem Freund verabredet, den sie auf den Tag genau vor einem Jahr kennengelernt hatte. Auch nach zwölf Monaten erschien es ihr noch wie ein Wunder, einem Mann wie Gerald Schuster begegnet zu sein. Sie liebte ihn von ganzem Herzen und konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne ihn zu leben. Die junge Frau hatte sich schon den ganzen Tag über auf diesen Abend gefreut und in dem Reisebüro, in dem sie arbeitete, extra eine Stunde früher freigenommen, um genügend Zeit zu haben, ausgiebig zu baden und sich zurechtzumachen, bevor Gerald sie abholte. »Ich würde dich auch lieben, wenn du einen alten Sack tragen würdest«, hatte er einmal zu ihr gesagt. »Es ist nicht wichtig, was du anhast.« Sie spürte, daß diese Worte absolut ehrlich gemeint waren, dennoch machte es ihr Freude, sich für Gerald schön anzuziehen. Isabel griff nach der Bürste und kämmte ihre dunklen schulterlangen Haare, bis sie glänzten. Unbewußt begann sie, vor sich hinzusummen. In Gedanken sah sie sich bereits in Geralds Armen. Die junge Frau lebte erst seit einigen Wochen in Gmund. Vorher hatte sie zur Untermiete bei einer Familie in Tegernsee gewohnt. Als sie durch Tina Martens, einer der Sprechstundenhilfen Dr. Baumanns, erfahren hatte, daß Katja Faber ihre Eigentumswohnung vermieten wollte, weil sie mit ihrem Sohn zu ihrem Verlobten nach Tegernsee gezogen war, hatte sie sofort zugegriffen. Isabel hatte noch ein paar Minuten Zeit und trat auf den Balkon hinaus, um zu den schneebedeckten Bergen jenseits des Tegernsees zu blicken. Sie liebte den Winter, trotz seiner Kälte. Nie erschien ihr das Tegernseer Tal schöner als zu dieser Jahreszeit. Hier war sie aufgewachsen, hatte sie Freunde, und jeder Baum, jedes Haus rund um den See schienen ihr vertraut.
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Die Hölle auf Erden - Laura Martens
Der Arzt vom Tegernsee
– 57 –
Die Hölle auf Erden
Laura Martens
Isabel Leins stand vor dem bodenlangen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und drehte sich im Kreis. Sie war an diesem Abend mit ihrem Freund verabredet, den sie auf den Tag genau vor einem Jahr kennengelernt hatte. Auch nach zwölf Monaten erschien es ihr noch wie ein Wunder, einem Mann wie Gerald Schuster begegnet zu sein. Sie liebte ihn von ganzem Herzen und konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne ihn zu leben.
Die junge Frau hatte sich schon den ganzen Tag über auf diesen Abend gefreut und in dem Reisebüro, in dem sie arbeitete, extra eine Stunde früher freigenommen, um genügend Zeit zu haben, ausgiebig zu baden und sich zurechtzumachen, bevor Gerald sie abholte.
»Ich würde dich auch lieben, wenn du einen alten Sack tragen würdest«, hatte er einmal zu ihr gesagt. »Es ist nicht wichtig, was du anhast.«
Sie spürte, daß diese Worte absolut ehrlich gemeint waren, dennoch machte es ihr Freude, sich für Gerald schön anzuziehen.
Isabel griff nach der Bürste und kämmte ihre dunklen schulterlangen Haare, bis sie glänzten. Unbewußt begann sie, vor sich hinzusummen. In Gedanken sah sie sich bereits in Geralds Armen.
Die junge Frau lebte erst seit einigen Wochen in Gmund. Vorher hatte sie zur Untermiete bei einer Familie in Tegernsee gewohnt. Als sie durch Tina Martens, einer der Sprechstundenhilfen Dr. Baumanns, erfahren hatte, daß Katja Faber ihre Eigentumswohnung vermieten wollte, weil sie mit ihrem Sohn zu ihrem Verlobten nach Tegernsee gezogen war, hatte sie sofort zugegriffen.
Isabel hatte noch ein paar Minuten Zeit und trat auf den Balkon hinaus, um zu den schneebedeckten Bergen jenseits des Tegernsees zu blicken. Sie liebte den Winter, trotz seiner Kälte. Nie erschien ihr das Tegernseer Tal schöner als zu dieser Jahreszeit. Hier war sie aufgewachsen, hatte sie Freunde, und jeder Baum, jedes Haus rund um den See schienen ihr vertraut.
Unten fuhr ein Wagen vor. Isabel hörte, wie der Schnee knirschte, als er bremste, gleich darauf klappte eine Tür. Noch bevor ihr Freund klingeln konnte, drückte Isabel bereits auf den automatischen Türöffner.
Gerald Schuster stieg eilig die Treppe hinauf. Liebevoll schloß er seine Freundin in die Arme. »Du siehst wundervoll aus«, meinte er und nahm den Duft ihres Parfüms in sich auf.
»Du auch«, antwortete sie lachend und befreite sich aus seinen Armen. »Neuer Anzug?«
»Was tut man nicht alles für die Frau, die man liebt«, erklärte er mit einer großartigen Geste. »Wenn du soweit bist, können wir gehen.«
»Einen Moment, ich brauche noch meinen Mantel.«
»Wozu hast du mich?« Gerald nahm den Mantel vom Garderobenhaken und half ihr fürsorglich hinein.
Wenige Minuten später befanden sich die jungen Leute auf der Fahrt nach Rottach-Egern, wo im Kursaal an diesem Abend ein international bekannter Jugendchor aus München auftrat. Gerald hatte schon vor Wochen Konzertkarten besorgt. Innerhalb weniger Tage waren sie ausverkauft gewesen.
Als Isabel und Gerald ausstiegen, sahen sie Dr. Eric Baumann und seine Kollegen Dr. Mara Bertram und Dr. Martin Hellwert auf dem Parkplatz der Kuranlage. Sie gingen zu ihnen, um ihnen einen schönen Abend zu wünschen.
»Da sieht man, wie klein die Welt ist. Heute abend treffe ich fast alle meine Patienten«, meinte der Arzt, als ihm Isabel die Hand reichte.
»Am besten, Sie halten gleich hier eine Sprechstunde ab«, scherzte die junge Frau. »Es wäre zwar ein bißchen kalt, trotzdem…«
»Nein, danke, den heutigen Abend möchte ich genießen«, sagte Eric lachend.
»Genau das haben wir auch vor.« Gerald legte den Arm um seine Freundin. »Isabel und ich haben uns vor genau einem Jahr kennengelernt. Sie ist mir vor den Wagen gelaufen. Ich konnte gerade noch bremsen.« Er zwinkerte Dr. Baumann und dessen Begleitern zu. »Auch ein Weg, jemanden auf sich aufmerksam zu machen.«
»Und wie man sieht, nicht einmal der schlechteste«, meinte Martin Hellwert schmunzelnd.
Sie gingen gemeinsam zum Kursaal, gaben ihre Mäntel an der Garderobe ab und trennten sich, weil ihre Plätze ziemlich weit voneinander lagen. Ein Großteil der Zuhörer war bereits eingetroffen, und Isabel bemerkte, wie die drei Ärzte sofort von einigen Leuten ins Gespräch gezogen wurden.
»Es ist bestimmt nicht einfach, so bekannt zu sein«, bemerkte Gerald. »Ein Arzt hat kaum Privatleben.«
Isabel nickte. »Und vor allen Dingen auch nicht viel Freizeit«, fügte sie hinzu. »Ich frage mich, wann Doktor Bertram und Doktor Hellwert wohl heiraten werden. Sie sind schon über ein Jahr zusammen. Soviel ich weiß, bewohnt er noch sein Zimmer in der Privatklinik von Doktor Hauser.«
»Manchen Leuten genügt es, sich nur von Zeit zu Zeit zu sehen«, antwortete Gerald und tastete nach dem kleinen Kästchen, das er in der Jackentasche bei sich trug.
Das Konzert war ein voller Erfolg. Der Jugendchor sang neben bayerischen Heimatliedern auch internationale Melodien und zwei Gospels. Die meisten der Konzertbesucher bereuten es nicht, auf den verschneiten Straßen nach Rottach-Egern gefahren zu sein. Mehr als einer meinte, daß sich selbst der weiteste Weg gelohnt hätte, um diesen Chor zu hören.
Nach dem Konzert fuhr Gerald mit seiner Freundin zum »Benji«, wo er vor einigen Tagen bereits einen Tisch für diesen Abend bestellt hatte. Freitags war das »Benji« bis Mitternacht so ausgebucht, daß man ohne Vorbestellung nur noch selten einen Platz bekam.
Die jungen Leute hatten in den letzten Monaten schon öfters hier gegessen. Benjamin Ahlert, der Besitzer des Restaurants, brachte sie zu einem etwas abseits stehenden Tisch. »Einen schönen Abend«, wünschte er, nachdem er die Kerze angezündet hatte, die auf dem Tisch stand, dann winkte er einen der Kellner herbei, damit sie ihre Bestellung aufgeben konnten.
Isabel und Gerald sprachen über das Konzert und wie gut es ihnen gefallen hatte. »Sag mal, bist du in den letzten Wochen bei deiner Stiefmutter und deiner Schwester gewesen?« erkundigte sich die junge Frau, als das Essen vor ihnen stand. Sie machte sich große Sorgen um Silvia. Ihrer Meinung nach wurde die Fünfzehnjährige von ihrer Mutter wie eine Sklavin behandelt.
»In den letzten beiden Wochen nicht«, erwiderte ihr Freund ein wenig schuldbewußt. »Du weißt, wie ungern ich mit meiner Stiefmutter zusammenkomme.« Nach dem Tod seines Vaters vor fünf Jahren war er ausgezogen, weil er das Zusammenleben mit seiner Stiefmutter nicht ertragen hatte. Er mochte sie nicht, haßte ihre ständigen Klagen. »Vorgestern habe ich mit ihr telefoniert.«
»Hast du auch mit Silvia gesprochen?«
»Ich wollte mit ihr sprechen, doch Beate meinte, Silvia hätte keine Zeit und würde in der Küche abwaschen.« Er umfaßte Isabels Hand. »Silvia ist fünfzehn. Glaub mir, ein Mädchen in diesem Alter kann sich heutzutage seiner Haut sehr gut erwehren.«
»Mag sein, nur auf deine Schwester trifft das nicht zu«, meinte Isabel. »Du mußt zugeben, daß deine Stiefmutter sie ausnutzt. Wenn sie es nicht verhindert hätte, würde Silvia jetzt das Gymnasium besuchen, statt mit einem Hauptschulabschluß von der Schule gegangen zu sein. Das arme Mädchen ist ihr völlig ausgeliefert.