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Phönix Band 2: Erloschen
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Phönix Band 2: Erloschen
eBook341 Seiten4 Stunden

Phönix Band 2: Erloschen

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Über dieses E-Book

- Ich bin bei ihr. Mit meinen Gedanken, meiner Seele, meinem Körper. Doch sie ist abwesend. Ich weiß nicht, ob Ty mich noch registriert oder ob sie einfach nur existiert. -

Enyo wollte ihr helfen, doch was Duan Tyree angetan hat, wird er sich niemals verzeihen können. Jetzt geben ihm nur noch Bents Kontakte Hoffnung. Sein Bruder arbeitet mit einer Organisation zusammen, die für die Rechte der Menschen kämpft und deren Stadt Ryél wäre ein besserer Ort für Ty.
Aber wird sie En erneut ihr Vertrauen schenken, damit er sie in Sicherheit bringen kann?
Und was hat es eigentlich mit Tys Magie auf sich? Wo kommt die her und wieso wusste Tyree bisher selbst nichts davon?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum22. Sept. 2019
ISBN9783750206458
Phönix Band 2: Erloschen
Autor

Stefanie Worbs

Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Mitteldeutschland und ich lebe noch immer dort. Schon als Teenager schrieb ich Gedichte und kurze Texte. Diese wurden zu Kurzgeschichten und schlussendlich zu Büchern. Wer träumt nicht von einer Welt, in der man die eigenen Probleme beiseite schieben kann?

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    Buchvorschau

    Phönix Band 2 - Stefanie Worbs

    Prolog

    Enyo

    Ich bin bei ihr. Mit meinen Gedanken, meiner Seele, meinem Körper. Doch sie ist abwesend. Ich weiß nicht, ob Ty mich noch registriert oder ob sie einfach nur existiert.

    Anfangs habe ich noch versucht, mit ihr zu reden. Ich habe versucht, sie dazu zu bringen, aufzustehen und sich wenigstens zu waschen und neue Sachen anzuziehen, doch mein Mädchen reagiert nicht auf mich. Sie reagiert auf niemanden.

    Seit drei Tagen sitzt sie da, in ihren blutverschmierten Sachen und sieht immer kränker aus. Sie isst nichts von dem, was wir ihr hinstellen. Nur ab und zu fehlt ein Schluck Tee aus dem Glas vor ihr. Ich merke nie, wie sie es nimmt. Die Kleine scheint sich nur zu rühren, wenn gerade keiner da ist. Als hätte sie Angst, die geringste Bewegung könnte ihr zum Verhängnis werden.

    Ich bin so gut wie jede Minute bei ihr, doch ich rede nicht mehr. Sie antwortet sowieso nicht. Wölfchen liegt auf dem Bett. Bent und Cara haben das Chaos, was ich angerichtet hatte, beseitigt und waren dabei so leise gewesen, dass man hätte meinen können, sie hätten Angst davor, Lärm zu machen. Alles für Tyree. Alles dafür, dass sie merkt, dass sie keine Angst mehr haben muss.

    Wie heuchlerisch das selbst in meinen Ohren klingt. Mein Menschenmädchen soll keine Angst mehr haben, ist aber in einem Haus voller Elfen, die für sie, jetzt mehr denn je, das Böse schlechthin sind. Ich habe sie verloren. Ich hatte sie nie. Ich hätte Ty auf dem Hof lassen sollen. Irgendwie hätte ich es geschafft, ihr auch dort zu helfen. Ich bin nicht besser als der menschenhassende Rest meines Volkes.

    Die Tür zu meinem Zimmer steht offen und meine kleine Schwester kommt rein. Sie hat ein neues Tablett mit Essen und stellt es mittig zwischen Ty und mich, das alte nimmt sie wortlos wieder mit.

    Als wir meinem Mädchen das erste Mal etwas zu essen hingestellt hatten, war sie gerade eingeschlafen. Nur Minuten später war sie wie aus einem Albtraum aufgewacht und so heftig in Panik verfallen, dass ich kurzzeitig nicht wusste, ob ihr Herz - und auch meins - das verkraften würde.

    Ihr Blick war voller Panik von dem Tablett zu mir geflogen und es hatte eine Weile gedauert, bis ich verstanden hatte, dass es kein Albtraum, sondern die Tatsache, dass sie eingeschlafen gewesen war, die ihr Angst gemacht hatte. Und noch dazu hatte sich ihr jemand genähert, als sie geschlafen hatte und somit wehrlos gewesen war. Seitdem stellen wir das Tablet auf sichere Entfernung ab und kommen oder gehen nur, wenn sie wach ist.

    Allerdings schläft Ty kaum. Es sind immer nur Momente, in denen sie die Augen schließt. Jedes Mal schreckt sie hoch, wenn sie bemerkt, dass es passiert ist und jedes Mal tut es mir selbst weh, weil sie solche Angst hat.

    Sie ist blass und krank und blutverschmiert und sie lässt niemanden an sich ran. Gemeinsam mit meinen Geschwistern habe ich überlegt, sie einfach zu nehmen und wenigstens zu baden und vor allem ihr ihre Medizin zu geben. Doch sie haben mir abgeraten, denn es würde Ty nur noch mehr Angst vor uns machen. Ich muss ihnen zustimmen, aber es stört mich, dass mein Mädchen so elend aussieht.

    Irgendwas muss ich doch tun können?!

    „En?" Cara ist wieder da und winkt mich zu sich, als ich aufschaue. Kurz fliegt mein Blick zu Tyree zurück, doch ihrer ist, wie die ganze Zeit schon, nach draußen gerichtet. Ich stehe auf und folge meiner Schwester in mein eigenes Zimmer. Sie lehnt die Tür hinter sich an, während ich mich auf meinem Bett niederlasse.

    Bent ist auch da und ergreift das Wort. „Wir müssen endlich rausfinden, wer es war, meint er und sagt damit nur, was wir schon die ganze Zeit vorhaben. „Das mit Ty kann nicht so weitergehen. Sie muss sehen, dass der Schuldige seine Strafe bekommt, dann wird sie vielleicht wieder offener.

    „Sie wird immer kränker und schwächer, stellt Cara Tatsachen fest. „Wir müssen an sie rankommen, um ihr helfen zu können.

    „Vielleicht sollten wir es doch einfach machen, schlägt Bent leise vor. „Ich könnte es tun. Ich könnte sie einfach nehmen und ins Bad bringen und ...

    „Sie würde jegliches Vertrauen in dich verlieren, unterbreche ich ihn. „Wenn da überhaupt noch welches ist. Du hast selbst gesagt, dass sie das nur noch mehr verängstigen würde.

    „Hab ich. Aber sie würde nur mehr Angst vor mir bekommen. Vielleicht könnten wir es so hinkriegen, dass du ihr Retter wirst, erklärt er weiter und setzt das Retter in imaginäre Anführungszeichen. „Vielleicht vertraut sie dir dann wieder mehr, wenn sie sieht, dass du sie vor uns in Schutz nimmst, verstehst du?

    „Das ist eine dämliche Idee, wehrt Cara ab. „Wir drei sind die Einzigen, die überhaupt einen guten Draht zu ihr hatten. Wenn wir deinen Plan umsetzen, würden wir es nur schlimmer machen als es ohnehin schon ist.

    Bent nickt, weil er weiß, dass es stimmt. „Aber was können wir sonst noch tun?" Sein Blick fliegt zwischen Cara und mir hin und her.

    „Gibt es noch andere Leute, denen sie vertraut? Draußen vielleicht? Andere Menschen, meine ich", fragt Cara und sieht mich an.

    Ich kann nur mit den Schultern zucken. „Kein Plan. Sie redet ja nicht mit mir."

    „Aber hat sie nie was gesagt?"

    Meine Gedanken schweifen zurück und ich gehe unsere Gespräche durch. Mir fällt niemand ein. Nicht mal jemand, den sie nur mit Namen erwähnt hat und der noch lebt und hier wäre, um ihr zu helfen. „Ich weiß es nicht." Ich vergrabe das Gesicht in den Händen und merke, wie ich resigniere.

    „Lebt sie ganz allein?", will Bent jetzt wissen.

    Ich hebe den Blick zu ihm. „Ja."

    „Wo?"

    „Am anderen Ende der Stadt, bei den Bauernhöfen."

    Bent runzelt die Stirn. „Dort lebt noch jemand. Eine alte Frau. Hat sie Kontakt zu ihr?"

    „Keine Ahnung. Da lebt jemand?"

    „Ja. Zumindest hat sie dort vor knapp zwei Jahren noch gewohnt."

    „Woher weißt du das?", frage ich, weil Bent sie nie erwähnt hat.

    „Ich habe Kontakte. Aber wenn die Alte noch da ist, kennt sie Ty vielleicht und vielleicht können wir sie überreden, uns mit der Kleinen zu helfen."

    „Das ist einen Versuch wert, baut sich Cara ein. „Wollen wir das machen?

    „Ich glaube zwar nicht, dass wir sie überhaupt finden, aber was haben wir noch für eine Chance, gestehe ich ein. „Was machen wir mit Ty? Ich lasse sie nicht allein hier!

    „Ich lasse Rike hier und Wölfchen sollte auch bleiben", erklärt Bent.

    „Ich bleibe auch", fügt Cara an.

    Meine Augen verengen sich. „Das letzte Mal waren es auch zwei Wölfe und ein Wächter. Wölfchen ist kein Schutzwolf und du kein Krieger, Cara. Nehmt es mir nicht übel, aber das ist mir zu wenig."

    „Ich möchte auch helfen", kommt es von der Tür her und alle Blicke richten sich auf Bay. Niemand hat ihn kommen gehört, doch er steht in der Tür und wirkt, untypischerweise für ihn, etwas eingeschüchtert. Wieder baut sich Wut in mir auf, die ich jedoch sofort runterkämpfe. Ty hat gesagt, er war es nicht und ich glaube ihr. Außerdem - und das ist mir auch erst später klargeworden - hat der Angreifer ja Clear, Bays Wolf, getötet. Kein Elf tötet seinen eigenen Wolf. Keiner.

    Er macht einen Schritt in den Raum und richtet sich auf. „Bitte. Ich möchte helfen."

    „Warum denn?!, entfährt es mir scharf. „Du kannst sie ja nicht mal leiden!

    Seine Augen fixieren mich. „Mag sein, dass ich kein solcher Menschenfreund bin, wie ihr es seid. Aber wer auch immer sie angegriffen hat, hat Cleary getötet! Und damit jede Loyalität zu mir verloren!"

    Bent mustert unseren Bruder kurz, dann schaut er mich an. „Er wäre eine gute Unterstützung."

    Mir gefällt das nicht. Aber ich weiß zeitgleich, dass wir ihn brauchen. Das Argument mit seinem Wolf stimmt. Elf und Elbwolf haben eine so starke Bindung, wer auch immer einen Wolf tötet, hat seinen Besitzer ein Leben lang gegen sich. Andersherum jagen auch Wölfe den Mörder ihres Herren. Es ist wie eine Urschuld, dem jeweils anderen gegenüber.

    „Cara und die Wölfe werden dich im Auge behalten. Denke also nicht, du wärst sicher! Und dein Platz ist vor der Tür auf dem Flur! Du kommst ihr keinen Schritt zu nahe, verstanden?!", knurre ich Bay an und er nickt zustimmend.

    „Gut. Wir sollten gleich los. Ty braucht so schnell wie möglich Hilfe und je schneller sie auf den Beinen ist, desto schneller können wir planen, was die Sache angeht", beschließt Bent und ich erhebe mich unwillig. Ich will die Kleine nicht allein lassen, aber es macht mich mürbe, nichts zu tun.

    Mit der Sache meint Bent die Organisation, die es wohl schon irgendwo gibt. Die, die sich um die Menschenrechte bemüht. Mit Tys Argumentationsgeschick könnten wir vielleicht einige auf unsere Seite ziehen und die Organisation, wo auch immer sie sich aufhält, unterstützen.

    So ganz grün bin ich mit dem Thema nicht. Es würde mein Mädchen sicher wieder in Gefahr bringen, wenn sie draußen rumläuft und andere Menschen oder ganz und gar andere Elfen aufsuchen soll, um sie zu überzeugen. Aber Bent hat sich das in den Kopf gesetzt, wie es aussieht.

    Bay folgt uns auf den Flur und lehnt sich gegen die Wand neben der Tür. Bent lässt Rike bei ihm, während Wölfchen bei Cara in meinem Zimmer bleibt. Gemeinsam mit meinem großen Bruder mache ich mich auf den Weg und bete zu allen Göttern, dass meinem Mädchen in meiner Abwesenheit nichts passiert.

    1

    Heute sind viele Leute unterwegs und wir werden oft mit höflichen Gesprächen aufgehalten. Die Tatsache, dass wir keine Waffen tragen, sorgt für Verblüffung. Wir haben sie jedoch willentlich nicht dabei, denn es würde die Alte, wenn wir sie denn finden, nur verängstigen.

    Auf dem Weg durch die Stadt fielen mir noch zwei Zwerge ein, die Ty aufgesucht hatte. Die Frau haben wir aber nicht angetroffen und der Medizinhändler hat uns, wie erwartet, nur grimmig gemustert und dann abgestritten, dass er Ty kennt. Ich habe im Gefühl, dass es bei allen so sein wird, die wir nach ihr fragen.

    Allerdings will jeder von uns wissen, warum wir ohne Waffen unterwegs sind. Wir schaffen es mit vagen Antworten immer heraus. Es ist unüblich, dass unser Volk ohne Bogen oder Schwert unterwegs ist. Es könnte ja immerhin jederzeit einen Grund zur Verteidigung geben - oder zum Schlachten.

    Da Ristan mit dem einzigen Auto unterwegs, das unsere Familie besitzt, müssen wir laufen. Zu Tys Hof ist es schon weit, ich kann nur hoffen, dass die Alte nicht noch weiter weg wohnt. Gegen Mittag kommen wir endlich auf der Hauptstraße im Dorf an und sofort kommen Erinnerungen an meine erste Begegnung mit meinem Mädchen in mir hoch.

    Wir passieren auch die Baumgruppe, hinter der ihr Hof liegt. Mein Blick huscht durch das Gehölz und ich erkenne, dass dort noch alles in Ordnung ist. Bent folgt meinem Blick und tippt mich an, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er nickt nur kurz fragend in die Richtung und ich signalisiere ihm wortlos, dass es Tys Hof ist.

    Er reagiert nicht weiter und führt mich stattdessen Richtung äußeren Rand der Ortschaft. Auf halben Weg dorthin kommen uns drei Männer entgegen. Alle drei sind schwer bewaffnet. Sie lachen und scheinen zufrieden mit sich. Bent hält einen auf. Es ist Duan, einer unserer Ausbilder im Schwertkampf.

    „De. Was wollt ihr denn hier draußen?", fragt er und ich höre den Argwohn in seiner Stimme.

    Duan lacht und deutet hinter sich. „Uns ist zu Ohren gekommen, dass hier ein paar Menschen leben. Wir dachten, wir kümmern uns nur mal eben drum."

    Bents Blick fliegt zu mir, doch bevor er etwas sagen kann, fragt Ducan, Duans kleiner Bruder: „Und was wollt ihr hier? Wo sind eure Waffen?"

    „Die haben wir nicht dabei. Hier leben Menschen?", weicht Bent aus und richtet seinen Blick auf den jungen Elfen.

    „Ja. Na ja, jetzt nicht mehr. Jetzt verrotten sie hier." Er lacht gehässig auf und ich habe Mühe, meine Wut nicht zu zeigen.

    „Es war nur eine alte Frau. Aber die war ganz schön widerspenstig, fügt der Dritte, Zac, an. Er grinst breit und meint dann: „Spaß hat’s trotzdem gemacht.

    Ich höre mich knurren und alle Blicke richten sich auf mich. „Können wir weiter?", frage ich genervt Richtung Bent, der mit zusammengekniffenen Lippen nickt.

    „Wo soll’s denn hingehen?", will Ducan wissen und wippt selbstgefällig auf den Absätzen, vor und zurück. Dafür, dass es nur eine alte Frau war, sieht er ganz schön mitgenommen aus. Auch die anderen beiden haben Kratzer im Gesicht und an den Armen. Ich will lieber nicht wissen, was sie mit ihr gemacht haben, bevor sie sie getötet haben.

    „Nach Liaèn, lügt Bent und meint damit die Nachbarstadt. „Ristan hat den Wagen, deshalb laufen wir, beugt er Nachfragen vor.

    „Na dann viel Spaß", grinst Duan.

    Bevor wir uns trennen können, kommt eine unerwartete Frage von dem kleinen Ducan. „Wie geht’s deinem Spielzeug, En?", will er wissen und grinst so hämisch, dass meine Wut ausbricht.

    „Was geht’s dich an?!", gehe ich ihn an und sein Grinsen wird breiter.

    „Ich habe gehört, jemand hat’s ihr mal so richtig besorgt?, fragt er weiter, dann steht Bent vor mir und hält mich zurück. „Hat sie schon erzählt, wie es war?, hakt der arrogante Jungelf selbstgefällig nach.

    Meine Hände zittern, so wütend bin ich. „Warst du es etwa?!", fahre ich ihn an und verpasse Bent einen Hieb vor die Brust, damit er mich loslässt, doch er tut es nicht.

    „Mein Bruder ist doch immer noch Jungfrau", lacht Duan dazwischen und verpasst dem Jungspund einen Schlag auf die Schulter.

    Ducan verzieht das Gesicht, schweigt aber.

    „Lass uns weitergehen, En", spricht jetzt wieder Bent mit mir und ich atme durch.

    „Ja. Sonst bringe ich hier noch jemanden um."

    „Ohne Waffen?", feixt Ducan und Zac lacht auf.

    „Ohne Waffen!", knurre ich nur zurück, doch sie lassen sich nicht einschüchtern.

    „Los jetzt." Bent greift meinen Arm fester und zieht mich dann mit sich und weg von den Dreien. Ich hätte alle mit links erschlagen.

    „Du kannst nicht alle umbringen", erinnert mein Bruder mich.

    „Aber wenn, dann verfehle ich auch den Richtigen nicht", wiederhole ich die Antwort, die er schon mal auf diese Aussage bekommen hat.

    Er schüttelt nur den Kopf und zieht mich weiter.

    Wir erreichen ein verfallenes Haus und ich weiß sofort, dass wir keinen Erfolg mehr haben werden. Schon bis vor die Tür, kann ich das Blut riechen und bin mir sicher, dass dort keiner überlebt hat. Bent geht trotzdem rein und ich folge ihm.

    In einem Raum, der wohl mal das Wohnzimmer war, bleibt er wieder stehen und reibt sich kurz das Gesicht. Mein Blick folgt seinem zu dem leblosen Körper am Boden. Sie haben die Alte übel zugerichtet und wenn man es nicht weiß, würde man nicht mehr sehen, dass sie mal ein Mensch war.

    Ihr Gesicht ist vollkommen zerschlagen und ihr fehlen Gliedmaßen, die unweit entfernt liegen. Jemand hat ihr die Ohren abgeschnitten und sie der Alten auf die Brust gelegt. Es ist eine barbarische Neigung der Jäger und sie zeigen damit ihren Hochmut und ihre Überlegenheit an. Frei nach dem Motto - Seht her, ich habe einen Menschen getötet. Laut ihren eigenen Aussagen tun sie das, noch während der Mensch lebt, damit er die Qualen ertragen muss.

    Ich wende den Blick ab und schäme mich unsäglich für mein Volk. Natürlich wusste ich, dass die Jäger töten. Ich wusste auch, dass sehr wahrscheinlich die Mehrzahl ihrer Opfer unschuldig ist. Und ich hatte von den Methoden gehört, die die Jäger anwenden. Gesehen, habe ich das alles nie.

    Ich habe nie einen Menschen gesehen, der hingerichtet wurde. Ich habe nie jemanden übergeben, auch wenn ich es vielen angedroht habe. Diese Drohungen bereue ich in diesem Moment zutiefst, weil ich nie eine Ahnung davon hatte, vor was die Menschen genau fliehen. Vor uns, ja. Aber dass sie das hier erleiden müssen, war mir nie in den Sinn gekommen.

    Auch dafür schäme ich mich. Weil ich einfach nie darüber nachgedacht habe. Ich spüre Bents Blick auf mir und hebe den Kopf, um ihn anzusehen.

    Er nickt zu der Alten am Boden. „Sieh hin, sagt er ruhig, doch ich schüttle den Kopf. Er dreht sich komplett zu mir und verschränkt die Arme vor der Brust. „Was hast du gedacht, tun die Jäger?, fragt er und verengt die Augen.

    Ich hebe kurz die Schultern. „Jagen", antworte ich ziemlich kleinlaut.

    „Du hast nie drüber nachgedacht, wie sie es tun, stimmts?"

    Wieder schüttle ich nur den Kopf.

    „Vielleicht verstehst du meine Einstellung jetzt."

    „Ich habe dich auch vorher verstanden."

    „Dann hoffe ich, dass du jetzt vollends auf meiner Seite bist, gibt er an und lässt die Arme sinken. „Das machen die Jäger mit fast allen Menschen. Er deutet hinter sich auf den Boden. „Die wenigsten haben das Glück, einen schnellen Tod zu sterben. Mit Ty hätten sie sicher noch andere Sachen gemacht", fügt er unnötigerweise an, was mich wieder wütend werden lässt.

    „Hör auf, sie ständig vors Loch zu schieben!", knurre ich und werfe ihm einen bösen Blick zu. Dass er die Tyree-Karte immer wieder ausspielt, macht mich rasend. Er weiß, dass er mich damit trifft und er muss ebenso wissen, wie sehr.

    „Aber es ist so. Ich will, dass du begreifst. Das hier war aber so nicht geplant. Ich hätte nicht mal gedacht, dass wir sie finden. Sein Blick fliegt wieder zu der Alten und wird traurig. „Sie war wirklich nett.

    „Was machen wir jetzt?", frage ich und habe Mühe, meine Stimme fest zu halten.

    Bent zuckt nur mit den Schultern. „Wir gehen zurück. Hier gibt’s keine anderen Menschen mehr und ich wüsste nicht, ob um Liaèn herum noch welche sind, die Ty kennen könnten. Ich kenne dort zumindest keinen."

    „Wie viele kennst du überhaupt?", will ich jetzt wissen. Es macht mich nachdenklich, dass er einige Kontakte hat, von denen wir bisher nicht mal was geahnt haben. Schon allein die Tatsache, dass er von Städten spricht, die sich zusammenschließen. Ich meine, es war irgendwo klar, aber je mehr ich mit Bent darüber rede, desto klarer wird, wie groß das Ganze schon zu sein scheint.

    „Nicht so viele wie du vielleicht glaubst, wehrt er trotzdem noch ab. Und ich weiß er tut es aus Vorsicht. „Aber genug. Komm, wir hauen ab.

    Mein Blick fliegt doch noch mal zu der Alten, während meine Kiefer mahlen. Sie sollte uns helfen und jetzt haben wir niemanden mehr. Die Überheblichkeit ihrer Schlächter macht das Ganze noch schlimmer. Ich hätte viel früher auf Bent hören sollen! Aber nein, da muss erst ein Menschenmädchen kommen, in das ich mich verliebe und selbst das hat nicht gereicht. Zwei Vergewaltigungen mussten es sein, um mich wachzurütteln!

    Bei allen Göttern, wie blind war ich eigentlich! Ich wende den Blick ab und folge meinem Bruder auf die Straße. „Es tut mir leid, entschuldige ich mich bei ihm und im Stillen auch bei der Alten und allen Menschen, die unschuldig leiden mussten oder müssen. „Ich war ein Idiot.

    Bent nickt nur. Normalerweise wäre jetzt eine Spitze gekommen, dass ich das nicht extra erwähnen bräuchte oder etwas in der Art, doch sein Ausdruck bleibt ernst und ich spüre, dass im Moment alle Last der Welt auf uns beide zu drücken scheint. Gerne würde ich der Alten ein angemessenes Begräbnis bereiten, doch da die drei Jäger uns gesehen haben, würde es auffallen. Also bleibt uns nichts weiter übrig, als sie zu lassen wie und wo sie ist.

    „Können wir auf Tys Hof vorbeischauen? Ich würde gern sehen, ob ich ein paar ihrer Sachen mitnehmen kann. Vielleicht ist was dabei, dass ihr hilft, sich besser zu fühlen."

    Bent nickt und wir machen uns auf den Weg.

    An der Mauer, die das kleine Gut umgibt, halten wir wieder an. Ich, weil ich ein bisschen Hemmungen habe, es zu betreten und Bent, weil ich anhalte.

    „Das ist ihr Hof?", fragt er und wirkt ungläubig.

    „Jupp."

    „Der ist winzig. Ich dachte, er wäre größer."

    „Es war ihr anscheinend genug", stelle ich fest. Es ist wirklich der kleinste Hof von allen. Ich erinnere mich, dass sie erzählt hat, ihr Vater hätte einen gekauft gehabt, der diesem hier ähnlich war. Wenn der auch so klein gewesen ist, und dass für sechs Personen, dann kommt Bents winzig sehr gut hin.

    „Na dann lass uns mal reingehen", meint er und läuft los. Jedoch nicht weiter als einen Schritt, dann prallt er, Gesicht voran, gegen den Schutzwall. Ich kann nicht anders und pruste los, während er sich verwirrt und mit schmerzverzerrtem Gesicht die Stirn reibt. Sein Blick ist grimmig, als er mich ansieht.

    „Sorry, schaffe ich zu sagen und bekomme dabei kaum Luft. „Aber das war herrlich.

    „Arschloch", kommt es gebrummt bei mir an.

    „Du wusstest doch, dass er geschützt ist", lache ich und atme dann tief durch.

    „Ja, schon. Aber ich dachte vielleicht nur das Haus selbst. Und da Ty jetzt bei uns ist, war ich der Meinung, der Schutz wäre gebrochen." Er lässt die Hand von der Stirn sinken und betrachtet das Haus nachdenklich.

    „Ist er nicht", feixe ich ihn an und trete näher. Testweise hebe ich eine Hand und strecke sie aus. Auch ich komme nicht weiter, als bis zur Mauer.

    Bents Blick wird verwirrt. „Ich dachte, du warst schon drin."

    „War ich. Ich muss lächeln. „Schlaues Mädchen, meine Ty. Ich drehe mich um und gehe zum Waldrand, wo ich sechs Blätter von einer Weide sammle. Zurück bei meinem Bruder ziehe ich mein Messer. Ein Stich und auf drei Blättern glänzt mein Blut. „Jetzt du."

    „Das ist wirklich Blutmagie?", fragt er und verzieht das Gesicht. Ich werfe ihm nur einen Blick zu. Er hebt die Hand und kurz darauf ist sein Blut auf den anderen drei Blättern.

    „Dreh dich um", weise ich ihn an, denn ich will Tys Schutz nicht gänzlich verraten. Auch wenn ich Bent vertraue. Er folgt der Aufforderung aber bereitwillig und wendet sich ab. Die drei alten Blätter mit meinem Blut sind vertrocknet und ich kann mir denken, dass der Schutz mich deshalb wieder aussperrt.

    Sie hat mich nicht ganz in den Schutz integriert. Ob sie es heute tun würde? Sicher hätte sie das Versteck auch wieder geändert. Ich lege die sechs Blätter in den kleinen Hohlraum und verschließe ihn sorgfältig, dann trete ich zurück und tippe Bent an.

    Er dreht sich um und zieht die Brauen hoch. „Jetzt können wir rein?"

    „Nach dir." Ich grinse und hebe die Hand, um ihm den Vortritt zu geben. Mit argwöhnischem Blick nähert er sich der unsichtbaren Wand und streckt eine Hand aus. Sie trifft nicht auf Widerstand, also schiebt

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