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Vampirmächte: verflucht
Vampirmächte: verflucht
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eBook379 Seiten4 Stunden

Vampirmächte: verflucht

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Über dieses E-Book

Nach der aufreibenden Zeit ihrer Verwandlung ist Lilly endlich im beschaulichen Dallington Forest angekommen. Sie hofft, von nun an eine ruhige Zukunft mit ihrer Liebe Memphis und ihrem besten Freund Denniz zu haben. Die Rechnung haben sie jedoch ohne den Hexer Raphael gemacht. Er sinnt noch immer auf Rache und sieht nun seine Chance als gekommen. Er will mehr Macht für seinen Zirkel und endlich Vergeltung an Memphis üben. Lillys Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. Ist Memphis wirklich der, der er vorgibt zu sein? Kann Raphael schaffen, was er vorhat und die drei Freunde trennen? Ist die Liebe und die Freundschaft zwischen den drei Elementarvampiren stark genug, um gegen Raphael zu bestehen?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum3. Nov. 2019
ISBN9783750249196
Vampirmächte: verflucht
Autor

Stefanie Worbs

Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Mitteldeutschland und ich lebe noch immer dort. Schon als Teenager schrieb ich Gedichte und kurze Texte. Diese wurden zu Kurzgeschichten und schlussendlich zu Büchern. Wer träumt nicht von einer Welt, in der man die eigenen Probleme beiseite schieben kann?

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    Buchvorschau

    Vampirmächte - Stefanie Worbs

    Stefanie Worbs

    Vampirmächte

    Band 2

    Vampirmächte

    verflucht

    Prolog

    Quentin

    „Verfluchter Mist! Wieso geht das nicht?" Das Glas flog geradewegs gegen die Wand. Jedoch nicht, weil der Zauber funktioniert hatte. Quentin hatte es geworfen. Es zerbrach in tausend Stücke und Splitter flogen ihm entgegen. Er machte sich nicht die Mühe, sich zu schützen. Das taten seine Zauber für ihn. Wenigstens das konnte er.

    Miriam spähte um die Ecke. Ein gehässiges Grinsen lag in ihren Zügen. „Was machst du, Quent? Du sollst doch nicht mit scharfen Sachen spielen." Sie trat auf ihn zu, unter ihren Schuhen knirschte das Glas.

    „Lass mich in Ruhe!" Er war nicht in der Stimmung für ihre Spitzen.

    „Versuchst du dich wieder an Dingen, für die du noch zu klein bist?"

    „Sei still!"

    „Oh Quentin. Armer, kleiner Quentin. Bist du traurig, weil du nichts kannst?"

    „Ich kann mehr als du! Ohne mich wären wir schon lange aufgeflogen! Und jetzt verschwinde, Miriam! Ich habe keinen Bock auf dich."

    „Ich will aber nicht gehen. Los, zeig mir, an was du übst."

    Quentin warf ihr einen verächtlichen Blick zu. Miriam mochte er am wenigsten vom ganzen Zirkel. Sie war länger dabei als er und bildete sich deshalb ein, was Besseres zu sein. Raphael lobte sie allerdings auch ständig für ihre Spielchen. Sie fühlte sich als was Besonderes, auch deshalb, weil sie der einzige Wasserelementarier war, den Raphael bis jetzt gefunden hatte. Er suchte zwar noch nicht lange so intensiv wie heute, doch Wasser war eines der schwer aufzufindenden Elemente bei Vampiren. Quentin hatte bis zu seinem Eintritt in den Zirkel nicht mal gewusst, dass es Vampire gab, die zaubern konnten.

    Bis vor ein paar Jahren hatte er Einiges noch nicht gewusst. Nicht mal, dass er ein Hexer war. Vor drei Jahren war er dann aber auf Nala getroffen. Sie hatte ihm erzählt, dass sie Dinge tun konnte und dass sie ihn so gefunden hatte. Sie hatte ihm gezeigt, was das für Dinge waren und ihm erklärt, dass er das auch konnte. Er, Quentin, der dürre Junge, der er damals gewesen war, über den sich immer alle lustig gemacht hatten. Es war nicht so, dass er unbeliebt gewesen war. Es hatte durchaus Leute gegeben, die ihn gemocht hatten. Aber er hatte sie nicht gemocht. Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen und würde es auch bleiben.

    Nicht mal hier im Zirkel pflegte er großen Kontakt zu den anderen. Er zog es vor, allein zu sein. Vielleicht waren auch deshalb Schutzzauber seine Spezialität. Sein Können was das anging, hatte Raphael beeindruckt und ihn dazu bewogen, Quentin in den Zirkel aufzunehmen. Quent hatte ablehnen wollen, doch Nala hatte ihn überredet.

    Ihm schlägt man nichts ab, waren ihre Worte gewesen. Außerdem bin ich auch dabei. Komm schon, das wird lustig. Also hatte er zugesagt. Von da an war Quentin derjenige gewesen, der für den Schutz sorgte. Jeder hatte seine Aufgabe im Zirkel, bis auf Miriam, wie es schien. Sie war einfach nur da und nervig.

    „Quent? Los! Mach was!", forderte sie erneut und klang gereizt dabei.

    „Hau ab! Ich habe keinen Bock auf dich!", wiederholte er genervt.

    „Langweiler, murrte die Vampirin und rutschte von dem Tisch, auf den sie sich gesetzt hatte. „Mit dir kann man echt nichts anfangen.

    Er warf ihr einen verschwinde endlich - Blick zu und sie stapfte durch die Scherben davon.

    In der Tür blieb sie noch mal stehen. „Dina sagt, du sollst zur Versammlung kommen. Jetzt." Dann verschwand sie endlich.

    „Schon wieder? Ich bin gespannt, ob wir diesmal mehr Infos bekommen", murmelte Quentin leise zu sich selbst. Er hob eine Hand und ließ sie durch die Luft fahren. Nichts geschah.

    Er seufzte in dem Moment, in dem Nala an der Tür vorbeikam. „Quent, kommst du?" Sie folgte seinem Blick und sah die Scherben. Dann hob sie die Hand in der gleichen Geste wie er und alle Splitter flogen auf einen kleinen Haufen. Er warf ihr einen entnervten Blick zu.

    „Du schaffst das schon noch. Komm los, sie warten alle."

    Quentin folgte ihr schweigend. Es war einfach nur noch frustrierend. Wieso bekam er solche Zauber nicht auf die Reihe?

    Im Saal herrschte Stimmengewirr, als die beiden eintraten. Sie setzten sich auf ihre Plätze und während Nala sofort in ein Gespräch mit Marco vertieft war, blieb Quentin weiter stumm. Sein Blick glitt der Reihe nach an der Tafel entlang. Neben ihm saß wie immer Nala und neben ihr Marco.

    Am Kopfende war Raphaels Platz, doch der Älteste war noch nicht da. Auf der anderen Seite, quasi zu Raphaels Linken, saß Dina. Sie schwieg, allerdings war sie auch in irgendwelche Notizen vertieft. Dann kam Vincent und dann Miriam. Sie saß wie immer genau gegenüber von Quent. Vor ihr stand das obligatorische Glas Wasser. Sie spielte ständig mit ihrer Macht. Das konnte einen verrückt machen. Gerade so als wolle sie, dass jeder sah, was sie konnte.

    Quentin war froh, dass die beiden anderen Elementarier nicht so versessen aufs Zaubern waren. Dina und Vincent, die beiden Windvampire, waren da sehr viel genügsamer. Dina war ausgesprochen mächtig, doch dank ihres Alters auch weise genug, nicht damit anzugeben. Vincent war ebenfalls sehr stark, doch auch er beschränkte sich nur auf die verpflichtenden Übungsstunden. Wäre er nicht im Zirkel gewesen, hätte er vermutlich gar nicht gezaubert. Quentin wusste, dass Vince nur durch Raphael von seiner Macht erfahren hatte. Ohne ihn hätte er wahrscheinlich die Ewigkeit unwissend verbracht oder es irgendwann durch Zufall entdeckt.

    Vince war ebenfalls noch nicht lange dabei. Doch er hatte in der relativ kurzen Zeit im Zirkel eine Menge gelernt. Ganz im Gegensatz zu Quentin selbst. Quent konnte tun, was er wollte, er brachte keinen ordentlichen Zauber zustande. Das Glas vorhin, hätte sich eigentlich mit dem Wasser aus der Karaffe nebenan füllen sollen. Stattdessen war die Karaffe zersprungen. Er schüttelte den Kopf und senkte den Blick auf seine Hände.

    Ich werde nie mehr sein, als der Hexer, der nur Schutzzauber beherrscht. Das allerdings konnte er wirklich gut. Er war sich sogar sicher, dass dies auch der einzige Grund war, warum er überhaupt noch im Zirkel war. Wenigstens zeigte Raphael deswegen keine Abneigung gegen ihn. Er behandelte ihn anständig und mit den anderen gleichgestellt.

    „Lasst uns anfangen, tönte dessen ruhige Stimme nun durch den Raum und sofort verstummten alle Gespräche. „Wir haben viel zu besprechen. Er kam heran, setzte sich und wandte sich an Dina. „Was hast du rausgefunden?"

    Dinas Stimme klang ebenso ruhig wie die des Ältesten. Die beiden ähnelten sich genauso sehr, wie sie sich unterschieden. Sah man sie zusammen, hätte man denken können, sie wären eine Seele. Getrennt gesehen, hätte man sie nie zusammen vermutet. Doch sie harmonierten miteinander, wie niemand sonst es tat.

    „Sie haben sie mitgebracht. Am Flughafen konnte ich einen Blick auf das Mädchen werfen." Dina schob dem Ältesten etwas hin. Quentin erkannte ein Foto, aber nicht wer oder was darauf zu sehen war.

    „Wo haben sie sie hingebracht?", fragte Raphael weiter.

    „Vermutlich zu ihrem Wohnsitz. Ich bin mir mittlerweile sicher, dass wir hier richtig sind. Vor zwei Monaten sind sie auch von hier aus aufgebrochen. Da sie nun zurückgekommen sind, denke ich, können wir davon ausgehen, dass sie ihren festen Wohnsitz hier haben."

    „Und wo ist hier?"

    „Ganz genau weiß ich es nicht. Sie sind verschwunden, als sie Netherfield passierten. Ich denke, ein Zauber verbirgt sie."

    „Konntest du ihnen bis dahin folgen?"

    „Nein. Dina schüttelte sachte den Kopf. „Marco hat ihre Spur bis dahin verfolgt.

    Raphael wandte sich nun an ihn. „Was konntest du in Erfahrung bringen?"

    „Ich glaube ebenfalls, dass sie ihren festen Wohnsitz irgendwo dort haben. Sie waren mit zwei Autos unterwegs und eins war voll mit Koffern. Außerdem sind sie in Heathrow gelandet. Hill oder Gatwick wären zwar näher an East Sussex gewesen, ich glaube aber, sie wollten ihr die Stadt zeigen."

    „Mich interessiert nicht, was du glaubst. Ich will wissen, was du weißt." Der Älteste sprach noch immer ruhig.

    Marco lehnte sich trotzdem zurück und schluckte. „Ich, also, wie Dina gesagt hat, ich konnte ihnen bis Netherfield folgen, dann sind sie verschwunden. Ich hab versucht, sie wiederzufinden, aber ohne Erfolg." Er schluckte erneut und musterte den Ältesten mit vorsichtigem Blick.

    „Was ist passiert, als sie verschwanden? Haben sie sich in Luft aufgelöst? Warst du nicht an ihnen dran?"

    „Doch, ich war genau hinter ihnen. Aber es war, als wäre ich …" Er verstummte und ließ den Satz unbeendet, wohl aus Angst vor Raphaels Reaktion.

    „Du warst was?", hakte dieser nach, immer noch komplett ruhig. Quentin überlegte, ob der Älteste überhaupt jemals die Fassung verlor. Er konnte wütend sein oder traurig. Er konnte euphorisch oder mies gelaunt sein, wenn er sprach, klang er ruhig und ausgeglichen. Nur der Tonfall seiner Stimme schwankte ein wenig. Aber selbst das, war wirklich minimal.

    „Ich war … es war wie als wäre ich kurz eingeschlafen." Marco flüsterte die Worte halb. Es war ihm sichtlich unangenehm.

    „Bist du es denn?"

    „Nein! Ganz sicher nicht! Es fühlte sich nur so an. Wie Sekundenschlaf. Ich habe nur kurz geblinzelt und da waren sie weg."

    „Wo sind sie hin?" Jetzt war Raphaels Blick auf Quentin gerichtet.

    „Das kann ich nicht sagen. Es war sicher ein Schutzzauber. Ich kenne diese Art der Magie. Es ist eine Art Erstschutz. Sozusagen das erste Mittel, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Er hat anscheinend funktioniert."

    „Offensichtlich. Was kannst du tun?"

    „Ich muss mir das ansehen. Am besten wäre es, wenn wir ihnen folgen könnten, wenn sie außerhalb des Zaubers sind und ihn dann betreten. So kann ich den Umkreis ermitteln und herausfinden, wo in etwa die Quelle ist. Das wiederum führt uns zu ihrem Wohnsitz."

    „Das wollte ich hören, Marco." Raphaels Blick richtete sich wieder auf ihn.

    Marco rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. „Ich, ich kenne mich da nicht so aus", gab er kleinlaut zu.

    „Dann solltest du dich bilden. Quentin? Marco wird dir den Ort zeigen, wo er die drei verloren hat. In der Zwischenzeit wirst du, Nala, sein Blick glitt zu ihr, „einen Zauber wirken, der uns verrät, wann sie außerhalb dieses Schutzes sind, damit Quent ihnen folgen und seine Recherchen dazu machen kann.

    „Ich würde gern mit nach Netherfield fahren. Vielleicht kann ich dort schon was tun. Sollten sie gerade außerhalb sein, kann ich den Zauber gleich dort wirken", bat Nala den Ältesten.

    „Meinetwegen."

    Sie nickte ihm dankend zu und schenkte dann Quentin ein Lächeln. Er erwiderte es. Nala war seine einzige Freundin. Er hätte nie jemanden, außer ihr, als Freund bezeichnet. Raphael wandte sich erneut an Dina und sprach leise mit ihr. Quentin wusste, dass die Magier nun eigentlich nicht mehr gebraucht wurden. Jetzt waren die Vampire dran. Trotzdem mussten alle warten, bis der Älteste die Versammlung auflöste.

    Ich würde wirklich gern wissen, warum er so versessen auf dieses Mädchen ist. Es kann nicht nur daran liegen, dass sie ein Wasserelementarier ist. Miriam ist auch einer. Vielleicht will er zwei von jedem im Zirkel haben? Das würde einen Ausgleich schaffen. Vier Magier und vier Vampire.

    Quentin wusste auch von Raphaels Racheplänen gegenüber dem Vampir Memphis. Auch wenn er nicht verstand, warum der alte Magier so viel Kraft in die Sache legte. Dina hatte ihm die Geschichte erzählt und Quentin konnte nachvollziehen, dass Raphael wütend war. Aber nach so vielen Jahren wären seine eigenen Rachegelüste schon abgeklungen. Bei dem Ältesten schien das nicht der Fall zu sein.

    Sie hatte auch erzählt, dass es ein paar Jahre gegeben hatte, in denen Raphael nicht an den Vampir gedacht hatte. Damals war sie davon ausgegangen, es sei gut. Doch jetzt flammte sein Zorn wieder auf und er war größer denn je. Auch wenn er ihn nie zeigte. Raphaels Abneigung gegen diesen Memphis, schien mit jedem Tag zu wachsen.

    Wenn aber nicht mal Dina ihn verstand - und sie war schon fast ihr ganzes Leben an seiner Seite - dann konnte Quentin sich den Kopf zerbrechen, wie er wollte. Er würde es nichts erfahren, außer der Älteste würde es erzählen. Was wahrscheinlich nie passieren würde.

    Diese Sache mit dem Mädchen war genau genommen auch nur eine Ablenkung von den eigentlichen Problemen. Zwar waren sie ein kleiner Zirkel hier, doch mit drei Elementariern waren sie der mächtigste. Im Umland gab es zwei weitere Magierkreise. Der eine bestand nur aus Junghexen. Sie hatten sich erst vor Kurzem zusammengeschlossen und wollten schon die Weltherrschaft an sich reißen. Raphael hatte ihre Pläne mit einem einzigen Auftritt zunichtegemacht. Seitdem hielten sie sich im Hintergrund.

    Der andere war da schon kniffliger. Es war ein gemischter Zirkel aus Hexen und Magiern. Sie hatten die Kontrolle über dieses Gebiet gehabt, bevor Raphael beschlossen hatte, sich hier niederzulassen. Immer wieder gab es kleinere Scharmützel zwischen ihnen. Sie waren ebenfalls stark, doch Dina, Miriam und Vincent brachten den Vorteil. Außerdem schützte Quentin seinen Zirkel besser als die anderen ihren.

    Trotzdem war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich erneut auf sie stürzen würden. Wer die Macht hatte und sie verlor, wollte sie wiederhaben. Und das würde nicht kampflos gehen. Doch dieses Problem schien Raphael nicht zu kümmern. Zumindest schien er sich lieber seiner Rache zu widmen.

    Endlich löste er die Versammlung auf. Quentin erhob sich und ging mit Nala und Marco zusammen raus. Sie würden gleich nach Netherfield aufbrechen. Insgeheim war er froh, der großen Gesellschaft entkommen zu können. Auch wenn drei immer noch zwei zu viel waren.

    1

    Lillien

    Der Regen tropfte Lilly in den Kragen. Sie zog ihn fester zu, während sie Denniz durch den Dallington Forest folgte. Es gefiel ihr, wenn sie mit ihm hier jagen konnte. Mittlerweile vertrug sie auch das Tierblut immer besser. Die Jungs hatten recht gehabt, als sie gesagt hatten, es wäre schwierig im Umfeld des Hauses Opfer zu finden.

    Die ersten Wochen hatte Lilly sogar große Schwierigkeiten gehabt, richtig satt zu werden. Memphis war öfter als normal in die Stadt gefahren und hatte Blutkonserven besorgen müssen. Ab und zu war sie auch mitgefahren. Teils zum Jagen, teils um Zeit mit ihm allein verbringen zu können. Im und um das Haus war es nicht optimal. Entweder waren Angestellte in der Nähe oder Denniz.

    Lilly liebte Denniz und wollte ihn nicht missen. Doch in manchen Situationen wäre sie froh gewesen, wenn er kein Vampirgehör gehabt hätte. So groß das Haus auch war, sie konnte selten mit einem der beiden ungestört reden. Das nervte schon ab und zu und so richtig daran gewöhnt hatte sie sich auch noch nicht, obwohl Lilly sich sonst schon ziemlich gut eingelebt hatte.

    Die drei waren vor knapp drei Monaten aus Deutschland angereist. Die Jungs kamen zurück und Lilly kam an. Memphis hatte Heathrow als Ankunftsort gewählt und sie von einem Fahrer abholen lassen. Die Fahrt bis Dallington Forest hatte länger gedauert, da auf der Strecke mehrere Staus und Baustellen gewesen waren. Lilly hatte die Zeit jedoch genutzt und sich die Gegend aus dem Autofenster heraus angeschaut. London war so schön. Genau wie sie es sich vorgestellt hatte. Memphis hatte den Fahrer angewiesen durch die Stadt zu fahren, damit Lilly sie sich ein wenig anschauen konnte.

    Als sie dann in East Sussex angekommen waren, war das Wetter schlechter geworden. Zwar hatte Lilly gewusst, es hieß immer, in England sei das Wetter mies, doch dass sie damit begrüßt werden würde, hatte sie nicht gedacht. Im Dallington Forest war es dann ruhiger geworden. Es waren kaum noch Leute unterwegs gewesen. Sei es wegen dem Wetter oder weil hier einfach nicht viele Menschen wohnten. Lilly empfand es aber als angenehm. Noch.

    Schon die Anfahrt zum Haus war beeindruckend gewesen. Das Grundstück hatte ein lange Auffahrt quer durch den Wald. Ein paar hundert Meter vor dem Haus, lichtete er sich plötzlich und der schlammige Waldboden wurde von einem halb gepflasterten, halb ausgekiesten Weg abgelöst. Links und rechts vom Weg lagen Rasenflächen. So akkurat geschnitten, dass es Golfrasen hätte sein können. In regelmäßigen Abständen waren mehrere Blumenrabatten angelegt, die immer jeweils eine Heckenfigur aufwiesen.

    Lilly hatte grinsen müssen. Genau solche Figuren hatte sie erwartet. Der Platz vor dem Haus war halbrund und ebenfalls mit Kies und Pflastersteinen ausgelegt. In der Mitte stand ein obligatorischer Brunnen, mit einer äußerst hässlichen Fontänenfigur in der Mitte. Lilly hätte nicht sagen können, was es darstellen sollte. Irgendetwas Abstraktes jedenfalls.

    Von außen wirkte das Haus nicht sehr groß. Es war zweigeschossig, in roten Ziegeln gemauert. Das Dach ragte weniger spitz auf. Doch es gab mehrere Schornsteine, die auf Kamine hinwiesen. Eine Veranda erstreckte sich über die ganze Länge der Front. Der Fahrer hatte genau vor dem Eingang geparkt. Memphis hatte Lilly die Tür aufgehalten und ihr standesgemäß eine Hand gereicht. Sie hatte sie genommen und sich von ihm aus dem Auto helfen lassen.

    Denniz war zu ihnen herübergekommen, er hatte das Gepäckauto gefahren. „Willkommen zu Hause", hatte er gesagt und breit gegrinst. Dann war er die Stufen zur Eingangstür hochgerannt. Memphis hatte noch immer Lillys Hand gehalten und sie langsamer nach oben begleitet. Je näher man dem Haus kam, desto größer wurde es. Denniz hatte den beiden die Tür geöffnet.

    Die Eingangshalle war groß und erstreckte sich über alle Etagen. Weißer Marmorboden erhellte die hohe Halle. Überall gingen Türen ab oder es waren offene Durchgänge in andere Räume eingelassen. Eine große weiße Steintreppe mittig der Halle führte in die nächste Etage. Hinter ihr lag ein Raum, der wie ein Wintergarten aussah. Man konnte ihn zu beiden Seiten der Treppe erreichen.

    An den Wänden der Halle hingen verschiedene Bilder. Porträts und Landschaftszeichnungen. Ab und an auch moderne Fotografien, doch es passte alles perfekt zusammen. Eine ältere Frau hatte neben der Treppe gestanden und die Ankömmlinge erwartet. Denniz war auf sie zu getreten und hatte sie in den Arm genommen.

    Memphis hatte Lilly zu ihr geführt und sie einander vorgestellt. „Lilly, das ist Mrs Hamilton. Unser guter Geist des Hauses. Er hatte beide angelächelt. „Mrs Hamilton, das ist Lillien Robinson unser neustes Familienmitglied.

    „Lilly", hatte sie ihn korrigiert und Mrs Hamilton die Hand gereicht.

    Diese hatte sie mit ihren beiden genommen und Lilly herzlich begrüßt. „Willkommen, Liebes. Ich hoffe Sie werden sich hier wohlfühlen. Wir haben Ihr Zimmer schon vorbereitet. Wenn Sie irgendetwas brauchen, rufen Sie einfach nach mir."

    „Danke, das ist nett." Lilly war etwas verlegen gewesen. Sie hatte sich nie träumen lassen, mal Angestellte zu haben.

    „Mr Lavoie, ich habe Mr Cheslock angewiesen, das Abendessen vorzubereiten. Es gibt feinsten Rinderbraten, wie Sie gewünscht haben."

    „Vielen Dank, Mrs Hamilton. Das war vorerst alles." Er hatte ihr freundlich zugenickt und sie war durch eine Tür links von ihnen verschwunden. Der Duft von Bratensoße war Lilly in die Nase gedrungen als die Tür auf- und wieder zugegangen war.

    „Bratensoße, ja?", hatte sie an Memphis gewandt gefragt. Er hatte gegrinst. Er wusste also noch, wie gern sie die Soßen im Hotel gehabt hatte. Dann hatte er sie zu ihrem neuen Zimmer begleitet. Es lag im ersten Stock des Hauses, im Westflügel. Die Treppe hoch und links. Die letzte Tür auf der rechten Seite.

    Es war ein großer Raum und durch die hohe Fensterfront auch hell. Ein fast riesiges Himmelbett stand links an einer Wand, dem gegenüber war ein Kamin. Links und rechts vom Kamin ging jeweils eine Tür ab. Eine führte in ein Bad, die andere in ein Ankleidezimmer. Links vom Bett führte eine weitere Tür in ein Arbeitszimmer.

    Die komplette Einrichtung war in dunklem Barockstil gehalten. Lilly hatte sich sofort wohlgefühlt. Gleich neben der Tür hatten noch ein paar Kisten mit persönlichen Sachen gestanden. Es waren die gewesen, die Memphis hatte vor fliegen lassen und an denen sich die Angestellten offensichtlich nicht hatten vergreifen wollen.

    Nachdem Lilly alle Räume begutachtet hatte, war sie auf den großen Balkon getreten. Auf der Nordseite des Hauses lag ein riesiger Garten. Sie hatte einen herrlichen Blick auf alles. Der Garten war ebenfalls von Wald gesäumt. Eine große Rasenfläche erstreckte sich mittig und wurde von einem Kiesweg und Blumenrabatten umrandet.

    Direkt unter ihrem Balkon befand sich eine Terrasse. Sie gehörte zum Wintergarten und drei Stufen führten davon hinab, direkt auf die Rasenfläche. Memphis war ihr still wie ein Schatten gefolgt und hatte Lilly alles in sich aufsaugen lassen.

    Auf dem Balkon war er hinter sie getreten und hatte ihr die Arme um die Schultern gelegt. „Gefällt es dir?", hatte er wissen wollen.

    „Sehr", war ihre schlichte Antwort gewesen. Wobei sich ein Lächeln auf ihre Lippen gelegt hatte. Von da an hatte sie nach und nach das Haus erkundet. Sie hatte die Angestellten kennengelernt und natürlich Hayley. Die Hexe hatte ein Zimmer im Ostflügel und weitere Räume im Keller. Dort hatte sie den nötigen Platz und konnte Kraft aus der Erde ziehen.

    Lilly war ihr an jenem Abend auch gleich zum ersten Mal begegnet. Memphis hatte sie beim Abendessen einander vorgestellt und nach der ersten peinlichen Stille, die Denniz mit ständigem leisen Kichern immer wieder unterbrochen hatte, hatten die Mädchen irgendwann ein Gesprächsthema gefunden.

    Hayley war eine junge Hexe. Zumindest sah sie jung aus. Ihr genaues Alter wollte sie nicht preisgeben. Doch Lilly wusste, dass sie schon viele Jahre mit den Jungs zusammenlebte. Sie musste mindestens so alt wie Denniz sein. Offensichtlich hatte also auch sie einen Weg gefunden, das Altern zu stoppen. Ein kleiner Funke der Eifersucht hatte sich in Lilly entzündet, als Hayley in den Raum getreten war und Memphis herzlich in den Arm genommen hatte. Lilly hatte sie eingehend gemustert. Hayley war hübsch.

    Gewöhnlich hübsch. Ihre Haare waren dunkel wie Lillys und ihre Augen braun.

    Gewöhnlich braun. Von der Größe her kam sie an Lilly heran. Sie hätte sich direkt neben sie stellen müssen, um einen Unterschied auszumachen. Vom Körperbau war die Hexe schlank aber nicht muskulös.

    Eher schmächtig. Alles in allem war sie eben gewöhnlich. Bis auf ihre Eigenschaft, eine Hexe zu sein. Lilly war ihr trotz der kurzen Eifersucht mehr als dankbar für den Schutz, den sie den Jungs gab und sie hatte sowieso keine andere Wahl, als sich damit abzufinden, dass die Hexe da war. Hayley hatte das ältere Hausrecht und wer weiß, vielleicht würden sie sogar gute Freundinnen werden.

    Jetzt betraten Lilly und Denniz das Haus über den Wintergarteneingang. Die Tür stand offen. Memphis ließ gerne Türen und Fenster offenstehen. Es gefiel ihm, wenn eine Brise durchs Haus wehte. Der Frühling hielt bereits Einzug und die Luft war mild, also protestierte auch niemand mehr dagegen. Im Winter war es nervig gewesen.

    Die beiden Freunde gingen direkt ins Esszimmer. Dieser Raum war ihre heimliche Kommandozentrale, wie Denniz Lilly belustigt erklärt hatte. Tagsüber besprachen sie dort alle ihre Pläne. Lilly fand das Wohnzimmer bequemer, aber es störte sie auch nicht, an dem langen Esstisch zu sitzen, während Memphis meist am Kamin stand und Denniz und Hayley auf ihren Stühlen lümmelten. Zum Glück gab es nicht allzu oft Besprechungen. Mrs Hamilton war gerade dabei, den Tisch für eine morgendliche Teezeit vorzubereiten, als sie eintraten. Richtiges Frühstück gab es selten.

    „Hallo Mrs Hamilton", begrüßte Lilly sie freudig. Sie hatte die alte Dame liebgewonnen. Egal was sie brauchte, die Haushälterin machte es möglich.

    „Hallo, Liebes. Mr O‘Sullivan. Sie lächelte und nickte beiden zu. „Der Tee ist gleich fertig. Mrs Thomas hat Kuchen gebacken. Ich bringe ihn, sobald er etwas abgekühlt ist.

    „Danke Mrs Hamilton", sagte Denniz lächelnd und nickte zurück. Die Haushälterin verließ den Raum.

    Lilly setzte sich auf ihren Platz, rutschte etwas auf dem Stuhl herunter und legte ein Bein über die Tischecke. „Das nächste Mal gehen wir, wenn es nicht regnet", beschwerte sie sich und fuhr sich durch das nasse Haar.

    „Geht klar, Liebes", zog Denniz sie auf. Er versuchte sie immer damit zu ärgern, dass Mrs Hamilton sie so nannte, doch es störte Lilly nicht.

    Memphis betrat den Raum. „Ihr seid wieder da, gut. Wir müssen ein bisschen was planen." Er kam zu Lilly rüber und drückte ihr einen Kuss aufs nasse Haar. Dann zwang er sie sanft, sich zu erheben und die nasse Jacke auszuziehen. Ein leises Stöhnen von sich gebend, folgte sie seiner Aufforderung. Er nahm die Jacke und legte sie über den Stuhl neben ihr.

    Denniz grinste. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, seine beiden Vampirfreunde so miteinander umgehen zu sehen. Dabei war das harmlos. Memphis hatte Lilly gebeten, ihm etwas Zeit zu geben und sie gab ihm allen Freiraum, den er wollte. Dafür bedankte er sich immer öfter mit kleinen Gesten der Zuneigung. Sie wartete geduldig auf den Tag, an dem der Damm brach. Auch wenn es sie oft Überwindung kostete, ihn nicht einfach zu schnappen und zu küssen.

    In den wenigen Monaten, die sie nun hier war, hatte sie beide Jungs schon viel besser kennengelernt. Ihre Marotten und Eigenheiten. Ihre Gewohnheiten und ihre Persönlichkeiten. Wie die Sache mit den Türen und Fenstern bei Memphis, hatte Denniz die Angewohnheit im Garten und auf den Rasenflächen zu stehen. Er stand da einfach. Die Augen geschlossen und tat nichts.

    Lilly ärgerte ihn dann manchmal, indem sie zum Beispiel das Brunnenwasser über seine Füße laufen ließ. Oder wenn Nebel in der Luft hing, ließ sie ihn sich um Denniz sammeln, bis er nicht mehr zu sehen war und er selbst nichts mehr sehen konnte. Die Retourkutschen kamen jedoch stets. Er nahm ihr diese Neckereien nie übel und Memphis meinte sogar, es sei sehr viel lustiger und lebendiger im Haus, seit sie hier wohnte.

    Die Bewohner verbrachten auch viele

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