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Phönix Band 1: Im Dämmerungsdunkel
Phönix Band 1: Im Dämmerungsdunkel
Phönix Band 1: Im Dämmerungsdunkel
eBook281 Seiten3 Stunden

Phönix Band 1: Im Dämmerungsdunkel

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Über dieses E-Book

Tyree wurde in eine Ära der Erde geboren, in der ein Volk dominiert, die Elfen.
Und die haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschheit auszurotten.
Ty gehört zu den Gejagten und lebt ein Leben auf der Flucht. Bis zu dem Punkt, an dem sie entscheiden muss.
Der qualvolle Tod durch die schwere Krankheit, die sie schon seit geraumer Zeit aufzuhalten versucht oder ein Deal mit einem Elf, der sie von ihrer Krankheit heilen, am Ende aber ebenso das Leben kosten könnte.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum22. Sept. 2019
ISBN9783750206441
Phönix Band 1: Im Dämmerungsdunkel
Autor

Stefanie Worbs

Geboren und aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Mitteldeutschland und ich lebe noch immer dort. Schon als Teenager schrieb ich Gedichte und kurze Texte. Diese wurden zu Kurzgeschichten und schlussendlich zu Büchern. Wer träumt nicht von einer Welt, in der man die eigenen Probleme beiseite schieben kann?

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    Buchvorschau

    Phönix Band 1 - Stefanie Worbs

    Prolog

    Tyree

    Die U-Bahn ist überfüllt, wie jeden Freitag. Alle wollen nach Hause, außer mir. Ich fahre mit, weil es mich beruhigt, mit der Bahn zu fahren. Das monotone Rauschen, unterbrochen vom Quietschen und den Ansagen, das beruhigt mich. Ich weiß nicht warum. Ich weiß nur, hier bin ich sicher.

    Viele der Leute, die heute mitfahren, kennen mich schon. Hier und da bekomme ich ein Lächeln von ihnen, andere werfen mir genervte Blicke zu, weil ich schon wieder dabei bin. Sie wissen alle, dass ich kein richtiges Ziel habe. Ich fahre oft nur von einer Endstation zur nächsten.

    Ein paar Mal wurde ich sogar schon gefragt, warum ich das tue und jedes Mal antworte ich: „Keine Ahnung." Ich habe keine Ahnung, zumindest rede ich mir das immer ein. Denn eigentlich tue ich es vorwiegend, um unter Leuten zu sein. Aber wenn dann die letzte Durchsage für die Endstation kommt, weiß ich, jetzt wird es gefährlich für mich.

    Die Welt über der Erde ist gefährlich für Menschen und ich bin ein Mensch. Zwar leben einige da oben und die meisten sogar relativ normal - für Menschenverhältnisse -, doch es ist und bleibt eine Gratwanderung. Vor allem in den großen Städten, wie der über mir. Meine derzeitige Heimat, Maén.

    Die Elfen machen uns das Leben schwerer als wir es haben sollten. Aber eigentlich sind wir auch selbst Schuld. Wir haben unsere Erde zerstört und nun zerstört sie uns, mit ihren ganz eigenen Soldaten.

    In den ganz alten Aufzeichnungen meiner Vorfahren steht noch, wie es hier früher mal gewesen ist. Wie es war, als auf der Erde nur Menschen offen gelebt haben. Wie es war, als es hier noch nichts Magisches gab. Oder besser, als die Menschen noch dachten, es gäbe nichts Magisches.

    Ich lese diese Bücher gern, denn sie spenden mir Frieden. Sie nehmen mir für eine Weile die Angst vor der Realität. Genau die Wirklichkeit, in die mich die Stimme der Durchsage für die Endstation jetzt zurückruft. Es ist so weit.

    Heute bin ich nur spät dran, weil meine Besorgungen mich aufgehalten haben, nicht weil ich nicht aussteigen wollte. Ich atme tief durch und stehe auf. Nur zwei Leute sind noch mit mir im Zug, auch sie sind die typischen U-Bahn bis zum Letzten als Schutz-Nutzer. Sie fahren aber nicht immer mit. Die Bahn hält und die Türen gleiten auf. Ich folge den beiden und nicke ihnen freundlich zu, dann trennen sich unsere Wege. Wie immer geht einer rechts und einer links ab, während ich die Treppe geradeaus nach oben nehme. Es ist reiner Selbstschutz, allein zu bleiben. Geh nie mit anderen zusammen, sie könnten dich bei einer Flucht aufhalten.

    Auf der zweiten Stufe bleibe ich nochmal stehen. Schon von hier aus kann ich den Mond und die Sterne sehen. Jetzt sind es noch 23 Stufen bis oben. Bis an die Oberfläche. Bis zum Ende der Schutzgrenze.

    „Tyree?"

    Ich drehe mich um. Am Fußende der Treppe steht Zeez und schaut fragend zu mir auf. Der Zwerg ist der Zugführer und mittlerweile ein richtig guter Freund. Er hat mich schon öfter bei sich schlafen lassen, wenn die Elfen wieder auf der Jagd gewesen waren.

    Wer sich fragt, warum ich nicht immer hier unten wohne, dem soll gesagt sein, dass es kein Ort für einen Menschen zum Leben ist. Es ist kalt, laut, nicht besonders einladend und außer Zeez und seiner Frau Myra, wohnt nicht ein einziger, weiterer Zwerg hier, weil es einfach keinen Wohnraum gibt. Selbst Zeez’ Wohnung ist nicht mehr als ein Hasenbau.

    Die Zwerge sind unsere einzigen Freunde in den Großstädten. Zwar sind auch sie gegen die Zerstörung der Umwelt, doch sie wissen, dass das zur Vergangenheit der Menschen gehört. Sie messen uns nicht an den Taten von „gestern", sondern an denen der Gegenwart. Und auch nicht alle zusammen, sondern jeden für sich.

    „Hey Zeez. Wie geht’s dir heute?"

    „Kann mich nicht beschweren. Hast du Hunger? Myra hat sicher wieder mehr gekocht, als nötig."

    Ich schüttle den Kopf. „Heute nicht, aber danke. Ich muss dringend nach Hause. Ich halte meine Tasche hoch. Da drin sind Kräuter für eine Salbe. Ich bin diesmal spät dran und es ist wichtig, dass ich schnell nach Hause komme. „Das nächste Mal gern.

    Er zuckt mit den Schultern. „Kein Problem. Pass auf dich auf, Kleine." Er lächelt und winkt.

    Kleine, denke ich ebenfalls mit einem Grinsen. Zeez geht mir gerade mal bis zur Hüfte und nennt mich Kleine. Für seine Art ist er allerdings wirklich klein. Die meisten Zwerge sind klein. Es gibt aber, wie bei allen Lebewesen, verschiedene Rassen. Er gehört eben zu den Kurzen.

    Ich winke zurück und drehe mich wieder nach oben. Es wird Zeit. Nochmal atme ich tief durch, dann laufe ich los. Ich zähle die Stufen mit, wie immer rückwärts.

    23, 22, 21.

    Weil es draußen schon dunkel ist, habe ich bessere Chancen, unentdeckt zu bleiben.

    18, 17, 16.

    Zwar haben die Elfen eine ungeheuer gute Nachtsicht, doch auch sie müssen schlafen.

    13, 12, 11.

    Allerdings wissen sie auch, dass die meisten Menschen von der Oberfläche, sich die Nacht zunutze machen.

    8, 7, 6.

    Die Nachtluft weht mir entgegen. Kurz schließe ich die Augen, öffne sie aber gleich wieder. Ab jetzt muss ich wachsam bleiben.

    3, 2, ich bin oben.

    Mein Blick fliegt über meine unmittelbare Umgebung. Gezielt suche ich die Stellen ab, an denen sie sich verstecken könnten. Auch wenn sie das selten tun. Ihre Art ist so überlegen - und das wissen sie -, dass sie es nicht nötig haben, sich zu verbergen. Ich kann niemanden sehen, also los.

    Ich achte bewusst darauf, zügig, aber nicht gehetzt zu laufen. Ich schaue nicht über die Schulter, denn das zählt unter auffälliges Verhalten und trotzdem fliegt mein Blick unablässig über alle möglichen Standorte eines Elfen.

    Sie tauchen meist aus dem Nichts auf, denn sie bewegen sich fast lautlos. Rein theoretisch müssten sie sich gar nicht bewegen, um einen zu erschießen, denn die meisten von ihnen beherrschen den Umgang mit Pfeil und Bogen genauso, wie ein Mensch die Veranlagung zum Atmen besitzt.

    Nur einer hat mich mal mit einem Schwert verfolgt. Das ist jetzt ungefähr ein Jahr her und es wäre fast mein Tod gewesen. Doch zum Glück war ich der U-Bahn nahe genug, um mich dorthin retten zu können. Die Narbe am Rücken trage ich seitdem, wie ein Mahnmal mit mir. Wenn ein Elf kommt und du siehst ihn, lauf!

    Die Erinnerung daran, bringt wie fast immer die Erinnerung an die Geschichten mit sich. Früher, als der Mensch noch geglaubt hatte, Magie gäbe es nicht oder es wäre alles einfach Illusion, da schrieben sie Geschichten über Magie. Über Elfen, Zwerge, Riesen, Trolle, Magier, ja sogar Vampire und Werwölfe und alles was für mich heute als total normal gilt. Hätten sie gewusst, dass zu ihrer Zeit schon all diese Wesen unerkannt unter ihnen lebten, hätten sie sich so einen Mist nicht ausgedacht.

    Teile ihrer Geschichten stimmen und andere sind totaler Quatsch. Es stimmt zwar, dass zum Beispiel die Zwerge gern unter Tage leben, doch sie leben genauso gern auf der Oberfläche. Auch was die Schattenwesen angeht, also Vampire, Werwölfe, Dämonen und so weiter, waren die Menschen oft nah dran, mit ihren Beschreibungen. Oft. Aber lange nicht immer. Ich muss grinsen und zwinge mich gleich darauf wieder zur Aufmerksamkeit, denn ein Aufschrei aus der Ferne holt mich in die Realität zurück. Die Elfen jagen also heute Nacht.

    Ich hoffe und bete, dass sie nicht in der Nähe sind. Und wenn doch, dass sie keine Magie anwenden, um Menschen aufzuspüren. Leider können die Elfen auch das, zaubern. Aufspürzauber sind dabei anscheinend ihre Lieblingsdisziplin. Wenn ich das könnte ...

    Auf meinem Weg hierher habe ich weder Magier noch irgendwelche anderen magiebegabten Wesen getroffen, dafür aber zwei Vampire. Doch die halten sich von dem Gebiet fern, in dem ich gerade lebe. Ich habe aber festgestellt, dass Blutsauger sehr viel ungefährlicher sind als die - von den Menschen so oft als Wunder der Natur dargestellten - Elfen.

    Die sind nämlich sogar nicht friedfertig und freundlich wie in den Büchern beschrieben. Ich habe jedenfalls noch keines gelesen, in denen sie Jagd auf Menschen machen und diese dann entweder gleich hinrichten oder für irgendwelche Rituale verschleppen. Bis auf das Aussehen, das fast überall gleich beschrieben wird - anmutig, schön und ziemlich oft sogar sexy -, sind sie vom Verhalten her das genaue Gegenteil. Aggressive, bösartige, barbarische Mörder.

    Leider muss ich das Risiko eingehen, ihnen über den Weg zu laufen, denn die Kräuter in meiner Tasche wachsen nur auf diesem Fleckchen Erde und ohne diese Kräuter würde ich sterben. So wie meine Brüder vor mir und mein Dad. Meine Mum lebt noch, doch sie ist zu alt, als dass sie diese Reise mit mir hätte machen können. Also musste ich allein los und bin hier gelandet.

    An einem der wohl gefährlichsten Plätze für Menschen auf der Erde, der gleichzeitig meine einzige Chance auf Leben ist. Meine Hoffnung, irgendwann vielleicht geheilt zu sein, oder eine andere Lösung zu finden, bleibt.

    Hinter mir raschelt es im Gebüsch. Ich muss mich zwingen, nicht danach zu sehen. Stattdessen gehe ich unauffällig einen Schritt schneller.

    Bitte lass es keinen von denen sein, schießt es mir durch den Kopf. Wobei sie sich selten mit Geräuschen ankündigen. Das Rascheln wird kurz leiser, als ich Abstand gewinne, doch es wird schnell erneut lauter und bleibt dann stetig neben mir. Ich bleibe stehen. Das klingt nicht nach zwei Beinen und viel zu auffällig für einen Elf.

    Mein Blick richtet sich auf das Gehölz nebenan und ich versuche im Dunkel etwas zu erkennen. Eine Straßenlaterne flackert und geht aus.

    Prima. Plötzlich streift etwas mein Bein und ich springe erschrocken zurück. Mein Blick huscht über den Boden, denn was auch immer es war, es war kniehoch. Wieder flackert die Laterne und das Licht geht an. Vor mir steht ein Wolf.

    Ein echt kleiner Wolf, wie ich erstaunt feststellen muss. Sicher ist er noch ein Jungwolf.

    Seine Augen mustern neugierig mein Gesicht, dann senkt er den Kopf leicht und kommt auf mich zu. Automatisch weiche ich wieder zurück, denn wo ein Babywolf ist, ist die Mutter nicht weit. Doch der Kleine folgt mir. Ein wenig panisch schaue ich mich um, doch niemand ist hier. Dann betrachte ich das Tier näher.

    Seine Pfoten sind viel zu groß für den Rest des Körpers und auch die Ohren wirken eher wie Radartüten, die er aufgesetzt bekommen hat. Er ist definitiv gerade aus dem Welpenalter raus. Noch zwei Schritte, dann steht er vor mir und schaut zu mir auf. Seine Augen sind grau und stechen aus dem sonst fast schwarzen Fell hervor. Seine Zunge fährt aus seinem Maul und über seine Nase, dann ist sie wieder weg.

    „Na Kleiner?, flüstere ich und sein Kopf legt sich schief. „Wo ist denn deine Mama? Natürlich kann er nicht antworten. „Geh wieder nach Hause. Ich muss weiter", sage ich, schiebe mich an ihm vorbei und laufe los. Ein Kontrollblick über die Schulter zeigt mir, dass er mir nachschaut. Als er meinen Blick sieht, setzt auch er sich in Bewegung und folgt mir.

    Wieder bleibe ich stehen. „Du kannst nicht mit. Geh nach Hause", versuche ich, ihn zu verscheuchen, und mache eine schiebende Geste mit den Händen. Er macht zwar einen Schritt zurück, doch er geht nicht. Auch egal. Er wird schon abhauen. Ich muss runter von der Straße.

    Mein Weg ist weit und ich bin abgelenkt von dem Wolf, der mir stetig folgt. Das ist nicht gut, denn ich muss wirklich aufpassen. Endlich kommen die Ruinen in Sicht und ich atme erleichtert aus, als ich die Grenze zu meinem derzeitigen Zuhause übertrete. Noch ein paar mal habe ich aus der Ferne Schreie gehört, doch sie waren alle weit genug weg, als dass ich in größerer Gefahr gewesen wäre. Heute ist anscheinend die Nordstadt dran. Ich kann die Menschen dort nicht verstehen. Sie leben teils wirklich nah, bei den Elfen. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass sie gefunden werden.

    Die Ansammlung kleiner Häuser in der mein Hof liegt, muss früher mal ein Dorf gewesen sein. Jetzt wuchert alles zu, denn die Natur hat sich schon längst zurückgeholt, was ihr gehört. Ich habe mich in diesem ehemaligen Bauernhof hier eingerichtet. Er ist nicht groß, aber gemütlich. Auch hier wuchern überall Pflanzen, doch sie helfen ebenso, die undichten Stellen zu verschließen, die die Jahre des Leerstandes im Mauerwerk hinterlassen haben. Auch das Dach besteht rein aus Geäst.

    Als ich zwischen den Resten der ehemaligen Mauer, die das Grundstück umschließt, durchtrete, bleibe ich kurz stehen. Der Wolf ist noch immer hinter mir, doch auch er ist stehengeblieben und beobachtet mich.

    Ich stehe hinter der Schutzgrenze, die alle magischen Wesen davon abhält, den Hof zu betreten. Meine Mutter hat dieses Ritual gefunden, nachdem unsere Familie angegriffen worden war und sie hat es mir beigebracht, bevor ich sie verlassen musste. Ich weiß nicht, was mit magischen Wesen geschehen würde, würden sie versuchen über die Grenze zu treten, doch genauso froh bin ich, dass anscheinend niemand weiß, dass ich hier lebe und es somit auch noch keiner versucht hat. Bis auf die alte Frau - Cècilia, auch ein Mensch - am anderen Ende des Dorfes, bin ich allein auf weiter Flur.

    Sie hat mir verraten, dass ich in dieser Stadt die Kräuter finde, die ich zum Überleben brauche. Sie hat mir auch gezeigt, wie ich die Salbe herstelle, die meine Schmerzen eindämmt und verhindert, dass sich die Infektion ausbreitet. Im Grunde verdanke ich ihr mein Leben.

    Der Wolf steht vor den Mauerresten und hält meinen Blick fest. Eine geschlagene Minute starren wir uns an. Er, als warte er auf Einlass. Ich, weil ich wissen will, ob er die Grenze übertreten kann. Dann tut er es. In leichtem Trab kommt er auf mich zu und setzt sich vor mich hin. Innerlich atme ich auf, denn das heißt, er ist ein gewöhnlicher Wolf, kein Wer- oder Elbwolf. Wobei Werwölfe ebenfalls nicht in dieser Gegend leben. Eben wegen den Elbwölfen. Die im Übrigen immer an einen Elfen gebunden sind.

    Elbwölfe sind zwar keine Gestaltwandler, dafür aber magisch und den Werwölfen in Kraft und Schnelligkeit sogar noch überlegen. Revierkämpfe werden also geflissentlich vermieden. Der Welpe vor mir ist kein Elbwolf, sonst würde er sicher nicht so sorglos vor mir sitzen und mich treuherzig wie ein Hund anschauen. Mein Schutz hätte es verhindert.

    Ich wende mich ab und gehe ins Haus. Die Schmerzen in meiner Seite werden schlimmer, ich brauche dringend die Salbe.

    Im ehemaligen Wohnbereich, der jetzt meine Einzimmerwohnung ist, lasse ich meine Sachen fallen und beginne gleich mit den Vorbereitungen für meine Medizin. Die Mixtur muss eine Stunde ruhen, bevor ich sie auftragen kann, was noch zur Herausforderung wird, wie ich wohl weiß. Es ist immer so, wenn ich zu spät dran bin.

    Der Wolf ist mir abermals gefolgt und nimmt nun meine bescheidene Bleibe in Augenschein. Er schnüffelt alles ab und halb befürchte ich, er könnte irgendwo hinmachen, doch er hält sich zurück und legt sich nach seinem Rundgang vor das alte Sofa, das mein Schlafplatz ist. Seine Augen folgen meinem Tun, als ich die fast fertige Mixtur auf den Kaminsims stelle, die Sanduhr daneben umdrehe und mich zu ihm umwende.

    „Hast du Hunger?, frage ich, auch wenn ich keine Antwort erwarten kann. „Tja, ich hab Hunger, füge ich an und hole Brot und geräucherte Wurst aus einem Schrank in der Ecke. Morgen muss ich dringend auch den wieder etwas auffüllen. Ich gehe zum Sofa und lasse mich fallen. Der Wolf steht auf und setzt sich dann so, dass er mich beobachten kann. Einen Moment lang mustere ich ihn und überlege, warum er so zutraulich ist.

    Er muss Menschen gewohnt sein, denke ich und halte ihm das Ende der Wurst hin. Vorsichtig und nur mit den vordersten Zähnen, zieht er es mir aus der Hand und verspeist es dann recht gemütlich und ohne Hast.

    „Willst du hierbleiben?, frage ich in die Stille. Ein Mitbewohner wäre nicht schlecht. Es kann ziemlich einsam hier draußen sein. Außerdem könnte ich ihn richtig zähmen und vielleicht könnte er so was wie mein Schutzwolf werden. Der Kleine lässt sich nicht von seinem Futter ablenken. „Du kannst hier wohnen, wenn du willst, rede ich weiter. „Wir könnten ein Team werden."

    Der Welpe hebt den Kopf, um den letzten Rest Wurst zu verschlingen, und schaut mich dann an, während er versucht, mit der Zunge die Fleischfetzen zwischen den Zähnen hervorzuholen.

    „Jetzt hast du bestimmt Durst, was? Ich stehe auf und hole eine Schüssel, in die ich Wasser aus meiner Flasche für unterwegs kippe. Gierig trinkt er sie komplett leer und schaut mich dann bittend an. „Sorry, mehr hab ich nicht. Ich geh heute auch nicht noch mal raus. Wenn du mehr willst, musst du selbst zum Fluss.

    Ein letzter Blick und der Wolf wendet sich ab. Doch, statt rauszugehen, lässt er sich vors Sofa plumpsen. Einen Moment später schließt er die Augen und schnieft kurz aber laut. Ich beobachte ihn eine ganze Weile, dann fällt mir die Mixtur wieder ein. Ein stechender Schmerz in der Seite hat mich erinnert.

    Kurz bevor ich die Salbe verwenden kann, muss die letzte Zutat rein. Der Saft aus den Dornen einer schwarzen Rose. Ich krame in meiner Tasche nach dem kleinen Fläschchen, das ich heute unter Mühen erstanden habe, kann es aber nicht finden. Eine gefühlte Ewigkeit suche ich danach, kippe sogar alles aus und wühle mich penibel durch den wenigen Inhalt, doch die kleine Phiole bleibt verschwunden.

    „Scheiße! Wo ist sie?!, entfährt es mir, woraufhin der Welpe mich wieder ansieht. Mein Blick schweift im Raum umher, auch wenn ich sicher bin, dass sie nur in der Tasche sein kann. „Verdammter Dreck! Ohne den Saft wirkt die Salbe nicht so, wie sie soll. Die Infektion wird nur bedingt aufgehalten und die Entzündung breitet sich aus. Ich weiß das, weil ich es schon erfahren musste. Damals, als Cècilia mir gezeigt hatte, wie man die Salbe herstellt, gleich das erste Mal.

    Sie hatte nur eine Phiole Rosensaft gehabt und mir die Salbe gemacht. Danach hatte ich mir die Zutaten selbst besorgen müssen, aber genau jenen Saft nicht bekommen. Ich hatte es ohne versucht und war kläglich gescheitert. Cècilia hatte mich dann aufgeklärt, dass der Saft die Komponenten zusammenbringt. Er sorgt dafür, dass die einzelnen Kräuter richtig miteinander harmonieren. Ohne, ist es nichts Halbes und nichts Ganzes. Und jetzt fehlt dieser wichtige Teil. Sicher hab ich

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