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Vampirmächte: verbunden
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eBook314 Seiten4 Stunden

Vampirmächte: verbunden

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Über dieses E-Book

Als Lillien erfährt, dass sie von einem Vampir gebissen wurde und die Verwandlung nicht aufzuhalten ist, stellt sich ihr ganzes Leben auf den Kopf. Mit Hilfe ihres neuen Freundes Denniz kann sie sich zwar gut in diese neue Welt einleben, doch irgendetwas lässt sie immer unzufriedener werden. Denniz kann seinen Gefährten überreden, ihr zu helfen.
Memphis erklärt Lilly, dass sie durch ihr Blut mit ihrem Erschaffer verbunden ist. Sie muss ihm folgen und gehorchen. Doch wo ist er? Und wie kann sie ihn finden? Wird er sie aufnehmen, obwohl er sie sterbend zurückgelassen hat? Und welche Geheimnisse verbirgt Memphis noch vor seinen Freunden?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum3. Nov. 2019
ISBN9783750249189
Vampirmächte: verbunden
Autor

Stefanie Worbs

Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Mitteldeutschland und ich lebe noch immer dort. Schon als Teenager schrieb ich Gedichte und kurze Texte. Diese wurden zu Kurzgeschichten und schlussendlich zu Büchern. Wer träumt nicht von einer Welt, in der man die eigenen Probleme beiseite schieben kann?

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    Buchvorschau

    Vampirmächte - Stefanie Worbs

    Stefanie Worbs

    Vampirmächte

    Band 1

    Vampirmächte

    verbunden

    Prolog

    Denniz

    „Lass sie liegen, mahnte Memphis seinen besten Freund. „Es geht ihr gut.

    „Aber er hat zu viel getrunken", entgegnete Denniz.

    „Das wissen wir nicht."

    „Wir sollten trotzdem warten bis sie aufwacht. Und selbst dann wissen wir noch nicht, ob es doch zu viel war."

    „Wir werden es auch nicht so schnell erfahren. Sein Freund klang gereizt. „Jetzt können wir eh nichts weiter tun, als zu warten. Es lohnt nicht, einen Aufstand zu machen, wenn vielleicht gar nichts ist. Jetzt komm, sie wird gleich wach. Memphis drehte sich zum Gehen.

    Seufzend stand Denniz auf. Er betrachtete das Mädchen am Boden und wünschte, er könnte hierbleiben. Sie würde alle Hilfe brauchen, wenn sie aufwachte und es wirklich passieren würde. Doch dann wandte auch er sich ab.

    Im Gehen warf er noch einen Blick über die Schulter. Der Andere hatte zu viel getrunken, er wusste es einfach. Und das Leben dieses Mädchens würde sich von Grund auf ändern. Jemand musste ihr helfen, all das zu begreifen. Jemand musste für sie da sein. Auch wenn er wusste, dass es am Ende an ihr liegen würde, wie sie sich entwickelte, schwor er sich derjenige zu sein, der für sie da war. Er hoffte, dass es nicht passierte. Dass sie seine Hilfe nicht brauchen würde. Denn niemand hatte es verdient, so aus dem Leben gerissen zu werden.

    Warum gerade sie? Es gab so viele andere, die dasselbe Schicksal ereilt hatte, dachte Denniz. War es, weil sie die Erste war, bei der er es mit angesehen hatte? Weil sie so jung war?

    Er wusste nicht warum. Er wusste nur, dass er auf sie aufpassen würde und wünschte sich, für sie, dass er es nicht lange tun musste. Denn wenn sie ein Mensch blieb, würde alles gut sein.

    1

    Lillien

    Als sie die Augen aufschlug, bemerkte Lilly als Erstes, wie es bereits begann hell zu werden. Sie lag auf einer Wiese, nahe einem Gebüsch und vom Wind aufgewehte, raschelnde Blätter umwehten sie.

    Langsam erhob sie sich, eine Hand am Hinterkopf. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, was passiert war. Als sie sich aufsetzte, pochte ihr Kopf und ihr wurde schwindelig. Sie fühlte sich, als hätte sie die Nacht durchgezecht. Doch am Abend zuvor hatte sie ihre Freundin besucht und ihn ruhig vor dem Fernseher verbracht.

    Spät in der Nacht hatten sie sich verabschiedet und Lilly war zu ihrem Wagen gegangen. Das verdammte Auto hatte wieder nicht anspringen wollen, also hatte sie nach Hause laufen müssen. Doch jetzt wachte sie in diesem Park hier auf. Lilly erkannte ihn. Er lag nicht wirklich auf ihrem Weg nach Hause. Warum war sie hier? Sie konnte sich einfach nicht zusammenreimen, warum sie hier lang gelaufen sein sollte?

    Langsam und unsicher stand sie auf und klopfte sich den Dreck von der Kleidung. Sie war wirklich sehr dreckig. Hatte sie gekämpft?

    Lilly untersuchte ihre Arme, Beine und alles was nicht von Kleidung bedeckt war, tastete ihren Körper ab, spürte aber keine Verletzungen. Bis auf die Kopfschmerzen und den Schwindel war alles in Ordnung. Sie sah sich um. Niemand war hier.

    Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust. Dieser Herbst war kalt. Kurz stand sie unentschlossen da, wandte sich dann in Richtung Zuhause und lief langsam los. Erst grübelte sie noch darüber nach, was geschehen sein konnte, gab es dann aber auf. Ihr Kopf pochte immer mehr und je heller es wurde, desto mehr tat er ihr weh.

    Sie schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf und war froh, endlich im Dunkeln zu sein. Die aufgehende Sonne hatte ihre Kopfschmerzen unerträglich gemacht. Jetzt ließ sie ihre Sachen fallen und ging ohne Umwege ins Schlafzimmer. Komplett angezogen ließ sie sich aufs gemachte Bett fallen und versank fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf.

    Es war später Nachmittag, als Lilly erneut erwachte. Die Sonne ging bereits wieder unter. Und irgendwie war sie froh darüber. Die Tage wurden stetig kürzer. Eine Weile lag sie einfach nur da, bis ihr einfiel, dass ihr Auto noch immer am anderen Ende der Stadt stand. Sie musste es holen. Doch vorher musste sie duschen und dringend etwas essen. Ihr knurrte wahnsinnig der Magen.

    Mühsam stand sie auf und ging zum Kühlschrank. Er war nicht gerade voll. Auch in den Schränken fand sich nichts. Also nahm Lilly sich eine Schüssel Müsli und eine Tafel Schokolade mit ins Wohnzimmer, doch nichts was sie aß, machte richtig satt. Sie hatte nicht mal Appetit auf das, was sie vorrätig hatte. Die Kopfschmerzen waren leicht abgeklungen, aber immer wenn sie sich zu schnell bewegte, pochte es heftig. Die lauwarme Dusche entspannte sie dann etwas.

    Als der Abend schließlich hereinbrach, raffte Lilly sich endlich auf, um ihr Auto zu holen. Die Stadt war leer. Nur hier und da spazierten noch einige Leute an den geschlossenen Läden vorbei. Sie hätte sich etwas zu trinken mitnehmen sollen. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und Sodbrennen stellte sich ein.

    Es war nicht mehr weit und Lilly hoffte inständig, ihr Auto würde diesmal anspringen. Sie hatte nicht die geringste Lust, noch mal quer durch die Stadt zu laufen. Außerdem wurde es immer kälter und ihre Kopfschmerzen begannen wieder stärker zu werden. Wenn das nicht besser werden würde, musste sie auch noch zum Arzt. Wo sie doch diese dämlichen Wartezimmer und die hustenden und schleimröchelnden Leute nicht ausstehen konnte.

    Die können ja nichts dafür, dass sie krank sind. Aber müssen die diese ekligen Geräusche so laut machen, dass einem davon übel wird? Als wollen sie geradezu, dass man ihnen ansieht und es hört, wie krank sie sind, dachte Lilly bei sich.

    Bei dem Gedanken daran, wie jemand die Nase heftig hochzog, nur um dann den Schleim runterschlucken zu können, wurde ihr tatsächlich schlecht. Sie musste anhalten und sich hinhocken. Ihre Kopfschmerzen machten es nicht besser und mit einem Satz sprang Lilly wieder auf und übergab sich im nächsten Gebüsch. Das Müsli hätte sie sich sparen können. Aber ironischerweise war sie froh, die gute Schokolade nur zur Hälfte gegessen zu haben.

    Am Auto angekommen war ihr immer noch flau im Magen. Sie schloss es auf und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, als sie den Schlüssel im Zündschloss drehte. Der Wagen leierte und die Lämpchen am Armaturenbrett flackerten bedrohlich. Lilly versuchte es ein zweites Mal und schloss die Augen, als könne es helfen.

    „Komm schon, komm schon!", flehte sie ihr geliebtes Auto an und nach ein paar weiteren, leiernden Sekunden, sprang es endlich murrend an. Erleichtert ließ sie sich im Sitz zurücksinken. Wenigstens musste sie nun nicht noch mal nach Hause laufen.

    Sie parkte aus und fuhr die spärlich beleuchteten Straßen schneller als sonst entlang. Der Durst wurde unerträglich. Als würde sie in der Wüste sitzen und weit und breit gab es keinen Tropfen Wasser. Ihr ganzer Körper begann zu schmerzen. Was war nur mit ihr los?

    Seit diesem seltsamen Vorfall wurde es immer schlimmer. Die Lichter blendeten sie und alles rings um schien unerträglich laut. Zuhause angekommen parkte Lilly quer über zwei Plätze ein, schloss das Auto ab und rannte nach oben. Ohne die Wohnungstür zu schließen, lief sie in die Küche und trank direkt aus dem Wasserhahn. Tiefe, lange Schlucke die ihren trockenen und brennenden Hals kühlten. Gefühlte zehn Liter später drehte sie den Hahn zu und atmete tief durch.

    Eine Erkältung, schoss es ihr durch den Kopf. „Ich habe mich bestimmt erkältet gestern Nacht." Langsam, fix und fertig, schloss sie die noch offenstehende Tür und schlurfte ins Bad. Sie sah fürchterlich aus. Der Spiegel zeigte ihr ein blasses, müdes Gesicht mit tiefen Ringen unter den Augen.

    Sie wusch sich und putzte die Zähne ohne viel Elan, dann schlurfte sie ins Schlafzimmer, zog die Tagesdecke herunter, die dreckig vom Blattwerk auf ihren Kleidern von heute Morgen war und kuschelte sich in ihr Bett.

    „Schlaf ist die beste Medizin", murmelte sie noch zu sich selbst und war schon wieder eingeschlafen.

    2

    Am nächsten Tag erwachte Lilly mit denselben, dumpfen Kopfschmerzen. Wenigstens war es im Bett schön warm. Zum Glück gab es auf Arbeit gerade nicht viel zu tun und ihr Chef hatte ihr ein paar freie Tage eingetragen. Also blieb sie liegen, bis der Hunger wieder anfing an ihr zu nagen.

    Beim Blick nach draußen fiel ihr auf, dass es schon Nachmittag war, später Nachmittag sogar. Sie musste so fertig gewesen sein, dass sie den halben Tag verschlafen hatte. Also zwang sie sich aufzustehen. Frische Luft würde vielleicht helfen. Langsam, als wäre sie schon mindestens 80 Jahre alt, zog Lilly sich an, nahm sich eine Scheibe Toast und schleppte sich nach draußen.

    Sie kniff die Augen zusammen, weil der Schein der Straßenlaternen sie blendete, und schleppte sich dann ein Stück weiter in einen Park. Dort war es komplett dunkel, doch das störte Lilly nicht im Geringsten. Ein Stück weiter ließ sie sich auf einer Bank nieder, rutschte auf der Sitzfläche runter und lehnte den Kopf an die Rückenlehne. Mit geschlossenen Augen saß sie da und wartete darauf, dass es ihr besser ging.

    Tief atmete Lilly die verschiedenen Gerüche ein. Es roch nach den Bäumen hinter ihr und dem Laub auf den Wegen. Nach nasser Erde und sie konnte Tiere durchs Unterholz rascheln hören. Aber da was noch etwas.

    Schritte? Schritte die sich leise und zaghaft bewegten und sie kamen auf sie zu. Lilly öffnete die Augen und richtete sich auf. Links und rechts war niemand zu sehen. Sie spähte in die Dunkelheit und versuchte mehr zu erkennen. Dann drehte sie sich um und wollte aufspringen, doch bevor sie sich richtig erheben konnte, hatte der ganz in schwarz gekleidete Mann sie schon über die Bank hinweg angesprungen und riss Lilly zu Boden.

    Sie wehrte sich, so gut es ihre verbliebenen Kräfte noch zuließen, doch der Mann war viel stärker als sie. Er hielt sie mit seinem ganzen Körpergewicht nach unten gedrückt. Mit einer Hand fasste er ihre beiden über ihrem Kopf und mit der anderen landete er einen gezielten Schlag in ihrem Gesicht. Sterne explodierten vor ihren Augen.

    Als Lilly wieder klar wurde, konnte sie fühlen, wie der Mann versuchte, ihre Hose zu öffnen. Er war so abgelenkt, dass er nicht bemerkte, wie sie wieder zu sich kam. Sie sah ihn verschwommen ganz nah vor sich. Er hob den Blick und sagte etwas, doch Lilly verstand es nicht. Dann packte er ihr Kinn und drückte es zur Seite. Seine Zunge fuhr über ihre Wange und entfachte Ekel und Wut in ihr. Er drehte ihren Kopf von links nach rechts und begutachtete ihr Gesicht wie ein Wahnsinniger, der einen Schatz gefunden hatte.

    Er erinnerte Lilly an den Hobbit Gollum aus Herr der Ringe und sie schnaubte kurz angewidert auf. Der Mann jedoch schien es ganz und gar nicht lustig zu finden, dass sein Opfer über ihn lachte. Er richtete sich halb auf und verpasste ihr eine zweite Ohrfeige. Diesmal sah Lilly keine Sterne. Im Gegenteil. Ihr Blick wurde klar und die Wut auf den Mann stieg ins Unermessliche. Als er sich abermals zu ihr beugte, ihrem Hals entgegen, schlug sie instinktiv zu. Sie öffnete den Mund und wusste genau, wo sie zubeißen wollte.

    Ihre Zähne fuhren wie durch warme Schokolade in seinen Hals, trafen die Hauptschlagader und sein Blut schoss ihr in die Kehle. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, bewegte sich ihr Körper. Mit einer Kraft, die Lilly sich selbst nicht zugetraut hätte, riss sie sich los und binnen einer Sekunde hatte sie mit dem Mann den Platz getauscht. Nun hielt sie ihn so, dass er sich nicht bewegen konnte.

    Es ist so leicht. So leicht! Ihr Mund hatte sich nicht von ihm gelöst. Sein Blut rauschte in ihn und sie schluckte wie jemand, der seit Tagen nichts zu trinken bekommen hatte. Der Mann wehrte sich nicht lange. Nach wenigen Momenten schon, lag er still unter ihr und atmete langsam und leise rasselnd. Lillys Wut flaute ab und wurde ersetzt von einem Gefühl, das sie nur als satte Zufriedenheit bezeichnen konnte. Da packte eine Hand ihre Schulter und riss sie nach oben. Weg von dem Mann, der nun leicht zitternd am Boden lag.

    Jemand kniete neben ihm, doch Lilly konnte nichts richtig erkennen. Vor ihren Augen tanzten Lichter und sie fühlte sich schwindelig. Eine Stimme flüsterte ihr ins Ohr, doch die Worte ergaben keinen Sinn. Es vergingen ein paar Momente, bevor sie verstand, was gerade geschehen war.

    Der Jemand am Boden neben ihrem Angreifer war ein junger Mann, der sie nun musterte. Die Hand auf ihrer Schulter gehörte zu einem Zweiten. Er hielt sie nicht fest, es hatte eher etwas Tröstendes. Er sah dem anderen in die Augen und sein Blick schien Worte formen zu wollen. Lillys Augen flogen von ihrem Angreifer, zum Mann neben ihm und von diesem, zu dem, der neben ihr stand. Dann rannte sie los und fort von den beiden und dem, was hier gerade geschehen war.

    „Lass sie", hörte sie einen der beiden noch leise sagen.

    Die aufsteigende Panik ließ Lilly immer schneller werden, bis sie das Gefühl hatte, ihre Füße würden den Boden nicht mehr berühren. Sie rannte einfach weiter, bis nichts mehr in ihr war, außer Leere. Ihre Beine trugen sie, schneller als sie je zuvor gerannt war, über Wiesen, Felder, durch Dörfer und Niemandsland. Lilly verlor jedes Zeitgefühl. Mal rannte sie, mal stand sie einfach nur da, dann ging sie langsam, bis sie erneut ins Rennen verfiel.

    Das Morgenrot erhellte den Horizont und als sie es bemerkte, blieb sie stehen. Da stand sie und sah der Sonne zu, wie sie langsam die Bäume und Wiesen vor ihr in warmes Licht tauchte. Der Tau auf den Grashalmen warf glitzernde Lichter und eine leichte, nacht-kühle Brise umwehte Lillys Gesicht. Sie schloss die Augen und genoss das zarte Gefühl auf ihrer Haut. Lange stand sie einfach da, während vor ihr die Sonne den Tag begann und vereinzelt Vögel zwitscherten.

    Die Letzten, die noch hier sind, bevor der Winter richtig beginnt, überlegte sie. Dann öffnete Lilly die Augen und stellte erleichtert fest, dass sie weder Kopfschmerzen hatte, noch tat ihr irgendetwas anderes weh. Das erste Mal, seit ihrem seltsamen Unfall, fühlte sie sich blendend. Langsam setzte sie sich wieder in Bewegung. Die Ereignisse von letzter Nacht gingen ihr durch den Kopf und ein schlechtes Gewissen stieg in ihr auf.

    Ich hab den Mann verletzt. Hab ich ihn getötet? Nein! Da war jemand anderes. Jemand hat ihm geholfen. Der Mann hat Hilfe bekommen. Außerdem hat -er mich- überfallen. Ich hab aus Notwehr gehandelt. Aber was genau hab ich überhaupt getan? ... sein Blut getrunken. Ihn ... gebissen und von ihm getrunken. Und ich hätte ihn sicher getötet, wären die beiden anderen nicht aufgetaucht.

    Sie schüttelte den Kopf, dann blieb sie wieder stehen. Nein, dachte sie. „Nein!", wiederholte Lilly laut. „Ich habe diesen Mann nicht gebissen!"

    Im nächsten Dorf suchte sie einen Hinweis darauf, wo sie war. An einer Bushaltestelle blieb sie stehen und schaute auf die kleine Landkarte, die dort hing. Mit Erstaunen stellte sie fest, dass sie sich in einer kleinen Stadt hinter Leipzig befand. Das Schild an der Haltestelle nannte ihr den Namen Brandis. Hier war sie noch nie gewesen, aber den Namen kannte sie. Sie wusste auch, dass es ein extrem weiter Weg zu Fuß war. Sie war tatsächlich stundenlang durch die Gegend gelaufen, aber nicht mal müde oder erschöpft. Jeder andere, der die ganze Nacht durch gelaufen wäre, würde umfallen, doch Lilly fühlte sich topfit. Trotzdem beschloss sie, den Bus für den Heimweg zu nehmen. Zum Glück hatte sie etwas Geld dabei.

    Er kam pünktlich und Lilly zahlte eine Fahrkarte bis Leipzig. Dort würde sie umsteigen und mit einer anderen Linie weiterfahren müssen, aber es war ihr egal. Hauptsache sie musste nicht laufen. Im Bus ganz hinten war glücklicherweise alles frei. Sie setzte sich und lehnte den Kopf an die kühle Scheibe. Während der ganzen Heimfahrt dachte Lilly nach. Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie zu einem irgendwie absurd klingenden Punkt kam.

    Vampire.

    Sie las gern Bücher über solche Dinge und hatte sich schon so manches Mal vorgestellt, wie es wäre einer zu sein. Sie wusste auch, dass es Personenkreise gab, die diese Lebensart richtig auslebten. Mit Blut trinken und allem drum und dran. Grundsätzlich hatte Lilly nie bezweifelt, dass es auch übernatürliche Dinge geben konnte, doch nun da sie sich damit konfrontiert sah?

    Endlich zu Hause angekommen, ließ sie sich aufs Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein. Ihre Aufmerksamkeit lag aber noch immer auf letzter Nacht. Es konnte nicht sein. Grübelnd stand sie wieder auf und ging zu ihrem Bücherregal. Verschiedene Vampirromane standen darin, doch Lilly betrachtete nur die Einbände. Sie hatte alle gelesen und kannte die Merkmale, mit denen die Untoten in den Büchern beschrieben waren.

    Heute war sie in der Sonne gewesen und sie brauchte weder ein Schmuckstück aus Lapislazuli, das mit einem Zauber belegt war, noch glitzerte ihre Haut. Über diesen zweiten Fakt musste sie schmunzeln. Die Leute hätten sie angestarrt, wie einen Freak, hätte sie wie Edward Cullen gefunkelt.

    Lilly erinnerte sich auch an ein Buch, laut dem Vampire ganz normal den Tag verbringen konnten. Nur waren sie tagsüber müde und eher nachtaktiv. Na ja, müde war sie jedenfalls immer noch nicht. Kopfschüttelnd wandte sie sich vom Regal ab und ging in die Küche. Am Waschbecken blieb sie stehen, um sich ein Glas Wasser zu füllen. Dabei schaute sie gewohnheitsmäßig aus dem Fenster hinunter auf die Straße.

    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen zwei junge Männer. Einer groß und blond, der andere ebenso groß und elegant, aber mit dunklen Haaren, die perfekt lagen. Beide schauten zu ihrem Fenster hoch. Lilly erstarrte. Sie erkannte den Blonden.

    Das müssen die zwei von gestern sein, überlegte sie. Da hob der Blonde die Hand, um sie zu grüßen. Der Dunkelhaarige berührte ihn am Arm und machte Anstalten zu gehen. Das Glas in Lillys Hand lief über. Schnell drehte sie den Hahn zu, doch als sie wieder hinaus sah, waren die beiden verschwunden.

    „Jetzt wird’s mir aber zu bunt!", hörte sie sich sagen, stellte das Glas in die Spüle, ohne getrunken zu haben, zog sich an und ging hinaus, um zu sehen, wohin die Typen verschwunden waren.

    3

    Denniz

    Denniz lag lässig auf dem Sofa und spielte mit einem Zauberwürfel. Er hatte das Ding schon bestimmt 20 mal gelöst, als Memphis endlich in den Raum trat. Er ging erst zum Kühlschrank und stellte sich dann an die riesigen, deckenhohen Fenster. Beide schwiegen. Als Denniz den Würfel abermals gelöst hatte, warf er ihn frustriert auf die andere Seite des Sofas und seufzte tief. Memphis schaute seinen Freund fragend an.

    „Ich finde immer noch, wir sollten nach ihr sehen", meinte Denniz und setzte sich auf. Er verschränkte die Hände ineinander und warf seinem Freund einen leicht flehenden Blick zu.

    Memphis seufzte ebenfalls und drehte sich wieder zum Fenster. „Was sollte das nützen?", fragte er, während er den Blick über die von Straßenlaternen erhellte Stadt schweifen ließ.

    „Was das nützen sollte? Wir können ihr helfen! Das würde es nützen."

    „Wir wissen doch gar nicht, ob er sie verwandelt hat. Du malst den Teufel an die Wand. Außerdem, wie willst du das anstellen? Einfach zu ihr gehen, klingeln und sagen, entschuldige bitte, aber es könnte sein, dass du ein Vampir wirst und ich biete dir hiermit meine Hilfe an? Was denkst du, was sie tun würde? Ich jedenfalls glaube, sie würde dir entweder die Tür vor der Nase zuschlagen oder dir ihre Hilfe anbieten, indem sie einen Krankenwagen holt, der dich direkt in die Irrenanstalt befördert. Memphis grinste amüsiert und schaute ihn wieder direkt an. „Ehrlich, Denniz. Es hat keinen Sinn ihr nachzurennen.

    „Wir wissen vielleicht nicht mit Sicherheit, ob es passiert ist. Aber das da was passiert ist, können wir auch nicht leugnen. Und sag mir nicht, es wäre nur eine Anwandlung von ihr gewesen. Sie hat getrunken. Und du weißt so gut wie ich, dass es ein ziemlich sicheres Zeichen für die bevorstehende Verwandlung ist. Du warst damals auch für mich da. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wärst du es nicht gewesen. Wer weiß, was aus mir geworden wäre?!"

    „Ein genauso anständiger Vampir, wie du es auch heute bist", antwortete sein Gefährte vollkommen überzeugt.

    „Vielleicht", stimmte Denniz ihm zu. Vielleicht aber auch nicht, dachte er bei sich. „Ich möchte trotzdem noch mal nach ihr sehen", hielt er fest und lehnte sich wieder in die Kissen.

    Memphis seufzte erneut und gab schließlich nach. „Wenn es dich glücklich macht, gut. Wir werden nach ihr sehen."

    Zufrieden lächelnd verschränkte Denniz die Hände hinter dem Kopf. Memphis konnte nicht anders und lächelte wieder, diesmal sicher über die Hartnäckigkeit seines Weggefährten.

    4

    Memphis

    Den Weg zu ihrem Haus kannten sie. Nachdem das Mädchen im Park aufgewacht war, waren die Freunde ihr gefolgt, um zu sehen, ob die Kleine heil zu Hause ankam. Dann war Denniz ihr allein nachgegangen, als sie ihr Auto geholt hatte und

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