Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Renaissance 2.0: Deadleands
Renaissance 2.0: Deadleands
Renaissance 2.0: Deadleands
eBook715 Seiten9 Stunden

Renaissance 2.0: Deadleands

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Jikav hat sich endgültig von seinen Freunden getrennt, um seinen eigenen Weg zu gehen. Seinen schwersten Weg, wie sich schnell herausstellt, den er niemals einschlagen wollte. Doch nach all dem, was man ihm gesagt hat, bleibt ihm keine andere Wahl. Immer weiter zieht es ihn hinunter zu seinem eigenen Abgrund. Wie wird es mit ihm weitergehen? Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagte man. Doch gibt es überhaupt noch Hoffnung für ihn und diese Welt? Seine Freunde hingegen kämpfen mit ganz anderen Problemen an verschiedenen Stellen. Neue Freundschaften entstehen und verbinden die Betroffenen noch stärker. Shilané findet ihre Mutter, eine neue Aufgabe und einiges mehr, als sie sich erhofft hatte. Kaziir offenbart, wo ihre wahren Wurzeln liegen. Wird all das ausreichen, um das Land wieder in die richtigen Bahnen zu lenken? Wird die Liga des Untergangs mit ihrer Armee der Finsternis doch noch siegen?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Juli 2021
ISBN9783754141526
Renaissance 2.0: Deadleands

Mehr von Christian Jesch lesen

Ähnlich wie Renaissance 2.0

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Renaissance 2.0

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Renaissance 2.0 - Christian Jesch

    Renaissance 2.0

    Dædlænds

    Cetian

    © 2021 Christian Jesch

    http://www.cetianjesch.de

    Kapitel 1

    Ich werde mich nicht noch einmal wiederholen, schnaubte Shilané immer noch wütend. Auffordern blickte sie in die Runde. Dabei schaute sie jeden Einzelnen, jeder Frau und jedem Mann, starr in die Augen. Langsam kam Bewegung in die Gruppe und ein leises Gemunkel wurde hörbar. Keiner der Anwesenden ließ das Mädchen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde unbeobachtet.

    Haben dir die anderen Fraktionen nichts über ihn erzählt?, fragte schließlich der Ordensführer.

    Glaubst du, ich würde fragen, wenn sie das getan hätten? Jedes Mal, wenn ich mehr wissen wollte, hieß es, frag den Rat. Was habt ihr mir verschwiegen? Die Mitglieder des Rates sahen sich betroffen gegenseitig an. Keiner wollte der Erste sein, der etwas über Arazeel verlauten ließ. Immerhin war die Geschichte schon einige Jahre alt und hatte nicht wirklich noch eine Bewandtnis. Nacheinander schauten alle zum Meister des Rates, der sich schließlich nicht mehr aus der Sache heraushalten konnte.

    Also gut, begann er. Ich denke, Shilané hat ein Recht zu erfahren, was es mit Arazeel auf sich hat. Ansonsten kann sie unmöglich mit den anderen Fraktionen weiter verhandeln. Und wir haben mittlerweile ganz andere Sorgen als dieses unsägliche Ereignis, wie Shilané uns berichtet hat. Wenn wir sicher sein wollen, vor diesem Mutantenmädchen, dann können wir uns nur gemeinsam gegen sie wehren. Er machte eine kurze Pause und deutete der jungen Frau mit einer Handbewegung an, sich zu setzen. Dem Rest des Rates nickte er nur zu, es ihr gleichzutun. Das wird jetzt einige Zeit dauern, offenbarte der alte Mann ihr. Der Vorfall selbst ist schnell erklärt, doch das Drumherum ist sehr komplex.

    Nach etwas mehr als einer Stunde endete der Meister des Rates mit seinen Ausführungen. Es trat ein langes Schweigen ein. Shilané saß mit halb geöffnetem Mund und einem verstörten bis ungläubigen Gesichtsausdruck unbeweglich am Tisch. Sie starrte ihren Gegenüber an. Sollte das alles die Wahrheit gewesen sein? Konnte das überhaupt wahr sein? Das Mädchen schüttelte den Kopf energisch, um ihn freizubekommen. Dann schluckte sie deutlich, was ihre trockene Kehle jedoch nicht wirklich half. Schließlich raffte sich die junge Frau zusammen.

    Das ist doch wohl nicht euer Ernst, brachte sie endlich hervor.

    "Doch. Das ist unser voller Ernst. So hat sich alles zugetragen und entwickelt.

    Dann bin ich ja…

    Genauso ist es. Das bist du, bestätigte eine Frau aus dem Rat überhastet.

    Das muss ich erst einmal verarbeiten, stöhnte Shilané und stand auf. Ich gehe jetzt in meinen Raum und möchte nicht gestört werden. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie auf die Tür zu, öffnete diese und verschwand auf dem Gang.

    Da war wohl ein gehöriger Schock für das arme Mädchen, meinte eine weitere Anwesende.

    Kannst du ihr das verdenken?, fragte ein Mann nüchtern.

    Ich hoffe nur, sie kommt damit klar, fügte eine dritte Person hinzu.

    Das wird sie schon, versuchte der Meister die anderen zu beruhigen. Natürlich ist es im ersten Moment erschreckend, wenn man solche Dinge erfährt, aber es ist nichts, das man nicht ertragen kann.

    Shilané benötigte in ihrem Zimmer nicht die Zeit dazu, die persönlichen Informationen, die sie erhalten hatte zu verarbeiten, sondern, um ihre Strategie mit den anderen Fraktionen unter diesen Umständen ein weiteres Mal zu überdenken. Natürlich hatten einige der neuen Fakten sie wie ein spitzes Messer getroffen. Unerwartet und unvorstellbar. Und sehr privat. Aber auf der anderen Seite auch wiederum sehr schön. Sie lächelte kurz. Als das Mädchen jedoch bemerkte, dass sie vom eigentlichen Thema abschweifte, verschwand der Glücksausdruck aus ihrem Gesicht. Nachdem sie lange und ausgiebig nachgedacht hatte, es war schon fast Abend geworden, stand Shilané entschlossen auf und erstellte ein Portal, durch das sie die geheime Bastei der Magus verließ, um nur einen Atemzug später bei den versammelten Fraktionen einzutreffen.

    Ah, da ist sie ja wieder, wurde die junge Frau von einem Mann mittleren Alters empfangen. Wir waren uns nicht sicher, wann oder gar, ob du wiederkommen würdest.

    Dass ich zurückkomme, damit hättet ihr allerdings rechnen müssen. Schließlich geht es hier um mehr, als diesen jahrelang andauernden Streit. Das habe ich euch schon erklärt. Und was diesen Arazeel angeht, er hat zwar etwas damit zu tun, dass ihr euch von den Magus getrennt habt, er hat jedoch nichts mit dieser Hexe Ysana zu tun, die unser aller Leben bedroht.

    Da kommst du schon gleich auf den Punkt, unterbrach der Mann sie. Unser aller Leben, sagst du. Um uns zu bedrohen, müsste dieses Mädchen erst einmal wissen, dass es uns gibt und wo wir zu finden sind. Und das dürfte schon ihr Problem sein.

    Glaubst du wirklich, dass niemand etwas von eurer Existenz weiß?, forderte Shilané den Mann heraus. Ihr wart noch nie außerhalb eurer Mauern tätig? Für niemanden?

    Worauf willst du hinaus?, fragte eine Frau neugierig, der Shilanés Andeutungen gar nicht gefielen.

    Soweit ich informiert bin, gab es eine Zeit, in der die Magus der Bevölkerung geholfen haben, oder habe ich da etwas falsch in Erinnerung.

    Sie hat recht, stimmte ein weiterer Mann ihr zu. Damals, nach dem großen biochemischen Krieg, als das Boden verseucht war, es kein Wasser gab, da haben wir uns für die Menschen in vielen Teilen des Landes eingesetzt und mit unseren Fähigkeiten dafür gesorgt, dass auf ihren Feldern Nahrung wuchs und ihre Tiere getränkt werden konnten.

    Das ist lange her. Daran wird sich niemand mehr erinnern. Und selbst wenn, wie sollte diese kleine Hexe ausgerechnet auf jemanden treffen, der ihr davon erzählt?

    Und warum sollte dieses Mädchen nicht jemanden begegnen, der davon berichtet? Du kannst nicht einfach sagen, das passiert nicht. Wenn wir behaupten, es würde nicht so sein und dann geschieht es doch, was willst du dann machen?, gab eine weitere Person im Raum zu bedenken.

    Dann müsste diese Mutantin uns erst noch finden, argumentierte der scheinbar selbsternannte Redner der Gruppe dagegen.

    Und ob sie euch finden wird, schaltete sich jetzt wieder Shilané ein. Ihre Mutanten haben ganz andere Fähigkeiten, als wir Magus. Wir können nur die vier Elemente beherrschen, sie besitzt aber Menschen, wie zum Beispiel Telepathen, die über endlose Weiten Gedanken lesen können. Fernorter, die über das Magnetfeld der Erde Veränderungen wahrnehmen. Mutanten, die wie wir, Geräusche aus großer Entfernung hören und sortieren, die Frequenzen und ihre Modifikation erkennen. Soll ich noch mehr aufzählen? Diese Metamenschen besitzen viel mehr Fertigkeiten, als wir. Es muss sie nur jemand in die richtige Richtung drehen, dann können diese Leute uns erahnen. Willst du dich und deine Leute dieser Gefahr aussetzen?

    Ich habe schon verstanden, Shilané. Aber du hast es eben selbst gesagt. Diese Metamenschen, wie du sie nennst, besitzen ganz andere Fertigkeiten, gegen die wir nichts ausrichten können. Die vier Elemente geben nicht viel her. Das ist lächerlich.

    Wenn jeder für sich kämpft, ja. Deswegen müssen wir uns alle zusammenfinden und gemeinsam bereit sein, wenn der Tag kommt. Und ganz ehrlich, ganz so unbedarft sind wir auch nicht. Wenn sie mit ihrer Armee anrückt, können wir den Boden unter ihren Füßen öffnen und ihn über ihren Köpfen wieder schließen. Ist das etwa nichts? Wir können mit einem brennenden Streichholz in der Hand ungeheure Feuerwalzen auf sie nieder schicken. Mit dem Wasser aus der Erde errichten wir meterhohe Flutwellen, die sie davon spülen werden. Habt ihr denn ganz vergessen, wie wir unsere Fähigkeiten anwenden? Fehlt euch die Fantasie, die Elemente so zu nutzen, dass sie uns zu unserer Verteidigung dienen? Shilané hob die Arme und die Schultern seitlich halb hoch und blickte alle Anwesenden mit einem fragenden bis auffordernden Gesichtsausdruck an. Es entstand eine lange Pause, in der sich die Männer und Frauen unsicher anschauten und nach einer Antwort suchten. Im Innersten wussten einige von ihnen, dass dieses junge Mädchen vollkommen richtig lag. Doch keiner wollte es vor dem anderen zugeben. Die Furcht war einfach zu groß. Doch sie wussten auch, die Angst würde zur Panik werden, wenn diese Ysana erst einmal mit ihren Gefolgsleuten vor ihren Toren stand und sie nicht bereit waren.

    Das klingt alles sehr hoffnungsvoll, was du da sagst. Die Anwendung unserer Fertigkeiten und deren Effekt. Ich kann nur hoffen, dass du dich nicht geirrt hast.

    Ich erwarte nicht, dass ihr euch mit den Magus zusammenrauft und dann als kriegerischer Verband auf die Stadt Akeḿ zumarschiert, um die Hexe dort ein für alle Mal zu vernichten. Das wäre Selbstmord und würde niemandem etwas bringen. Ich erwarte nur, dass ihr den alten Streit beendet und euch gemeinsam der neuen Gefahr stellt, wenn sie in den Dædlænds Kurs auf uns genommen hat.

    Kapitel 2

    Was haben sie in dem Hover gefunden?, erkundigte sich Tebeel neugierig, als die Gruppe zurückkehrte.

    Haben Sie gewusst, dass Ysana und ihr Bruder Ihnen einen Besuch abstatten wollten?

    Nein, Stieß der Mann erschreckt hervor. Wie kommen Sie den auf so etwas?

    Demnach sieht es so aus, als wollte die Mutantenhexe bei Ihnen unangemeldet erscheinen und Sie wahrscheinlich unter Druck setzen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Wie gut, dass Tandra, Kaziir deutete auf ihre Lebensgefährtin, mit an Bord war und die Gelegenheit nutzen konnte.

    Genaugenommen, mischte sich jetzt Tandra ein, wollte sie herausfinden, inwieweit Sie eine Gefahr für ihre Pläne waren. Hätten Sie zu viel gewusst, hätte das Mädchen sie einfach umgebracht und die Ordensburg vernichtet.

    Naja, stöhnte Tebeel auf. Das hat jetzt schon Mår-quell geschafft. Ich verstehe nicht, wie sie uns gefunden hat.

    Das war nicht Mår-quell, widersprach Kaziir. Erstens besitzt die Bundessenatorin kein Militär und zweitens werden diese Plasmaraketen nur von einer Spezialeinheit der ProTeq verwendet, die mit der Regierung nichts zu tun hat. Sie agiert nur auf Befehle der Firma. Also konnte Mår-quell gar nicht den Beschuss anordnen, solange die ProTeq es nicht selber wollte.

    Dann frage ich mich aber erst recht, woher diese Sicherheitsfirma unseren Aufenthalt kannte, empörte sich Tebeel.

    Diese Sicherheitsfirma, wie sie es nennen, ist alles andere als der kleine Laden in einer Seitenstraße, welcher bei Ihnen zu Hause Panzerglas in die Fenster einsetzt oder eine Alarmanlage installiert. Diese Firma ist bundesweit für die Sicherheit, das Militär und den Geheimdienst verantwortlich. Dass bedeutet, sie stellen jeden Sicherheitsbeamten, jeden Polizisten, jeden Soldaten und natürlich auch jeden Agenten in diesem Land. Die ProTeq weiß im Prinzip über alles Bescheid.

    Aber die Templar und Navigatoren lebten doch vollkommen autark in dieser Einöde, warf Misuk ein.

    Woher haben Sie all die Informationen bekommen, die Ihre Spezialisten verarbeitet haben?

    Von unseren Agenten. Die sind überall zu finden.

    Da haben Sie Ihre Schwachstelle, kommentierte Kaziir nüchtern.

    Nein, rief Tebeel aus. Niemals. Das kann ich nicht glauben.

    Ich kann mir das hingegen sehr gut vorstellen, widersprach die Suprimekommandantin. Tebeel schaute sie ungläubig an, musste sich aber eingestehen, dass die Renegatin möglicherweise nicht ganz Unrecht haben könnte. Wie sind Ihre weiteren Pläne? Misuk erwähnte eine Bibliothek in der Kopien Ihrer Dokumentationen lagern.

    Ja. Das Antiquar. Wir werden uns dorthin zurückziehen und unsere Arbeit erneut aufnehmen. Sie können uns begleiten, wenn Sie möchten.

    Tandra und ich müssen nach Çapitis. Dort warten einige Aufgaben auf uns. Ich weiß nicht, wie das mit Thevog ist. Willst du mit uns oder Misuk gehen?

    Ich denke, ich bleibe bei Misuk. Sie ist die Einzige, die weiß, wo wir Shilané finden können, antwortete der Junge bedrückt.

    Shilané?, wiederholte Tebeel nachdenklich und langgezogen.

    Kennst du sie?, fragte Misuk ihren Vater neugierig.

    Ja, ja. Ich denke, ich kenne das Mädchen, von dem ihr sprecht. Ja.

    Kommt sie in euren Berechnungen vor oder woher kennst du sie?

    Ich kenne das Kind noch aus alten Tagen, begann ihr Vater zu erzählen, als ein gewisser Leto einen Jungen zu uns brachte, den wir vor der Regierung und ihren Häschern schützen sollten. Der Mann blieb etwas mehr als drei Jahre, dabei verliebte er sich in eine der Unseren und Shilané kam zur Welt.

    Was geschah dann?, fragte Tandra fast lautlos.

    Leto erkannte, dass er uns mit dem Jungen lange genug in Gefahr gebracht hatte. Er geleitete ihn wieder zurück in die Hauptstadt. Seit dem haben wir nichts mehr von ihm gehört.

    Ich weiß nicht, wer dieser Leto ist, sagte Tandra, nachdem sie sich kräftig geräuspert hatte, um ihre trockene Kehle freizubekommen, aber Shilanés Vater ist tot. Er starb bei einer Explosion in einem Dorf, das nur ein paar hundert Kilometer entfernt liegt.

    Wo war er die ganze Zeit?, fragte Tebeel verträumt, nachdenklich.

    "Zuletzt war er in Akeḿ, wo er eine Gegenregierung zu Mår-quell etablieren sollte", begann Misuk ihren Vater zu unterrichten, bevor der sie heftig unterbrach.

    Nein, rief er aus und packte seine Tochter am Unterarm. Nein, das kann unmöglich sein.

    Doch, widersprachen ihm Tandra und Kaziir gleichzeitig.

    Jachwey war Leto?, entfuhr es dem entsetzen Mann. Und er ist tot?

    Haben Ihre Agenten Sie denn nicht darüber in Kenntnis gesetzt? Der Mann schaute seine Tochter durchdringend an, die verzweifelt das Gesicht verzog.

    Offensichtlich nicht, beantwortet er die Frage. Aber ich denke die widrigen Umstände der letzten Monate müssen das wohl entschuldigen.

    Es tut mir sehr leid, Vater, sagte Misuk traurig.

    Ist schon gut, mein Kind. Du hattest mit Sicherheit keine leichte Zeit gehabt.

    Das ist allerdings richtig, stimmte Thevog Tebeel zu. Nachdem das Dorf zerstört wurde, mussten wir alle ums Überleben kämpfen und das war alles andere als einfach in den Dædlænds.

    Du brauchst weder dich noch Misuk zu entschuldigen, beruhigte der Mann die beiden Kinder.

    Im Übrigen muss ich sagen, schaltete sich jetzt Tandra ein, dass die Behauptung, Jachwey ist tot, nicht so ganz stimmt.

    Wie darf ich das verstehen, junge Frau? Tebeel wurde mit einem Mal sehr neugierig.

    "Es stimmt schon, dass sein Körper gestorben ist. Dafür existiert jedoch noch sein Geist.

    Jetzt irritieren Sie mich aber.

    "Es ist auch verwirrend. Während Jachwey in Akeḿ regierte, arbeitete er an einer Technik, die es den normalen Menschen ermöglichen sollte, Zugang zu den Quellen des Metanetzwerks zu erlangen, um ebenfalls Mutantenfertigkeiten anwenden zu können."

    Moment, Moment, Moment, unterbrach der oberste Templar erneut. Das ist mir doch jetzt ein wenig zu hoch. Bitte erklären Sie das so, dass es selbst ein einfacher Mann, wie ich, verstehe.

    Dann muss ich etwas weiter ausholen. Wir Mutanten erhalten unsere Fähigkeit aus einer höheren Energieebene, genannt das Metanetzwerk. Dort befinden sich als Quellen bezeichnete Energieansammlungen, welche die jeweilige Fertigkeit repräsentieren. Als Mutant schließe ich mich an eine solche Quelle an, um meine Fähigkeit zu aktivieren und anzuwenden.

    Können sie sich an jede x-beliebige anschließen?, unterbrach Tebeel.

    Nein. Nur an die, welche sozusagen auf meiner Frequenz liegt. Und eben diese Frequenz hat Jachwey ausgenutzt, um seine Meta-Neuronen-Netze zu konstruieren, die sich dann mit den Neuronen des Gehirns verbinden. Somit kommen wir jetzt zu seinem Geist. Als eine Mutantin ihn in Brand gesetzt hat, trug der Gottkaiser ein solches Meta-Neuronen-Netz, das sich dann bei ihm einbrannte, was zur Folge hatte, dass er geringfügig den Verstand verloren hat. Als Jachwey nun durch die Explosion ums Leben kam, ist die Energie, die in einem menschlichen Gehirn existiert und für das Denken verantwortlich ist, über das Meta-Neuronen-Netz in das Metanetzwerk geflüchtet. Somit existiert dieser Mann dort immer noch als eine Art Energiewesen oder auch Geist.

    Ah, ich verstehe. Der alte physikalische Grundsatz, dass Energie nie verloren geht, sondern sich immer in eine andere Form umwandelt. Das ist interessant. Aber woher wissen sie das alles.

    Weil ich mit ihm kommunizieren kann, gab Tandra wenig erfreut zu.

    Dann kann er dir doch auch sagen, wo sich Jikav befindet, stieß Kaziir aufgeregt hervor.

    Nein, das kann er nicht. Jikav ist ein besonderer Mutant, ebenso wie Ysana es war. Beide benötigen die Quellen im Metanetzwerk nicht. Sie tragen ihre Quellen mehr oder weniger in sich. Daher kommen sie nie in diese höhere Energieebene. Naja, fast nie. Jachwey hat mir einmal gesagt, er habe Jikav am äußersten Rand der endlosen Ebene gesehen. Was auch immer das heißen soll.

    Das sind viel zu viele Informationen für meine kleines Gehirn, gab Tebeel überfordert zu. Haben Sie das alles mitbekommen und können es weitergeben, sagte er und wendete sich dabei einem Navigator zu, der sich unbemerkt hinter der kleinen Gruppe in Stellung gebracht hatte.

    Ja, das habe ich. Ich werde es sofort weiterreichen, erklang die seltsame Stimme. Die drei drehten sich um und sahen einen Mann, der von der Statur her normal wirkte, jedoch ein wenig kränklich.

    Ich weiß schon, was ihr denkt, unterbrach Tebeel die Gruppe in ihren Beobachtungen. Jeder von ihnen wusste sehr wohl, was auf ihn oder sie wartete, wenn sie erst einmal einige Jahre das Rempa Luak eingenommen haben. Sie verbringen vierundzwanzig Stunden am Tag in einer ergonomisch angepassten Sitzschale, werden dauerhaft mit Nahrung versorgt und ihre Muskeln werden durch leichte Stromstöße stimuliert, damit sie nicht abbauen und verkümmern. Mir ist klar, es fehlt ihnen das Sonnenlicht und einige andere Dinge, die für den menschlichen Körper von Bedeutung sind. Doch trotz alledem, haben diese Männer und Frauen sich dem Wohl der Allgemeinheit verschrieben und versuchen mit ihrer Fähigkeit die Welt um uns herum zu verbessern. Ununterbrochen, auch während sie schlafen, werden sie mit den neuesten Informationen aus ihrer Region versorgt, damit sie die Zukunft berechnen können. Natürlich fragt ihr euch, wie es unter diesen Umständen zu so einer Regierung wie der von Mår-quell kommen konnte. Leider muss ich dazu sagen, dass wir nur auf das reagieren können, über das wir auch Bescheid wissen. Und die plötzliche Veränderung bei dieser Frau war selbst ihrem Mann entgangen. Die Bundessenatorin hatte alles im Geheimen mit einigen wenigen anderen Politikern geplant und in einem einzigen Tag in die Tat umgesetzt. Das konnten wir nicht vorhersehen. Tebeel machte eine Pause, bevor er fortfuhr. Wie sieht es aus? Wer begleitet uns denn nun?, wechselte der jetzt deprimiert wirkende Mann das Thema.

    Wie ich schon sagte, begann Kaziir, Tandra und ich müssen zur Hauptstadt. Ich vermute mal, dass Thevog Sie und Misuk begleiten wird. Schließlich ist er ja auf der Suche nach seiner Freundin. Und du weißt, wo man die Magus findet?, wendete sie sich an das Mädchen.

    Ich habe einige Hinweise, denen wir folgen können.

    Hinweise?, wiederholte Tandra.

    Eher grobe Landschaftsbeschreibungen, antwortete Thevog.

    Wir werden mal sehen, was wir im Antiquar über die Magus finden können, ermunterte Misuks Vater den Jungen. Irgendwie wirst du Shilané schon wieder treffen. Und was Sie angeht, Kaziir, kommen sie am besten auch mit uns. Bis nach Çapitis ist es weit. Wir können Ihnen eines unserer Fahrzeuge zur Verfügung stellen.

    Wie weit ist es denn bis zu diesem Antiquar?

    Wenn wir nicht trödeln sind es weniger als zwei Tage.

    Glauben sie das wirklich?, fragte Kaziir befremdet, mit einem Blick auf die Navigatoren, die sich versammelt hatten.

    Wir werden das schaffen, antwortete Tebeel voller Zuversicht. Wenn Sie jetzt direkt in Richtung der Hauptstadt losstiefeln, werden Sie auch nicht eher dort sein, als wenn Sie erst zu uns kommen und dann mit einem Fahrzeug den Rest des Weges zurücklegen.

    Und Sie machen sich keine Gedanken darüber, dass wir den Standort Ihrer geheimen Bibliothek erfahren? Tebeel schaute die beiden Frauen kritisch von Oben bis Unten an und schüttelte dann lachend den Kopf.

    Nein. Sie sind in Ordnung, Suprimekommandantin Kaziir und  Suprimemajor Tandra. Wenn ich Ihnen nicht vertrauen kann, wem dann?

    Kapitel 3

    Jikav öffnet vorsichtig seine Augen. Sein Schädel fühlte sich an, als wolle er zerspringen. Nur ganz allmählich kamen ihm die ersten Erinnerungen des gestrigen Tages wieder ins Gedächtnis. Er war in irgendeiner Stadt angekommen und in einem Gasthof eingekehrt, wo er sich völlig frustriert einige Getränke bestellt hatte. Was hatte ihm der Gastwirt nochmal gebracht? Er wusste es nicht mehr. Mühsam drehte er den Kopf zur Seite in Richtung des Fensters. Vor dem grellen Tageslicht konnte Jikav eine Silhouette ausfindig machen. Lange, gelockte Haare die ein Gesicht verdeckten, dass nach unten auf ein Comtab blickte. Er öffnete den Mund, um die Person zu fragen, wer sie denn sei, als es ihm wieder einfiel, wer dort auf dem unbequemen Stuhl saß. Femm. Die Frau, die ihn schon seit einiger Zeit verfolgte und von der Jikav rein gar nichts wusste, außer, dass sie ihn ständig Arazeel nannte.

    Die junge Frau bemerkte, dass sich die Person neben ihr im Bett regte. Schnell beendete sie ihre Tätigkeit auf dem Kommunikationsgerät und legte es beiseite. Ihre vollen Lippen dehnten sich zu einem Lächeln, dass Jikav Mut machen sollte. Die braunen Augen betrachteten den Jungen interessiert, während dieser versuchte sich langsam in eine sitzende Position zu bringen. Mehrmals stöhnte er unterdrückt auf und fasste sich an die Schläfe oder den Hinterkopf. Dann hatte er es endlich geschafft. Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht, auf dem sich ebenso Wut abzeichnete, blickte er zu der schlanken Frau rüber.

    Na, sprach Femm ihn an. Bist du langsam mal aus deinem Koma erwacht?

    Ihre Stimme war wie Feengesang, der durch mehrere Meter Watte zu ihm gelangte. Er bewegte seine Zunge einige Male im Mund hin und her. Sein Gefühl sagte ihm, dass sie auf mindestens das Doppelte angeschwollen sein musste. Jedenfalls glaubte er das. Dann stutzte er. Was hatte sie da eben von einem Koma gesagt?

    Was?, brachte er mühsam hervor.

    Du hast dich gestern mit drei Liter Starkbier abgefüllt, erklärte Femm ihm die Situation. Dann bist du umgekippt. Ich habe hier ein Zimmer gemietet und dich raufgeschleppt. Das ist passiert?

    Wieso?

    Keine Ahnung, warum du dich betrunken hast. Aber scheinbar verträgst du nicht viel, lachte die junge Frau, was ihre rehbraunen Augen zum Aufblitzen brachte.

    Nein, widersprach Jikav. Ich meine, wieso bist du schon wieder hier, bei mir? Was willst du von mir?

    Ich bin dein Schutzengel, wie mir scheint.

    Ich brauche keinen, erwiderte Jikav mit einem wütenden Blick auf die Frau. Ich komme in dieser scheiß Welt auch gut ohne dich klar.

    Das sehe ich, gluckste Femm erheitert, während sie ihm dabei zusah, wie er versuchte das Bett auf möglichst elegante Weise zu verlassen.

    Ich habe dir schon einmal gesagt, ich bin nicht dein Azrael oder wie der Kerl heißt, den du da suchst. Verschwinde und lass mich einfach in Ruhe.

    Da kann ich dir leider nicht zustimmen, denn du bist Arazeel. Ich weiß das und du wirst es auch wieder wissen, wenn die Zeit gekommen ist.

    Ruhe, schrie Jikav laut auf und stützte sich sofort an der Wand ab. Er wartete einen Moment, bis das Schwindelgefühl wieder vorbei war, dann setzte er seinen Satz fort. Immer wieder muss ich mir diesen Mist anhören. Irgendwelche Leute, die mir sagen, ich wäre etwas Besonderes und würde mich bald daran erinnern. Ich habe es satt, dass man mich vorführt und verarscht. Ihr könnt euch eure verfickte Hokoash sonst wo hinstecken. Ich habe mit dem ganzen Scheiß nichts zu tun. Kapiert ihr das endlich? Jikavs Stimme war immer lauter geworden, sodass der Wirt die Treppe hinaufgeeilt war, um nach dem Rechten zu sehen. Als er jetzt die Tür öffnete, winkte ihm Femm sofort zu, dass alles in Ordnung sei. Der Mann schaute die Frau ungläubig an, die ihm erneut wiederum zu verstehen gab, er könne gehen. Langsam zog er die Tür ins Schloss und begab sich nach unten. Femm wendete sich erneut Jikav oder wie sie ihn nannte, Arazeel, zu, um ihm tief in seine zornigen Augen zu blicken. Die vorangegangene Leichtigkeit war verschwunden. Man konnte sehen, dass es ihr vollkommen ernst war.

    Du hast es satt?, sagte sie bedrohlich und wiederholte die Frage sogleich noch einmal. Was glaubst du eigentlich wie satt wir es haben, hinter dir her zu sein, nur damit du keine Probleme verursachst. Du hast so viele Menschen in Gefahr gebracht und trotzdem hat man dich immer und immer wieder geschützt. Ich war mal deine Freundin. Deswegen habe ich die Aufgabe übernommen, auf dich aufzupassen. Und ganz ehrlich, du hast es niemanden von uns leicht gemacht. Die Welt hätte gut und gerne auf dich verzichten können. Du arroganter Arsch. Was ist bloß in dich gefahren, dass du dich so aufführst? Femm trat zu dem Jungen und starrte im ins Gesicht, auf der Suche nach einem Anzeichen, das ihre Frage beantworten könnte. Schließlich ging sie einen Schritt zurück, um ihm dann mit der flachen Hand und dem gesamten Gewicht ihres Körpers in dasselbe zu schlagen, was ihn beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Wutendbrand machte sie kehrt und verließ das Zimmer. Femm stürmte in den Schankraum und bestellte bei dem immer noch besorgten Mann ein Frühstück, das sie verärgert in sich hinein schaufelte, während sie der Sondersendung im Fernsehen folgte.

    Wie sich im Laufe der letzten Tage herausstellte, ist das gefürchtete Virus aus Chani weltweit aufgetaucht. Die Regierungen gehen daher von einer globalen Pandemie aus, die jetzt bekämpft werden muss, verkündete der Moderator mit einem besorgten Gesichtsausdruck. "Die Bundessenatorin hat sich bereits an die Eternal Union gewandt, um gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten eine Lösung zu finden. Weiter wurde die sofortige Arbeit an einem Serum zum Schutze der Betroffenen aufgenommen. Die Bundessenatorin ist sich absolut sicher, dass die EU schon bald das Problem in den Griff bekommt."

    Jikav hatte genug von dieser Verrückten. Während er seinen Rucksack packte, dachte er über das nach, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Menschen in Gefahr gebracht. Probleme verursacht. Was sollte dieser Blödsinn? Natürlich hatte er das. Als Renegat geschehen diese Dinge nun einmal. Jeder, der an einer Mission beteiligt ist, kann in Gefahr geraten. Doch denen, die er angeführt hatte, war das nie passiert. Und was meinte sie mit Problemen? Der Widerstand musste Konflikte schaffen, damit diejenigen, die sie bekämpften, nicht so ohne Weiteres mit allem durchkamen. Plötzlich hielt er inne. War Femm vielleicht jemand, die der Regierung nahe stand? Unter diesem Aspekt betrachtet ergaben ihre Aussagen einen Sinn. Dann fiel ihm unerwartet noch ein Satz ein, den die Frau gesagt hatte. Ich war mal deine Freundin. Er verfiel ins Grübeln und blickte zur Tür herüber, als ob die Antwort von dort hereinkommen würde. Seine Freundin. Wie war das gemeint? Eine feste Freundin, wie Tandra, bevor sich herausstellte, dass sie möglicherweise seine Schwester war oder eher eine lose Freundin, die er nur kannte? So oder so, er müsste sich doch an sie erinnern. Außer, sie stammte aus seiner Kindheit oder seiner Jugendzeit. Die fehlten noch immer komplett in seinem Gedächtnis. Wenn dem so war, dann konnte sie ihm eventuell doch helfen. Mit einem Kopfschütteln verwarf Jikav den Gedanken sofort wieder und packte zu Ende. Wenige Minuten später war er durch den Hinterausgang verschwunden und tauchte erneut in die Dædlænds ein.

    Sein Weg führte ihn, wie auch schon zuvor, sinnlos durch die Einöde. Alles schien ihm so Unsinnig. Zum ersten Mal seit langem hatte der Junge wieder an Tandra gedacht. Dieser Gedanke ließ ihn nun nicht mehr los. Warum hatte Riém so etwas behauptet? Dachte sie, er wäre nicht gut genug für ihre Tochter? Sollte es wirklich zutreffen, dass Tandra seine Schwester ist, hatte er die größte Sünde von allen mit ihr begangen. Nicht nur, dass er sich in sie verliebt hatte. Nein. Er hatte auch mit ihr geschlafen. Mehr als einmal. Und immer mit ihrem Einverständnis. Mit ihrem Einverständnis, echote es in seinem Kopf. Was, wenn ihre Aussage stimmte, dass sie sich nicht an Geschwister erinnerte? Was, wenn sie wirklich kein hatte? Dann wäre er auch nicht ihr Bruder. Aber würde Riém wirklich eine solche Lüge verbreiten, nur damit er sich von ihrer Tochter fern hielt. Sie hätte doch ganz einfach mit ihm das Gespräch suchen können. Mit ihnen beiden, um über alles zu reden. Fragen zu beantworten und Klarheit zu schaffen. Nein. Wahrscheinlich war die Suprimegeneralin so verbohrt in die Hokoash, dass ihr jedes Mittel recht war, Jikav von allem abzuhalten, was diese beeinträchtigen könnte. Wütend warf er seinen Rucksack zu Boden, um ihn dann einige Meter weiter zu kicken. Ein lauter Schrei der Verzweiflung folgte, der ihm Linderung verschaffen sollte, es jedoch nicht tat. Heftig atmend betrachtete er sich den Schaden, den er verursacht hatte. Die schrille Frequenz hatte eine Druckwelle ausgelöst, welche Bäume wegknicken ließ, wie Strohhalme. Ihm wurde deutlich, dass es nur eine Sache gab, die ihm Helfen konnte. Er musste zurück zu Riém und sie zur Rede stellen. Und sollte sie ihn belügen, würde er das merken. Er hatte vor, sie mit seiner Aktiv-Empathie dazu zu bringen, ihn zu mögen damit sie ihm dann die Wahrheit anvertraute. Dazu musste er nur ein paar Stellschrauben in ihren Gefühlen drehen. Das sollte für ihn eigentlich keine Schwierigkeit darstellen. Wenn er nicht so hitzköpfig gewesen wäre, hätte er sich das Weglaufen und die nagenden Zweifel auch ersparen können. Mit grimmigem Gesicht sammelte er seinen Sachen erneut ein und orientierte sich mithilfe seines Comtab. Dann drehte sich Jikav nach links, um den neuen Weg einzuschlagen, der ihm Gewissheit bringen sollte. Ohne Vorwarnung erschien das Gesicht von Tandra vor seinem inneren Auge. Die zärtlichen Umarmungen und Küsse fielen ihm wieder ein. Das Lachen mit ihr und den Freunden. Freude wandelte sich in Trauer. Trauer in Wut. Wut in Rache.

    Nachdem Femm zu Ende gefrühstückt hatte, atmete sie einmal tief durch, um sich dann in das Zimmer im ersten Stock aufzumachen. Wenig überrascht stellte sie fest, dass es leer war. Sie wäre mehr erstaunt gewesen, hätte sie Arazeel noch vorgefunden. Schnell raffte sie ihr Hab und Gut zusammen, ging hinunter an den Tresen und bezahlte ihr Schulden. Dann kramte sie ihren Comtab aus der Tasche und schaute auf die Karte, die der Bildschirm anzeigte. Ein kleiner Punkt, etwas außerhalb der Stadt, war das, was ihre Aufmerksamkeit erregte. Zufrieden grinste die junge Frau bis über beide Ohren. Es hatte sich also doch gelohnt, während seiner Trunkenheit die Ortungsapp bei ihm zu installieren. Jetzt würde sie ihn nie wieder aus den Augen verlieren.

    Kapitel 4

    Und?, fragte Ambisi, als sie durch das Vorzimmer in den Thronsaal stürmte. Hast du Ysana gefunden? Was ist mit ihr?

    Sie ist tot, war Marahs kurzer Kommentar.

    Wie?

    Ich nehme an, dass Tandra sie umgebracht hat. In dem Hover habe ich nur noch drei Haufen zerfallenes, organisches Materials gefunden, berichtete das junge Mädchen, während sie weiterhin die Schubladen und Schränke in dem großen Raum aufriss und durchwühlte. Vermutlich hat sie die beiden rapide altern lassen und das war's.

    Und der dritte Haufen? Könnte das nicht vielleicht Tandra selbst gewesen sein?

    Nein. Das war der Pilot. Ich habe die dritten Überreste im Cockpit gefunden.

    Kannst du dir erklären, wie das möglich ist? Ambisi war immer noch vollkommen geschockt über die Nachricht.

    Ich bin mir nicht ganz sicher, wie es genau abgelaufen ist. Die Ordensburg war dem Erdboden gleich, als ich dort ankam und der Hover lag einige Hundert Meter weit davon entfernt auf dem Dach. Ich nehme an, eine Explosion hat das Gebäude vernichtet, woraufhin die Druckwelle das Flugzeug erfasst und gegen den Felsen geschleudert hat. Vermutlich sind alle durch den Aufprall ohnmächtig geworden. Dann ist Tandra als Erste aufgewacht, hat ihre Chance erkannt und sie genutzt. Erschöpft und etwas entmutigt stellte Marah ihre Suche ein und schaute das Mädchen nachdenklich an.

    Und wie soll es jetzt weitergehen?

    Das habe ich mir auf dem Rückweg genau überlegt. Du übernimmst die Führung der Armee und ich die der Liga. Auf diese Weise werden wir das Erbe von Ysana weiterführen und ihren Traum verwirklichen. Ich habe auch noch ein paar weitere Gedanken entwickelt, die ich mit dir noch durchsprechen muss.

    Und welche Rolle spiele ich bei deinem Vorhaben?, erklang es plötzlich von der Tür her. Marah schaute auf während sich Ambisi zu dem Mann im Durchgang umdrehte.

    Du repräsentierst die Regierung gegenüber der Bevölkerung, sorgst dafür, dass alle gut versorgt sind und keiner Ärger macht.

    Das soll doch wohl ein Witz sein, ereiferte sich Neyton der sich in bedrohlicher Art den beiden näherte. Ihr zwei seit doch nur Kinder.

    Sei vorsichtig, mit dem, was du da sagst, warnte Ambisi den ehemaligen Anführer der Waldmutanten. Du hast doch wohl nicht geglaubt, du würdest jemals den Mutanten vorstehen, sollte Ysana nicht mehr sein. Das wäre nämlich lächerlich. Dafür bist du einfach zu weich.

    Ambisi hat vollkommen recht, Neyton. Wir beide haben dieselbe Willensstärke wie Ysana sie besaß. Wir werden über Leichen gehen, um unser aller Ziel zu erreichen. Das könntest du nicht. Du bist eher der diskutierende Politiker, der jeden Konflikt vermeiden will. Deswegen eignest du dich auch so perfekt als Repräsentant dieser kleinen Regierung hier. Sie zu, dass niemand von Ysanas Tod erfährt und mach die Bevölkerung glücklich. Was wir am wenigsten gebrauchen können, sind Mitbürger, die sich unterdrückt fühlen und in anderen Städten über uns tratschen. Das macht nur Mår-quell auf uns aufmerksam. Und das können wir nicht gebrauchen.

    Also gut, antwortete Neyton wenig überzeugt und leicht grollend. Wenn ihr glaubt, das wäre alles so richtig, werde ich mitspielen. Ich hoffe nur, ihr wisst, auf was ihr euch da einlasst.

    Das lass mal unsere Sorge sein, rief Marah ihm hinterher.

    Du wirst schon sehen, wir werden Ysanas Erbe vorantreiben, ergänzte Ambisi. Wir sollten ihn genauestens unter Beobachtung halten, fuhr sie dann an Marah gerichtet fort, nach dem der Mann die beiden verlassenen hatte. Ich traue ihm keine Sekunde.

    Das tue ich auch nicht. Ich hatte allerdings auch schon befürchtet, er könnte glauben, aufgrund seines Alters, die Liga und die Armee zu übernehmen. Nur dann würde er vermutlich sofort zu Mår-quell laufen und mit ihr über eine Integration der Mutanten verhandeln.

    Wir sollten ihn, sobald er nicht mehr von Nutzen ist, verschwinden lassen.

    Das habe ich schon alles mit eingeplant, bestätigte das Mädchen ihrer Mitstreiterin. Apropos geplant, wechselte sie nun das Thema abrupt. Ich hatte ja schon vorhin gesagt, dass ich noch ein paar weitere Gedanken hatte auf dem Rückweg. Wir sollten die Liga und die Armee dezent neu organisieren.

    Was stellst du dir vor?, unterbrach Ambisi.

    In der Armee gibt es einige Mutanten, die sich nicht wirklich zum Kämpfen eigenen. Ich meine zum Beispiel die Telepathen und Orter oder auch die Empathen. Ihre Fähigkeiten dienen nicht gerade der Zerstörung oder Tötung. Daher habe ich mir überlegt, dass wir diese Leute gegen entsprechende Vernichtungsmaschinen aus der Liga austauschen. Was meinst du?

    Das ergibt eindeutig Sinn.

    Ich gebe zu, wahrscheinlich werde ich mehr Mutanten aus der Armee abziehen, als ich dir wieder zuführen werde. Aber was nutzen dir Leute, die keinen Schaden anrichten.

    Das ist richtig. Und was hast du dann mit den Mutanten vor, die du übernimmst?

    Etwas ziemlich gewagtes. Ich will sie zu einer Spezialeinheit ausbilden. Sie an der Waffe und im Nahkampf trainieren. Dann gehen sie in den Geheimdienst und zur Garde. Einige werde ich dann auch wieder dir zuweisen, da ein Telepath, Fernorter, Empath und so weiter an Bord der Schiffe wenigstens etwas nützlich sein kann, während eines Kampfes.

    Es ist immer gut, wenn ein Gedankenleser die Taktik des Gegners in Erfahrung bringt oder ein Empath diesen emotional destabilisiert, überlegte Ambisi laut.

    Und, wenn ein Orter den Feind rechtzeitig ausfindig machen kann. Ich denke mit diesen durchtrainierten Ergänzungen wird deine Armee unschlagbar sein.

    Eine hervorragende Idee, die du da entwickelt hast. Auf so etwas wäre Neyton nie gekommen. Die beiden jungen Frauen schauten sich einige Sekunden an, bevor sie dann in schallendes Lachen ausbrachen. Neyton, der immer noch im Nachbarraum außer Sicht stand, wendete sich wutentbrannt ab und stürmte auf den Gang hinaus, wo er einige Leute zur Seite stieß, die ihm den Weg verstellten.

    Als sich die beiden wieder beruhigt hatten, erinnerte sich Ambisi, dass Marah alle Schränke und Schubladen durchwühlt hatte und fragte sie jetzt nach dem Grund dafür.

    Du weißt doch, dass Ysana Unterlagen über die Sturmredner und -bringer hatte, weswegen wir so schnell die anderen Mutanten gefunden haben. Jetzt, wo ihr eidetisches Gedächtnis für immer durch Tandras Mord an ihr verloren ist, habe ich nach den Akten gesucht. Nur gefunden habe ich sie nicht. Ich vermute fast, dass Ysana sie auswendig gelernt und dann vernichtet hat, damit sie niemand anderes bekommt.

    Das würde ihr ähnlich sehen. Nur haben wir dadurch ein schwerwiegendes Problem.

    Ich weiß, bestätigte Marah ihre Sorge. Wir können lediglich vermuten, wo sich noch weitere der Sturmbringer aufhalten. Da die drei Gruppen, die wir aufgenommen haben, allesamt in stillgelegten Industrieanlagen zu finden waren, möchte ich, dass die Armee weitere dieser Anlagen in der Umgebung aufsucht und nachforscht, ob es dort andere Metamenschen gibt, die sich uns anschließen.

    Das ist in etwa so, wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

    Ganz viele Nadeln, stimmte die junge Frau zu. Aber was sollen wir sonst machen? Mit etwas Glück finden wir in einer der Anlagen Akten, die uns weiterhelfen.

    Ich werde meine Soldaten befragen, ob sie noch Informationen über weitere Orte haben, an denen sich Gleichgesinnte befinden könnten. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Kommandanten der einzelnen Standorte untereinander Kontakt hatten.

    Ja, tu das. Und schicke mir dein weniger nützlichen Mutanten. Ich werde nachher die Liga beauftragen, sich entsprechend bei dir einzufinden. Schick deine Leute in diese riesige Stadthalle oder was das für ein Gebäude ist. Sie sollen sich dort erst einmal weitestgehend einrichten. Ich werde im Laufe des Tages zu ihnen stoßen und sie über ihre neue Aufgabe informieren.

    Neyton lief verärgert durch die Gänge zu seinem Büro, wo er die Tür hinter sich zuknallte, um sich dann in seinen Stuhl fallen zu lassen. Da glaubten die beiden Gören doch wirklich, sie wären die einzigen, welche die Liga und die Armee führen könnten, weil er zu weich sei. Verächtlich schnaubte der Mann auf. Lange Zeit grübelte er darüber nach, wie er sich nach dieser Schmach weiter verhalten sollte. Dann kippte er mit seinem Schwingstuhl energisch nach vorne. Was sollte er schon machen? Sie waren zu zweit und hatten die Armee, wie auch die Liga hinter sich. Marah und Ambisi waren beide so durchgeknallt wie Ysana. Schlimmer noch. Das geilte die Mutanten auf. Deswegen folgten sie diesen viel zu jungen Menschen. Aber er würde das nicht ändern. Oder? Mit einem tiefen Atemzug lehnte er sich erneut in seinem Stuhl zurück.

    Kapitel 5

    Femm betrat die Straße und orientierte sich anhand ihres Comtab und der darauf sichtbaren Karte. Nachdem sie die richtige Richtung gefunden hatte, machte sich die junge Frau erneut auf die Suche nach ihrer Zielperson. Der hatte bereits einen Vorsprung von mindestens zehn Minuten oder mehr. Dieser Umstand ließ Femm jedoch nicht in Hast verfallen. Im normalen Schritttempo durchquerte sie die Straßen der Stadt. Immer wieder vergewisserte sie sich über den aktuellen Standort von Arazeel, der mittlerweile die Dædlænds erreicht hatte und in diese eintauchte. Alles kein Problem, dachte die junge Magus. Alles kein Problem, bis zu dem Moment, wo der Punkt von ihrem Bildschirm verschwand. Abrupt blieb sie stehen und starrte ungläubig auf das Display. Arazeel konnte unmöglich so schnell die Ortungsapp gefunden haben, zumal diese als Teil des Betriebssystem getarnt war. Und trotzdem war der kleine blauen Punkt aus der Karte verschwunden. Femm riss sich zusammen. Als erstes markierte sie die Stelle in der Karte, wo das Signal zuletzt aufgeblinkt hatte, dann  stürmte die Frau mit größer werdenden Schritten, die schließlich in ein laufen übergingen, in Richtung Stadtrand. Als sie nicht mehr so viele Menschen auf den Straßen wahrnahm, öffnete die Magus ein Portal und sprang an den ungefähren Ort von Arazeels letzten, sichtbaren Aufenthalt. Dort angekommen, nahm sie erneut das Comtab zur Hand und starrte auf den Bildschirm. Ihre Position wurde durch ein rotes Dreieck dargestellt, das sich einige hundert Meter entfernt von dem Marker, der den letzten Standort ihrer Zielperson anzeigte, befand. Femm war zu überhastet gesprungen und hatte sich total verschätzt. Diesen Fehler musste die Frau so schnell wie möglich korrigieren. Sie ließ sich mehr Zeit, das neue Portal auszurichten und sprang dann ein weiteres Mal. Jetzt war sie an der Stelle angekommen, wo sie das Signal verloren hatte. Doch von dem Jungen war nirgendwo etwas zu sehen. Dabei konnte er noch nicht so weit gekommen sein. Femm nutzte ihre Art der Fernortung und lauschte angestrengt in den Wind, ob sie verräterische Geräusche wahrnehmen konnte. Doch außer einem stetigen Wummern, das sich schnell entfernte, war nichts zu hören. Sie kniete sich nieder, legte beide Hände flach auf den Boden und hielt die Luft an. Doch auch das brachte ihr keine Informationen. Lediglich einige Tiere konnte die Magus ausfindig machen, die sich schnell entfernten. Nichts, das auf einen Menschen hindeutete. Enttäuscht stand sie wieder auf und schaute sich erneut planlos, fragend um. Dann sah sie aber doch noch etwas, dass ihr Interesse weckte. Einige Meter entfernt war das Grass scheinbar durch ein hohes Gewicht plattgedrückt worden. Femm trat näher heran, um sich den Grund dafür anzusehen. Der Abdruck war etwa ein Meter mal ein Meter fünfzig groß und wiederholte sich an drei weiteren Stellen. Es dauerte einiges an Zeit, bis die Magus eine Erkenntnis hatte, was sie da vor sich sah. Zwar hatte sie bislang nur ein einziges Mal einen Hover aus der Nähe betrachtet, aber diese Erinnerung reichte ihr, um zu erkennen, dass es sich bei den Abdrücken um die der Landestützen eines solchen Flugzeugs handelte.

    Auf einmal wurde die junge Frau hektisch. Hatte sie nicht vorhin ein gleichmäßiges Wummern in der Luft gehört? Das musste der Hover gewesen sein, der hier gelandet war. Jetzt fügte sich eins zum anderen zusammen. Offensichtlich wurde Arazeel von einem der Patrouillenhover aufgenommen. Somit war deutlich, man hatte nie aufgehört, nach ihm zu suchen. Für sie wurde dadurch ihre Aufgabe nur noch um einiges schwieriger. Sie musste den Jungen wiederbekommen. Erneut lauschte sie in den Wind und versuchte das Geräusch des Hover zu finden. Nach einigen Augenblicken glaubte sie das Wummern ein weiteres Mal zu hören. Umgehend öffnete sie ein Portal und transportierte sich einige Kilometer vorwärts – mitten in einen Wald auf einer Hügelkette. Ätzender Tau tropfte auf die Frau herab und sie schrie vor Schmerzen auf. Ohne Zeit zu verlieren und ohne sich ihrer Berechnungen bewusst zu sein, erstellte sie ein weiteres Portal, aus dem sie mehr fiel als heraustrat. Orientierungslos rollte sie einen Abhang hinunter. Mehrmals prallte die Magus dabei gegen kleinere Steine und Baumstümpfe, bis sie dann endlich zum Stillstand kam und das Bewusstsein verlor.

    Ist alles in Ordnung mit Ihnen?, erkundigte sich eine tiefe, dunkle Stimme. Femm schlug langsam die Augen auf und versuchte nach oben zu sehen. Dort stand eine Frau Mitte Dreißig. Sie betrachtete die Magus besorgt und auch kritisch.

    Ich bin mir nicht sicher, kam die quälende Antwort. Ich habe höllische Schmerzen.

    Was ist denn passiert, mein Kind?, wollte die Frau nun wissen.

    Ich bin wohl gestolpert und den Abhang hinuntergerollt.

    Sie waren im Wald?, fragte die Frau entsetzt und betrachtete jetzt Femm etwas genauer. Ja, das waren sie. Wir sollten sie so schnell wie möglich zu unserem Medicus bringen. Ihre Verletzungen sind schlimm. Und wenn der ätzende Tau weiter in ihren Organismus eindringt, ist das tödlich. Kommen Sie. Ich hoffe, Sie können gehen.

    Ist es weit?

    Zirka zweieinhalb Kilometer in dieser Richtung, antwortete die Fremde.

    Das schaff ich, sagte Femm und ließ ein neues Portal entstehen, dessen anderes Ende in gerader Linie zweitausend  Meter weiter lag. Kommen Sie schon, forderte die Magus sie auf. Ich kann das Portal auch nicht ewig aufhalten.

    Was sind Sie?, fragte die Fremde aufgeregt und ängstlich zugleich.

    Ich bin eine Magus, die ohne Ihre Hilfe bald tot ist. Jetzt kommen Sie schon. Femm hatte es mittlerweile geschafft aufzustehen, weswegen sie auch in der Position war, ihre Helferin in Richtung des Durchgangs zu schieben, was ihr aufgrund der Schmerzen jedoch nicht leicht fiel.

    Als die beiden kurz vor der Siedlung aus dem Portal traten, bemerkte dies kaum jemand. Einige, die das Phänomen jedoch beobachtet hatte, liefen auf die Frauen zu und fragten, was passiert sei. Nachdem Femms Helferin ihnen alles erklärt hatte, machten sich sofort zwei der Bewohner auf den Weg, ein Fahrzeug zu organisieren, in dem sie dann die Magus zu ihrem Medicus brachten. Der beeilte sich ihr einige Medikamente zu verabreichen und sich dann um die durch die Säuren verletzte Haut zu kümmern.

    Was ist das?, frage Femm interessiert, als sie den Arzt dabei beobachtete, wie er ein Gerät, das optisch Ähnlichkeit mit einem Handscanner besaß, über ihren Unterarm bewegte.

    Das ist ein von mir weiterentwickelter Apparat, um ihre Verätzungen schneller heilen zu lassen. Er besteht aus einer organischen, genveränderten Flüssigkeit, welche die Zellen Ihrer Haut anregen werden, sich zu reproduzieren und einer Einheit, die Licht in einer bestimmten Wellenlänge verbreitet, welches wiederum die genveränderte Flüssigkeit positiv beeinflusst.

    Das haben Sie selbst entwickelt?, fragte die Magus beeindruckt.

    Ich habe vor dem Krieg in der technisch-medizinischen Forschung gearbeitet. Wir haben dort viele Dinge entwickelt, welche die Behandlungen von Patienten vereinfachten und beschleunigten. Ganz besonders im Bereich der Chirurgie haben wir damals enorme Fortschritte gemacht, sodass man fast niemanden mehr wirklich aufschneiden musste. Der Mann machte eine kurze Pause, bevor er in Erinnerungen schwelgend weitersprach. Das waren noch Zeiten gewesen, als alles friedlich in diesem Land verlief. So ganz ohne Mittel- und Unterschicht. Niemand musste hungern oder sich verstecken.

    Was wollten Sie eigentlich da oben in dem Wald?, wurde der Medicus in seinen Gedanken von Femms Retterin unterbrochen, die offensichtliche diese Abschweifungen des Arztes zu Genüge kannte.

    Ich wollte genaugenommen gar nicht in den Wald. In der Eile hatte ich die Strecke des Portals zu kurz gewählt.

    Portal?, wiederholter der Medicus verständnislos.

    Ich bin eine Magus. Wir können Portale öffnen und dann durch sie hindurch springen, um schnell an einen entfernten Ort zu kommen. Wir nennen das portieren, erklärte Femm dem erstaunten Mann.

    Und warum sind Sie überhaupt in diese Richtung gesprungen?, hakte die Frau nach.

    Ich war dabei ein Hover zu verfolgen, der kurz zuvor noch etwas außerhalb der Kleinstadt dort hinten, Femm deutete mit dem Daumen hinter sich, gelandet war. Vermutlich hat er jemanden aufgenommen, mit dem ich zusammen bin.

    Sie meinen einen dieser Patrouillenhover?, vergewisserte sich der Medicus.

    Genau. Haben sie einen solchen gesehen?

    Ich habe ihn gehört. Es hatte mich schon gefragt, warum der so tief fliegt. Aber wenn Sie sagen, dass er bei der Stadt heruntergegangen ist, wundert mich die niedrige Flughöhe nicht mehr.

    Dann wissen Sie also nicht, in welche Richtung er geflogen ist?, erkundigte sich Femm enttäuscht.

    Nein, leider nicht. Ich denke aber, dass wir jemanden finden werden, der Ihnen diese Frage beantworten kann.

    Ich kann das, mischte sich eine der Personen ein, die zuvor das Fahrzeug organisiert hatte, welches die Magus und ihre Retterin zum Medicus brachte. Der Hover flog in etwa südöstlicher Richtung.

    Bist du dir da ganz sicher?, wollte der Medicus überrascht wissen. Ich kenne mich etwas aus mit dieser überdrehten Sicherheitsfirma. Als junger Mann habe ich dort während meines Studiums gearbeitet, um mir etwas dazuzuverdienen.

    Sie meinen, Sie waren für die ProTeq tätig, als die noch Alarmanlagen in Wohnhäuser verbauten?, erstaunte sich Femm.

    Ja. Damals waren die noch nicht so mächtig, wie sie es heute sind. Ein ambitioniertes Unternehmen, das stetig größer wurde, richtig. Aber dass sie eines Tages die Sicherheit, das Militär und wer weiß was noch stellen würden, davon war in der Zeit niemand ausgehen. Es trat ein kurzes Schweigen ein, dann fuhr der Arzt fort. Jedenfalls kenne ich mich mit diesem Lumpenpack ein wenig aus und wenn du sagst, der Hover wäre in südöstlicher Richtung unterwegs wundert mich das deswegen, weil die dort keine Basen haben.

    Wahrscheinlich hat er später dann noch abgedreht, mischte sich jetzt Femms Helferin ein.

    Das denke ich weniger, widersprach die Magus jedoch. Wenn, dann hätte er bereits wenig später nach dem Start abgedreht. Die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten bleibt immer eine Grade. Hat jemand von Ihnen vielleicht eine Karte?

    Ich kenne jemanden in der Siedlung, der einige Karten von der Umgebung und dem Land hat, meldete sich jetzt die zweite Person, die zuvor den Wagen organisiert hatte. Ich kann Sie gerne dorthin bringen.

    Das wäre großartig, freute sich Femm. Wir sollten dann losgehen.

    Kapitel 6

    Es waren weniger als fünfunddreißig Stunden vergangen, seitdem Kaziir und Tandra das Antiquar der Templar mit dem ausgeliehenen Fahrzeug verlassen hatten. Thevog hatte noch versprochen, dass er, sobald sie Shilané fanden, wieder zu den beiden aufschließen würde. Vermutlich würde dies aber nicht so schnell der Fall sein, da das Antiquar eine riesige Bibliothek besaß, in der der Junge schon ziemlich bald nach ihrer Ankunft verschwand. Kaziir war dies auch ohne weiteres recht, denn sie hatte nun ein Vielzahl an Aufgaben zu erledigen, die durch den Tod von Riém jetzt auf die Suprimekommandantin zugekommen waren.

    In der Zentral von Çapitis angekommen, wollte sie daher zunächst einmal duschen und sich frisch machen, bevor es an die Arbeit ging. Desgleichen hatte auch Tandra vor, die bei dem Wort duschen ihrer Lebenspartnerin einen eindeutigen Blick zuwarf, den Kaziir mit einem unsichtbaren Lächeln erwiderte. Doch soweit sollte es erst einmal nicht kommen. Kaum, dass die beiden durch die Tür waren, stürmten schon die ersten hochrangigen Offiziere auf sie zu.

    Frau Suprimegeneralin, rief einer von ihnen. Wir hatten keine Ahnung, wann Sie kommen würden. Kaziir schaute verwundert hinter sich, ob da noch jemand war, der mit ihr zusammen das Gebäude betreten hätte. Doch da war niemand. Tandra blickte sich ebenfalls unsicher um. Dann blieb der Offizier direkt vor Kaziir stehen und salutierte, was etwas unsinnig aussah, da dies ein geheimes Operationszentrum der Renegaten war und niemand eine Uniform trug. Etwas unentschlossen entgegnete Kaziir den Gruß und wartete ab, was passieren würde.

    Frau Suprimegeneralin, wiederholte der Mann erneut und wurde daraufhin sofort unterbrochen.

    Die Suprimegeneralin ist tot. Das wissen sie?, fragte die Renegatenlegende von Nuhåven.

    Das weiß ich, antwortete der Offizier beflissen. Dann dämmerte ihm etwas. Aber Sie wissen anscheinend noch nicht, dass Sie sie neue Suprimegeneralin sind. Auf Verfügung von Riém in ihrem Nachlass. Kaziir klappte der Kiefer herunter. Nein, das wusste sie natürlich noch nicht. Wer hätte ihr das auch sagen können?

    Bringen Sie mich zum Kommandanten, forderte sie den Mann auf, der auf der Stelle kehrtmachte und mit den beiden im Schlepptau davoneilte. Wenige Minuten später standen sie in einem geräumigen Büro einer Im- und Export Firma, da die gesamte Zentrale des Widerstandes als eines der führenden Kontore des Landes getarnt war. Die

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1