Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Ein Duke und sinnlicher Verführer
Ein Duke und sinnlicher Verführer
Ein Duke und sinnlicher Verführer
eBook419 Seiten5 Stunden

Ein Duke und sinnlicher Verführer

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Von Heimkehr war nie die Rede! Die unabhängige Edie ist fassungslos, als ihr Gatte Stuart, Duke of Margrave nach fünf Jahren wieder vor ihr steht. Es war ausgemacht, dass er nach der Heirat das Land für immer verlassen würde. Eine typische Zweckehe sollte es sein. Doch jetzt will Stuart einen Erben … und schlägt Edie einen pikanten Handel vor: In zehn Tagen will er es schaffen, seine Duchess zu verführen - oder endgültig gehen. Die freiheitsliebende Edie ist sicher, dem attraktiven Duke leicht zu widerstehen. Aber schon die erste lockende Berührung entfacht ein nie gekanntes Feuer in ihr. Wird diese Leidenschaft ihr zum Verhängnis?

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum11. Nov. 2016
ISBN9783733765347
Ein Duke und sinnlicher Verführer
Autor

Laura Lee Guhrke

Ihr wurde die höchste Ehre für amerikanische Liebesromanautoren zuteil: Laura Lee bekam den RITA Award – doch das ist ihr nicht so wichtig. Viel bedeutender findet sie, dass die Fans jedes ihrer mehr als 20 Bücher lieben und ihre Geschichten um Liebe, Leidenschaft und sinnliche Verwicklungen jeden Tag neue, begeisterte Leserinnen finden.

Ähnlich wie Ein Duke und sinnlicher Verführer

Titel in dieser Serie (21)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Historische Romanze für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Ein Duke und sinnlicher Verführer

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Ein Duke und sinnlicher Verführer - Andrea Härtel

    IMPRESSUM

    HISTORICAL GOLD EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2014 by Laura Lee Guhrke

    Originaltitel: „How To Lose A Duke In Ten Days"

    erschienen bei: Avon Books, an imprint of HarperCollins Publishers LLC, New York, U.S.A.

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD EXTRA

    Band 90 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Andrea Härtel

    Abbildungen: The Killion Group / Hot Damn Designs, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 11/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733765347

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, MYSTERY, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

    Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

    PROLOG

    Ostafrika

    Der Sprechgesang weckte ihn; eine einfache, sich ständig wiederholende Melodie, die ihn langsam wieder zu Bewusstsein brachte. Beim Aufwachen war seine erste Wahrnehmung Schmerz, und er versuchte, sich wieder in seine Ohnmacht zurückzuziehen, doch dafür war es bereits zu spät.

    Es lag an dem monotonen Singsang. Er setzte sich immer weiter fort, und je mehr er versuchte, ihn auszublenden, desto tiefer schien er in seinen Kopf vorzudringen. Er wollte sich die Ohren zuhalten, damit endlich Stille einkehrte und er schlafen konnte, aber irgendwie war es ihm unmöglich, die Hände zu heben. Seltsam.

    Sein Kopf schmerzte, als würde er jeden Moment bersten. Seine Haut brannte, als würde sie von Tausenden glühenden Nadeln durchstochen, doch in seinem Körper hatte sich eine geradezu schmerzhafte Kälte ausgebreitet, als ob sein Skelett aus Eisstücken bestehen würde. Und sein Bein – irgendetwas stimmte nicht mit seinem Bein. Dort, in seinem rechten Oberschenkel, schien sich der Schmerz zu konzentrieren und in jeden anderen Teil seines Körpers auszustrahlen.

    Er wollte die Augen öffnen und nachsehen, was mit seinem Bein war, aber wieder konnte er seine Muskeln nicht dazu bringen, seinem Willen zu gehorchen. Er fühlte sich benommen und orientierungslos. Was stimmte nur nicht mit ihm?

    Er versuchte nachzudenken, doch auch das schien ihn viel zu sehr anzustrengen, und als das Singen zu einem leisen Murmeln abebbte, schlief er langsam wieder ein.

    Bilder und Geräusche huschten durch seinen Kopf, so rasend schnell, dass er nicht sicher war, ob es sich um einen Traum oder eine Erklärung handelte. Ein fahlgelber Nebel, ein durchbohrender Schmerz und ohrenbetäubende Gewehrschüsse, die in den Ngong-Bergen widerhallten.

    Das Bild in seinem Kopf wandelte sich und er sah ein junges Mädchen in einem Hauskleid aus blauer Seide; eine große, schlanke junge Frau mit tizianrotem Haar, grünen Augen und Sommersprossen. Sie sah ihn an, aber in ihrem Blick lag keine Koketterie und die hellroten Lippen lächelten ihn nicht einladend an. Sie stand so still da wie eine Statue, und doch kam sie ihm vor wie das lebendigste Geschöpf, das er je gesehen hatte. Er hielt den Atem an.

    Sie konnte unmöglich hier sein, in der Wildnis Ostafrikas. Sie war in England. Ihr Bild verblasste, löste sich schließlich ganz auf, und obwohl er versuchte, es zurückzuholen, gelang es ihm nicht, denn sein Kopf fühlte sich an wie Watte und sein Verstand arbeitete zähflüssig.

    Er spürte etwas Kaltes, Feuchtes auf seinem Gesicht – ein nasses Tuch, mit dem seine Stirn, seine Nase und sein Mund abgetupft wurden. Er warf den Kopf in stummem Protest hin und her. Er hasste es, irgendetwas über seinem Gesicht zu haben; dann fühlte er sich immer, als müsste er ersticken. Jones wusste das. Was machte der Kerl bloß?

    Wieder strich das nasse Tuch über sein Gesicht, und dieses Mal gelang es ihm, es wegzustoßen. Er zitterte am ganzen Leib. Er konnte es spüren, ein ungewolltes Zittern tief in seinem Innern. Ihm war so kalt.

    Das verwirrte ihn. Er war in Afrika, hier fror er niemals. In England, ja, in England war es kalt, mit dieser ständigen Feuchtigkeit und dem Nieselregen, der Hochnäsigkeit, dem klassenbewussten Snobismus und den erstarrten Traditionen.

    Doch noch während ihm diese abfälligen Gedanken durch den Kopf gingen, kam unvermittelt noch ein anderer hinzu.

    Es ist Zeit, nach Hause zurückzukehren.

    Er versuchte sofort, ihn zu verdrängen. Auf ihn wartete noch immer Arbeit in Afrika. Er war doch in Afrika, oder? Die plötzliche Ungewissheit verlieh ihm die Kraft, die Augen zu öffnen und den Kopf anzuheben. Im selben Moment begann alles um ihn herum sich so heftig zu drehen, dass er befürchtete, sich übergeben zu müssen. Er kniff die Augen zu, bis sich der Schwindel gelegt hatte, und als er sie dann wieder aufschlug, sah er zu seiner Erleichterung lauter vertraute Dinge – ein Zeltdach und Zeltwände, seinen zerschrammten Schreibtisch aus Ebenholz, seine in einem Korb stehenden zusammengerollten Landkarten, Stapel von Fellen – alles Dinge, die seit einem halben Jahrzehnt sein Zuhause verkörperten. Er holte tief Luft und sog den Geruch nach Schweiß und Savanne ein; grenzenlos erleichtert, dass er den Verstand doch noch nicht restlos verloren hatte.

    Zwei Männer mit kaffeebrauner Haut flankierten den Eingang seines Zelts. Zwei weitere kauerten rechts und links neben seinem Feldbett und murmelten immer noch diesen höllischen Sprechgesang, doch von Jones war nichts zu sehen. Wo zum Teufel steckte Jones?

    Einer der beiden Männer neben ihm drückte ihm die Hand auf die Brust, damit er sich wieder hinlegte. Er war zu schwach, um Widerstand leisten zu können, also sank er wieder zurück auf das Bett und schloss die Augen. Doch als er das tat, sah er erneut die junge Frau vor sich. Ihre grünen Augen funkelten wie Turmaline und ihr Haar schien im Gaslicht des Ballsaals zu leuchten wie ein loderndes Feuer.

    Ein Ballsaal? Er musste träumen, denn es war Jahre her, seit er sich das letzte Mal in einem Ballsaal aufgehalten hatte. Und dennoch, er kannte die junge Frau. Wieder löste sich ihr Bild auf und ein Schachbrett nahm ihren Platz ein; ein Schachbrett aus blassgrünen Wiesen und goldenen Weiden, die einzelnen Felder umrandet von dunkleren Heckenreihen. Das war Margrave-Land, und es breitete sich vor ihm aus, so weit sein Auge reichte. Er versuchte, ihm den Rücken zuzukehren, aber als ihm das gelang, sah er die Trichtermündung des Wash und dahinter das Meer. Der Duft der Savanne war jetzt verflogen, stattdessen roch es nun nach grünem Gras und Mädesüß, nach Torffeuern und Gänsebraten.

    Es ist Zeit, nach Hause zurückzukehren.

    Da war er wieder, dieser Gedanke, mit einer Unumgänglichkeit, die den Sprechgesang in seinem Kopf überlagerte.

    Die Felder, die Hecken, das Meer, die Augen der jungen Frau – all das verschmolz zu einem leuchtenden blaugrünen Teppich, der schließlich verblasste, sich aber nicht auflöste, sondern einfach unter ihm verschwand, sodass sich die Erde unter ihm auftat und er – nichts mehr sah. Um ihn herum war nur noch leerer Raum und er verspürte einen Anflug von Angst; dieselbe Art von Angst, die ihn manchmal beschlich, wenn er draußen im Busch war. Die Gefahr war ganz nah, das wusste er.

    Plötzlich hörte der Sprechgesang auf. Stimmen wurden laut, hektische, angstvolle Stimmen auf Kikuyu. Doch obwohl er die meisten Bantu-Dialekte, einschließlich Kikuyu, fließend beherrschte, konnte er nicht verstehen, was sie sagten.

    Die Stimmen wurden immer schriller, beinahe panisch, dann spürte er, dass er vom Feldbett hochgehoben wurde. Die Bewegung löste eine neue Welle des Schmerzes in seinem ohnehin schon schmerzenden Körper aus. Er schrie auf, aber kein Laut kam aus seiner geschundenen Kehle.

    Sie bewegten ihn jetzt, trugen ihn irgendwohin. Die Schmerzen waren grauenvoll, vor allem in seinem Oberschenkel. Er hatte das Gefühl, seine Knochen müssten jeden Moment wie dürre Zweige brechen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Männer endlich stehen blieben.

    Verdorrtes Gras raschelte unter ihm, als man ihn hinlegte, dann vernahm er das Schaben von Metall, das in den Erdboden eindrang. Was zum Teufel ging hier vor?

    Er zwang sich wieder die Augen zu öffnen und stellte fest, dass genau über ihm die Umrisse einer silbernen Mondsichel zu sehen waren, wenngleich ziemlich verschwommen. Er blinzelte, schüttelte den Kopf und blinzelte erneut. Plötzlich konnte er den Mond klar erkennen.

    Es war der typische zunehmende Mond Afrikas; die Sichel auf dem Rücken liegend, umgeben von lauter glitzernden Diamanten und dem schwarzen Samt des Nachthimmels – ein vertrauter Anblick für ihn. Jede Nacht, wenn alle anderen schliefen und das Feuer heruntergebrannt war, lehnte er sich in seinem Klappsessel zurück, die Beine ausgestreckt mit von der Tagessafari noch schmerzenden Muskeln. Dann sah er hinauf zum Sternenhimmel und trank dabei seinen abendlichen Kaffee. In Ostafrika waren Nächte wie diese etwas ganz Alltägliches.

    In England war ein so klarer, schöner Nachthimmel viel seltener zu sehen. Bei Tag und Nacht war der Himmel meist verhangen, die Luft feucht und kalt. Aber im Sommer oder an einem besonders klaren Tag hatte England durchaus etwas für sich. Kahnfahrten, Krocket, Picknicks auf den Wiesen von Highclyffe. Prickelnder Champagner. Erdbeeren.

    Beim Gedanken an Erdbeeren lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal Erdbeeren gegessen hatte. In einem anderen Leben.

    Es ist Zeit, nach Hause zurückzukehren.

    Wieder sah er das Gesicht der jungen Frau vor sich. Schmal und entschlossen, mit resolutem Kinn und zarter, strahlender Haut, übersät mit winzigen Sommersprossen. Durch die scharf geschwungenen rotbraunen Augenbrauen und die hohen Wangenknochen war es kein weiches Gesicht, es war auch nicht schön im klassischen Sinn. Aber es war faszinierend, fesselnd; die Art von Gesicht, das man am anderen Ende eines Ballsaals entdeckte und nie wieder vergaß.

    Mit plötzlicher Klarheit erkannte er, dass sie nicht irgendeine junge Frau war. Sie war seine Frau.

    Edie, dachte er, und ihm war, als legte sich eine Hand schmerzhaft um sein Herz. Seltsam, dachte er, dass er ganz sentimental wurde wegen einer Frau, die er kaum kannte, und wegen eines Ortes, den er schon jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Noch seltsamer, dass sie aus tausend Meilen Entfernung nach ihm riefen und ihn mit einer Macht zu sich hinzogen, der er sich nicht mehr widersetzen konnte. Er wusste, er konnte nicht länger bleiben. Es wurde Zeit, nach Hause zurückzukehren.

    Wieder vernahm er die Stimmen, aber sie waren zu leise, er verstand die einzelnen Worte nicht. Er drehte den Kopf zur Seite, und durch die Halme des Savannengrases erkannte er dieselben vier Männer, die in seinem Zelt gewesen waren, aber Jones war immer noch nirgendwo zu sehen. Die Männer waren ein Stück weit entfernt, doch obwohl sie wegen ihrer dunklen Haut in dem Licht des Mondes kaum auszumachen waren, erkannte er sie. Es waren seine Leute. Er kannte sie, kannte sie so gut, dass er sie selbst im Dunkeln anhand ihrer Bewegungen identifizieren konnte.

    Sie gruben mit englischen Schaufeln, noch so etwas Merkwürdiges, denn die Kikuyu konnten mit den meisten Geräten der Engländer nichts anfangen. Als er sie beobachtete, kam ihm langsam die Erkenntnis, wie eine anbrechende Morgendämmerung, und alles, was ihm bisher unverständlich gewesen war, ergab jetzt plötzlich einen vollkommenen, schrecklichen Sinn. Das waren seine Männer, seine besten, loyalsten Männer, und sie erwiesen ihm eine Ehre, die sonst nur Stammeshäuptlingen vorbehalten war; die größte Ehre, die einem ein Kikuyu erweisen konnte.

    Sie gruben sein Grab für ihn.

    1. KAPITEL

    Tee und ein Skandal, wie es der Schriftsteller William Congreve so treffend formulierte, haben schon immer in einer natürlichen Beziehung zueinander gestanden; in jeder Saison hatten die Matronen der britischen Gesellschaft ganz konkrete Präferenzen, welcher Skandal am besten zusammen mit der Tasse Earl Grey am Nachmittag serviert werden sollte.

    Der Prince of Wales war immer ein Favorit, aus ganz offensichtlichen Gründen. Ein Prinz, so fanden die Damen, sollte unbedingt skandalös sein, vor allem einer, dessen Vater so tödlich langweilig gewesen war. Bei Bertie konnte man sich stets darauf verlassen, dass er mit höchst amüsanten Leckerbissen aufwartete.

    Der Marquess of Trubridge war eine weiterer verlässlicher Anlass für Klatsch und Tratsch gewesen, bevor er ein häusliches Leben als Ehemann angefangen hatte; seitdem war er in dieser Hinsicht enttäuschend unergiebig. Seine Ehefrau jedoch war für die Damen der gehobenen Londoner Gesellschaft ab und zu immer noch ein Thema, denn obwohl sich der anfängliche Schock über ihre Hochzeit mit Trubridge allmählich gelegt hatte, fanden es viele nach wie vor faszinierend, dass die frühere Lady Featherstone erneut einen Lebemann geheiratet hatte. Hatte sie aus ihrer ersten Ehe denn gar nichts gelernt? Auf Beteuerungen, dass sie auch nach einem Jahr noch wirklich glücklich war mit Trubridge, folgten für gewöhnlich ein ungläubiges Schnauben und ein bis zwei warnende Beispiele von Mitgiftjägern im Allgemeinen und warum jedes vernünftige Mädchen sich von ihnen fernhalten sollte.

    An diesem Punkt angelangt, kam man dann unweigerlich auf die Duchess of Margrave zu sprechen.

    Jeder wusste, der Duke hatte sie wegen ihres Vermögens geheiratet. Aus welchem Grund auch sonst? Wegen ihrer Schönheit sicher nicht, da fielen einem schnell wesentlich attraktivere Damen ein. So groß und dünn wie sie war und dann dieses kaum zu bändigende rote Haar. Und, ach du liebe Güte, diese Sommersprossen!

    Ganz sicher war es auch nicht ihr gesellschaftlicher Rang gewesen, der den Duke gereizt hatte. Vor ihrer Ankunft in England war Edie Ann Jewell ein kleiner Niemand vom anderen Ende der Welt gewesen. Ihr Großvater hatte sein Geld mit Handel gemacht, in dem er Mehl, Bohnen und Speck an die hungrigen Goldgräber an der kalifornischen Küste verkauft hatte; und obwohl ihr Vater das Familienvermögen durch geschickte Investitionen an der Wall Street vervierfacht hatte, war die New Yorker Gesellschaft davon wenig beeindruckt gewesen. Als dann auch noch ein Skandal ihren guten Ruf geschädigt hatte, waren ihren Chancen, jemals wieder von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, denkbar schlecht gewesen. Doch ein Umzug nach London und eine einzige, von Lady Featherstone unterstützte Saison hatten genügt, dass sich die kleine Miss Niemand mit ihren Yankee-Millionen den begehrtesten – und am höchsten verschuldeten – Junggesellen der Stadt geangelt hatte.

    Die Presse auf beiden Seiten des großen Teichs hatten die Sache als Liebesheirat bezeichnet, und es hatte tatsächlich ganz danach ausgesehen, aber nicht einmal einen Monat nach der Hochzeit wurde allen deutlich klar, dass die Liebe, wenn es sie denn je gegeben hatte, erkaltet war. Nachdem er die vielen Familienschulden mit Hilfe der Mitgift seiner Frau getilgt hatte, war der Duke of Margrave in die afrikanische Wildnis gezogen. Dort befand er sich immer noch und hatte wohl nicht die Absicht, je wieder nach Hause zu kommen.

    Allein und verlassen hatte die Duchess angefangen, sämtliche Besitztümer der Margraves selbst zu leiten. Zugegeben, sie hatte tüchtige Verwalter und sehr viel Geld, aber trotzdem … viele Damen schüttelten schwer seufzend den Kopf … was für eine ungeheure Last für eine schwache Frau!

    Und war es wirklich comme il faut für eine Duchess, ihren Besitz selbst zu führen? Die Matronen der Stadt debattierten darüber lebhaft bei Bergen von Gurkensandwiches und Mohnkuchen. Die jüngeren Damen neigten dazu, die Duchess zu verteidigen und Margrave die Schuld zu geben; schließlich war er derjenige, der fortgegangen war. Wäre der Duke zu Hause gewesen, anstatt kreuz und quer durch Afrika zu ziehen, dann hätte seine Frau auch nicht stellvertretend für ihn handeln müssen. An diesem Punkt angelangt, streute die ältere Generation gern einen Hinweis auf die Existenz des jüngeren Bruders des Duke ein, Cecil. Er hätte die Angelegenheiten der Margraves während der Abwesenheit des Dukes erledigen müssen, und die Tatsache, dass man ihm die Gelegenheit dazu verweigerte, bewies, dass die Duchess keine Ahnung hatte, wie man solche Dinge ordentlich zu handhaben hatte. Aber was konnte man andererseits schon von einer Amerikanerin erwarten?

    Letztlich entscheidet doch die Herkunft, pflegte eine der Damen an dieser Stelle der Diskussionen meist zu bemerken. Sich auf den Ländereien herumtreiben, Gärten umgraben, Gartenlauben abreißen, Brunnen versetzen, die sich seit über hundert Jahren immer an derselben Stelle befunden hatten … das war ein unmögliches Verhalten für eine Duchess. Und was war mit den ständigen Renovierungen im Innenbereich? Gaslicht, Badezimmer, wusste der Himmel, was sonst noch alles – solch moderner Schnickschnack konnte doch nur die Schönheit eines Hauses ruinieren, seine Harmonie stören und die häusliche Routine völlig durcheinanderbringen. Was sollte ein Dienstmädchen bloß den ganzen Tag tun, wenn es kein Nachtgeschirr mehr gab, das geleert werden musste?

    Und was hielt die Familie von alldem? Die Dowager Duchess machte gute Miene zum bösen Spiel, natürlich, obwohl sie das unmöglich billigen konnte. Lady Nadine wiederum erzählte allen, ihr gefielen die Veränderungen in den Residenzen des Duke, aber das war nicht überraschend. Die Schwester des Dukes war eins dieser liebenswerten, hohlköpfigen Mädchen, die niemals an irgendetwas Anstoß nahmen. Cecil jedoch war bestimmt nicht einverstanden mit der Situation. Kein Wunder, dass er so viel Zeit in Schottland verbrachte.

    Manche sagten, die Duchess genieße es, die Macht auszuüben, die sonst dem stärkeren Geschlecht vorbehalten war. Andere wiederum konnten das nicht nachvollziehen, denn welche Frau würde schon die groben und beschwerlichen Aufgaben der Männer genießen?

    Das Einzige, auf das sich die meisten Damen einigen konnten, war, dass die Duchess zu bemitleiden war, nicht zu verurteilen. Das arme, arme Ding, sagten die Damen mit gespielter Betroffenheit, die ihre heimliche Befriedigung nur schlecht verhüllte. Da musste sie ihre leeren Tage mit männlichen Aufgaben füllen, während ihr Mann in Ostafrika war, und dann hatte sie noch nicht einmal Kinder, die ihr ein Trost hätten sein können. Ja, das arme, arme Ding.

    Wann immer die Duchess zufällig etwas von solchen Gesprächen mitbekam, musste sie unweigerlich lachen. Wenn sie wüssten!

    Ihre Ehe war perfekt. Es war nicht die Art von Ehe, die den Engländern vorschwebte, denn es gab keinen Erben. Es war auch nicht die Art von Ehe, wie sie den Amerikanern vorschwebte, weil sie nicht aus Liebe geschlossen worden war. Und ganz sicher war es nicht die Art von Ehe, die sie sich als romantisches junges Mädchen vorgestellt hatte. Doch seit Saratoga waren alle ihre romantischen Träume, die sie je gehabt hatte, dahin.

    Allein der Gedanke an diesen Ort und daran, was dort geschehen war, verursachte Edie noch immer leichte Übelkeit. Sie wandte ihr Gesicht ab, damit Joanna nicht mitbekam, wie sie sich bemühte, den schwarzen Tag auszublenden, der ihr Leben für immer verändert hatte.

    Sie konzentrierte sich auf den warmen Sonnenschein im offenen Landauer und atmete tief die frische englische Luft ein, um den Modergeruch im Sommerhaus in Saratoga und Frederick van Hausens heißen, keuchenden Atem zu verdrängen. Sie lauschte dem Knarren der Kutschenräder, damit sie ihr eigenes Schluchzen und das Getuschel der New Yorker Gesellschaft über dieses kleine Flittchen Edie Jewell nicht mehr hörte.

    Wie ein Phönix aus der Asche hatte sie sich ein neues Leben auf den Trümmern des alten aufgebaut, und das behagte ihr restlos. Sie war eine Duchess ohne einen Duke, eine Herrin ohne Herrn, und zur Verblüffung der Gesellschaft gefiel ihr das über alle Maßen. Ihr Leben war komfortabel, sicher und so vorhersehbar wie eine perfekt eingestellte Maschine; sie hatte alles unter Kontrolle.

    Nun, vielleicht nicht alles, räumte sie bedrückt ein, als sie das fünfzehnjährige Mädchen auf dem Sitz gegenüber ansah. Ähnlich wie sie selbst hielt ihre Schwester Joanna nicht viel davon, kontrolliert zu werden.

    „Ich sehe nicht ein, warum ich wegen der Schule weggehen soll, sagte das Mädchen zum fünften Mal, seit die Kutsche in Highclyffe losgefahren war – und sicher zum hundertfünften Mal, seit die Entscheidung getroffen worden war. „Ich verstehe nicht, warum ich nicht weiterhin mit dir zusammen zu Hause wohnen und Mrs. Simmons behalten kann, so wie immer.

    Edie wünschte mehr als alles andere, dass das möglich sein würde. Schon jetzt vermisste sie ihre Schwester, und das Mädchen war noch nicht einmal in den Zug eingestiegen. Dennoch wusste sie, dass es ihnen beiden nicht guttun würde, wenn sie ihre Gefühle offen zeigte. Stattdessen tat sie so, als nähme sie Joannas Einwände auf die leichte Schulter.

    „Ich kann der lieben Mrs. Simmons unmöglich ein weiteres Jahr mit dir zumuten, sagte sie mit einer Fröhlichkeit, nach der ihr überhaupt nicht zumute war. „Es wäre ihr Tod, wenn ich das täte.

    „Das ist nicht der Grund. Joanna sah sie aus braunen Augen vorwurfsvoll an. „Es ist wegen dieser dummen Geschichte mit den Zigaretten. Wenn ich geahnt hätte, dass du mich deshalb fortschicken würdest, dann hätte ich das nie getan.

    „Aha, dich bedrückt also nicht dein schlechtes Gewissen, sondern viel mehr das, was du für deine Bestrafung hältst."

    Sofort nahm Joannas Gesicht einen entsetzten Ausdruck an.„Das ist nicht wahr!, rief sie. „Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, Edie! Glaub mir!

    „Das solltest du auch haben, Joanna, ließ sich Mrs. Simmons vernehmen, die neben ihr saß. „Zigaretten sind eine hässliche, äußerst undamenhafte Angewohnheit.

    Joanna ging auf diese Bemerkung gar nicht ein, denn sie wusste aus langjähriger Erfahrung, dass es vergeblich war, sich mit der respekteinflößenden Mrs. Simmons anzulegen. Sie hielt den Blick fest auf Edie gerichtet und ihre großen braunen Rehaugen schimmerten feucht unter der kreisrunden Krempe ihres Strohhuts.

    „Ich kann es nicht glauben, dass du mich fortschickst!"

    Bei diesen Worten drehte Edie sich das Herz im Leibe um, obwohl sie ziemlich gut wusste, dass sie manipuliert wurde. In jedem anderen Bereich ihres Lebens vertraute sie ihren Entscheidungen, bewegte sie sich auf sicherem Terrain und ließ sich nicht gern Vorschriften machen. Doch Joanna war ihr wunder Punkt.

    Gott sei Dank besaß Mrs. Simmons die Entschlossenheit, die Edie fehlte, wenn es um Joanna ging. Doch während des vergangenen Jahres war Joanna zu wild geworden, selbst diese großartige Frau hatte sie nicht mehr bändigen können. Mehrere Male hatte sie ein Pensionat für das Mädchen empfohlen, und nach der Sache mit den Zigaretten hatte Edie endlich kapituliert, sehr zum Erschrecken ihrer Schwester. In den vier Wochen seit dem Entschluss hatte Joanna alles unternommen, um Edie umzustimmen. Zum Glück hatte das Willowbank-Pensionat eingewilligt, die Schwester der Duchess of Margrave für das neue Schuljahr aufzunehmen. Viel länger hätte Edie Joannas Überredungskünsten nicht standhalten können; sie hätte irgendwann nachgegeben, das wusste sie.

    Joanna brauchte die Schule. Sie war in einem Alter, in dem sie Disziplin und Anregungen dringend benötigte. Sie brauchte Schliff und die Gelegenheit, Freundschaften zu schließen. Das alles war Edie vollkommen bewusst, aber ihr war auch klar, dass sie ihre Schwester furchtbar vermissen würde. Schon jetzt verspürte sie ein Gefühl der Einsamkeit.

    „Edie?" Die Stimme ihrer Schwester, zögernd und kleinlaut, holte sie aus ihren Gedanken.

    „Hm? Edie wandte ihr das Gesicht zu, erleichtert über die Ablenkung. „Ja, Liebling?

    „Wenn ich verspreche, nie wieder etwas Schlimmes anzustellen, darf ich dann bleiben?"

    „Joanna, damit muss jetzt Schluss sein, sagte Mrs. Simmons, ehe Edie antworten konnte. „Deine Schwester hat die Entscheidung getroffen, ich habe bereits eine neue Stellung und du bist in Willowbank aufgenommen worden. Und das ist übrigens ein großes Kompliment für dich, denn Willowbank ist eine äußerst vornehme Schule. Mrs. Calloway nimmt nur sehr wenige von den Mädchen auf, die sich dort bewerben.

    Edie zwang sich zu einer Leichtigkeit, die sie gar nicht empfand.

    „In Willowbank wirst du auch malen und Kunst studieren können, und das liebst du doch mehr als alles andere. Du wirst Freundinnen finden und jede Menge Neues lernen. Du wirst sehen, dein kleines kluges Köpfchen wird von morgens bis abends beschäftigt sein."

    „Wahrscheinlich werde ich gar nicht sagen können, ob es Morgen oder Abend ist, murrte Joanna. „Die Fenster dort sind so winzig, man kann kaum hinaussehen. Außerdem ist alles dunkel und trostlos und im Winter sicher eiskalt. Brrr.

    „Nun, es ist eben ein altes Schloss, gab Edie zu bedenken. „Aber meinst du nicht, dass es ziemlich viel Spaß machen wird, in einem Schloss zu wohnen?

    Joanna war nicht beeindruckt. Sie verzog das Gesicht und ließ sich schwer seufzend gegen die Rücklehne ihres Sitzes fallen.

    „Es wird sein, als wohnte man im Tower von London. Wie im Gefängnis."

    „Joanna!", tadelte Mrs. Simmons scharf, doch Joanna ließ sich nicht einschüchtern. Mit großen Augen sah sie die unbeugsame ältere Frau an.

    „Was ist?, fragte sie und spielte die gekränkte Unschuldsvolle. „Der Tower war doch ein Gefängnis, nicht wahr?

    „Das war er, erwiderte Mrs. Simmons verschnupft. „Und wenn du deine Schwester weiter so ärgerst, schickt sie dich vielleicht dorthin und nicht nach Willowbank.

    „Wenn sie das täte, könnte ich dann mit dem Boot durch das Verrätertor hineinfahren? Joannas Miene hellte sich auf bei der Vorstellung. „Das wäre bestimmt lustig.

    „Bis sie dich enthaupten, warf Edie ein. „Benimm dich in Willowbank, wie du dich zu Hause benommen hast, und Mrs. Calloway könnte in Versuchung geraten, genau das zu tun.

    Joanna schmollte, aber ihr schien keine kluge Antwort darauf einzufallen und sie verfiel in Schweigen – bestimmt, da war Edie sich ganz sicher, um sich ein neues Argument gegen das Pensionat auszudenken.

    Joanna hatte verständlicherweise Angst, fortzugehen. Ihre und Edies Mutter war gestorben, als Joanna erst acht Jahre alt gewesen war. Daddy, der geschäftlich in New York zu tun hatte, war auf die Idee gekommen, dass es für alle das Beste war, wenn Joanna nach Edies Hochzeit zu ihr zog. Die beiden Schwestern waren nur selten getrennt gewesen, doch Edie wusste, dass sie Joanna nicht für immer bei sich behalten konnte, so sehr sie sich das auch gewünscht hätte.

    Sie betrachtete das hübsche Gesicht ihrer geliebten Schwester mit gemischten Gefühlen. Einerseits war sie dankbar, dass Joanna nie unter den körperlichen Makeln würde leiden müssen, die Edie in ihrer eigenen Jugend so verunsichert hatten. Joannas Nase war fein und gerade, keine Stupsnase, und fast völlig frei von Sommersprossen. Ihr Haar war rotbraun, nicht feuerrot, und ihre gertenschlanke Figur wies trotzdem jetzt schon mehr weibliche Rundungen auf, als Edie sie je besitzen würde. Außerdem war Joanna zum Glück nicht so groß wie ihre ältere Schwester.

    Doch obwohl Edie froh darüber war, dass ihre Schwester zu der Schönheit heranwuchs, die sie selbst nie gewesen war, bestärkte es sie mehr denn je in ihrem Entschluss, auf das Mädchen aufzupassen und es zu beschützen. Sie wollte dafür sorgen, dass ihrer kleinen Schwester niemals das widerfuhr, was ihr in Saratoga widerfahren war.

    Sie wusste, in Willowbank würde Joanna sicher, behütet und nie ohne Aufsicht sein, dennoch hätte sie mit der Kutsche am liebsten kehrtgemacht. Als das Gefährt auf einmal langsamer fuhr, hatte es beinahe den Anschein, als wollte das Schicksal ihr ihren Wunsch erfüllen.

    „Ho!", rief ihr Kutscher auf dem Bock und zog so fest an den Zügeln, dass der Landauer nur noch im Schneckentempo vorwärtsrollte.

    „Was ist, Roberts? Edie richtete sich auf ihrer Sitzbank auf. „Warum fahren wir so langsam?

    „Vor uns sind Schafe, Eure Gnaden. Eine ganze Menge sogar."

    „Schafe? Sie legte die behandschuhte Hand auf die Kutschentür, erhob sich halb von ihrem Sitz und betrachtete die enorme Anzahl von Schafen mit einer Mischung aus Erleichterung und Betroffenheit. Sie wurden von ein paar Männern zu Pferd und mehreren Hunden in dieselbe Richtung getrieben, in die die Kutsche ebenfalls fuhr, und sie kamen dabei quälend langsam voran. „Werden wir uns sehr verspäten?, fragte sie und sank wieder auf den Sitz.

    Der junge Mann sah sie über die Schulter hinweg an.

    „Ich fürchte, ja, Eure Gnaden. Mindestens um zwanzig Minuten, würde ich sagen, vielleicht auch noch länger."

    „Juhu! Joanna hopste begeistert auf ihrem Sitz herum. „Dann verpassen wir den Zug.

    Edie warf einen Blick auf die kleine Uhr, die an das Revers ihres maßgeschneiderten blauen Kostüms geheftet war, und sah ein, dass diese Möglichkeit durchaus bestand. Sie lehnte sich zur Seite und versuchte, an den Pferden vorbei nach vorn zu sehen.

    „Könnten Sie nicht einfach ein wenig drängeln?, fragte sie verzweifelt. „Die Schafe weichen uns doch sicher aus, oder?

    Roberts bedachte sie mit einem ironischen Blick.

    „Das würde voraussetzen, dass die Schafe auch genug Platz zum Ausweichen haben, Eure Gnaden. Sie sind ziemlich eng zusammengepfercht, und da links der Berg ist und rechts der Abgrund, können sie gar nicht anders, sie müssen der Straße folgen."

    „Das heißt, bis wir die Abzweigung nach Clyffeton erreichen, kommen wir nur in dieser Geschwindigkeit voran?"

    Roberts nickte bedauernd.

    „Ich fürchte, ja. Es tut mir leid."

    „Ha!, rief Joanna triumphierend aus. „Und der nächste Zug fährt erst morgen!

    Noch ein weiterer Tag, an dem sie von ihrer Schwester bearbeitet wurde? Edie lehnte sich seufzend zurück. Sie war verloren.

    Die Kutsche quälte sich langsam voran, während Mrs. Simmons in damenhafter Haltung schweigend dasaß, Joanna über das ganze Gesicht strahlte und Edie sich auf weitere vierundzwanzig Stunden einstellte, in denen ihre Schwester versuchen würde, ihr ihren Entschluss auszureden.

    Eine halbe Stunde verging, bis sie endlich von der Straße abbiegen und die Schafe hinter sich lassen konnten. Doch obwohl Roberts die Pferde antrieb und etwas Zeit aufholen konnte, stieß die Lokomotive des Zuges aus Norwich bereits dicke Dampfwolken aus und bereitete sich auf die Abfahrt aus Clyffetons winzigem Bahnhof vor.

    Roberts hatte die Kutsche kaum zum Stehen gebracht, da war Edie auch schon ausgestiegen und rannte auf das Bahnhofsgebäude zu.

    „Bringen Sie das Gepäck, Roberts, ja?", rief sie über die Schulter hinweg, als sie die Treppe hocheilte und die Tür öffnete. Ohne seine Antwort abzuwarten, durchquerte sie die kleine, leere Bahnhofshalle und trat an der gegenüberliegenden Seite hinaus auf den Bahnsteig. Auch er war menschenleer bis auf einen Mann, der lässig und mit tief ins Gesicht gezogenem Hut an einem Pfeiler lehnte. Obwohl Berge von Gepäck neben ihm standen, machte er keine Anstalten in den Zug einzusteigen, daher vermutete Edie, dass er wohl gerade eben angekommen war und nun auf eine Kutsche wartete.

    Ein Ausländer, dachte sie spontan, doch dann bedachte sie ihn keines weiteren Blickes mehr, weil gerade ein anderer Mann, der Stationsvorsteher, aus dem Zug stieg.

    „Mr. Wetherby?"

    „Eure Gnaden." Er nahm sofort respektvoll Haltung an. „Wie kann ich Ihnen zu Diensten

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1