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Lady Isabels skandalöses Begehren
Lady Isabels skandalöses Begehren
Lady Isabels skandalöses Begehren
eBook416 Seiten5 Stunden

Lady Isabels skandalöses Begehren

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Über dieses E-Book

"Bringen Sie ihn in meine Kutsche!" Wagemutig rettet Lady Isabel Beckinhall den Schwerverletzten mit der Maske: Es ist der berüchtigte "Geist von St. Giles", ein Held, der für die Ärmsten der Armen kämpft! Als sie den muskulösen Fremden in ihrem Boudoir versorgt, spürt die adelige Witwe beim Blick aus seinen funkelnden Augen ein skandalöses Begehren. Aber noch bevor die Nacht vorüber ist, verschwindet der "Geist". Doch kurz darauf entflammt Isabels Verlangen erneut - allerdings in Gegenwart des ehrbaren Mr. Winter Makepeace, Leiter des Waisenhauses in St. Giles … Warum ist das Funkeln in seinen Augen bloß so verhängnisvoll vertraut?

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum26. Jan. 2018
ISBN9783733779788
Lady Isabels skandalöses Begehren
Autor

Elizabeth Hoyt

Elizabeth Hoyt zählt zu den US-amerikanischen Bestseller-Autoren der New York Times für historische Romane. Ihren ersten Roman der Princess-Trilogie „Die Schöne mit der Maske“ veröffentlichte sie im Jahr 2006, seitdem folgten zwölf weitere Romane. Gern versetzt die erfolgreiche Schriftstellerin ihre Romanfiguren in das georgianische Zeitalter. Nachdem ihre beiden Kinder zum Kindergarten gingen, begann sie mit dem Schreiben ihres ersten Romans. Während ihrer Jugend verbrachte sie viel Zeit mit ihrer Familie im Ausland, längere Zeit lebte die Familie in Großbritannien in Oxford sowie in St. Andrews. Belgien, Deutschland und Frankreich kennt sie ebenfalls durch ihre vielen Reisen, als Austauschstudentin verbrachte sie einen Sommer in Kawasaki in Japan. Die Reisen mit der Familie enden häufig an einem archäologischen Ausgrabungsort. Ihre Freizeit verbringt sie im Garten, die begeisterte Hobbygärtnerin besitzt 26 Varianten der Taglilie sowie viele Sorten Funkien.

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    Buchvorschau

    Lady Isabels skandalöses Begehren - Elizabeth Hoyt

    IMPRESSUM

    HISTORICAL GOLD EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2012 by Nancy M. Finney

    Originaltitel: „Thief of Shadows"

    erschienen bei: Grand Central Pulishing, New York

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD EXTRA

    Band 101 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Ulrike Pesold

    Abbildungen: Jovy86 /GettyImages.488999564, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 01/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733779788

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, MYSTERY, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

    Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

    DANKSAGUNG

    Wie immer muss ich mich bei meinem Team bedanken, das mir geholfen hat, eine schreckliche Rohfassung zu einem lesbaren Endprodukt zu überarbeiten: meiner cleveren Agentin Susannah Taylor, meiner geduldigen Redakteurin Amy Pierpont und meiner äußerst genauen Lektorin Carrie Andrews. Außerdem bei Lauren Plude, Amys Assistentin, die immer unerhört gut gelaunt ist, Diane Luger aus dem GCP Art Department, die sich mit dem Cover wieder einmal selbst übertroffen hat, und Nick Small und Brianne Beers aus der Werbeabteilung, die unermüdlich dafür gearbeitet haben, damit ihr überhaupt von diesem Buch erfahrt.

    Ich danke euch allen.

    1. KAPITEL

    Oh, versammelt Euch, meine Lieben, und lasst die Kerzen hell brennen, denn heute Nacht erzähle ich Euch die Geschichte des Geisterharlekins von St. Giles …

    Aus: Die Legende des Geisterharlekins von St. Giles

    London, England

    Mai 1738

    Der Leichnam auf der Straße war die Krönung dieses furchtbaren Tages.

    Isabel Beckinhall – Baroness Beckinhall – seufzte leise in sich hinein. Ihre Kutsche hatte im schlimmsten Teil Londons gehalten – in den schmutzigen Straßen von St. Giles. Und warum war sie bei Einbruch der Dunkelheit in St. Giles? Weil sie sich freiwillig gemeldet hatte, die Gesellschaft der Damen für das Wohlergehen der Waisen und Findelkinder bei der letzten Begutachtung des neuen Waisenhauses zu vertreten. Wie töricht von ihr.

    Melde dich niemals freiwillig. Nicht einmal, wenn du dich wohlfühlst, weil du gerade warme Scones gegessen und heißen Tee getrunken hast. Warme Scones waren vermutlich das Werk des Teufels oder das von Lady Hero Reading, einer der engagiertesten Unterstützerinnen des Waisenhauses. Lady Hero hatte Isabels Tasse nachgefüllt, sie unschuldig angesehen und dann freundlich gefragt, ob Isabel sich mit Mr. Winter Makepeace, dem mürrischen Leiter des Waisenhauses, treffen würde, um sich das neue Gebäude anzusehen. Und Isabel hatte vertrauensselig eingewilligt, wie eine dumme Kuh, die sich den Magen mit Scones vollgeschlagen hatte.

    Und der vermaledeite Mann war nicht einmal aufgetaucht!

    „Muh", murmelte Isabel, in dem Moment, als die Tür der Kutsche sich öffnete und Pinkney, ihre Zofe, einstieg.

    „Mylady?", fragte Pinkney mit großen, überraschten Augen. Natürlich waren Pinkneys blaue Augen immer groß und überrascht. Sie war eine der gefragtesten Zofen Londons und eine Expertin für die neueste Mode, obwohl sie kaum älter als einundzwanzig und ein wenig naiv war.

    „Nichts, erwiderte Isabel und winkte ab. „Hast du herausgefunden, warum es so lange dauert, den Toten aus dem Weg zu schaffen?

    „Oh ja, Mylady, antwortete Pinkney. „Es liegt daran, dass er nicht tot ist. Ihre hübschen dunkelblonden Augenbrauen zogen sich zusammen. „Nun ja, jedenfalls noch nicht. Harold bringt es kaum zustande, ihn zur Seite zu ziehen. Und Sie werden es nicht glauben, Mylady, aber er ist ein Komödiant."

    Nun war es an Isabel, überrascht zu blinzeln. „Harold? Mein Diener?"

    „Oh nein, Mylady! Pinkney kicherte, bis sie Isabels kühlen Blick bemerkte. „Ähm, die Zofe räusperte sich, „der noch nicht tote Mann. Das heißt, er ist ein Komödiant. Er hat sich als Harlekin verkleidet, mit Maske und allem …"

    Isabel hörte nicht mehr hin. Sie öffnete die Tür und verließ die Kutsche. Der graue Tag war noch düsterer geworden, da die Nacht hereinbrach. Im Westen flackerten Feuer, und sie konnte das Lärmen von Aufrührern aus dieser Richtung hören. Sie waren ganz in der Nähe. Isabel erschauerte und eilte zu Harold und dem anderen Diener, die sich über eine Gestalt am Boden beugten. Pinkney hatte das Kostüm des Mannes oder die Maske verwechselt oder …

    Aber nein.

    Isabel atmete scharf ein. Sie hatte den berüchtigten Geist von St. Giles noch nie persönlich gesehen, aber sie zweifelte nicht daran, dass er es war. Der auf dem Bauch liegende Mann trug ein schwarz-rotes Narrenkleid. Sein breitkrempiger Schlapphut war ihm vom Kopf gefallen, und sie konnte sehen, dass sein braunes Haar schlicht zusammengebunden war. Ein Kurzschwert befand sich in einem Futteral an seiner Seite, und ein Degen lag neben seiner großen Hand. Eine schwarze Halbmaske mit einer lächerlich langen Nase bedeckte die obere Hälfte seines Gesichts, offenbarte jedoch sein eckiges Kinn und seinen breiten Mund. Die Lippen waren leicht geöffnet, er hatte sehr gerade Zähne, und die Oberlippe war ein wenig größer als die Unterlippe.

    Isabel wandte ihre Aufmerksamkeit dem Diener zu. „Lebt er?"

    „Zumindest atmet er, Mylady. Harold schüttelte den Kopf. „Aber ich weiß nicht, wie lange noch.

    In der Nähe ertönten Rufe und das Geräusch von zerschlagenem Glas.

    „Bringen Sie ihn in die Kutsche", befahl Isabel. Sie bückte sich, um seinen Hut aufzuheben.

    Will, der zweite Diener, runzelte die Stirn. „Aber Mylady …"

    Sofort. Und vergessen Sie seinen Degen nicht."

    Sie konnte bereits eine Menge Leute sehen, die am Ende der Straße um die Ecke kamen. Die Diener sahen einander an, dann hoben sie den Geist hoch. Harold keuchte unter dem Gewicht, aber er beschwerte sich nicht.

    Eine Menschenmenge sammelte sich am Ende der Straße, und jemand rief etwas.

    Die Aufrührer hatten die Kutsche entdeckt.

    Isabel raffte ihre Röcke und eilte hinter den Dienern her. Harold hievte den Geist mitsamt Degen in die Kutsche. Isabel kletterte recht unelegant hinterher. Pinkney starrte den Geist auf dem Kutschenboden mit großen Augen an, während Isabel ihn für den Moment ignorierte. Sie warf seinen Hut auf ihn, hob ihren Sitz an und zog zwei Pistolen aus dem verborgenen Fach darunter.

    Pinkney quietschte ängstlich.

    Isabel drehte sich um und reichte den Dienern an der Kutschentür die Pistolen. „Lassen Sie niemanden in die Kutsche herein."

    Harold biss die Zähne zusammen. „Ja, Mylady."

    Er nahm die Pistolen, gab Will eine und stellte sich auf das Trittbrett am Heck der Kutsche.

    Isabel schloss die Kutschentür und klopfte gegen das Dach. „So schnell du kannst, John!"

    Die Kutsche hatte sich gerade mit einem Ruck in Bewegung gesetzt, als etwas gegen das Gefährt geschleudert wurde.

    „Mylady!", rief Pinkney.

    „Sch", erwiderte Isabel.

    Auf dem Sitz ihrer Zofe lag eine Reisedecke, und Isabel breitete sie über dem Geist aus. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und hielt sich am Fensterrahmen fest, als die Kutsche um eine Ecke fuhr. Plötzlich geriet die Kutsche kurz ins Schlingern. Das verzerrte Gesicht eines Mannes erschien am Fenster, und er leckte obszön an der Scheibe.

    Pinkney schrie auf.

    Isabel blickte den Mann an. Ihr Herz raste, aber ihr Blick war fest und unbeirrt, als sie ihm in die Augen schaute. Die waren blutunterlaufen und voller Wut. Die Kutsche ruckte, und der Mann fiel hinunter.

    Eine der Pistolen wurde abgefeuert.

    „Mylady, flüsterte Pinkney, deren Gesicht weiß war, „der tote Mann …

    „Der nicht ganz tote Mann", murmelte Isabel und beäugte die Decke. Hoffentlich würde jemand, der zufällig in die Kutsche blickte, eine achtlos auf den Boden geworfene Decke sehen und nicht den darunter versteckten Geist von St. Giles. Sie stützte sich ab, als die Kutsche wild um eine Ecke bog.

    „Der nicht ganz tote Mann, wiederholte Pinkney gehorsam. „Wer ist er?

    „Der Geist von St. Giles."

    Pinkneys türkisblaue Augen weiteten sich. „Wer?"

    Isabel sah ihre Zofe gereizt an. „Der Geist von St. Giles? Der berüchtigtste Straßenräuber Londons? Läuft in einem Harlekinskostüm herum und raubt und mordet oder rettet und verteidigt, je nachdem, wessen Geschichten man glaubt."

    Wenn Pinkney die Augen noch weiter aufriss, würden sie ihr aus dem Kopf fallen.

    „Hast du noch nie von ihm gehört? Isabel deutete mit der Hand zum Fenster, hinter dem Geschrei zu vernehmen war, und sagte mit süßlicher Stimme: „Von dem Mann, den die Horde tot sehen will?

    Entsetzt sah Pinkney auf die Decke. „Aber … warum, Mylady?"

    Die zweite Pistole wurde mit einem ohrenbetäubenden Knall abgefeuert. Pinkney erschrak und spähte aus dem Fenster.

    Gütiger Gott, sie hatten keine Munition mehr. Isabel betete, dass die Diener sich die Aufrührer ohne Pistolen vom Leibe halten konnten. Sie war eine Adelige, aber erst letztes Jahr war ein Viscount in St. Giles aus seiner Kutsche gezerrt, zusammengeschlagen und beraubt worden.

    Isabel holte tief Luft und tastete unter der Decke, bis sie den Griff vom Degen des Geistes fand. Sie zog ihn hervor, während Pinkney sie misstrauisch musterte, dann legte sie sich das schwere Ding auf den Schoß. Zumindest könnte sie jemanden damit auf den Kopf schlagen. „Sie wollen ihn umbringen. Weil er heute Morgen Charming Mickey O’Connor vom Galgen geschnitten hat."

    Als sie das hörte, strahlte Pinkney. „Oh, Charming Mickey, der Pirat. Von ihm habe ich schon gehört. Man sagt, er sei so schön wie die Sünde und besser gekleidet als der König."

    Natürlich hatte ihre Zofe von einem gut gekleideten Piraten gehört.

    „Genau. Isabel zuckte zusammen, als etwas das Fenster traf und die Scheibe zerbrach. „Sie haben ihn vermutlich von dem Galgen in Tyburn bis hierher gejagt, den armen Mann.

    „Oh. Pinkney biss sich auf die Unterlippe. „Verzeihen Sie, Mylady, aber warum haben wir ihn mitgenommen?

    „Nun, es wäre schade, wenn jemand von einer wütenden Meute in Stücke gerissen würde, meinte Isabel gedehnt. Auf keinen Fall wollte sie dem Mädchen die Angst zeigen, die sie angesichts der bedrohlichen Lage empfand, mochte ihr das Herz auch noch so heftig in der Brust schlagen. „Besonders einen jungen, gut aussehenden Mann.

    Pinkney sah Isabel ängstlich an. „Aber Mylady, wenn die Menge ihn will, und er sich in unserer Kutsche befindet … äh …"

    Isabel nahm all ihre Kraft zusammen und lächelte zuversichtlich. Ihre Hand umschloss den Griff des Degens fester. „Darum werden wir sie nicht wissen lassen, dass wir den Geist haben, nicht wahr?"

    Pinkney blinzelte mehrere Male – offenbar brauchte sie einen Moment, um zu begreifen, was ihre Herrin meinte –, dann lächelte sie. Das Mädchen war wirklich sehr hübsch. „Oh ja, Mylady."

    Die Zofe lehnte sich zurück, als wären sie nun außer Gefahr, jetzt, da ihr alles erklärt worden war.

    Isabel zog die Vorhänge beiseite, um durch das gesprungene Glas hinauszusehen. Sie war bei Weitem nicht so zuversichtlich, wie sie tat. Die Straßen in St. Giles waren eng und gewunden – darum war ihre Kutsche vorhin so langsam gefahren. Zu Fuß war man hier deutlich schneller unterwegs als mit einer Kutsche. Aber als sie den Blick die Straße hinauf und hinunter schweifen ließ, sah Isabel, dass die Meute langsam zurück fiel. Die Strecke verlief an dieser Stelle auch recht gerade, sodass John, der Kutscher, die Pferde zu einem schnelleren Tempo antrieb. Mit einem erleichterten Seufzer, der von Herzen kam, ließ Isabel die Vorhänge fallen.

    Gott sei Dank.

    Die Kutsche blieb abrupt stehen.

    Pinkney kreischte.

    „Immer mit der Ruhe." Isabel warf ihrer Zofe einen strengen Blick zu. Das Letzte, was sie brauchen konnte, war, dass Pinkney in Ohnmacht fiel, falls sie angegriffen wurden.

    Isabel linste aus dem Fenster und schob dann rasch den Degen unter die Decke.

    Und gerade noch rechtzeitig. Die Kutschentür öffnete sich, und dort stand ein ernst aussehender Dragoneroffizier in scharlachroter Uniform.

    Isabel lächelte freundlich. „Captain Trevillion. Wie schön, Sie zu sehen – nachdem wir der Meute entkommen sind."

    Die markanten Wangenknochen des Captains verdunkelten sich, während er das Innere der Kutsche musterte. Einen Augenblick lang ließ er den Blick auf der Decke verweilen.

    Isabel sah ihm weiter ins Gesicht und lächelte unbeirrt. Beiläufig hob sie die Füße und legte sie auf die Decke.

    Der Dragoner sah sie erneut an. „Mylady. Ich bin froh, dass Sie und Ihre Dienstboten in Sicherheit sind. St. Giles ist heute kein Ort, an dem man sich länger aufhalten sollte."

    „Nun, das wussten wir nicht, als wir heute Morgen losgefahren sind. Höflich fragte Isabel: „Haben Sie den Piraten schon gefasst?

    Die schmalen Lippen des Captains wurden noch dünner. „Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir werden ihn und den Geist von St. Giles fangen. Sie fliehen beide vor der Meute. Einen guten Tag, Mylady."

    Sie nickte, wagte aber nicht zu atmen, bevor der Dragoner die Tür zugeworfen und John gestattet hatte, weiterzufahren.

    Pinkney rümpfte verächtlich die Nase. „Soldaten. Ihre Perücken sind immer so schrecklich altmodisch."

    Isabel ließ sich zurück in die Polster fallen und grinste ihre Zofe kurz an.

    Eine halbe Stunde später hielt die Kutsche vor Isabels eleganten Stadthaus.

    „Bringen Sie ihn hinein", befahl sie Harold, als er die Tür öffnete.

    Er nickte müde. „Ja, Mylady."

    „Und Harold?" Isabel stieg aus der Kutsche, den Degen immer noch in der Hand.

    „Mylady?"

    „Gut gemacht, alle beide. Sie und Will." Isabel nickte Will zu.

    Ein schüchternes Lächeln zeigte sich auf Harolds breitem, hässlichem Gesicht. „Danke, Mylady."

    Isabel erlaubte sich ein kleines Lächeln, bevor sie das Haus betrat. Edmund, ihr lieber, verstorbener Gemahl, hatte kurz bevor er das Zeitliche segnete, Fairmont House für sie gekauft und es ihr zum achtundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Er hatte gewusst, dass sein Titel und seine Ländereien an einen entfernten Cousin fallen würden und dafür gesorgt, dass sie selbst Eigentum besaß, das nicht Teil des Fideikommisses war.

    Isabel hatte das Haus sofort umgestaltet, als sie vor vier Jahren eingezogen war. Nun war die Eingangshalle mit warmem, goldenem Eichenholz getäfelt. Unter ihren Füßen befand sich Parkettboden, und hier und dort standen Dinge, die ihr am Herzen lagen: ein zierlicher Tisch mit einer rosafarbenen Marmorplatte und vergoldeten Beinen, ein lachender junger Faun aus schwarzem Marmor, der einen Hasen hielt, und ein kleiner, ovaler Spiegel, der mit Perlmutt eingefasst war. All diese Dinge liebte sie eher wegen ihrer jeweiligen Besonderheiten, nicht wegen ihres Wertes.

    „Danke, Butterman, sagte Isabel, als sie den Degen unter den Arm klemmte und Handschuhe und Hut ablegte, die sie dem Butler reichte. „Es muss sofort ein Schlafzimmer bereitgemacht werden.

    Wie all ihre Dienstboten war Butterman perfekt ausgebildet. Er zuckte angesichts der überraschenden Anweisung nicht mit der Wimper – und auch nicht wegen des Degens, den Ihre Ladyschaft so unvorsichtig hielt. „Sehr wohl, Mylady. Ist das blaue Zimmer genehm?"

    „Ja."

    Butterman schnippte mit den Fingern, und ein Dienstmädchen eilte die Treppe hinauf.

    Isabel drehte sich um und sah zu, wie Harold und Will den Geist hereintrugen. Der breitkrempige Hut des Geists lag auf seiner Brust.

    Butterman hob die Brauen ein winziges Stückchen, als er den bewusstlosen Mann sah, sagte jedoch nur: „In das blaue Zimmer bitte, Harold."

    „Ja, Sir", keuchte Harold.

    „Falls es Ihnen nichts ausmacht, Mylady, bemerkte Butterman, „ich glaube, Mrs. Butterman könnte behilflich sein.

    „Ja, danke, Butterman. Bitte schicken Sie Mrs. Butterman so schnell wie möglich." Isabel folgte den Dienern die Treppe hinauf.

    Die Dienstmädchen schlugen noch die Tagesdecke auf dem Bett im blauen Zimmer zurück, als die Diener mit ihrer Last eintrafen, aber das Feuer im Kamin brannte bereits.

    Harold zögerte, denn der Geist war recht schmutzig und blutete, aber Isabel deutete auf das Bett. Der Geist stöhnte, als die Diener ihn auf die makellose Decke legten.

    Isabel lehnte seinen Degen in eine Ecke des Zimmers und eilte an seine Seite. Sie waren außer Gefahr, aber ihr Puls raste immer noch. Die seltsamen Ereignisse dieses Tages erregten sie. Sie hatte den Geist von St. Giles gerettet. Was als normaler, beinahe langweiliger Tag begonnen hatte, war zu einem seltsamen Abenteuer geworden.

    Die Augen des Geists waren geschlossen. Er trug immer noch seine Maske, obwohl sie verrutscht war. Isabel nahm sie ihm vorsichtig ab und war überrascht, dass sich darunter ein dünner schwarzer Seidenschal befand, der den oberen Teil seines Gesichts vom Rücken seiner markanten Nase bis zu seiner Stirn bedeckte. Zwei Löcher für die Augen waren in den Stoff geschnitten worden. Sie untersuchte die Harlekinmaske in ihrer Hand. Sie war aus Leder und schwarz gefärbt. Hohe gewölbte Augenbrauen und die gebogene, groteske Nase verliehen der Maske ein anzügliches Grinsen, ähnlich dem eines Satyrs. Isabel legte die Maske auf ein Tischchen neben dem Bett und sah wieder den Geist an. Er lag schlaff und schwer auf dem Bett. Blut befleckte seine Hose über seinen schwarzen Schaftstiefeln. Sie biss sich auf die Unterlippe. Ein Teil des Blutes sah recht frisch aus.

    „Butterman meinte, ein Mann sei verletzt, sagte Mrs. Butterman, als sie geschäftig in den Raum eilte. Sie ging zum Bett und blickte den Geist einen Moment an, die Hände in die Hüften gestemmt, dann nickte sie entschlossen. „Nun, es geht nicht anders. Wir müssen ihn ausziehen, Mylady, und herausfinden, woher das Blut kommt.

    „Oh, natürlich", erwiderte Isabel. Sie streckte die Hand zum Hosenlatz des Geistes, während Mrs. Butterman begann, seine Weste aufzuknöpfen.

    Isabel hörte, wie hinter ihr jemand nach Luft schnappte. „Oh, Mylady!"

    „Was gibt es, Pinkney?", fragte Isabel, während sie sich mit einem widerspenstigen Knopf abmühte. Blut war auf dem Stoff getrocknet und hatte ihn hart werden lassen.

    „Es ist ungehörig, dass Sie das tun. Pinkney klang, als hätte Isabel vorgeschlagen, nackt durch Westminster Cathedral zu laufen. „Er ist ein Mann.

    „Ich versichere dir, ich habe schon einen nackten Mann gesehen", entgegnete Isabel milde, als sie das Beinkleid des Mannes herunterzog.

    Seine Unterwäsche darunter war mit Blut vollgesogen. Gütiger Gott. Konnte ein Mann so viel Blut verlieren und überleben? Sie runzelte besorgt die Stirn, als sie begann, die Bänder an der Unterwäsche zu lösen.

    „Er hat blaue Flecke an der Schulter und den Rippen und ein paar Kratzer, aber nichts, das diese starke Blutung verursachen könnte", berichtete Mrs. Butterman, als sie die Weste öffnete und das Hemd des Geistes bis zu den Achseln hochschob.

    Isabel sah für einen Moment auf und erstarrte. Auf seiner Brust zeichneten sich Muskeln ab, seine Brustwarzen kontrastierten braun mit seiner hellen Haut und schwarzes, gekräuseltes Haar wuchs zwischen ihnen. Sein Bauch war flach und muskulös, sein Bauchnabel wurde völlig von dem dunklen, sich kräuselnden Haar verdeckt. Isabel blinzelte. Sie hatte schon einen Mann – tatsächlich mehrere Männer – nackt gesehen, aber Edmund war schon über fünfzig gewesen, als er gestorben war, und hatte mit Sicherheit niemals so ausgesehen. Und die wenigen, verschwiegenen Liebhaber, die sie sich seit Edmunds Tod genommen hatte, waren Aristokraten gewesen – Männer, die für ihren Lebensunterhalt nicht arbeiten mussten. Sie hatten kaum mehr Muskeln gehabt als sie selbst. Ihr Blick verfing sich in der Linie des Haars, die von seinem Nabel abwärts verlief. Und in seiner Unterwäsche verschwand.

    Dort, wo ihre Hände sich befanden.

    Isabel schluckte, löste die Schnürung des Kleidungsstücks und zog es ihm die Beine hinunter. Das Zittern ihrer Finger überraschte sie ein wenig. Sie enthüllte seine Männlichkeit.

    „Nun, meinte Mrs. Butterman, „dort scheint er jedenfalls gesund zu sein.

    „Liebe Güte, ja", hauchte Pinkney.

    Isabel sah sich verärgert um. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Zofe nahe genug herangetreten war, um den Geist zu sehen. Isabel zog die Ecke der Decke über die Lenden des Geistes. Sie wollte den bewusstlosen Mann beschützen.

    „Helfen Sie mir, seine Stiefel auszuziehen, damit wir ihn ganz entkleiden können, sagte Isabel zu Mrs. Butterman. „Wenn wir die Wunde dort nicht finden können, müssen wir ihn umdrehen.

    Aber als sie seine Breeches weiter seine Beine hinunterzogen, enthüllten sie eine lange Schnittwunde an seinem muskulösen rechten Schenkel. Frisches Blut sickerte heraus und rann ihm übers Bein, als sie den nassen Stoff beiseiteschoben.

    „Da ist sie, meinte Mrs. Butterman. „Wir können nach dem Arzt schicken lassen, Mylady, aber ich bin recht geschickt mit Nadel und Faden.

    Isabel nickte. Sie betrachtete erneut die Wunde, erleichtert, dass die Verletzung nicht so schlimm zu sein schien, wie sie befürchtet hatte. „Holen Sie, was Sie brauchen, Mrs. Butterman, und nehmen Sie Pinkney mit, damit sie Ihnen hilft. Ich habe das Gefühl, er wäre nicht sehr erfreut, einen Arzt zu sehen."

    Mrs. Butterman eilte, dicht gefolgt von Pinkney, hinaus.

    Isabel wartete im Zimmer. Mit Ausnahme des Geistes von St. Giles war sie allein. Warum hatte sie ihn gerettet? Sie hatte es beinahe ohne nachzudenken getan – einen wehrlosen Mann allein zurückzulassen, damit er von einer wütenden Meute in Stücke gerissen wurde, war ein Gedanke, der sie anwiderte. Aber jetzt, da er sich in ihrem Haus befand, war sie neugierig auf den Mann selbst. Was für ein Mann riskierte als Harlekin verkleidet sein Leben? War er ein Straßenräuber oder ein gedungener Attentäter? Oder einfach nur ein Wahnsinniger? Isabel musterte ihn. Er war bewusstlos, aber immer noch eindrucksvoll, wie er dort imposant auf dem zierlichen Bett ausgestreckt lag. Er war ein Mann in der Blüte seines Lebens, stark und athletisch und ihrem Blick beinahe vollkommen entblößt ausgeliefert.

    Alles konnte sie von ihm sehen, außer seinem Gesicht.

    Sie streckte die Hand nach der seidenen Maske aus, die immer noch den oberen Teil seines Gesichts bedeckte. War er gut aussehend? Hässlich? Sah er ganz normal aus?

    Ihre Hand senkte sich zu der Maske.

    Seine hob sich blitzschnell und packte ihr Handgelenk.

    Er öffnete die Augen, die eindeutig braun waren, und musterte Isabel. „Nicht."

    Dieser Tag verlief nicht so wie geplant.

    Winter Makepeace sah hinauf in Lady Beckinhalls intelligente blaue Augen und fragte sich, wie genau er sich aus dieser Situation befreien sollte, ohne seine Identität preiszugeben.

    „Nicht", flüsterte er erneut. Ihr Handgelenk war warm und zierlich, aber er konnte unter seinen Fingern spüren, dass die Frau dennoch recht kräftig war, und er selbst fühlte sich im Moment entsetzlich schwach.

    „Nun gut, sagte sie leise. „Wie lange sind Sie schon wach?

    Sie machte keinerlei Anstalten, ihr Handgelenk aus seinem Griff zu befreien.

    „Ich bin aufgewacht, als Sie mir meine Hose ausgezogen haben." Das war jedenfalls eine interessante Art gewesen, das Bewusstsein wiederzuerlangen.

    „Dann geht es Ihnen nicht so schlecht, wie wir dachten", sagte sie mit ihrer dunklen Stimme.

    Er gab einen undefinierbaren Laut von sich und drehte den Kopf, um sich im Zimmer umzusehen. Eine Welle der Übelkeit und des Schwindels ließen ihn beinahe erneut das Bewusstsein verlieren. „Wo bin ich?"

    Seine Worte glichen einem leisen, kaum hörbaren Krächzen. Er hoffte, wenn er weiterhin flüsterte, würde sie ihn vielleicht nicht erkennen.

    „In meinem Heim. Sie neigte den Kopf. „Ich werde Ihre Maske nicht anrühren, wenn Sie es nicht wollen.

    Er sah sie an, wägte ab. Er war nackt, in einem fremden Haus und verwundet. Seine Chancen standen nicht zum Besten.

    Elegant hob sie eine Braue. „Würden Sie mich bitte loslassen?"

    Er öffnete seine Hand. „Verzeihung."

    Sie rieb sich die Hand und blickte sittsam zu Boden. „Ich habe vorhin Ihr Leben gerettet, und jetzt sind Sie mir ausgeliefert. Sie ließ den Blick über seinen nackten Körper wandern. „Aber dennoch glaube ich nicht, dass Sie wirklich meine Verzeihung erbitten.

    Sie sah ihm in die Augen, intelligent, humorvoll und sehr verführerisch.

    Er konnte die Gefahr spüren.

    Winters Lippen zuckten. „Vielleicht bin ich nur ein ungehobelter Kerl."

    „Ungehobelt zweifellos. Sie schnippte mit dem Finger über das kleine bisschen Stoff, das seine Lenden bedeckte. Darunter regte sich etwas. „Aber auch undankbar? Traurig schüttelte sie den Kopf.

    Er zog die Brauen hoch. „Ich vertraue darauf, Madam, dass Sie mir meine Nacktheit nicht vorwerfen. Ich schwöre, ich bin so aufgewacht und weiß nicht, wen ich dafür verantwortlich machen soll, wenn nicht Sie."

    Ihre Augen weiteten sich ein klein wenig, und sie biss sich auf die Unterlippe, als wollte sie ein Lachen unterdrücken. „Ich versichere Ihnen, dass meine, äh, Neugier nur darauf beruhte, herauszufinden, wo Sie verletzt sind, Sir."

    „Dann ehrt mich Ihre Neugier." Winter fühlte sich, als wäre er gestürzt und kopfüber gelandet. Er hatte noch nie so freimütig mit Frauen gescherzt, und Lady Beckinhall hatte bei früheren Treffen – als er nur Mr. Makepeace, der Leiter des Heims für Waisen und Findelkinder war – sehr deutlich gemacht, dass sie ihn nicht besonders schätzte.

    Vielleicht lag es an der Maske und der Vertraulichkeit des ruhigen Zimmers.

    Oder vielleicht lag es an dem Schlag auf den Kopf, den er vorhin erhalten hatte. „Haben Sie gefunden, was Sie suchen?"

    Ihr üppiger roter Mund verzog sich zu einem geheimnisvollen wissenden Lächeln. „Oh ja, ich habe alles gefunden, was ich mir gewünscht habe."

    Er holte tief Luft. Sein Puls ging zu schnell, sein Kopf war zu leicht und sein bestes Stück benahm sich ungesittet, aber in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Zimmers. Sofort schloss Winter die Augen. Unwillkürlich wusste er, dass es das Beste war, zu verheimlichen, dass er wach und bei Bewusstsein war. Er konnte diesen Impuls nicht erklären, aber da diese Art von innerer Eingebung ihm schon unzählige Male das Leben gerettet hatte, machte er sich nicht länger die Mühe, dieses Phänomen zu hinterfragen.

    Vorsichtig lugte er unter seinen Wimpern hervor.

    Sein Blickfeld war begrenzt, aber mindestens zwei Frauen betraten den Raum.

    „Wer ist er?", fragte eine der Frauen – ihrer Art zu reden nach eine Dienstbotin.

    „Er hat sich nicht gerührt", erwiderte Lady Beckinhall.

    Sie erwähnte nicht, dass sie nur Sekunden zuvor mit ihm gesprochen hatte. Aber er hatte schon immer gewusst, dass Lady Beckinhall geistesgegenwärtig war.

    „Sollten wir ihm die Maske nicht abnehmen?", fragte eine andere, jüngere Stimme erwartungsvoll.

    „Hältst du das für klug?, entgegnete Lady Beckinhall. „Er könnte glauben, er müsse uns umbringen, wenn wir herausfinden, wer er ist.

    Winter hätte beinahe eine Braue gehoben, als er diese ungeheuerliche Bemerkung hörte. Die jüngere Dienstbotin schrie leise auf. Offensichtlich war ihr nicht aufgefallen, wie unglaublich ernst Lady Beckinhall klang – die Dame verbarg ihre Belustigung.

    Die erste Dienstbotin seufzte. „Ich werde rasch die Wunde nähen, und dann können wir es ihm gemütlich machen."

    In diesem Moment begriff Winter, dass die nächsten paar Minuten sehr unangenehm werden würden.

    Da ihm der gesamte Körper wehtat, hatte er bis zu diesem Augenblick den pulsierenden Schmerz in seinem rechten Schenkel nicht bemerkt. Offensichtlich war dies die Wunde, die Lady Beckinhall gefunden hatte.

    Also hielt er die Augen geschlossen und wartete. Er atmete langsam ein und aus und ließ seine Arme und Beine bleischwer auf dem Bett liegen.

    Es ist der Schreck, der es schwermacht, den Schmerz zu ertragen, hatte ihm sein Mentor vor langer Zeit erklärt. Erwarte ihn, heiße ihn willkommen, und der Schmerz wird nur eine weitere Empfindung, die man einfach beiseiteschieben kann.

    Er dachte an das Waisenhaus und was es an Vorbereitung benötigte, mit achtundzwanzig Kindern in ein neues Gebäude zu ziehen. Finger berührten seine Wunde und drückten die Ränder zusammen. Er verspürte einen starken Schmerz, als frisches, warmes Blut sein Bein entlanglief. Winter war sich des Schmerzes bewusst, aber er verdrängte ihn, ließ ihn durch sich hindurch und aus sich hinaus fließen, während er an jedes einzelne Kind im Waisenhaus dachte und wie er oder sie auf den Umzug reagieren würde.

    Die neuen Schlafsäle waren geräumig, und durch sorgfältig vergitterte Fenster fiel das Licht hell in die Räume. Er spürte das schmerzhafte Stechen der Nadel, als sie sein Fleisch durchbohrte. Die meisten der Kinder würden glücklich über ihr neues Zuhause sein. Joseph Tinbox, zum Beispiel, würde Spaß daran haben, die langen Gänge entlangzurennen, obwohl er bereits elf Jahre alt war. Das Ziehen und der Ruck, als der Faden durch seine Haut gezogen wurde. Aber auf ein Kind wie Henry Putnam, der erst vor Kurzem ins Heim gekommen war und sich gewiss gut daran erinnern konnte, wie es sich anfühlte, verlassen worden zu sein, könnte der Umzug verstörend wirken. Ein weiterer Stich der Nadel. Er musste besonders auf Henry Putnam und andere wie ihn aufpassen. Sein Bein brannte wie Feuer, als eine Flüssigkeit auf die Wunde gespritzt wurde. Nur Winters viele Übungsstunden hielten ihn davon ab, angesichts des brennenden Schmerzes zusammenzuzucken. Er atmete ein. Atmete aus. Ließ seine Gedanken wandern, als die Nadel erneut zustach …

    Einige Zeit später bemerkte Winter, dass das Stechen der Nadel aufgehört hatte. Er tauchte aus seinen gedankenverlorenen Grübeleien auf und spürte eine kühle Hand auf der Stirn. Ohne die Augen zu öffnen, wusste er, dass Lady Beckinhall ihn berührte.

    „Er fühlt sich nicht fiebrig an", murmelte Lady Beckinhall. Ihre Stimme war tief und kehlig für eine Frau. Winter meinte zu spüren, wie ihr Atem über seinen immer noch nackten Körper strich, aber das war Einbildung. Vielleicht war der Schlag auf den Kopf schlimmer gewesen, als er gedacht hatte.

    „Ich habe Wasser gebracht, um ihn zu waschen", erklärte die ältere Dienstbotin.

    „Danke, Mrs. Butterman, aber Sie haben für heute genug getan, antwortete Lady Beckinhall. „Ich werde mich selbst darum kümmern.

    „Aber Mylady", protestierte die jüngere Frau.

    „Wirklich, ihr beide wart eine große Hilfe, sagte Lady Beckinhall. „Bitte. Lasst das Wasser hier, und nehmt die restlichen Sachen mit.

    Es raschelte, etwas Metallisches fiel in eine Zinnschale und dann

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