Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Phönix Band 3: Feuerschwingen
Phönix Band 3: Feuerschwingen
Phönix Band 3: Feuerschwingen
eBook362 Seiten4 Stunden

Phönix Band 3: Feuerschwingen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wird ein Phönix getötet, stirbt er eines wahrhaftigen Todes und wird aus seiner Asche nicht mehr neugeboren. Ty dachte, Ryél wäre sicher, doch nun kämpft sie erneut um ihr Leben.

Derweil sieht Said kaum noch Möglichkeiten, einen Kampf zu verhindern. Unterstützung von Elfenstädten könnte das Blatt wenden. Doch welcher Regent würde sich gegen sein eigenes Volk stellen, indem er sich zu den Menschen bekennt?

Ein Kampf ums Überleben, einer um Freiheit, einer um eine Liebe, die in diesem alten System nie akzeptiert werden würde. Können Ty und ihre Freunde diese Kämpfe gewinnen und endlich eine Wende in der Welt schaffen?

- Die Elfen haben die Welt vor der Menschheit gerettet. Nun ist es an uns, die Menschheit zu retten. -
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum22. Sept. 2019
ISBN9783750206465
Phönix Band 3: Feuerschwingen
Autor

Stefanie Worbs

Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Mitteldeutschland und ich lebe noch immer dort. Schon als Teenager schrieb ich Gedichte und kurze Texte. Diese wurden zu Kurzgeschichten und schlussendlich zu Büchern. Wer träumt nicht von einer Welt, in der man die eigenen Probleme beiseite schieben kann?

Mehr von Stefanie Worbs lesen

Ähnlich wie Phönix Band 3

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Phönix Band 3

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Phönix Band 3 - Stefanie Worbs

    Prolog

    Enyo

    Bis auf das stetige Piepen ist es totenstill im Raum. Wobei es totenstill, wirklich gut trifft. Hier im Raum lebt nur eine Person richtig, auch wenn ich lieber auf dem Pflaster vor dem Tower aufgeschlagen wäre. Hätte ich gewusst, dass ich hier sitzen würde, am Bett meines Mädchens und sie Tag für Tag so sehen muss ... ich wäre lieber an jenem Tag mit ihr gestorben.

    Jede Nacht träume ich davon. Ich träume, wie sich Tys und mein Blick das letzte Mal treffen. Ich träume, wie ich ihr sage, dass ich sie liebe. Im Traum erwidert sie es. Damals hat sie es nicht getan und ich bin überzeugt, sie hat es nicht mal mehr gehört. Ich hoffe, sie hatte keine Schmerzen. Ich hoffe, sie war bewusstlos und ist ruhig gegangen.

    „En?" Cara ist wieder da. Sie ist schon eine Weile in der Stadt. Wie lange, kann ich nicht sagen. Auch Ristan ist hier und seltsamerweise auch alle seine Krieger. Ich hab nie drüber nachgedacht, warum. Er hat die Stadt nicht eingenommen, denn hier laufen menschliche Ärzte ein und aus. Ich erinnere mich dunkel, dass Bent was erzählt hat, Ristan wäre in Frieden gekommen. Aber was interessiert mich das?

    Ristan war hier. Ein einziges Mal. Und bei diesem einem Mal, ich schwöre, ich hätte ihn in Stücke gerissen, würden sie mich aus diesem Raum hier rauslassen. Aber die Türen sind versperrt und man kommt nur mit Code rein oder raus. Den habe ich nicht, weil anscheinend alle draußen Angst vor mir haben.

    „En, ich habe dir Essen mitgebracht." Cara stellt ein Tablett auf den Boden neben mich. Im Raum gibt es keine anderen Möbel mehr. Nur Tys Bett, das fast auf den Boden nach unten gelassen wurde - irgendwann nachts, als ich daneben eingeschlafen war. Ich halte ihre Hand und lasse sie nur dann los, wenn es wirklich nicht anders geht. Nicht mal im Schlaf lasse ich es zu, dass sie mir entgleitet.

    „Möchtest du was essen?", fragt meine kleine Schwester sanft.

    „Verschwinde."

    „Brauchst du irgendwas?"

    „Cara, bitte geh einfach." Ich bin unendlich müde.

    Ihre Schritte verklingen langsam, als sie endlich geht und mich mit meinem Mädchen wieder allein lässt. Erneut schmerzt mir nur das Piepen der Monitore in den Ohren. Aber ich kann nicht. Ich kann die Maschine nicht abschalten.

    1

    Bent

    „Wir brauchen mehr Leute! Mehr Krieger! Wenn Leodrín und Kattár sich wirklich zusammentun, haben wir wieder das gleiche Problem, wie mit Xhol und Quath!"

    „Glaubst du, das sehe ich nicht, Bent!, fährt Saiden mich ebenso an, wie ich ihn. „Wir haben hunderte unserer Leute verloren gegen Xhol und Quath! Wir haben Oterwa verloren! Wir haben zwei Clans und zwei Elfenkreise verloren, Bent! Ich weiß, dass wir Leute brauchen! Aber ich kann sie nun mal nicht aus einem Hut zaubern!

    Ich vergrabe das Gesicht in den Händen und lasse mich an die Stuhllehne sinken. „Wir gehen unter, Said."

    „Nein. Werden wir nicht, gibt er mir standhaft zurück. „Der Schutz um die Stadt ist stärker denn je und die Versorgungslinien halten. Wir müssen aber einen Weg finden, die freien Menschen dazu zu bekommen, uns zu helfen. Wir müssen sie für unsere Sache gewinnen.

    „Und dann? Resigniert lasse ich die Hände in den Schoß fallen. „Lass es ein paar hundert Menschen sein, die da draußen im Land sind. Wie willst du sie finden? Und nehmen wir an, wir können alle aufspüren und überreden, herzukommen, es wären noch immer zu wenige.

    „Was ist denn mit den anderen Völkern?, will Bay wissen. „Wann kommen deren Botschafter zurück?

    Das interessiert mich aber auch. Fast alle Botschafter, die in Ryél anwesend waren, sind nach dem ersten Sturm von Xhol und Quath gegen uns, in ihre jeweilige Heimat aufgebrochen. Die Mehrzahl von ihnen versprach, Hilfe zu ersuchen. Das war vor drei Monaten. Bisher ist nicht einer zurückgekehrt und wir mussten zwei weiteren Angriffen standhalten. Beim letzten verloren wir den zweiten Elfenkreis. Jetzt haben wir nur noch einen und von den Hexenzirkeln und Clans, nur noch die beiden Clans der Aleárth. Die alten und die ná Aleárth und einen kleinen Teil von Magerys Zirkel.

    Wir sind so was von am Arsch.

    „Ich weiß es nicht, antwortet Saiden meinem kleinen Bruder. „Die letzte Nachricht kam von den Nachtwandlern. Sie beraten noch. Ihre Unterstützung ist uns sicher, doch sie müssen eine Lösung finden, wie sie an genügend Nahrung kommen, sollten Kämpfe ausbrechen.

    „Wir wäre es mit unseren Feinden, wirft Ristan höhnisch ein. „Davon gibt’s schließlich genug.

    „Das habe ich ihnen auch gesagt, lächelt Saiden schief zurück. „Allerdings geht es auch um den Weg hierher. Sie können während der Reise nur wenig trinken und wenn dann vorwiegend von Tieren. Das schwächt sie. Wenn sie hier sind, haben sie keine Nahrungsquelle mehr, denn sie können nicht von uns trinken. Wir brauchen unsere Kräfte. Auch Blutspender gehen nicht, weil wir eben jeden Mann brauchen.

    „Das Problem muss doch schon länger bekannt sein, oder etwa nicht? Ich meine, wie lange planen sie denn schon, euch zu helfen?", fragt Ristan argwöhnisch.

    „Es ist bekannt. Und das schon von Anfang an. Bisher haben wir aber keine Lösung gefunden. Wenn du eine hast, dann immer raus damit. Allerdings muss ich eingestehen, dass wir nie an Kämpfe in so großem Ausmaß dachten. Wir wollen keinen Krieg, deshalb greifen wir auch nicht an. Kampfhandlungen in großem Stil bedeuten leider auch viel mehr Aufwand und wir wussten schon immer, dass wir das nicht leicht bewältigen können. Dafür sind wir einfach zu wenige."

    „Warum waren die Botschafter dann überhaupt hier, wenn sie keine Unterstützung in einem Kampf sein können?", hakt Ristan weiter nach.

    Saiden seufzt. „Eben weil wir Frieden wollen. Sie waren hier, um darüber zu verhandeln. Rechte für die Menschen und vor allem Freiheit. So wollen wir es mit jedem Volk machen. Keine Angriffe, um Überlegenheit zu zeigen, sondern Gespräche, um eine Einigung zu finden, die für alle Seiten akzeptabel ist. Dass die Nachtwandler uns in einem möglichen Kampf unterstützen wollen, ist ihre freie Entscheidung und keine Sache von Allianzen."

    Ristan brummt, weil ihm diese Information offensichtlich nicht gefällt. Aber er ist eben ein Krieger. Krieger reden nicht, sie kämpfen.

    Die Tür geht auf und Cara betritt den Raum. Sie lässt einen Diener vorbei, der Essen für uns bringt.

    „Hey Schwesterchen." Bay nimmt sie kurz in den Arm und stiehlt sich dann ein Sandwich vom Servierwagen.

    „Hey Jungs."

    „Warst du bei En?", will ich wissen, denn ihre Aura ist trüb wie immer, wenn sie ihn und Ty besucht hat.

    Sie nickt traurig. „Keine Besserung."

    Ich seufze. „Wir müssen uns was mit ihm einfallen lassen. Das kann nicht ewig so weitergehen."

    „Er wird sie nicht verlassen. Er hat’s ihr versprochen", meint Bay und das Sandwich landet auf dem Tisch, wo es unbeachtet liegen bleibt.

    „Ty könnte aufwachen. Das würde alles ändern", meint Cara hoffnungsvoll.

    Saidens Blick trifft meinen. Er denkt das Gleiche wie ich. Seit dem Abend, an dem alles geschehen ist, hat Tys Herz fünfmal ausgesetzt. Sie hat es viermal selbst geschafft, sich wieder zu gefangen, doch vor zwei Wochen, beim fünften Aussetzer, hatte sie nicht genug Kraft und seitdem hängt sie komplett an Maschinen, die sie am Leben halten. Ab und zu testen die Ärzte, ob ihr Herz wieder allein schlagen würde, doch jedes Mal endet es in einem fürchterlichen Wutausbruch von En, weil es nicht einen Schlag von selbst tut.

    Mein kleiner Bruder ist nicht mehr er selbst. Er ist nur noch eine Anwesenheit im Krankenzimmer des Mädchens, dass der Mann, der er mal war, immer noch liebt.

    Wir wollten die Maschinen ausschalten und Ty gehen lassen, doch En hat Bay, der ungünstigerweise zu nah bei ihm stand, bis aufs Blut verprügelt und sogar die Sicherheitsscheibe, die hart wie Stahl ist, hat jetzt einen Riss. Cara ist die Einzige, die sich noch in den Raum traut. Und zwei Ärzte, die En sicher nur gewähren lässt, weil sie sich um Ty kümmern.

    „Die Hölle", kommt es mir über die Lippen.

    „Was ist damit?", will Bay wissen.

    „Das muss es für En sein. Ich halte es schon kaum aus, die Kleine so zu sehen, aber er? Scheiße. Er liebt sie dermaßen, er würde sofort mit ihr tauschen."

    „Wer würde das nicht, für die Person, die er liebt", wirft Saiden ein.

    „Wir müssen doch irgendwas tun können", kommt es von Ristan. So sehr er die Menschen verachtet hat, grenzt es an ein Wunder, dass er nun hier sitzt, sie verteidigt und sich sogar Sorgen um einen einzelnen macht. Die Situation könnte nicht unwirklicher sein, da es ausgerechnet dieser einzelne Mensch, nämlich Tyree Aleárth, war, der meinen Bruder bekehrt hat.

    „Wir sollten Ty erlösen, hält Saiden fest, klingt aber überhaupt nicht überzeugt. „Er muss sie loslassen. Es wird nichts besser, solange er an diesem Bett sitzt und auf ein Wunder wartet.

    „Sie hat es viermal geschafft. Sie schafft es wieder." Cara klingt streng und duldet keine Widerworte.

    „Aber sie hat nie so lange gebraucht, entgegnet Bay ihr. „Vielleicht ist es ...

    „Schluss! Jetzt ist Cara wirklich wütend. Doch ihre Augen schimmern von Tränen. „Wenn das jemand entscheidet, dann Enyo! Und er will diesen blöden Knopf nicht drücken! Ty wird wieder aufwachen, klar?!

    Keiner erhebt Widerspruch. Cara würde ihn sowieso nicht hören. So wenig sie Ty kennt, hat sie sie doch wie eine Schwester ins Herz geschlossen. Ihr Blick triff noch mal jeden von uns, ist hart wie Granit, dann dreht sie ab und verschwindet wortlos.

    „Ich werd mal sehen, ob ich zu ihm durchdringe", lässt Bay verlauten. Er klopft mir auf die Schulter und humpelt dann davon. Der angebrochene Knöchel, den er En zu verdanken hat, verheilt zum Glück gut.

    2

    Enyo

    Was will der denn schon wieder? Bay ist hier und lehnt im Türrahmen. Näher traut er sich wohl nicht. Besser ist das, für seine Gesundheit.

    „Wie geht es dir?", will er leise wissen.

    „Erschieß mich, dann geht’s mir wieder gut."

    Bay atmet hörbar tief durch. „Und wie geht es Ty?"

    Wut sammelt sich in meinem Bauch und zeigt sich als Tränen in meinen Augen. „Sie ist tot, Basil!, knurre ich ihn an. „Falls du denkst, ich bin mir dessen nicht bewusst, weißt du es jetzt.

    „Wieso sagst du das? Ich meine, dass sie tot ist?"

    „Ihr Herz schlägt nicht mehr von allein. Ihre Lungen atmen nicht mehr von allein. Sie hat so gut wie keine Aura mehr. Und plötzlich lösen sich die Tränen in einem Schluchzer. „Bay. Mein Mädchen. Sie ist doch meine Ty. Meine Wut verraucht und von jetzt auf gleich ist da nichts mehr außer Schmerz. Genau an der Stelle, an der mein Herz schlägt, als würde es gleich bersten wollen. Meins rast und ihres kann nicht einen Schlag allein tun.

    Bays Hand legt sich auf meine Schulter, dann sitzt er neben mir, mit dem Rücken an das Bett gelehnt. „Kleiner Bruder. Was kann ich tun?"

    Ich schüttle den Kopf. Mein Hals ist zugeschnürt und es fühlt sich an, als wäre es Stacheldraht.

    „Glaubst du, sie fängt sich noch mal?", will er wissen und sein Blick trifft mich von der Seite.

    Ich kann nur Ty ansehen. Ich will, dass sie kämpft. Darum, dass ihr Herz es noch mal schafft, zu schlagen. Und darum, dass sie aufwacht. Doch wenn ich sie so sehe, sehe ich Schmerzen und Leiden für sie.

    Duan hat ihr wortwörtlich den Schädel zertrümmert. Ihre linke Gesichtshälfte musste rekonstruiert werden. Sie haben ihr eine Platte aus Metall in den Schädel setzen müssen, da wo ihre Schläfe ist. Ihr Kiefer war mehrfach gebrochen. Ihre Zunge halb abgebissen.

    In den vergangenen Monaten sind diese Wunden schon sehr gut verheilt. Das hat uns hoffen lassen, dass Ty es schafft. Die Ärzte hatten sie zu Anfang in ein künstliches Koma versetzt, damit ihr Körper mehr Ruhe hat, doch als sie sie aufwecken wollten, ist Ty nicht aufgewacht. Sie hat einfach weitergeschlafen.

    Ich strecke eine Hand aus und lege sie sachte auf ihren Unterbauch. Auch diese Verletzung hat eine große Wunde gerissen. Nicht nur in ihrem Körper, sondern auch in meiner Seele. Ich weiß noch, wie Duan sie dort geschlagen hatte, damit sie zu sich kam und sehen musste, wie ich aus dem Fenster gestoßen wurde.

    Als ich nach den ganzen OPs endlich zu ihr durfte, hat man mir dann eine der bis dahin schlimmsten Botschaften überbracht. Sie war schwanger gewesen. Meine Ty hatte ein Baby im Bauch. Doch Duan hat dafür gesorgt, dass es nie das Licht der Welt erblicken würde.

    Guenive meinte, sie habe davon nichts gewusst, obwohl sie Ty ja dahingehend untersucht hatte. Ich weiß genau, wann es nur passiert sein kann. Am Tag unserer Ankunft hier. Aber das ist nun nicht mehr wichtig. Duan hat es mir genommen. Er hat mir Ty und unser Baby genommen.

    „En? Was willst du tun?"

    „Was soll ich tun?", frage ich fast lautlos zurück.

    „Willst du hier sitzen bleiben?"

    Ich nicke.

    „Wie lange?"

    „Für immer. Wieder stößt ein Schluchzer aus meiner Kehle. „Ich kann sie nicht gehen lassen, Bay. Ich kann nicht leben, wenn ...

    „Vielleicht gibt es aber keinen anderen Weg, kleiner Bruder."

    „Sie könnte aufwachen."

    Bay nickt sachte, meint dann aber „Und wenn nicht? Sie würde ewig hier liegen. Alt werden und dann doch sterben. Sie würde nicht wollen, dass du neben ihr sitzt und dein Leben vergeudest."

    „Was ist es denn wert?"

    „Alles, En! Komm schon, man. Du könntest viel mehr Menschen helfen, wenn du loslässt. Ty würde das sicher wollen. Sie würde wollen, dass du kämpfst."

    „Für was denn? Ich wollte für sie kämpfen. Für unsere Zukunft. Die ist weg."

    „Dann kämpfe jetzt für Tys Ziele."

    Mein Blick trifft seinen. Ich sehe ihn nur verschwommen, weil meine Tränen mir noch immer die Sicht nehmen. Ohne Ty loszulassen, wischte ich mir die Augen an meinem Arm trocken. „Sie wollte, was ich wollte!, zische ich. „Sie wollte Frieden. Sie wollte leben. Was hat sie jetzt davon? Nichts von beidem!

    „Vielleicht kann sie den Frieden nicht mehr erreichen und vielleicht ist es auch für ein Leben mit dir zu spät. Aber du kannst für den Frieden aufstehen, En. Für den Frieden, den sie so sehr wollte. Den sie sich so sehr gewünscht hat. Was ist zum Beispiel mit ihrer Mum? Die ist noch irgendwo da draußen. Du kannst helfen, sie zu retten. Tu es für Ty. Ich bin sicher, dass sie es will."

    Mein Blick gleitet zurück zu meinem Mädchen. Es stimmt, was Bay sagt. Ty hat immer gesagt, sie wollte etwas tun. Sie wollte helfen. Als ich schlucke, merke ich, wie sich der Stacheldraht um meinen Hals etwas lockert. Tys Mum ist da draußen. Ganz sicher lebt sie noch. Ob ich sie finden kann? Ob ich sie überreden kann, herzukommen? Ob ich sie schützen kann, wo ich doch bei ihrer Tochter so kläglich gescheitert bin?

    „Denkst du, ich kann ihre Mum finden?", will ich wissen und beginne schon zu grübeln, wie man sie aufspüren könnte.

    „Warum nicht? Ty hat doch mal gemeint, sie wäre aus der Gegend hier. Vielleicht hast du sogar so großes Glück und sie ist schon in der Stadt."

    Ich schnaube, weil das zu viel des Guten wäre.

    Wieder klopft er mir auf die Schulter und steht dann auf. „Du solltest was essen und duschen, Dicker."

    „Ich lasse sie nicht allein."

    „Soll ich hierbleiben?"

    Wieder ziehe ich die Brauen zusammen und mustere Bay argwöhnisch.

    „Keine Sorge. Ich fasse nichts an. Und du bist ja nicht weit weg. Er deutet auf das Bad, das zum Zimmer gehört. „Also?

    „Ich höre alles, warne ich ihn und erhebe mich schwerfällig. Ich brauche eine ganze Weile, um mich zu überwinden, Tys Hand loszulassen. Schließlich schaffe ich es und lege sie sanft neben ihr aufs Bett. „Bin gleich wieder da, Kleine, verabschiede ich mich für höchstens zehn Minuten - länger werde ich ganz bestimmt nicht brauchen - gebe ihr noch einen Kuss auf die Stirn und beeile mich dann, damit ich sie nicht zu lange allein lassen muss.

    Während das Wasser auf mich prasselt, lausche ich auf alle Geräusche von draußen. Wenn Basil nur falsch atmet, werde ich ihn wieder grün und blau schlagen. Doch er überrascht mich, indem er leise anfängt zu sprechen. Da stehe ich unter dem Wasser und höre ihn mit Ty reden, als würde sie gesund und munter neben ihm sitzen.

    „Kleine, ernsthaft. Wenn du wüsstest, was hier abgeht. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Zwei Städte von draußen haben angegriffen und zwei weitere Städte sind unterwegs. Außerdem dreht dein Freund total durch. Basil kichert. „Wenn du die Augen aufmachen würdest ...

    Bei diesem Satz brennen meine Augen gleich wieder. Wenn sie es nur tun würde.

    „... würdest du sehen, dass er die komplette Einrichtung zerlegt hat. Das war ein Spektakel, sag ich dir. Hier sind alle ausgeflippt, weil sie Ens Ausbrüche noch nicht erlebt haben. Und Kleine, er hat jetzt Flügel. Wusstest du das? So richtig echte, aber irgendwie aus Feuer. Keiner hat sie bisher richtig gesehen, weil er immer gerade total am Austicken war. Sie kommen nur dann raus, glaub ich. Deine Augen würden leuchten, wenn du sie sehen könntest."

    Ich würde alles geben, um ihre Augen nur noch ein Mal leuchten sehen zu können.

    Bay verstummt kurz und als er erneut spricht, ist seine Stimme gedrückt. „Du fehlst uns, Kleine. Richtig doll sogar." Er atmet tief durch. „Das ist merkwürdig. Du warst für mich immer anstrengend. Großkotzig, besserwisserisch und einfach ein nerviges kleines Ding. Aber scheiße, Ty, du bist das großkotzigste, besserwisserischste, nervigste, aber auch das taffeste kleine Ding, das ich kenne.

    Du hast so viel weggesteckt. Bist so oft gefallen und immer wieder aufgestanden. Du hast deine Krankheit besiegt, weißt du das? Die Brandrose ist komplett verheilt. Du hättest im Dreieck Salti geschlagen, wärst du dabei gewesen, als der Arzt es verkündet hat. Kleine, komm schon. Du hast Duan dreimal geschlagen. Das kann’s doch jetzt nicht gewesen sein. Bist du doch nicht die kleine Kämpferin, für die ich dich halte?" Wieder verstummt er und ich kann quasi Tys Antwort hören.

    Natürlich bin ich eine Kämpferin! Schimpfst du mich etwa schwach?! Ich zeig dir gleich, wie schwach ich bin!

    Dann spricht Bay wieder. „Ich weiß, wir sind keine Freunde. Und ich weiß du schuldest mir rein gar nichts. Aber, Ty, ich habe eine Bitte an dich. Und ich schwöre dir, wenn du sie mir erfüllst, werde ich alles tun, was du jemals von mir verlangst. Nicht nur ein Mal, sondern immer.

    Bitte, Kleine, mach die Augen auf und komm zu uns zurück."

    Meine Knie geben nach und ich sinke in der Dusche zu Boden. Scheiße, Basil. Wie oft habe ich mein Mädchen in den vergangenen Wochen darum gebeten. Was habe ich ihr alles versprochen und nie hat sie mich gehört. Das Gesicht in den Händen vergraben, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten.

    Bitte hör auf ihn, Kleine! Bitte erfülle ihm seinen Wunsch. Ich weiß nicht, warum du mich nicht hörst, aber bei allen Göttern, ich flehe dich an, erhöre wenigstens ihn.

    Es dauert viel länger, als ich geplant hatte, bis ich mich wieder fangen kann und endlich aus der Dusche komme. Ohne mich großartig abzutrocknen, ziehe ich neue Kleider von dem Stapel an, den Cara hier deponiert hat und gehe zurück ins Zimmer. Bay sitzt jetzt auf der Bettkante und hält Tys Hand.

    „Sorry. Hat doch etwas länger gedauert."

    „Kein Problem, winkt Bay ab. „Wir haben ein bisschen geredet, sagt er und seine Stimme versagt ihm tatsächlich, kurz bevor er den Satz beendet. „Ich hau dann auch wieder ab. Brauchst du irgendwas?"

    Ich schüttle den Kopf und tausche den Platz mit ihm. Er schaut noch kurz zu uns, dann dreht er ab und geht.

    „Hey Kleine, spreche ich nun zu meinem Mädchen. „Tut mir leid, dass ich länger im Bad war. Aber ich hab gehört, dass Bay dich unterhalten hat. Ich hoffe also, es ist okay. Mein Blick fliegt zu den Monitoren, die ihren Herzschlag anzeigen. Der Arzt meinte, ich sollte die Zahl überprüfen, wenn ich mit Ty rede. Manchmal hören Komapatienten ihren Besuch und ein veränderter Puls ist dann eine häufige Reaktion. Doch die Zahl bleibt konstant bei 65. Wie auch die ganzen Male davor schon.

    Ich streiche über die Schläfe, an der operieren Seite. Sie mussten ihr die wunderschönen langen Haare dort abschneiden, doch seit ein paar Wochen wachsen sie wieder, denn die Naht verheilt problemlos. Der Chirurg war ein Meister seines Faches, denn man sieht kaum, wie schwer die Verletzung gewesen ist.

    Alle Knochen sind wieder da, wo sie sein sollten und man sieht nicht, wo die Platte sitzt. Die eine Naht wird eine Narbe bleiben, auch wenn sie wohl noch an Farbe verlieren wird. Wenn meine Ty aufwacht, wird sie kaum noch was von dem sehen, was Duan ihr angetan hat.

    Bitte, wach auf.

    Am nächsten Morgen weckt Bay mich. „En. Komm wach auf. Die Ärzte sind da."

    Ich liege neben Ty, wie immer. Das Bett ist viel zu klein für zwei, aber egal. Es hat Gitter, die man hochschieben kann. Gegen eins davon lehne ich nachts immer.

    Müde quäle ich mich hoch und sitze schließlich auf der Bettkante. Draußen stehen einige Leute und glotzen durch das große Fenster, dem ich einen Sprung verpasst habe. Meine Hand war dermaßen geprellt, dass ich sie lange nicht bewegen konnte. Aber das war es wert. Sie wollten den kleinen Knopf drücken, der die Maschinen ausstellt, die Ty am Leben halten. Jetzt werden sie sich hüten, ihm ohne meine Zustimmung auch nur zu nahezukommen.

    „Sie können reinkommen."

    Bay winkt den Leuten draußen und zaghaft betritt einer nach dem anderen den Raum.

    „En, fordert Bent meine Aufmerksamkeit. „Die Ärzte würden gern wissen, ob es okay ist, wenn sie einen neuen Versuch starten.

    Sofort beginnt mein Herz zu rasen. Sie wollen die Maschinen von Ty nehmen und sehen, ob ihr Herz allein schlägt. Wieder schnürt sich der Stacheldraht um meinen Hals. Ich habe panische Angst davor und zugleich hoffe ich so sehr, dass sie die Hilfe der Monitore nicht mehr braucht.

    „En? Dürfen sie es versuchen?, fragt nun Cara. „Es passiert nichts Schlimmes, versprochen. Sie schließen sie sofort wieder an, für den Fall, dass ...

    Ich schüttle den Kopf, um sie zum Schweigen zu bringen, dann stehe ich auf, umrunde das Bett und stehe schließlich auf der anderen Seite. Hinter mir piepen die Monitore. Mit einem bösen Blick warne ich alle, ja nichts Falsches zu tun, dann nicke ich.

    Der Oberarzt kommt heran, fährt das Bett nach oben und beginnt, Ty zu untersuchen. Ich lehne mich auf das Gitter an dieser Seite und halte ihre Hand die ganze Zeit. Als der Arzt einer Schwester zunickt, senke ich meine Lippen auf Tys zarte, kühle Finger und schließe die Augen.

    Bitte, bitte, bitte. Mein Mädchen. Meine Ty. Bitte. Ich höre, wie die Schwester auf einem der Geräte herumtippt und plötzlich ist die Stille im Raum greifbar, als die Maschinen langsam runterfahren. Trotz der vielen Personen hier, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Das regelmäßige leise Piepen, das Tys Puls anzeigt, wird langsamer, während mein Herz schneller denn je rast.

    Kämpfe, Kleine. Bitte. Bei allen Göttern, tu es für mich. Bitte. Ich höre jemanden ausatmen und öffne die Augen. Bent starrt auf den Monitor hinter mir. Er piepst noch. Langsam, viel langsamer als vorher, aber er piepst noch. Ich drehe mich um und sehe, dass das Gerät aus ist, das Tys Lungen die letzten Tage ersetzt hat. Mein Blick schnellt zurück zu ihr. Es dauert einen Moment, doch dann hebt sich ihr Brustkorb minimal.

    Ty atmet allein!

    Der Stacheldraht löst sich in Luft auf. Meine Ty. Ich danke allen mir bekannten und unbekannten Göttern dafür. Die Ärzte und Schwestern wuseln um uns herum. Tyree bekommt eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht und sämtliche Anschlüsse, die ihre Lebensfunktionen überwachen, werden neu angebracht und eingestellt.

    Ich bekomme davon kaum was mit. Mein Blick huscht zwischen ihrem Gesicht und ihrem Brustkorb hin und her. Irgendwann wird es ruhiger im Raum und als ich aufschaue, sind nur noch Bent und Bay da. Plötzliche unendliche Dankbarkeit überkommt mich.

    „Bay?"

    „Jupp?"

    „Danke!"

    Verdutzt verzieht er das Gesicht. „Wofür?"

    „Das weißt du." Ich hoffe, er sieht es an meinem Blick.

    Kurz grübelt er noch, dann hellt sich sein Gesicht auf. „Ich denke nicht, dass es an mir lag."

    „Doch. Ich denke schon. Ich habe sie tausendmal gebeten. Du nur ein einziges Mal."

    „Als würde die kleine Zicke auf mich hören", scherzt er, doch es klingt liebevoll.

    „Egal. Danke."

    Er hebt nur die Schultern zur Antwort.

    „Hoffen wir, dass es so bleibt. Jetzt muss sie noch aufwachen, meint Bent. Er kommt rüber und setzt sich auf die Bettkante. „Wenn sie weiterkämpft, wird es ein schwerer Weg werden.

    „Das schafft sie. Ty schafft alles."

    „Sicher. Nur gib ihr Zeit, En."

    Als wäre es an mir, sie zu etwas zu drängen. Sie hat ihren eigenen Kopf. Das wird sich nicht geändert haben.

    Als würden sie es laut aussprechen, weiß ich, was meine Brüder denken.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1