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Morgana - Der Gestank von Tod: Teil 3 der epischen High Fantasy Saga
Morgana - Der Gestank von Tod: Teil 3 der epischen High Fantasy Saga
Morgana - Der Gestank von Tod: Teil 3 der epischen High Fantasy Saga
eBook574 Seiten7 Stunden

Morgana - Der Gestank von Tod: Teil 3 der epischen High Fantasy Saga

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Über dieses E-Book

**Die epische Neuinterpretation von Merlins Geschichte geht weiter**
Zu kämpfen bedeutete Krieg. Tod, Blutvergießen, Schmerz und Chaos.
Es bedeutete zu töten. Und in gewisser Weise auch, zu sterben, ohne dabei das eigene Leben einzubüßen.
Die Hoffnung verloren.
Der Kampf vorbei.
Die Dunkelheit mächtiger als je zuvor und die Welt überrannt von Monstern.
Wenn all die Anstrengung umsonst war, wozu dann weitermachen?
Wozu weiterkämpfen, wenn Tod und Chaos nicht mehr aufzuhalten sind?
Gebrochen von der Schlacht steht Parzival ein grausames Schicksal bevor.
Werden seine Feinde es schaffen, seinen Willen zu brechen?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Jan. 2024
ISBN9783910615519
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    Buchvorschau

    Morgana - Der Gestank von Tod - Cora Garlin

    231009_0155_Cover_Morgana_2_T1.jpg

    Copyright 2022 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    Covergestaltung: Fabula Design

    ISBN: 978-3-910615-51-9

    Alle Rechte vorbehalten

    Inhalt

    Der Lord vom Niemandsland

    1

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    Die Jagd

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    Engel des Todes

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    25

    Wenn Schnee fällt, fallen auch sie

    Ihre Körper überzogen von Weiß

    Die Nacht so grausam, so kalt

    Sie kämpfen

    Ertragen den Schmerz

    Den Regen von eintausend Tropfen aus Blut

    Ein Tal des Todes

    Seit eintausend Jahren

    Und für eintausend Jahre danach

    Ich sehe sie überall

    Höre den Schrei und spüre die Spitze

    Wild, garstig und gemein

    Und wo einst war Leben

    Nun liegt

    Ein Garten aus Knochen

    Kämpfe weiter, mein süßes Kind

    Kämpfe und Siege in der Schlacht, im Duell

    In Rivalität, im Groll

    In Rache und Wut

    Zauberer wandte sich gegen Zauberer

    Und Mensch gegen Mensch

    Und Chaos brach aus

    Wie es die Welt noch nie zuvor gesehen

    Die Welt, in die wir geboren wurden

    Die Welt, in der wir lebten

    Die Welt, in der wir sterben werden

    Der Lord vom Niemandsland

    1

    Licht explodierte vor meinen geschlossenen Augen. Als ich sie öffnete, entdeckte ich Morgana vor mir.

    Und da dachte ich, wir hätten es geschafft. Sie lächelte. Das Grün in ihren Augen funkelte wie ein verlorener Schatz. Wie ein Edelstein, der zu lange kein Licht gesehen hatte und jetzt der Sonne zum allerersten Mal entgegenblickte. Der tausendmal so hell erstrahlte wie jedes andere Juwel.

    Sie war wunderschön – ihr Lächeln war wunderschön. Doch dann breitete sich Schmerz darin aus.

    Terror.

    Ich kam auf sie zu, und ihr Körper sackte in meinen Armen zusammen.

    Meine Welt zerbrach. Und mit ihr meine Hoffnung. Mein Leben.

    Ich sah uns tanzen, sah uns am Felsvorsprung stehen und im See schwimmen. Erinnerte mich, wie sie dort am Stalleingang gewartet hatte, mit den roten Wangen und dem Wasserfall aus Rabenfedern.

    Und jetzt … jetzt starrte ich in die Augen aus meinen Visionen.

    Stellte fest, dass es von Anfang an ihre gewesen waren.

    »Ich will, dass du mir etwas versprichst. Versprich mir, dass du mich niemals verlässt. Versprich mir, dass wir immer zusammenbleiben, egal, was geschieht. Wenn alles zerbricht, wir halten zusammen.«

    ***

    »Ich verspreche es.«

    ***

    Sie lachte.

    Und mit diesem einen Lachen spürte ich, wie sich der gesamte Bereich um mein Herz herum erwärmte.

    Wir tanzten. Sie schmunzelte verlegen, wodurch das Rosa auf ihren Wangen einen noch intensiveren Farbton annahm.

    Sie las, und ich beobachtete ihren Pupillen dabei, wie sie den Zeilen folgten.

    Ich stand am Ufer und sah sie ins Wasser gehen. Nackt. Ihre Kleidung wie eine Spur aus Brotkrumen hinter diesem wundervollen Körper. Der Blick, den sie mir zuwarf, wirbelte alles in mir durcheinander.

    Dann sah ich sie auf mich zukommen. Sah sie lächeln und konnte nichts tun, als der Schock ihre Miene gefror.

    Ich hörte mich weinen.

    Ich hörte mich schreien.

    Aber am schlimmsten war der Schmerz – tiefer als jede Klinge schneiden konnte, qualvoller als das langsamste Gift – als ihr lebloser Körper in meinen Armen lag und alles, wofür ich gekämpft hatte, vor meinen Augen zerfiel.

    Die ganze Welt brach zusammen. Die ganze Welt wurde schwarz.

    Ein Stechen brandete durch meinen Körper.

    »Du bist stärker Junge, das weiß ich.«

    Ector …

    Ich sah ihn vor mir, sah das Blut, das verblasste Blau seiner Iriden.

    »Eines Tages wirst du verstehen, du wirst nicht alles verzeihen, was ich dir angetan habe, was Arthur dir angetan hat. Aber du wirst es verstehen.«

    Ich verstand jetzt.

    Jetzt verstand ich.

    »Wenn alles zerbricht, wir halten zusammen.«

    »Es gibt schlimmere Schicksale als den Tod. Zum Beispiel ohne jene weiterleben zu müssen, die einem alles bedeuten.«

    »Oder sich in etwas zu verlieren, das einem letzten Endes nimmt, was man hatte beschützen wollen.«

    »Warum führen Menschen Krieg? Warum töten sie, wenn sie selber fürchten, jemanden zu verlieren?«

    »Sie töten aus Angst oder aus Wut. Manchmal sogar beides. Sie töten, gerade weil sie fürchten, jemanden zu verlieren … oder weil sie jemanden verloren haben.«

    »Arthur fürchtet die Magie, und seit dem Tod seines Vaters konnte ihn niemand von seinem Wahn abbringen. Aber es konnte bisher auch niemand sein Vertrauen erlangen, wie du es geschafft hast, Junge.«

    »Am schlimmsten ist es, wenn die Menschen, die dir die schönsten Erinnerungen schaffen, selbst zu einer werden. Nur solltest du dir keine Gedanken um die Toten machen, sondern viel mehr um die Lebenden. Sie sind es, die dein Mitleid verdienen, Parzival – besonders solche, die Leben nehmen, weil sie glauben, es täte der Welt etwas Gutes.«

    »Was bist du bereit zu opfern?«

    »Was spielt es für eine Rolle, wenn wir zum Schluss beieinander gewesen wären?«

    »Es spielt eine Rolle, denn wenn wir uns auf dem Weg verlieren, wissen wir am Ende nicht mehr, wofür wir überhaupt gekämpft haben. Wenn wir uns auf dem Weg verlieren, gibt es kein Ziel mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt.«

    »Er würde dir blind folgen, wohin auch immer du ihn führtest – in welch Verderben, in welch Elend und Leid. Er würde dir folgen, selbst wenn du mit ihm vor dem Rad einer Klippe stündest. Und er würde springen, wenn du es ihm sagtest.«

    »Arthur ist ein Monster, und früher oder später wird er als eines sterben.«

    »Arthur Pendragon mag ein Feind der Magie sein, aber er beginnt langsam zu verstehen, dass Freunde zu Feinden werden können … und Feinde zu Freunden.«

    »Er ist nicht mein Lord und er wird nie mein König sein.«

    »Ich folge Euch.«

    »Bis in den Tod: Ich folge Euch.«

    »Ich werde hier sein, ich werde auf dich warten. Immer. Egal, wie lange es dauert, ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst.«

    »Wenn du ewig verbirgst, was du bist – deine Fähigkeiten, deine Macht, die Magie in dir – wenn du all das verdrängst, verändert es dich. Es macht dich krank.«

    »Was bist du bereit zu opfern?«

    »Alles – ich würde jedes Dorf niederbrennen, um endlich in Frieden leben zu können.«

    »Was habe ich getan?«

    »Oft sind es eben jene Taten, die wir begehen, um gewisse Geschehnisse zu verhindern, die uns auf den Pfad geleiten, den wir um jeden Preis vermeiden wollen.«

    »Du musst das nicht sein – Merlin. Du kannst einfach nur Parzival sein, wenn du es wünschst.«

    »Mein Parzival.«

    »Ich werde immer Dein bleiben.«

    »Lass mich dir ein Angebot machen, du hilfst mir, König zu werden, und im Gegenzug dafür sorge ich für so wenig Blutvergießen wie möglich.«

    »Oh, ich weiß, Ihr hasst diesen Mann, ich weiß, wie sehr Ihr ihn verabscheut. Aber es ist kein Geringerer als er selbst, der Mensch und Magier vereinen und Frieden ins Land von Voyar zurückbringen wird. Nur wird es ihm nicht gelingen – ohne Euch an seiner Seite.«

    »Ich werde ihn beschützen, ich werde alles tun, um ihn zu retten.«

    »Arthur, bitte!«

    »Ihr dürft nicht sterben.«

    »Die Entscheidungen jener, die Ihr am besten zu kennen meintet, sind es, die Euch hierhergeführt haben, um Arthurs Leben zu bewahren, und die Welt, wie Ihr sie kennt, vor jenen zu schützen, die sie bedrohen.« »Sie haben dir alles genommen, und jetzt folgst du ihnen freiwillig in den Tod.«

    »Der Einzige, der mächtig genug ist, sie aufzuhalten, seid Ihr.«

    »Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an sie denke, an dem ich mich nicht danach sehne, ihre Stimme zu hören oder ihr Lächeln zu sehen.«

    »Wenn Ihr es nicht tut, wird sie Arthur Pendragons Tod sein.«

    »Du liebst sie noch immer, ich kann es in deinen Augen sehen. Ich kann deinen Herzschlag hören, der sich nach ihr sehnt.«

    »Ich habe aus meinen Fehlern gelernt, Parzival und mein größter Fehler war es, dir zu vertrauen.«

    »Bleib bei mir.«

    »Parzival, ich flehe dich an.«

    »Komm mit mir, was hält dich noch hier?«

    »Wie ich es ertrage, dass sie fort ist? Ich kann es nicht, ich ertrage es nicht – und jeden Tag fühlt es sich an, als würde ein weiterer Teil von mir zunichte gehen.«

    »Ich werde dir alles nehmen, Junge.«

    ***

    Ein Feld von Leichen. Eine Burg im Hintergrund. Und ein Paar Augen.

    Morganas Augen.

    »Ich will dich nicht verlieren, Morgana.«

    Ich hatte sie verloren.

    Ich hatte alles verloren.

    2

    Hände zogen mich. Ich fühlte die Griffe, die Gewalt, die sie ausübten. Aber ich sah nur schwarz. Gemurmel drang zu mir vor, aber das Rauschen in meinem Kopf war lauter. Der Schmerz unerträglich. Das Brennen unausweichlich durch die abgebrochenen Krallen in meiner Seite.

    Stimmen. Aber sie waren zu weit entfernt, um einen Sinn zu ergeben.

    Ich erinnerte mich an die Schlacht. Erinnerte mich an sie.

    Morgana.

    Ich hatte sie gehalten. Und ich hätte sie nie wieder losgelassen. Doch dann waren die Hände gekommen und der Schmerz an meinem Schädel, und dann war alles schwarz geworden.

    Es war immer noch schwarz.

    Mein Atem rauschte in meinen Ohren – schwach und leise.

    Warme Flüssigkeit lief an meinem Körper entlang, nach unten zur Hüfte und von dort aus zu meinem Oberschenkel. Der Stoff klebte an meiner Haut.

    Dann spürte ich das Brennen erneut. Diesmal so heftig, dass ich zusammenzuckte.

    »Scheiße!«

    »Er wacht auf.«

    Ich kannte die Stimmen nicht.

    Ein Lachen.

    »Keine Sorge, der wird keine Probleme bereiten. Seht euch seine Wunden an. Wir können von Glück reden, wenn er den Weg überlebt.«

    »Ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt.«

    »Wenn er stirbt, sind wir tot. Also sorgt besser dafür, dass sich sein Zustand nicht verschlechtert.«

    Jemand packte mich. Dann spürte ich kalten Boden unter mir. Druck auf meiner Wunde.

    »Was sie wohl mit ihm machen werden?«

    Ein weiteres Lachen – von derselben Person wie zuvor.

    »Ich kann es kaum abwarten, es herauszufinden.«

    ***

    Ich öffnete meine Augen. Dunkle Gestalten lauerten vor mir – Schatten vor einem verschwommenen Hintergrund.

    Meine Wunde schmerzte, aber das Blut an meiner Kleidung war getrocknet. Mir war kalt, und ich erkannte, wie meine Atemluft vor mir als Dampf aufstieg.

    Ich trug keine Rüstung mehr, nur noch den Stoff meiner normalen Kleidung. Zu dünn für die Temperaturen, denen ich ausgesetzt war.

    Meinen Gurt mit dem Dolch hatte man mir abgenommen. Und als ich das Seil entdeckte, das meine Hände zusammenband, schoss ein Stechen durch meine Hand. Die Knochen waren gebrochen, der Verband blutüberströmt.

    Es war Arthurs Blut.

    Ich hatte versucht, ihn zu retten, hatte versucht, ihn zu heilen, aber dann war dieser Zhynchont gekommen. Hatte mir seine Krallen in den Körper gerammt und sie abgebrochen, damit sie in meinem Fleisch zurückblieben.

    Sie waren immer noch dort. Mit jeder Bewegung konnte ich sie spüren.

    Jemand trat gegen meinen Fuß, und ich schreckte auf. Schock und Schmerz sorgten dafür, dass das Schwarz vor meinen Augen flimmerte, aber hielten mich gleichzeitig davon ab, das Bewusstsein zu verlieren.

    »Noch am Leben?«

    Ich wusste nicht, ob die Frage an mich gerichtet war. Konnte nicht mehr von mir geben als ein Stöhnen.

    Die Gestalt, die sich vor mir aufbäumte, ging in die Knie. Ein Gesicht drang in mein Sichtfeld, aber es war verschwommen. Verschwommen und dunkel und finster.

    Finger legten sich unter mein Kinn. Drehten meinen Kopf von links nach rechts.

    »Scheiße, haben die ihn zugerichtet«, sagte eine Stimme im Hintergrund.

    »Nichts im Vergleich zu dem, was ihm noch bevorsteht«, entgegnete der Mann vor mir.

    ***

    Die Kälte war das Einzige, was die Dunkelheit davon abhielt, ihre Klauen nach mir auszustrecken.

    Mir war klar, ich war weit weg von Camelot. Nur konnte ich nicht sagen, wohin man mich verschleppte – geschweige denn, wer die Männer waren, die mich fortbrachten.

    Ich hatte es Guinevere versprochen. Hatte ihr geschworen, ich würde Arthur beschützen. Ihn zu ihr zurückbringen.

    Ich hatte versagt.

    Ich hatte nicht nur Arthur sterben lassen, sondern sie alle.

    Es gab nichts, was mich noch in Camelot hielt. Selbst wenn die Ritter der Tafelrunde überlebt hatten, ich würde nur jeden Tag in ihre Gesichter blicken und an ihrer Trauer erkennen, dass ich sie enttäuscht hatte.

    Mein Körper lag auf dem Sattel eines Pferdes. Ohne Hilfe konnte ich nicht einmal richtig sitzen. Stehen schon gar nicht – nicht einmal mit Hilfe. Aber ich konnte wieder einigermaßen sehen. Vor mir ritten drei Männer, hinter mir ebenfalls drei. Ich hatte noch immer keine Ahnung, wer sie waren oder wohin sie mich brachten, aber ich war mir sicher, es würde mir nicht gefallen.

    ***

    Sie zogen mich vom Pferd – zwei Männer. Griffen mich unter den Armen und lehnten mich gegen etwas. Wir waren lange unterwegs gewesen oder vielleicht kam es mir auch nur so vor, weil ich immer wieder in die Bewusstlosigkeit fiel, nur um von der Eiseskälte zurück ins Hier und Jetzt gerissen zu werden.

    »Hier«, meinte eine Stimme, »gib ihm das.«

    Schritte entfernten sich, kamen wieder auf mich zu. Etwas presste sich gegen meine Lippen. Ich schaffte es nicht allein, also rann die Flüssigkeit an meinem Hals hinunter. Es war unangenehm, vor allem wegen der Kälte. Es fühlte sich an, als würde das Wasser sofort auf meiner Haut gefrieren.

    Ein Lachen.

    »Guckt euch das an!«

    »Bevor sie ihren Spaß mit ihm haben können, müssen sie den Jungen erst mal wieder zusammenflicken«, kommentierte eine Stimme in Hintergrund.

    Mehr Gelächter.

    Eine Hand legte sich an meinen Hinterkopf, zog mich an den Haaren nach hinten, und Wasser lief in meinen Mund. Ich schluckte. Mehr Flüssigkeit, die an meinem Hals hinunterlief.

    Ein Rascheln ertönte. Danach herrschte Stille. Erst dachte ich, ich wäre wieder ohnmächtig geworden, doch dann stellte ich fest, dass mich die Hand noch immer gepackt hielt.

    »Du würdest dir selber einen Gefallen tun, wenn du jetzt stirbst«, flüsterte die Stimme in mein Ohr.

    3

    Wir ritten noch immer. Doch mittlerweile konnte ich über längere Zeiträume verhindern, dass ich das Bewusstsein verlor. Und da ich noch immer nicht sitzen konnte, ohne dass mich der Schmerz verbrannte, blieb ich halb auf dem Sattel liegen, lehnte meinen Oberkörper auf den Hals des Pferdes, vergrub mein Gesicht in die Mähne. Das Tier, auf dem ich mich befand, hatte einer der Männer an seines gebunden.

    Ich konnte wieder klarsehen.

    Klar genug, um die Zelte in der Ferne zu erkennen. Und das Banner, das sich über ihnen erstreckte.

    Oh, ich hatte gewusst, es würde mir hier ganz und gar nicht gefallen. Aber ich hatte keine Ahnung – keine Ahnung – dass es immer schlimmer werden würde.

    Wir trabten an den Zelten vorbei. Erlangten die Aufmerksamkeit Tausender, ihre Blicke einzig und allein auf mich gerichtet.

    Panik brachte mein Herz dazu, sein Tempo zu erhöhen, aber mein Körper hatte nicht einmal genug Kraft, um hektisch zu atmen.

    Sie alle wussten, was ich war.

    Und keiner von ihnen würden es mich je vergessen lassen.

    Im Zentrum des Lagers stand das bei Weitem größte Zelt. Links und rechts vor dem Eingang jeweils ein Banner. Hier noch unbarmherziger als aus der Ferne. Auf der Flagge, die oben an der Spitze des Zeltes wehte, standen die Worte des Hauses.

    Ihr werdet verkümmern.

    Wachen standen vor dem Eingang.

    Die Männer stiegen von ihren Pferden und zogen mich von meinem. Ich stürzte auf den Boden, kalt und feucht.

    Norden.

    Wir befanden uns im Norden und würden weiter nach Norden gehen, bis wir irgendwann eine Burg erreichten – auf der Halbinsel Krähenschnabel. Eine Burg, die ich nie wieder verlassen würde. Ein Gefängnis, in dem ich den Rest meines Lebens verbringen würde.

    Ich kniete auf der feuchten Erde. Erinnerte mich, wie ich in meinen Visionen auf ihr gekniet hatte. Wie ich in der Schlacht auf ihr gekniet hatte. Der Kopf in den Himmel gerissen und dieser Schmerz in mir, wie keine Klinge ihn verursachen konnte.

    Ein Fuß drückte gegen meinen Rücken, stieß mich nach vorn. Ich fing mich mit dem linken Ellenbogen ab, um nicht auf meine gebrochene Hand zu fallen, aber das Seil zerrte am Gelenk. Schürte Feuer, küsste das Stechen wach.

    Ich unterdrückte den Schrei.

    Vor mir vernahm ich Bewegung, ein Rascheln, Schritte. Ich wagte nicht, nach oben zu schauen. Füße traten in mein Sichtfeld. Erst ein Paar, dann zwei. Das erste Paar kam näher, blieb direkt vor mir stehen.

    Nur zu gut wusste ich, wer es war, der sich gerade vor mir aufbaute und auf mich herabsah wie ein tollwütiger Wolf.

    Er ging in die Knie, beugte sich zu mir und zog meinen Kopf an den Haaren nach hinten, sodass ich direkt in seine hungrigen Augen starrte.

    Die Zähne gefletscht, zeigte er mir sein Knurren. Wie der Werwolf auf seinem Wappen.

    »Hast du mich vermisst?«

    ***

    »Es ist wie ein Feuer, nicht wahr?«

    »Ich sorge dafür, dass es erlischt.«

    »Ich bin gespannt, wie lange du durchhältst, meistens sind es die, die meinten, sie könnten mir am längsten trotzen, die sich zuerst aufgeben und mich noch vor allen anderen anflehen, sie zu töten. Ich frage mich, wann du anfangen wirst, zu betteln.«

    »Wir werden viel Spaß zusammen haben.«

    Iman Marekk hockte vor mir, schwarze Ringe um seine Augen gezeichnet – genau wie ich sie in Erinnerung hatte. Er trug einen dunkelblauen Mantel, der Stoff so dick, dass er mich daran erinnerte, wie dünn ich gekleidet war.

    Der Wolf sah an mir vorbei, zu den sechs Männern, die hinter mir standen.

    »Wo habt ihr ihn gefunden?«

    »Vor Camelot. Sie haben gekämpft – der Zauberer hat auf sie gewartet, und sie sind genau in seine Falle getappt. Seine Monster haben Pendragons Armee zerschmettert, als wäre sie nichts.«

    Marekk atmete lachend aus.

    »Der Junge hielt ein Mädchen im Arm, als wir zu ihm kamen. Hat geweint und geschrien, der Bursche.«

    Ich konnte die Träne nicht aufhalten. Als sie über Morgana sprachen, fühlte es sich an, als würde mein ganzer Körper zerschellen.

    »Du musst das nicht sein – Merlin. Du kannst einfach nur Parzival sein, wenn du es wünschst. Mein Parzival.«

    »Ich werde immer Dein bleiben.«

    Marekk sah es. Er bemerkte, wie mein Körper verkrampfte und zusammenzuckte, als ich versuchte, den Schmerz zu ersticken, die Tränen zu ertränken.

    »Oh, du hast sie geliebt, nicht wahr?«

    Ein Grinsen legte sich über seine Mundwinkel. Dann sah er wieder nach hinten zu seinen Männern.

    »Sie ist tot?«

    »Starb direkt in seinen Armen.«

    Wieder sah er zu mir.

    »Welch ein Jammer.«

    Zurück zu seinen Männern.

    »Was ist mit Pendragon?«, fragte er.

    Die Männer zögerten.

    »Die Schlacht war so gut wie vorbei«, antwortete einer, »wir haben ihn nicht gesehen.«

    Sein Blut hatte den Verband um meine Hand dunkelrot gefärbt. Es hatte sich in den Stoff gesogen, klebte noch immer daran – eine stete Erinnerung.

    Daran, dass ich versagt hatte.

    Die Luft blieb mir im Hals stecken. Ich hatte ihn angebettelt, nicht zu sterben. Hatte ihn angeschrien, dass ich ihn hassen würde, wenn er mich allein ließ.

    Ich schluchzte, und Marekk bemerkte die Bewegung. Er sah mich an und beobachtete die Tränen. Keine von ihnen hatte ich aufhalten können. Nicht, seit sie von dem Mädchen gesprochen hatten, das in meinen Armen gestorben war.

    »Was ist mit Pendragon? Was ist mit deinem Lord?«

    Ich sah in seine Augen. Er erkannte es.

    »Er ist tot. Schade. Er hätte bestimmt alles getan, um dich zurückzubekommen. Ich hätte gerne gesehen, wie weit er gegangen wäre.«

    Seine Hand wanderte von meinem Kopf zu meinem Kragen. Seine Finger umschlangen das Hemd. Er stand auf, zog mich mit sich nach oben und zwang mich auf meine Beine. Seit Ewigkeiten hatte ich nicht gestanden, und jetzt kämpfte ich damit nicht zu fallen. Meine Beine schafften es kaum, das Gewicht meines Körpers zu stemmen. Blut lief aus meiner Wunde, verbreitete Wärme und Feuchtigkeit auf meiner ausgekühlten Haut. Ich sackte zusammen, aber Marekks Griff hielt mich oben, presste das Hemd gegen meine Kehle. Er gab mir keine Möglichkeit, zu fallen.

    Er nickte seinen Männern zu und machte sich mit mir auf den Weg. Riss mich an seinem Zwilling vorbei. Ragsnar ließ seinen Blick nicht von mir – beobachtete mich wachsam wie ein Geier, ein sterbendes Löwenjunge.

    Iman ging mit mir an den Zelten vorbei, zwang mich, mit ihm Schritt zu halten.

    »Ragsnar kann es kaum abwarten, dir Trehebitian zu zeigen«, meinte er, als wir diesen hinter uns ließen.

    Meine Beine zu bewegen, fühlte sich ungewohnt an – als wären sie schwächer geworden, all die Muskeln in ihnen erschlafft. Marekk schleifte mich den gesamten Weg über hinter sich her. Ich setzte kaum mehr als ein paar Schritte, um nicht von dem Stoff meines Hemdes erstickt zu werden.

    Die Wunde brannte sich durch meine Knochen. Ich musste mich an Imans Kleidung festhalten, um nicht zu stürzen, während er mich Schritt für Schritt weiter zwang. Das Seil, das meine Hände miteinander verband, zerrte an dem Bruch. Schwarze Punkte flogen durch mein Sichtfeld, aber ich versuchte, wach zu bleiben, mich nicht an die Dunkelheit zu verlieren.

    Wir passierten Dutzende Zelte, unzählige Soldaten, die uns alle anstarrten. Ihr Atem verwandelte sich in Dampf. Lagerfeuer brannten, aber ihre Wärme drang nie zu mir durch.

    Wir gingen weiter, bis wir vor etwas ankamen, das zwar kein Zelt war, aber fast wie eines aussah. Dünne Wände hatte man um etwas herum aufgebaut. Ein Dach gab es nicht. Wachen standen vor dem Eingang. Wir passierten sie.

    Innerhalb der Wände standen zwei Zellen aus Holz. Eine war leer. Als ich sah, wer in der anderen saß …

    Eis zog sich durch meinen Schädel, als ich in das blutige Gesicht blickte. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich das getan hatte oder Marekk. Aber nach der gesamten Zeit, in der ich bewusstlos gewesen war, glaubte ich eher Letzterer.

    »Guck, welchen Ausreißer wir noch gefunden haben«, knurrte Iman, als er mich zu der Zelle brachte.

    Er blieb mit mir davor stehen. Zwang mich, in die blauvioletten Augen zu starren.

    »Ist doch tatsächlich vom Kampf geflohen.«

    »Verschwinde von hier, Mordred.«

    Das hatte ich zu ihm gesagt, nachdem ich sein gesamtes Gesicht blutig geschlagen hatte.

    »Für jemanden, der Blutvergießen verabscheut, bist du ausgesprochen gut darin.«

    Mordred wandte seinen Blick nicht von mir ab, und ich konnte nicht entschlüsseln, was es war, das sich in seiner Miene befand. Bitterkeit konnte es nicht gewesen sein. Vermutlich blieb ihm nicht einmal genügend Kraft, um irgendeinen Gesichtsausdruck zu formen. Er sah mich wie benebelt an – als könnte er die Augen kaum offenhalten.

    Marekk ging mit mir zu der anderen Zelle. Er öffnete sie, warf mich in meinen Käfig und sperrte ihn zu.

    Selbst wenn mir der Schmerz beinahe wieder das Bewusstsein nahm, war ich nur froh, nicht mehr stehen zu müssen. Rote Tropfen fielen, aber je länger ich lag, desto mehr beruhigte sich die Blutung. Doch das Brennen würde sich noch lange durch meine Seite ziehen.

    Marekk musterte mich. Die schwarze Farbe um seine Augen ließ ihn aussehen wie eine der Kreaturen, die uns in Avalon angegriffen hatten. Er war nicht weniger Monster als sie.

    »Versuch gar nicht erst zu fliehen«, warnte der Lord, »dein Freund hier hat es versucht und sieh ihn dir jetzt an. Wenn du rennst oder Magie benutzt, lass ich ihn leiden. Ihn. Und dich.«

    Gier funkelte in seinen Augen.

    »Ich sagte dir, ich würde mir holen, was mir zusteht«, betonte er, bevor er sich umdrehte und ging.

    Er ließ Mordred und mich allein in unseren Käfigen – zwei Kreaturen einer aussterbenden Art.

    Meine Wunde brannte. Ich stülpte das durchtriefte Hemd nach oben. Blut klebte am Stoff. Kälte küsste meine Haut. Zum ersten Mal betrachtete ich das zerfetzte Fleisch, inspizierte die Stelle, an der sich die Krallen durch Haut und Muskel gebohrt hatten.

    Es war eine hässliche Wunde, das Fleisch zerrissen, der ganze Bereich drumherum schimmernd in Dunkelrot. Sie hörte nicht auf zu bluten, würde nicht aufhören, bis irgendjemand irgendwann diese Krallen entfernte.

    »Sieht widerlich aus«, stöhnte Mordred.

    Seine Stimme klang erbärmlich.

    Ich legte das Hemd wieder über die Wunde. Hörte das leise Geräusch, als der Stoff auf die zerrissene Haut traf und mehr Blut in sich aufnahm.

    »Nicht so widerlich wie du.«

    Seit mich die Männer von Morgana weggezogen hatten, hatte ich meine Stimme nicht benutzt. Wenn Mordred erbärmlich klang, wollte ich nicht wissen, wie ich mich anhörte.

    »Anscheinend hast du immer noch nicht gelernt, wann es besser für dich ist, den Mund zu halten.«

    All die Male, in denen ich Mordred so sehr gereizt hatte, dass er kaum noch an sich halten konnte, schossen mir plötzlich in den Sinn, machten mich auf die Narbe aufmerksam, die die eine Seite meines Gesichtes zierte.

    »Marekk wird nicht so nett zu dir sein wie ich.«

    Verdammter Bastard!

    Ich drehte mich zur Seite, so gut ich konnte, lehnte meinen Kopf an die Gitterstäbe und versuchte, das Brennen zu ignorieren. Mein Handgelenk schmerzte, die Muskulatur steif wie Gestein.

    »Wenn ich hier rauskomme«, versprach ich ihm, »werden die Wunden, die Marekk dir zugefügt hat, nichts im Vergleich zu dem sein, was ich dir antue.«

    Er lachte nur.

    Obwohl es sich eher anhörte, als würde er an seinem Blut ersticken.

    »Du wirst hier nicht rauskommen.«

    4

    Ich hatte sogar geschlafen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht war ich nur wieder bewusstlos geworden. Alles, woran ich mich erinnerte, war Schwärze. Dunkelheit und Kälte. Aber als sie gekommen waren, um uns zu holen, wurde ich wach – als wüsste mein Körper bereits von dem Horror, der ihm bevorstand.

    Sie holten uns beide – Mordred und mich.

    Als sie meinen Arm packten, mich nach oben rissen, schoss das Brennen durch mein Handgelenk. Ich schluckte den Schrei hinunter, zusammen mit dem Schmerz. Schwarze Flecke mischten sich in mein Sichtfeld. Kälte flutete meinen Kopf, meine Brust, meine Seite, meinen gesamten Körper.

    Wieder konnte ich kaum stehen. Doch diesmal war es noch schlimmer als am Tag zuvor, wo Marekk mich mit sich geschleppt hatte. Immer und immer wieder sackte ich zusammen. Mir blieb nicht einmal die Kraft, mich an der Kleidung einer der beiden Männer festzuhalten. Also griffen sie mir letzten Endes unter die Arme und zogen mich hinter sich her – ob ich mithalten konnte oder nicht.

    Mordreds Blicke bohrten sich in meinen Rücken.

    Das Blut in seinem Gesicht war getrocknet. Klumpen hatten sich darin gesammelt, die mittlerweile von der Haut abbröckelten wie Dreck.

    Iman und Ragsnar warteten auf uns. Lauerten in ihrem Zelt und starrten uns an wie eine heiße Mahlzeit. Die Hände ließen mich los. Ich versuchte zu stehen, weil ich diesem Lord und seinem wahnsinnigen Zwilling nicht das Vergnügen bescheren wollte, mich zusammengekauert auf dem Boden zu sehen.

    Aber ich konnte nicht.

    Ich sank auf die Knie. Mehr Blut quoll aus der Wunde. Es lief an meinem Körper entlang und sammelte sich in einer Pfütze vor meinem linken Bein.

    Die Soldaten verließen das Zelt. Ließen die Hunde allein mit ihren Knochen.

    Iman trat auf uns zu, seinen Zwilling im Schlepptau. Der Wolf blieb vor mir stehen.

    »Weißt du, in all den Jahren, in denen ich deinesgleichen gejagt habe, habe ich gelernt, dass nichts einfacher bricht als Knochen. Irgendwann wird es langweilig.«

    Er beugte sich nach unten. Sein Zeigefinger drückte gegen meinen Kopf.

    »Dein Geist ist es, an den ich will.«

    Dann stand er wieder auf, sah auf mich hinab.

    »Jeder hat eine Schwachstelle. Und an die komme ich entweder durch deinen Schmerz oder durch seinen.«

    Ragsnar stand schneller bei Mordred, als ich es realisierte. Rammte ihn mit seiner Faust zu Boden. Er schlug ihn. Trat ihn. Brachte den Jungen zum Bluten.

    Sie ließen mich dabei zusehen, wie Mordred rote Klumpen ausspuckte. Ließen mich zuhören, wie er schrie, als Ragsnar seinen Arm in einen unnatürlichen Winkel drehte – nicht genug, um ein Gelenk auszukugeln oder einen Knochen zu brechen, aber ausreichend, um die Qualen unerträglich zu machen.

    »Ich bin gespannt, was deine ist«, brummte Iman, »und ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, sie zu finden.«

    Ich hörte Mordred stöhnen. Hörte ihn heftig ausatmen, wann immer sich Ragsnars Knöchel in sein Gesicht rammten.

    Mir sollte es egal sein – er hatte nichts anderes verdient. Sein Blut war das Mindeste, was er für alles, was er getan hatte, zahlen sollte. Denn er war es, der Morgana dazu gebracht hatte, sich Cornwall anzuschließen – sich Ambrosius anzuschließen.

    Ich hatte sie verloren.

    Seinetwegen.

    Sie war tot.

    Seinetwegen.

    Und als mit jedem Schlag mehr Blut an Ragsnars Faust klebte, zwang ich mich, hinzusehen. Zwang mich dabei zuzusehen, wie er die Kraft aus dem jungen Ritter prügelte, aus dem Lord, der mir immer hatte zeigen wollen, wie schwach ich war.

    Ich sah dabei zu, wie er ihm antat, was er vermutlich bald mir antun würde, und empfand nicht einen Funken Mitleid für den Bastard.

    Sollte er bluten!

    Sollte er leiden!

    Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Marekks interessierten Blick. Er hatte sich gegen einen Tisch gelehnt und mich seither angestarrt, als wäre ich ein Rätsel, dessen Komplexität ihm viel zu viel Vergnügen bereitete.

    »Hör auf«, wies Marekk seinen Zwilling an.

    Ragsnar hatte gerade ausgeholt. Er hielt Mordred mit der einen Hand am Kragen gepackt, die andere zur Faust geballt, stoppte ihre Bewegung.

    Iman hatte seine Augen nicht von mir gewandt.

    »Deine Euphorie, sein Leben zu retten, scheint seit Pendragons Turnier massiv zurückgegangen zu sein.«

    Er zog eine Augenbraue nach oben.

    »Wollen wir mal sehen …«

    Er drehte sich um, holte etwas vom Tisch, gegen den er sich gelehnt hatte. Es war mein Gurt, mit dem Dolch in der Scheide. Er befreite die Klinge. Stahl sang in der Luft, reflektierte das Feuer im Hintergrund. Aber trotz der Flammen herrschte Eiseskälte.

    Ragsnar ließ Mordred los, und da kamen Iman und der Dolch ins Spiel. Der Lord griff in die schwarzen Locken und zog Mordred am Kopf nach oben, entblößte seinen Hals und zeigte mir seinen Kehlkopf.

    Mordreds violette Augen fesselten mich, als die scharfe Kante seine dünne Haut streichelte.

    Ich erkannte Schock in seiner Miene. Und etwas, das mich vermuten ließ, es wäre Angst. Panik.

    Doch ich dachte nur daran, dass er froh sein sollte, wenn Marekk sein Leben hier und jetzt beendete. Wenn er ihm die Kehle durchschnitt und dem Jungen dadurch einen schnellen Tod schenkte.

    Aber er würde es nicht tun – weil er damit seinem Bruder das Lieblingsspielzeug nehmen würde.

    Mein Blick sprang zu Iman. Ich versuchte, mein Gesicht so nichts aussagend wie möglich zu halten, versuchte, sein hässliches Grinsen zu ignorieren. Nur das Zucken in Mordreds Miene war es, das mich plötzlich zögern ließ – das panische Stöhnen, als der Lord die Klinge noch tiefer in seine Haut drückte.

    Schon in Camelot hatten sie ihn misshandelt, mit ihm gespielt wie eine Katze mit einer Maus, ihm Wunden verpasst, die der Bursche zu verstecken versucht hatte – vergeblich. Was sie ihm angetan hatten, war selbst an seinem Gesicht zu erkennen gewesen – an der Erschöpfung darin.

    Er hätte froh sein sollen, hätte hoffen sollen, dass sie ihm jetzt die Kehle aufschlitzten.

    Aber er war es nicht.

    Er hatte Angst.

    Sein Starren galt nur mir, und ich erkannte das Flehen darin.

    Ich hasste ihn.

    Verabscheute diesen Mistkerl mit jeder Muskelfaser in meinem Körper. Seinetwegen war ich jetzt hier. Seinetwegen hatte ich alles verloren!

    Doch als ich tiefer in das Violett blickte – mich an den Schmerz und die Angst erinnerte, die ich einst dort gesehen hatte und noch immer in ihnen fand, ohne überhaupt Magie benutzen zu müssen – zerstörte es die Konzentration, die ich brauchte, um meine Miene kalt und distanziert zu halten.

    Marekk lachte. Der Schauer, den er damit durch meine Adern jagte, zwang mich, zu ihm zu sehen. Der Lord hatte, was er wollte. Er entfernte die Klinge von Mordreds Hals und rammte seinen Kopf gegen den Boden.

    »Doch nicht so stark wie gedacht, hm?«, verhöhnte er mich.

    Ich hasste ihn.

    Und ich hasste mich. Dafür, dass ich mich um diesen Bastard scherte – selbst wenn es nicht auf die Art und Weise war, wie ich mich um einen Freund oder irgendjemand anderen scherte. Dass mich diese Angst in ihm nur einen Dreck kümmerte, sorgte dafür, dass ich wieder meine Faust in Mordreds Gesicht vergraben wollte.

    Er hatte nichts anderes verdient als das. Selbst mit dieser Angst in ihm – fast derselben Angst, die ich in Arthur erkannt hatte, als er noch ein Kind gewesen war, das gerade seinen Vater hatte sterben sehen.

    Aber vielleicht hatte ich es auch verdient. Den Schmerz. Den Kummer. Die Einsamkeit.

    Und diese Leere.

    Vielleicht war das die Strafe für mein Versagen.

    Mordred blickte mich verwirrt an. Er hatte gedacht, ich würde ihn sterben lassen, und ich hatte dasselbe gedacht – obwohl mir von Anfang an klar gewesen war, Marekk würde nichts dergleichen tun. Ich sah von ihm weg. Hinunter auf den Boden, wo ich mittlerweile in meiner eigenen kleinen Blutpfütze kniete.

    »Aber noch lange keine Schwachstelle.«

    Marekk hatte den Dolch zurück in die Scheide gesteckt, den Gurt auf den Tisch gelegt. Er kam zu mir.

    »Wenn es nicht sein Schmerz ist«, verkündete er, »dann ist es vermutlich deiner.«

    Seine Faust bohrte sich in meine Wunde, drückte die Krallen tiefer in mein Fleisch. Diesmal konnte ich es nicht unterdrücken.

    Ich schrie.

    Ambrosius beugte sich zu mir nach unten. Er packte mich am Kragen, brachte mich auf meine Knie und betrachtete meine Wunde, den gespaltenen Stahl, durch den der Zhynchont gedrungen war.

    »Ich glaube nicht, dass du zaubern kannst«, sagte er, »solange die hier in dir sind.«

    Ich schrie, als er die Krallen berührte.

    Der Schmerz machte mich blind. Er verbrannte alles in mir, verätzte mich von innen heraus.

    Ich fand mich auf meinen Ellenbogen wieder, meine Stirn auf die kalte Erde gelegt, weinend, weil ich das Stechen nicht ertrug.

    »Ich werde dir alles nehmen, Junge«, hatte Ambrosius mir versprochen.

    Er hatte sein Wort gehalten.

    Marekk bemerkte meine Tränen, aber als ich zu ihm hochschaute, blickte er in ein Gesicht, das ihm den Tod versprach. Eines, das nicht davor zurückschrecken würde, ihm die Kehle aufzuschlitzen.

    Er grinste. Ihm gefiel, was er sah.

    »Es muss dir schwergefallen sein«, knurrte er, »Arthur sterben zu sehen.«

    Seine Augen gierten nach mehr, sehnten sich nach einem Schmerz, der weit über das, was Fäuste und Stahl anrichten konnten, hinaus ging.

    Das war es, was den Lord von seinem Zwilling unterschied.

    »Wie ist es passiert? War es Stahl? Eines dieser Monster?«

    Was machte es für einen Unterschied? Wir waren alle Monster. Wir töteten für einen Thron, marschierten in den Krieg – aus Angst. Was waren wir, wenn keine Monster?

    Iman zog einen Stuhl zu sich, setzte sich und legte ein Bein auf den anderen Oberschenkel. Ragsnar kam auf mich zu, packte mich, zog mich hoch.

    »Was ist mit Arthurs Rittern? Leben sie noch?«

    Ich schwieg.

    Eine blutige Faust rammte sich in meinen Körper. Knöchel tauchten in mehr Blut, mehr Rot, mehr Nässe.

    »Dieser Zauberer ist nicht in die Burg hinein, nicht wahr? Er hat vor den Toren auf euch gewartet.«

    Ein Knie schlug gegen meine Nase. Blut schoss aus ihr, als wäre es Wasser, das von einer Klippe stürzte. Der Knochen war bereits gebrochen, weil Ambrosius in der Schlacht dasselbe mit mir getan hatte. Aber das bedeutete keinesfalls, dass der Schmerz dadurch in irgendeiner Weise geringer war.

    Im Gegenteil – die ganze Zeit über hatte ich nur einen leichten Druck im Gesicht gespürt. Nichts im Vergleich zu dem Brennen in meinem restlichen Körper.

    Aber jetzt …

    Oh, ich wünschte mir den Tod.

    Hitze explodierte in meinem Gesicht. Kaum war das Blut in meinen Mund geströmt, schmeckte ich Metall auf meiner Zunge.

    »Nach Arthurs Tod – wer wird jetzt seinen Platz einnehmen? Was ist mit seiner Gemahlin?«

    Seine Stimme bohrte sich durch meine Knochen, als er Guinevere erwähnte.

    Ich erinnerte mich an mein Gespräch mit ihr, an diesen einen Augenblick, in dem ich das weite Kleid bemerkt hatte, weil sie ihre Hand schützend auf den Bauch gelegt hatte.

    Es war ein Fehler – mein Fehler, den Schock nicht zu verbergen, aber ich hatte ihn nicht aufhalten können.

    Marekk sah es. Er lehnte sich zu mir nach vorn.

    »Du weißt etwas«, stellte er fest.

    Er kniff die Augen zusammen. Die Flammen im Hintergrund verliehen seinen Wangenknochen eine Schärfe, wie ich sie nur von Klingen kannte. Sie waren Dolche, die darauf warteten, mich zu verletzen.

    »Was ist mit ihr?«

    Seine Stimme hatte sich verändert. Auf einmal sollte mich seine Frage nicht mehr quälen. Auf einmal verlangte sie nach einer Antwort.

    Ragsnar griff erneut nach meinem Kopf und rammte ihn gegen sein Knie. Er packte mich am Kragen, riss mich hoch und schlug mir gegen die Wunde. Dann schleuderte er mich auf die Erde.

    »Was ist mit Guinevere Pendragon?«

    Weder gegen die Tränen noch die Schreie konnte ich etwas tun. Ich hörte auf, dagegen anzukämpfen, weil ich wusste, es würde sie nur dazu veranlassen, kreativere Methoden zu finden, um mich zu brechen.

    Aber ich würde ihnen keine Antwort geben. Eher würde ich sterben. Bevor

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