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Gefallener Engel
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eBook322 Seiten4 Stunden

Gefallener Engel

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Über dieses E-Book

Nordstaaten, 1868: Für die dankbaren Frauen, denen die junge Hebamme Sarah in ihrer schwersten Stunde beisteht, ist sie ein Engel. Nur Donovan Cole weiß es besser: Im Bürgerkrieg war Sarah eine Spionin! Donovan müsste sie hassen. Stattdessen brennt er vor Begehren nach dem schönen Engel mit den zwei Gesichtern...

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum1. Juli 2015
ISBN9783733765033
Gefallener Engel
Autor

Elizabeth Lane

Immer auf der Suche nach neuen Abenteuern und guten Stories, hat Elizabeth Lane schon die ganze Welt bereist: Sie war in Mexiko, Guatemala, Panama, China, Nepal und auch in Deutschland, aber am wohlsten fühlt sie sich im heimatlichen Utah, im Westen der USA. Zurzeit lebt sie mit ihrer 18jährigen Katze namens Powder Puff in einem Vorort von Salt Lake City. Seit 1984 erzieht Elizabeth ihre drei Kinder allein. Eine Tochter ist 1985 bei einem Unfall ums Leben gekommen, doch in Elizabeths Herzen wird sie für immer weiter leben. Ihre beiden anderen Kinder sind mittlerweile erwachsen und haben selbst Kinder. Elizabeth liebt ihre Enkel über alles. Sie sagt von sich selbst, dass sie neuen Herausforderungen nur schwer widerstehen kann. So kam es, dass sie Wale vor der kalifornischen Küste beobachtete, im Himalaja gewandert ist, auf einem Raft durch den Grand Canyon trieb und sogar Flugunterricht genommen hat. Ihre Hobbys sind fotografieren, Bauchtanz, Tiere, indianische Kunst und praktisch jede Art von Musik. Seit 1983 entwickelt sie Lern-Software-Programme. Aber am liebsten schreibt sie lebendige Geschichten voller Leidenschaft, die die Leserin von der ersten Seite an fesseln. Ihre Liebesromane sind in mehr als zehn Sprachen übersetzt und werden in vielen Ländern der Welt mit Begeisterung gelesen. Elizabeths erstes Werk, ein historischer Roman über die spanischen Eroberer in Mexiko, wurde 1980 veröffentlicht. Einige weitere folgten, u.a. zwei Romane, die in China spielten. Doch es dauerte noch einige Jahre, bis Elizabeth für sich das Schreiben von Romances entdeckte. Ihr erster historischer Liebesroman wurde 1989 im Verlag Harlequin veröffentlicht. Neben weiteren historischen hat sie seitdem auch einige zeitgenössische Romances verfasst. „Alles hat eine Geschichte“, antwortet Elizabeth, wenn sie gefragt wird, woher sie ihre Ideen nimmt. „Die Frau neben einem in der U-Bahn, der Fremde vor einem an Kasse – man muss nur seine Vorstellungskraft benutzen, beobachten und den Menschen zuhören, und schon hat man mehr Einfälle, als man jemals verwerten kann.“

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    Buchvorschau

    Gefallener Engel - Elizabeth Lane

    IMPRESSUM

    Gefallener Engel erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © by Elizabeth Lane

    Originaltitel: „Lydia"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL

    Band 97 - 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

    Abbildungen: Harlequin Books S.A.

    Veröffentlicht im ePub Format in 04/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733765033

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY, CORA CLASSICS

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    Miner’s Gulch, Colorado, 19. März 1868

    Donovan Cole fühlte sich hilflos wie nie zuvor. Nicht, dass er der Typ war, der sich unterkriegen ließ. Er hatte im Sezessionskrieg den Angriff der Yankees bei Bull Run und Antietam miterlebt und in deren elendem Gefängnis in Camp Douglas mit Fieber darniedergelegen und den Totengräber spielen müssen. Und als Sheriff von Kiowa County in Kansas hatte er mit nichts als einem hasenfüßigen jungen Hilfssheriff als Beistand die Brüder Slater eingebuchtet – eine gefährliche, mörderische Bande.

    Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was jetzt von ihm erwartet wurde. Er sollte doch tatsächlich den Geburtshelfer spielen! Er durchquerte die unaufgeräumte Hütte und hob den Vorhang, hinter dem das breite Bett seiner Schwester stand. „Alles in Ordnung, Varina?" So gut es ging, versuchte er, seine Nervosität zu verbergen.

    „Es geht, flüsterte sie gequält inmitten des zerwühlten Bettzeugs. „Bald ist es geschafft. Wenn Annie nicht bald mit der Hebamme zurückkehrt …

    Varina stöhnte, weil die nächste Wehe einsetzte. Donovan fasste nach ihren Händen und drückte sie. Schmerzhaft gruben sich ihre Nägel in seine Handflächen. Am liebsten hätte sie wohl geschrien, aber ihre jüngeren Kinder, die sechsjährige Katy und der vierjährige Samuel, hockten aneinandergedrängt auf dem Absatz vor der Feuerstelle. Ihre Mutter leiden zu hören würde sie noch mehr verstören.

    Donovan hatte die achtjährige Annie eilig zur Hebamme geschickt, als die Wehen verstärkt einsetzten. Das war vor mehr als zwei Stunden gewesen. In der Zwischenzeit war einer der typischen Frühlings-Schneestürme losgebrochen. Zwischen den dicken Flocken, die herumwirbelten, konnte sich Annie durchaus verlaufen haben. Aber wegen Varina traute er sich nicht, nach ihr zu suchen. Er konnte nur hoffen, dass dem tapferen Mädchen nichts passiert war.

    Leise fluchte er vor sich hin, während er Varinas Hände streichelte. Er verfluchte den Schnee, die vorzeitig einsetzende Geburt und den Goldschürfer Charlie Sutton, Varinas Mann, der sich in dieses elende Nest hatte locken lassen. Er verfluchte außerdem den Mineneinbruch, der die hochschwangere Varina vor fünf Wochen zur Witwe mit drei kleinen Kindern und weiterem Nachwuchs unterwegs gemacht hatte.

    Donovan hatte von dem Unglück durch ihren Brief erfahren und seinen Job als Sheriff hingeworfen, um seine Schwester und ihre Kinder nach Kansas zurückzuholen. Vor Ort hatte er erst begriffen, unter welch ärmlichen Bedingungen sie lebte und dass sie zurzeit nicht reisefähig war.

    Der Anblick des einsam gelegenen Schuppens, der nur einen Raum enthielt, hatte ihn geschockt. Vor zehn Jahren war Varina eine kleine Schönheit gewesen, mit ihren blitzenden haselnussbraunen Augen und dem flammendroten Haar. Sie hatte auf der Plantage der Eltern keine Not gekannt, war von den Sklaven verhätschelt und wohlhabenden Verehrern hofiert worden. Es brach ihm fast das Herz, sie nun in all dem Elend zu sehen. Hätte der verfluchte Charlie noch gelebt, hätte er ihm die größte Tracht Prügel seines Lebens verabreicht.

    Die Wehe war vorüber. Varina lag mit bleichen Wangen kraftlos auf dem schweißnassen Kissen. Donovan traute sich, sie einen Moment allein zu lassen, und trat einen Moment vor die morsche Haustür. Er überlegte, wie es nun weitergehen sollte.

    Schnee umwirbelte ihn und verschleierte die Sicht auf die Espen, die in der Nähe der Hütte standen. Selbst wenn er sich anstrengte, konnte er bei dem eisigen Wetter nur einen Steinwurf weit sehen. Ob sich Annie eventuell verlaufen hatte? Wenn sie in einen Abgrund gestürzt oder von einem hungrigen Puma gerissen worden war?

    Angst überkam ihn, und er begann, sie zu rufen. „Annie! Annie!"

    Keine Antwort. Donovan schalt sich. Nur keine Panik. Annie war in Miner’s Gulch aufgewachsen. Sie kannte hier jeden Stein und würde den Weg schon finden. Eher gab es wohl Probleme mit der Hebamme. Vielleicht fand sie deren Wohnung nicht oder musste auf sie warten, weil sie noch woanders zu tun hatte.

    Donovan hatte diese Frau bei ihrem letzten Besuch bei Varina kurz kennengelernt und war nicht sonderlich beeindruckt gewesen. Mit ihrer randlosen Brille und dem straff zurückgekämmten Haar wirkte sie ziemlich altjüngferlich. Dazu der knarrige, brüchige Slang der Yankees – ungewöhnlich für diesen Ort, in dem fast jeder aus dem Süden stammte. Als sie ihn begrüßte, hatte sie weggeschaut und jeden Blickkontakt vermieden, sodass er sich kaum einen Eindruck hatte machen können.

    Trotzdem war sie ihm irgendwie bekannt vorgekommen. Aber er konnte sich nicht erinnern, wo er sie schon mal hätte getroffen haben können. So eine eigenartige Yankeefrau wäre ihm bestimmt im Gedächtnis geblieben.

    Wie hatten die Kinder sie genannt? Miss Sarah. Wenn sie nicht gerade Babys zur Welt brachte, betrieb sie eine kleine Schule in angemieteten Räumen über dem Kaufladen des Ortes. Den Typ Frau kannte er! Die zitierten Bibelverse, sangen Choräle, taten unablässig Gutes – und trugen zwecks Abschreckung kratzige Unterwäsche …

    Donovan starrte in das Schneegestöber. Wenn diese Miss Sarah nicht demnächst käme, würde er selbst die Hebamme spielen müssen. Kein Problem, wenn alles gut verlief. Aber was, wenn es Komplikationen gab?

    Licht fiel aus der Hütte auf den Vorplatz. Die kleine Katy riss ihn aus seinen Gedanken. „Onkel Donovan, Mama braucht dich! Du sollst gleich kommen."

    Das Baby. Donovan hastete zurück. Ihm wurde kalt vor Angst. Warum musste es ausgerechnet jetzt losgehen? Wenn er etwas falsch machte, würden Varina oder das kleine Neugeborene sterben …

    „Setz dich zu deinem Bruder, und kümmere dich um ihn, befahl er dem kleinen Mädchen, das mit weit aufgerissenen Augen dastand. „Und sag mir Bescheid, wenn jemand kommt. Er trat hinter den Vorhang, wo sich Varina in ihrem Bett vor Schmerzen krümmte. „Es ist so weit, keuchte sie. „Ich brauche Sarah!

    „Sarah ist noch nicht in Sicht. Du musst fürs Erste mit mir vorlieb nehmen. Donovan lehnte sich über sie und betete leise um Kraft. „Sag mir, was ich zu tun habe, Varina.

    „In dem Korb liegt obenauf ein Bündel. Hol das …"

    Fahrig schob Donovan allerlei Krimskrams vom Korbdeckel herunter und hob ihn empor. Tatsächlich lag dort das Bündel. Er entrollte es mit zitternden Händen am Fußende des Bettes und fand drin fadenscheinigen Stoff, der vom vielen Waschen hart war, eine Schnur, ein scharfes Küchenmesser und eine flache braune Flasche mit einem halben Liter billigen Whisky. Wofür man Wäsche, Messer und Bindfaden brauchte, konnte er sich vorstellen. Doch wozu diente wohl der Whisky? Sollte er sich damit waschen, ihn seiner Schwester aufzwingen oder selbst einen tüchtigen Schluck nehmen?

    „Beeil dich", Varina umklammerte die Patchworkdecke. Woher nahm sie die Kraft, nicht zu schreien? Donovan staunte drüber, während er das saubere Leinenzeug unter ihr ausbreitete. Am liebsten hätte er die beiden kleinen Kinder hinausgeschickt … doch bei diesem verdammten Schneesturm?

    „Donovan! Varina griff nach seinem Arm und bohrte ihm die Finger ins Fleisch. „Es kommt.

    Ihm brach der Schweiß aus. Bald ist es geschafft, ermunterte er sich. In wenigen Minuten hält Varina ihr Kleines im Arm, und ich freue mich mit ihr, und alle Furcht ist vergessen.

    Mit klopfendem Herzen streichelte er ihre Hand. „Halte durch. Seine Stimme klang wie ein Krächzen. „Und press, was das Zeug hält!

    Varina presste seine Hand. Er spürte ihre Anspannung und wie sie sich bemühte, die Geburt voranzutreiben. Im gelben Lichtschein der Lampe sah er ihr verzerrtes Gesicht und die Adern, die am Hals hervortraten.

    „Recht so! Donovan drängte sie, als müsse er ein Pferd antreiben. „Weiter so. Du schaffst es.

    „Nein. Varina sank mit einem tiefen Seufzer aufs Kissen zurück. „Es geht nicht, wimmerte sie leise. „Etwas ist nicht in Ordnung."

    „Was denn?"

    „Ich weiß nicht. Keins meiner Kinder machte bisher solche Probleme." Schon krümmte sie sich unter der nächsten Wehe, tapfer bemüht, ihrem Baby ans Licht der Welt zu verhelfen.

    Krank vor Angst strich Donovan über ihre Hände. Manche Frauen starben bei der Entbindung. Wenn er ihr nicht irgendwie half, und zwar schnell, würde er sie und das Baby eventuell verlieren. Doch wie? Er hatte überhaupt keine Erfahrung mit diesen Dingen, sich auch auf der Plantage nie um die Geburt der Tiere gekümmert. Das hatte in den Händen eines alten Sklaven namens Abner gelegen. Was würde er jetzt darum geben, ihn oder seine ruhige Frau Vashti hier zu haben, die sich um die Sklavenfrauen gekümmert hatte.

    Verdammt! Wo blieb die Hebamme? Donovan beugte sich über seine Schwester und strich ihr das feuchte Haar aus der zerfurchten Stirn. Dabei musste er daran denken, wie nahe sie sich in den Kinderjahren gestanden hatten – er, Varina und ihr jüngerer Bruder Virgil. Virgil war in Antietam in Donovans Armen gestorben. Bei den Heiligen, er wollte Varina nicht auch noch verlieren!

    „Was soll ich tun?" Der Hals wurde ihm so eng, dass er kaum sprechen konnte.

    „Such nach dem Kopf. Sie konnte vor Schwäche kaum noch reden. „Wenn du ihn nicht ertasten kannst, liegt das Kind falsch. Dann musst du es drehen.

    „Okay. Lieg ruhig." Donovan drehte sich der Magen um, wenn er nur an das dachte, was ihm und Varina bevorstand. Er würde ihr dabei entsetzliche Schmerzen zufügen und das Leben des Ungeborenen riskieren. Trotzdem gab er sich einen Ruck und fasste nach dem Saum ihres Nachthemdes. Aber mit seinen zitternden Händen konnte er ihn nicht fassen.

    „Donovan?" Mit geballten Händen wartete sie. Aber er stand nur starr vor Angst da, unfähig, sich zu rühren.

    Voller Selbstverachtung drehte er sich fort von der Bettkante. „Gleich bin ich wieder da, grummelte er. „Bleib ganz ruhig und press nicht. Er stieß den Vorhang beiseite und durchschritt die Hütte, riss die Tür auf und taumelte ins Freie. Sein Brustkorb hob und senkte sich tief, als er die frische Luft einatmete.

    Er musste zu Varina zurückgehen und ihr und dem Kind helfen. Sonst würden die beiden sterben. Aber er fürchtete sich so sehr davor …

    Schneeflocken umwirbelten ihn, sie blinkten weiß in der Dunkelheit. Unablässig fielen sie vom Himmel hernieder, zu dem Donovan hilflos emporblickte. „O Herr!, murmelte er. „Ich habe mich in all den Jahren bemüht, dir möglichst wenig Ärger zu machen. Jetzt brauche ich deine Hilfe. Den Job schaffe ich nicht allein. Er hielt inne, räusperte sich und zwang sich weiterzubeten.

    „Schließlich bitte ich nicht für mich. Ich verdiene keine besondere Gunst. Aber Varina. Sie hat sich in ihrem ganzen Leben nichts zuschulden kommen lassen. Außerdem hat sie drei vaterlose Kinder zu versorgen, nun, vier, wenn man das Baby mitzählt …"

    Frustriert hielt er inne. Das wusste Gott selbst. Im Übrigen sollte er lieber bei Varina sein und sich nicht feige vor seiner Aufgabe drücken.

    Er warf einen letzten verzweifelten Blick hinauf zum Himmel, von dem unablässig Schneeflocken herabfielen. „Bitte!", murmelte er. In dem Moment war Hufgetrappel auf dem Pfad zu hören. Das Geräusch kam immer näher. Donovan starrte angestrengt ins Schneegestöber und machte auf einmal einen braunen Maulesel aus, erst zwischen den Espen, dann auf der freien Fläche vor der Hütte.

    Zwei Gestalten, eine davon ziemlich klein, konnte er auf dem Rücken des Tieres ausmachen. Als es innehielt, sprang Annie herab und stürzte zur Hütte. „Onkel Donovan, rief sie. „Geht es Mama gut? Da bringe ich Miss Sarah. Wie geht es Mama?

    „Alles in Ordnung, log er. „Kümmere dich um deine Geschwister. Ich versorge den Maulesel.

    Er verließ den Vorplatz und ging zu Miss Parker, die gerade abstieg, wobei sie unter dem dunklen Wollmantel eine Leinentasche barg. Vor Erleichterung bekam Donovan weiche Knie. Am liebsten hätte er der altjüngferlichen Miss im Moment die Brille abgenommen und sie auf den Mund geküsst.

    „Das wurde Zeit!" Mehr brachte er nicht heraus.

    „Tut mir leid. Gerade habe ich Minnie Hawkins entbunden. Früher konnte ich nicht kommen. Wie geht’s Varina?"

    „Schlecht. Das Baby liegt falsch. Hoffentlich kommen Sie nicht schon zu spät."

    Resolut setzte sich Miss Sarah in Bewegung. Der Schnee knirschte unter ihren Tritten. Auf der wackligen Stufe vor der Tür drehte sie sich noch einmal um, der schlichte dunkle Rock schwang dabei um ihre Beine.

    „Bringen Sie Nebukadnezar bitte in den Stall, und geben Sie ihm etwas Hafer!, ordnete sie forsch an. „Dann reinigen Sie sich bitte, und kommen Sie zu mir. Sicher kann ich Ihre Hilfe gebrauchen.

    Sie betrat die Hütte. Während er den Maulesel zum Unterstand führte, hörte er, wie sie Annie anwies, ihre Geschwister zu Ike Ordway, dem nächsten Nachbarn, zu bringen. Und als er das Tier versorgt hatte, trotteten die drei schon hinter ihm in den armseligen kleinen Mäntelchen vorbei, die Varina aus alten Wolldecken genäht hatte.

    Donovan schöpfte Wasser aus dem Kübel neben der Tür der Hütte und benutzte Seifenlauge, um sich die Hände gründlich abzuschrubben. Alles wird gutgehen, sagte er sich. Jetzt ist ja die Hebamme da. Die weiß schon, was zu tun ist.

    Trotzdem wäre ihm noch wohler gewesen, wenn die Hebamme eine gestandene Vierzigjährige gewesen wäre mit eigenen Kindern. Während er sich die Hände trocknete, betrat er die Hütte. Sarah Parker stand gerade vor dem Ofen und krempelte sich die Ärmel ihres grauen Kleides hoch. Komisch, von hinten wirkte sie irgendwie attraktiv. Das Lampenlicht ließ ihr am Nacken zum Knoten verschlungenes Haar weich glänzen. Die derbe Kleidung verhüllte eine anmutige Figur mit schmaler Taille und wohlgeformten Hüften.

    Donovan starrte sie an. Wieder war es ihm, als ob sie ihn an etwas erinnerte. Was war es nur?

    Varina stöhnte entsetzlich, das brachte ihn auf andere Gedanken. Sarah drehte sich zu ihm um und verzog das Gesicht zu einem angestrengten Lächeln. „Ich habe sie gerade untersucht. Das Kind liegt tatsächlich verquer."

    Donovan versuchte, seine Angst zu verbergen. „Dann werden Sie das Baby wohl zu drehen versuchen. Schaffen Sie das denn?"

    „Ich hoffe es." Ihre Brille verbarg nicht, dass ihr Blick Besorgnis ausdrückte. Mit zitternden Fingern machte sie sich am linken Ärmel ihres Kleides zu schaffen. Obwohl sie Hebamme war, stellte sie nicht gerade eine seelische Stütze für ihn dar.

    „Haben Sie so was denn schon mal gemacht?", wollte er misstrauisch wissen.

    „Zum Glück war das bisher nicht nötig. Sie drehte ihm wieder den Rücken zu. „Dies ist erst mein siebzehntes Baby. Aber ich habe alles darüber gelesen.

    „Gelesen? Das darf nicht wahr sein!"

    „Wollen Sie es selbst machen?", fragte sie mit schneidend kalter Stimme.

    Donovan gab sich seufzend geschlagen. „Nun denn. Wie kann ich helfen?"

    „Kommen Sie mit." Ihre Unterröcke raschelten, als sie den Vorhang hob, hinter dem Varina verweint und verstört auf den zerwühlten Laken ihres Bettes lag. Bei ihrem Anblick tat Donovan das Herz weh. Er kniete sich vor die Bettkante und griff nach ihrer Hand.

    Sarah hatte ihrer Leinentasche eine Dose mit einer Salbe entnommen und rieb sich damit die Hände ein. „Wann kam die letzte Wehe?"

    „Vor drei bis vier Minuten." Die Stimme seiner Schwester klang so schwach, dass er sie kaum hören konnte.

    „Wenn die nächste einsetzt, versuchen wir das Kind zu drehen. Sarah zögerte und fügte dann hinzu. „Ich werde vorsichtig sein, aber es wird wehtun.

    „Das weiß ich, flüsterte Varina. „Tu, was nötig ist … und, wenn du zwischen meinem und dem Leben des Kindes wählen musst, lass das Baby leben.

    „Kein Wort mehr! Sarah beugte sich vor, um Varinas Hand zu streicheln, und Donovan entdeckte Tränen in ihren Augen. „Du wirst leben – und dein Kind!

    Varina antwortete nicht. Gerade kam die nächste Wehe, und Donovan hätte am liebsten mit ihr geschrien.

    „Los geht’s. Sarah bedachte ihn mit einem strengen Blick. „Wenn ihr Schmerz nachlässt, müssen Sie sie festhalten, so gut Sie können.

    Donovan konnte nur nicken. Seine Stimme versagte. Er spürte, dass seine Schwester fast am Ende ihrer Kräfte war. Als die Wehe nachließ, entspannte sie sich. Gleichzeitig konzentrierte sich Sarah wie eine Raubkatze vor dem Sprung auf den Moment, wo sie zupacken wollte.

    „Jetzt!", rief sie, und er umklammerte Varina, so gut er konnte. Während Sarah das Baby zu fassen versuchte, betete er im Stillen, alles möge gut enden. Die Zeit schien still zu stehen, während Varina keuchte und sich darum bemühte, nicht jetzt schon vor Schmerz zu schreien.

    „Okay, Varina. Sarah hörte sich angestrengt an. „Jetzt ist es so weit. Ich zähle bis drei, und dann schreist du, so laut du kannst.

    „Was ist mit den Kindern?", fragte Varina schwach.

    „Die habe ich zu Mr. Ordway geschickt."

    Donovan registrierte, wie das flackernde Licht Sarahs Schatten an der Wand tanzen ließ, während sie zu zählen begann. „Eins, zwei, drei …"

    Varina begann zu schreien, so gut sie es trotz ihrer Hinfälligkeit noch konnte. Für Donovan lag in dem Schrei ihre ganze Verzweiflung über den frühen Tod des Mannes und des kleinen Bruders Virgil, ihre verlorene glückliche Jungmädchenzeit und das Elend, das mit dem Ausbruch des Krieges über ihr Leben gekommen war.

    Donovan wurden die Augen feucht bei diesem Gedanken. Wenn seine Schwester überlebte, würde er dafür sorgen, dass sie wieder glücklich wurde. Das schwor er sich. Er wollte das wiedergutmachen, was der Windhund Charlie ihr angetan hatte.

    „Geschafft! Sarah seufzte vor Erleichterung. „Das Kind liegt jetzt richtig. Varina, bei der nächsten Wehe gib dein Bestes!

    Kaum war das gesagt, setzte sie ein. Donovan veränderte die Position und umfasste Varinas Schultern, während sie sich krümmte.

    „Press jetzt, press."

    Donovan beobachtete, wie die Hebamme Varina Mut machte und die sich keuchend anstrengte. Die beiden Frauen kämpften jetzt gemeinsam um das Leben des Kindes. Immer wieder forderte Sarah: „Press jetzt. So ist es richtig. Immer weiter!"

    Varina sackte erschöpft in seinem Arm zusammen, als das Kind zur Welt kam. Er hörte etwas wie einen sanften Klaps, dann – es war wie ein Wunder – ein dünnes, einem Miauen ähnliches Schreien.

    „Oh! Sarah hatte vor Ehrfurcht eine ganz spröde Stimme. „Varina, du hast einen wunderschönen Sohn zur Welt gebracht.

    Varina seufzte gerührt.

    Donovan wurden die Augen feucht. „Du hast einen Sohn. Hör nur, wie er schreit."

    Varina lag vor Erschöpfung ganz still. Dann flüsterte sie: „Gib ihn mir, Sarah. Ich will ihn sehen."

    „Gleich. Vorher muss ich ihn abnabeln und in eine Decke wickeln." Sie fuchtelte mit dem Messer herum, und wenig später stand sie mit dem kleinen Bündel im Arm da.

    „Hier hast du deinen neuen kleinen Sohn." Sarahs Wangen glühten, als sie sich über das Bett beugte. Die Brille war heruntergefallen, sie baumelte an einem Band vor ihrer Brust. Jetzt konnte er ihre glänzenden grauen Augen mit den langen Wimpern besser erkennen. Aus dem Knoten hatten sich Haarsträhnen gelöst, sie kringelten sich um ihr verschwitztes Gesicht. Sie lächelte, und ihr Mund wirkte auf ihn einladend wie eine reife, süße Frucht.

    Wieder stellte sich bei Donovan so etwas wie ein vertrautes Gefühl ein. Das irritierte ihn immer mehr. Was, zum Teufel, hatte das zu bedeuten? Er hätte auf die Bibel geschworen, diese Sarah Parker hier in Miner’s Gulch kennengelernt zu haben, trotzdem …

    „Gib mir meinen Jungen. Varina nahm das eingemummelte Baby, von dem nur das winzige Gesichtchen zu sehen war, in die Arme. „Ich weiß schon, wie er heißen soll: Charles Donovan – nach dem Vater und dem Onkel.

    „Wie schön, Varina." Donovan drückte sie kurz. Dass sein Name und der des alten Esels Charles in einem Atemzug genannt werden sollten, gefiel ihm zwar nicht, aber wenn seine Schwester es so wollte …

    „Jetzt brauchen wir Sie nicht mehr, Mr. Cole. Sarah hatte sich die Brille wieder aufgesetzt und die vorwitzigen Locken hinter die Ohren gesteckt. „Wenn Sie uns freundlicherweise allein lassen. Ich möchte Varina waschen und herrichten.

    „Sie finden mich draußen auf dem Vorhof." Er trat hinter den Vorhang, damit Yankee-Sarah, wie er sie im Stillen betitelte, ihren Pflichten nachgehen konnte. Mit vier großen Schritten hatte er die Hütte durchquert, in der es inzwischen mächtig heiß war, und trat nun auf den verschneiten Platz vor der Tür. Er schloss sie hinter sich und ließ sich erschöpft gegen den Rahmen sinken. Dann begann er, sich den verspannten Nacken zu massieren.

    Es war geschafft. Das Baby war da und Varina am Leben. Dafür schuldete er der kühlen Miss Sarah Parker Dank, wer auch immer sie war. Wenn sie nicht rechtzeitig gekommen wäre …

    Er verdrängte den Gedanken, während er das Schneegestöber betrachtete. Immerhin war sie zur Stelle gewesen und hatte das getan, wozu er zu feige gewesen war. Aus einem Buch hatte sie ihre Kenntnisse! Großer Gott, die Frau musste Nerven aus Stahl haben.

    Langsam schlenderte er den Pfad entlang, der von der Hütte wegführte. Während der Schnee auf ihn niederfiel, ging ihm nicht aus dem Sinn, wie sie sich ohne Brille und verschwitzt über Varina gebeugt hatte. Irgendeine Erinnerung verfolgte ihn …

    Unmerklich trat eine ganz andere Szene in sein Bewusstsein. Er sah die Lüster eines festlichen Ballsaales, hörte die Klänge einer heiteren Tanzmusik, dachte an graue Uniformen mit goldenen Schulterstücken, das Rascheln eines malvenfarbenen Kleides, eine Hand im Spitzenhandschuh auf Virgils Schulter … und dann das Gesicht der Frau, mit der er tanzte, ein schönes, fröhliches, sensibles – es war ihm gelungen, es fast zu vergessen.

    Hinter sich hörte er Sarah die Hütte verlassen. „Ich gehe jetzt, sagte sie sanft. „Varina und das Baby ruhen. Auf dem Herd steht Fleischbrühe. Sie zögerte, als Donovan sich umdrehte und auf sie zutrat. Dann gab sie sich einen Ruck. Nervös setzte sie hinzu: „Ich komme bei der Hütte von Mr. Ordway vorbei und schicke die Kinder nach Hause. Das schaffen sie. Es ist nicht weit, und Annie kennt den Weg. Passen Sie auf, dass sie ihre Mutter nicht zu sehr strapazieren. Varina braucht viel Ruhe."

    Er hatte sich dicht vor ihr aufgebaut. Mit Schnee auf den Brillengläsern und halb geöffneten Lippen blickte sie ihn angestrengt an. „Ich muss gehen. Das Wetter wird immer schlechter."

    „Moment." Donovan fasste nach ihrem Ellbogen. Eigentlich hatte er ihr danken wollen, aber jetzt stand er wie angewurzelt da und konnte den Blick nicht von ihr wenden.

    Die Ähnlichkeit ist nur zufällig, sagte er sich. Aber wieso erinnert mich ausgerechnet eine prüde alte Yankee-Jungfer an sie? Das ist unheimlich. Verwirrt quälte er sich mit bittersüßen Gedanken. Vergiss es!, riet ihm die Vernunft. Lass sie gehen, und mach keinen Narren aus dir. Aber das war leichter gesagt als getan. Lange unterdrückte Gefühle forderten ihr Recht.

    Verwirrt räusperte sie sich. „Machen Sie sich wegen des Babys keine Sorgen. Annie kennt sich gut aus." Sie keuchte, als ihr Donovan die Brille von der Nase nahm und sie auf ihre Brust fallen ließ, und drehte sich schnell zur Seite, damit er ihr nicht mehr ins Gesicht sehen konnte. Was war nur los mit ihr? Warum sollte er sie nicht ansehen? Wusste sie nicht, wie hübsch sie sein könnte – ohne diese Altweiberbrille und die strenge Frisur? Jemand sollte es ihr sagen, überlegte er, es ihr zeigen!

    Er wusste selbst nicht, welcher Teufel ihn ritt. Aber spontan umfasste er ihren Arm fester und zwang sie stehenzubleiben. „Sieh mich an, Sarah. Seine Stimme krächzte. „Lass mich die wahre Sarah sehen.

    „Lassen Sie mich gehen." Sie war offensichtlich in

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